TE Bvwg Erkenntnis 2021/7/16 W164 2213200-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 16.07.2021
beobachten
merken

Entscheidungsdatum

16.07.2021

Norm

AlVG §10
AlVG §38
B-VG Art133 Abs4
VwGVG §28 Abs1
VwGVG §28 Abs2
VwGVG §28 Abs5

Spruch


W164 2213200-1/13E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Dr. Rotraut LEITNER als Vorsitzende sowie die fachkundigen Laienrichter Mag. Felix SPEISS (aus dem Kreis der ArbeitgeberInnen) und Peter SCHERZ (aus dem Kreis der ArbeitnehmerInnen) als Beisitzer über die Beschwerde von XXXX , geboren am XXXX , vertreten durch Rechtsanwalt Dr. Peter Zawodsky, Wien, gegen den Bescheid des Arbeitsmarktservice , AMS 331-Tulln, vom 15.10.2018, in der Fassung der Beschwerdevorentscheidung vom 27.12.2018, GZ RAG/05661/2018 nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung und einer nicht öffentlichen Beratung vom 02.07.2021 zu Recht erkannt:

A)

Der angefochtene Bescheid wird gemäß § 28 Abs 1, Abs 2 und Abs 5 Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz (VwGVG) aufgehoben.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.



Text


Entscheidungsgründe:

I. Verfahrensgang:

Mit dem angefochtenen Bescheid sprach das Arbeitsmarktservice (im Folgenden: AMS) aus, dass der Beschwerdeführer (im folgenden BF) den Anspruch auf Notstandshilfe gem. § 38 iVm § 10 AlVG für die Zeit von 21.09.2018 bis 01.11.2018 verloren habe. Dieser Zeitraum verlängere sich um in ihm liegende Zeiträume, während derer Krankengeld bezogen wurde. Zur Begründung führte das AMS aus, der BF habe eine vom AMS angebotene Beschäftigung als Werbegraphiker bei der Firma XXXX durch sein Verhalten vereitelt. Gründe für eine Nachsicht der Rechtsfolgen würden nicht vorliegen bzw. könnten nicht berücksichtigt werden.

Gegen diesen Bescheid erhob der BF fristgerecht Beschwerde und führte aus, der Standpunkt der Behörde sei unrichtig. Tatsächlich habe das AMS dem BF am 13.09.2018 ein Stellenangebot übermittelt. Der BF habe sich mit E-Mail vom 16.09.2018 für diese Stelle beworben. Er sei zu einer Vorauswahl vom 21.09.2018 beim AMS Wagramerstraß3 geladen worden und habe diesen Termin wahrgenommen. Anlässlich des dort geführten Einzelbewerbungsgesprächs habe ihn die Dame mit der Frage begrüßt, ob er bereit wäre, für eine „Pushy-Agentur“ zu arbeiten. Dem BF sei dieser Ausdruck nicht bekannt gewesen. Er habe geantwortet, dass er sich für den Arbeitsplatz für geeignet halte, aber nicht wisse, wer der Dienstgeber sein würde. Die Dame habe entgegnet, dass sie den Dienstgeber nicht nennen dürfe. Der BF habe darauf geantwortet, dass es für ihn schon wichtig wäre zu wissen, für wen er arbeiten würde. Symbolisch habe er dann angemerkt, dass er für ein Atomkraftwerk nicht gerne arbeiten würde. In der Folge habe sich das Gespräch auf die Berufserfahrung und Qualifikation der Dame gerichtet. Zum Abschied habe die Dame die Expertise des BF gelobt und im Übrigen gemeint, dass sie sich überlegen würde, ob der BF in die engere Auswahl kommen würde. Mit Schreiben vom 21.09.2018 sei dem BF von seinem AMS-Berater mitgeteilt worden, dass sein Bezug eingestellt würde, da er Bewerbungen nicht ordnungsgemäß vorgenommen habe. Am 10.10.2018 sei mit dem BF eine Niederschrift gem. § 10 AlVG aufgenommen worden. Der BF habe bei diesem Gespräch nicht verständlich machen können, dass er sehr wohl arbeitswillig wäre und mit seiner Bemerkung, dass er nicht für ein Atomkraftwerk arbeiten wolle, auf humorvolle Weise die Grenzen des Legitimen habe aufzeigen wollen – dies gerade deshalb, weil auch die Stellenausschreibung stark humoristische Züge gehabt habe. Der BF beantragte die Einvernahme der Dame, mit der er das Gespräch geführt hatte und die Einvernahme seines damaligen Beraters.

Mit Beschwerdevorentscheidung vom 27.12.2018, Zl. RAG/05661/2018, hat das AMS diese Beschwerde als unbegründet abgewiesen. Zur Begründung führte das AMS aus, der BF beziehe seit November 2004 mit Unterbrechungen durch selbständige Tätigkeit Leistungen aus der Arbeitslosenversicherung. Seit April 2013 sei er geringfügig selbständig erwerbstätig. Das dem BF am 13.09.2018 für die Beschäftigung als Werbegraphiker gesendete Inserat wurde wörtlich wiedergegeben. Der BF sei zu der laut Inserat vorgesehenen Vorauswahl erschienen. Noch am selben Tag habe das Service für Unternehmen dem AMS-Berater des BF gemeldet, dass der BF für gewisse Kunden einer Agentur nicht arbeiten wollen würde, da er manches nicht vertreten könne. Der BF verfüge über eine große Expertise, diese gehe jedoch eher in Richtung Kunst. Der BF habe dem im Rahmen der Niederschriftsaufnahme vom 10.10.2018 entgegnet, dass ein Missverständnis unterlaufen sei. Bis dato habe der BF keine vollversicherungspflichtige Beschäftigung aufgenommen.

Dem BF sei vorzuhalten, dass er bei seinem Vorstellungstermin die Unbekanntheit des potentiellen Dienstgebers zum Thema gemacht und nicht nur einmal nachgefragt habe sondern darauf beharrt habe, den potentiellen Dienstgeber in Erfahrung bringen zu wollen, ferner, dass er angegeben habe, für bestimmte Auftraggeber aus bestimmten persönlichen Gründen nicht arbeiten zu wollen. Der BF habe so ein Verhalten gesetzt, das einen potentiellen Dienstgeber veranlasst hätte, ihn nicht einzustellen. Sinn der Vorauswahl sei es, den potentiellen Dienstgeber zu entlasten und mögliche qualifizierte Personen vorweg durch das AMS auszusuchen. Die Bekanntgabe des Dienstgebers an den Bewerber wäre erst nach Aufnahme in die engere Auswahl erfolgt.

Am 02.07.2021 wurde beim Bundesverwaltungsgericht eine mündliche Verhandlung abgehalten, an der der BF im Beisein seines Rechtsvertreters sowie in Anwesenheit einer Vertreterin des AMS teilnahm. Der AMS-Berater des BF wurde als Zeuge vernommen. Jene Mitarbeiterin des AMS, die mit dem BF das Vorauswahlgespräch geführt hatte, wurde ebenfalls zur Verhandlung geladen. Sie sagte ihre Teilnahme aus gesundheitlichen Gründen ab.

Der BF machte die folgenden Angaben: Er sei gelernter Schriftsetzer, habe durch Kurse Graphik – noch ohne Computer – erlernt. Er sei stets als Graphiker, zeitweise auch als „art-direktor“ tätig gewesen, überwiegend für Werbeagenturen. Er habe sich fortgebildet und sei mit Graphik-Programmen vertraut. Der BF habe auch ein Netzwerk gehabt. Allerdings seien diese Personen 2004 (als der BF arbeitslos wurde) in einem Alter gewesen, in dem man in Alterspension ging. Der BF habe sukzessive sein Netzwerk verloren. Er sei dann selbständig tätig gewesen. Aber seine Einkünfte seien gering geblieben. Mit der Zeit habe er feststellen müssen, dass er zu alt sei für die Branche. Als Art-Direktor habe er immer gut verdient. Der BF hätte jedoch gerne auch Arbeiten im Graphikdesign angenommen. Sein Gegenüber habe sich jedoch meist für junge BewerberInnen entschieden.

Im graphischen Bereich würde der BF jeden Job gerne nehmen. Graphik sei ihm das Liebste. Dies habe er sein Leben lang gemacht. In dieser Branche müsse man witzig sein und aus der Reihe tanzen, sonst könne man nicht kreativ sein. Meist schaue er schon vor der Bewerbung, um was für ein Unternehmen es sich beim potentiellen Dienstgeber handelt, um etwa zu wissen, ob man mit Zahlen arbeiten müsse oder mit Kochrezepten. Im vorliegenden Fall sei das nicht möglich gewesen. Der BF sei aber offen für alles gewesen.

Beim Vorauswahlgespräch habe sich die Dame nicht vorgestellt sondern gleich die Frage gestellt, ob der BF bereit wäre in einer Pushy-Agentur zu arbeiten. Der BF habe sich zunächst nur gedacht, „höre ich recht?“ und habe dann gesagt, „ich bin der Richtige“ Der BF habe bei diesem Gespräch gleich am Anfang eindeutig gesagt, dass er sich für den Job interessiere.

Sein Portfolio habe er bei der Vorauswahl vorgezeigt. Seine Expertise sei auch gelobt worden. Dann habe die Dame hauptsächlich über sich selbst gesprochen und über ihre Tätigkeit im Marketing. Der BF habe nach dem Gespräch eigentlich ein gutes Gefühl gehabt, da er das könne und in diesem Bereich schon Erfahrung habe. Dass der BF künstlerisch tätig war, sei aus seinem Lebenslauf hervorgegangen. Der BF habe nicht damit gerechnet, dass ihm das negativ ausgelegt werde könnte.

Der BF habe nicht darauf beharrt, den Namen des Dienstgebers zu erfahren. Er habe nur wissen wollen wer es ist, da er sich üblicherweise anschaue, was dieses Unternehmen macht um sich drauf einstellen zu können. Da das Inserat des potentiellen Dienstgebers wörtlich gefordert habe, dass man „verrückt“ sein müsse, um für das Unternehmen arbeiten zu wollen, sei der BF bemüht gewesen, sich im Rahmen der Vorauswahl gleichsam „verrückt“ zu inszenieren und so sei es auch spontan zu dem Ausspruch mit den Atomkraftwerken gekommen. Denn der BF verbinde Atomkraftwerke mit Krieg. Er sei davon ausgegangen, dass dies als humoristisch verstanden werden würde. Dies seien ja Leute, die mit Worten wie „verrückt“ spielen.

Von seinem Berater sei er mit der schriftlichen Mitteilung des Service für Unternehmen des AMS (im folgenden SFU) konfrontiert und gefragt worden, wie das war. Dann habe der BF seinen Ausspruch betreffend das Arbeiten für ein Atomkraftwerk erwähnt. Jedoch sei er der Meinung, dass er klar gemacht habe, dass dieser Ausspruch bei der Vorauswahl humoristisch gemeint gewesen sei. Aus der Sicht des BF habe sich das Gespräch mit seinem Berater „verwickelt“. Aus der Sicht des BF habe sein Berater nicht den Zusammenhang mit seiner Erwähnung eines Atomkraftwerks und der fehlenden Auskunft über den potentiellen Dienstgeber verstanden.

Der als Zeuge vernommene Berater des BF machte die folgenden Angaben:

Er sei seit etwa September oder Oktober 2018 der Berater des BF. Er selbst sei damals etwa habe damals einen ganzen Kundenstock übernommen. Bezogen auf das vorliegende Inserat sei ihm die Art der Beschäftigung schon klar gewesen. Für ihn sei wesentlich gewesen, dass keine Bedenken gegen die angebotene Beschäftigung vorliegen. Im Fall des BF habe er dann eine Meldung vom SFU mit der im Akt aufliegenden Formulierung „will gewissen Kunden einer Agentur nicht bearbeiten, da er aus verschiedensten Gründen (persönlich) manches nicht vertreten kann. Hohe Expertise, aber eher in die Richtung Kunst.“ bekommen. Daraufhin habe er eine Prüfung nach § 10 eingeleitet, da in der Meldung stand, dass der BF für gewisse Kunden einer Agentur nicht arbeiten möchte.

Mit der Verfasserin der genannten Notiz gesprochen oder telefoniert habe der Z aus Anlass ihrer Rückmeldung nicht. Wenn Formulierungen schwammig seien, könne man das mit beiden Seiten klären. Bei der Mitarbeiterin des SFU wäre zu erwarten gewesen, dass sie sich einige Tage nach dem Gespräch nicht mehr erinnern könne, denn sie habe täglich mit 60-70 Bewerbern zu tun. Der Z habe daher beschlossen die Sache mit dem BF zu klären. Er habe wissen wollen, was bei diesem Gespräch falsch gelaufen sei. Der Z habe gegenüber dem BF thematisiert, dass laut Rückmeldung des SFU gewisse Unternehmen für den BF nicht in Betracht kommen würden, und habe wissen wollen, welche Unternehmen das seien. Dann sei das Gespräch auf die Atomkraftwerke gekommen und der Z habe eingewendet, dass dieses Argument weit hergeholt sei, da die Wahrscheinlichkeit in Österreich für Atomkraftwerk arbeiten zu müssen, sehr gering seit. Der Z habe den Ausspruch betreffend das Atomkraftwerk zunächst nicht tragisch genommen. Das Gespräch sei aber immer wieder auf das Atomkraftwerk zurückgekommen. Der BF sei gleichsam auf diesem Thema „herumgeritten.“ Der Z habe dann den Eindruck gehabt, dass der BF hier etwas vorschiebe um die Beschäftigung nicht antreten zu müssen. Befragt, ob der Z in Erwägung zog, dass der BF wegen seiner unpassenden Qualifikation („Expertise mehr in Richtung Kunst“) und wegen seines Alters nicht in die engere Auswahl kam, gab der Z an, dies sei nicht sein Eindruck gewesen, denn in der schriftlichen Meldung des SFU sei nichts von einer falschen Qualifikation gestanden. Mit wem die Stelle letztendlich besetzt wurde, habe der Z nicht verfolgt.

Auf die Vernehmung jener Mitarbeiterin des AMS, die mit dem BF das Gespräch über die Vorauswahl geführt hat, wurde von beiden Parteien des Beschwerdeverfahrens verzichtet.

I. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

Der über 50 jährige BF war bis 2004 als Graphiker bei diversen Werbeagenturen beschäftigt. Er hatte dieses Fach noch als Zeichner ohne Computer erlernt. Mit Aufkommen der digitalen Möglichkeiten im Bereich Graphik hatte sich der BF fortgebildet und sich ein Netzwerk geschaffen, über das er immer wieder Arbeit bekam. Mit Anfang 40 – dem BF war sein bisheriges Netzwerk durch Pensionierungen sukzessive abhanden gekommen - versuchte dieser den Sprung in die Selbständigkeit. Dieser Schritt führte dazu, dass der BF bald nur mehr geringfügige Einnahmen erwirtschaftete. Der BF bezog neben seiner selbständigen Erwerbstätigkeit Arbeitslosengeld. Seine Fortbildung pflegte er weiterhin.

Am 13.09.2018 wurde dem BF eine Stelle als Graphiker mit einer Vorauswahl beim Service für Unternehmen des AMS zugewiesen. Der potentielle Dienstgeber wurde in dieser Stellenausschreibung noch nicht genannt. Die Stellenbeschreibung – sie begann mit den Worten „man muss schon ein bisschen verrückt sei, um bei uns zu arbeiten“ war unkonventionell und humoristisch gehalten. Der BF – er war gewohnt, sich die Unternehmen, bei denen er sich bewarb, vor der Bewerbung im Internet anzusehen und seine Bewerbungen auf das jeweilige Unternehmen „zuzuschneiden“ – schloss aus der genannten Stellenausschreibung, dass hier Kompetenz und Humor gefragt sind. Dem entsprechend bewarb er sich und plante, sich im Rahmen der Vorauswahl kompetent und humorvoll zu präsentieren. Er schloss seiner Bewerbung einen Lebenslauf an, der seine gesamte Expertise auswies.

Beim Gespräch für die Vorauswahl empfangen wurde der BF von einer Mitarbeiterin des AMS mit der Frage, ob er bereit wäre, für eine „Pushy-Agentur“ zu arbeiten. Der BF verstand nicht, was hier gemeint war, wollte sich aber keine Blöße geben. Er antwortete: „Ich bin der Richtige für diesen Job“ und lenkte das Thema auf die Frage, wer denn konkret der potentielle Dienstgeber sei. Dies wollte und durfte die Gesprächspartnerin des BF diesem an dieser Stelle nicht angeben. Bemüht, humorvoll zu erscheinen und das Gespräch nicht wieder auf den ihm fremden Ausdruck zu lenken, sagte der BF nun, dass ihm schon wichtig wäre zu wissen, wer sein Dienstgeber ist, denn für ein Atomkraftwerk würde er nicht gerne arbeiten wollen. Die Gesprächspartnerin des BF bestätigte ihm eine ausgezeichnete Expertise und verabschiedete ihn.

Im EDV-System „e-ams“ notierte die Gesprächspartnerin des BF nach dem Gespräch folgende Notiz: „will gewissen Kunden einer Agentur nicht bearbeiten, da er aus verschiedensten Gründen (persönlich) manches nicht vertreten kann. Hohe Expertise, aber eher in die Richtung Kunst.“

Am 10.10.2018 nahm der AMS-Berater mit dem BF eine Niederschrift auf und konfrontierte den BF mit der genannten Gesprächsnotiz. Der BF hatte nun zu erklären, wie das Gespräch abgelaufen war und versuchte zu rechtfertigen, dass er den konkreten Dienstgeber erfahren wollte, und dass er Atomkraftwerke nicht gutheißen würde, wobei sein diesbezüglicher Ausspruch offenbar missverstanden wurde, denn der BF sei leidenschaftlicher Graphiker. Bei seinem Berater erzeugte der BF damit den Eindruck, dass er etwas vorschieben wolle, um die Beschäftigung nicht antreten zu müssen.

2. Beweiswürdigung:

Beweis wurde aufgenommen durch Einsichtnahme in den Verwaltungsakt und Abhaltung der mündlichen Verhandlung vom 02.07.2021.

In dieser Verhandlung hat der BF in nachvollziehbarer Weise dargelegt, dass er sich im Rahmen des eingangs genannten Vorauswahlgespräches - mit Rücksichtnahme auf die sehr unkonventionelle Stellenausschreibung - kompetent und humorvoll inszenieren wollte, und dass der letztendlich getätigte Ausspruch, er würde nicht gerne für ein Atomkraftwerk arbeiten, seinen Grund in diesem Bemühen hatte. Der BF hat auch in der mündlichen Verhandlung den persönlichen Eindruck erzeugt, dass er seine Worte nicht mit Berechnung auswählt, was den Eindruck bekräftigt, dass der BF nicht gezielt einen Ausspruch tätigen wollte, der dem Erfolg seiner Bewerbung schaden würde. Soweit der BF bei seinem AMS-Berater den subjektiven Eindruck erweckt hat, dass er im genannten Vorstellungsgespräch bewusst unrealistische Szenarien vorgeschoben hätte, um die Stelle nicht antreten zu müssen so hat sich dieser Eindruck im Rahmen der mündlichen Verhandlung vom 02.07.2018 nicht bestätigt.

Es war daher insgesamt davon auszugehen, dass der BF im Rahmen des genannten Vorauswahlgesprächs nicht vorsätzlich (auch nicht im Sinne des bedingten Vorsatzes) gehandelt hat.

3. Rechtliche Beurteilung:

Gemäß § 6 BVwGG entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist. Gemäß § 56 Abs. 2 AlVG entscheidet das Bundesverwaltungsgericht über Beschwerden gegen Bescheide einer Geschäftsstelle durch einen Senat, dem zwei fachkundige Laienrichter angehören, je einer aus dem Kreis der Arbeitgeber und einer aus dem Kreis der Arbeitnehmer. Im vorliegenden Fall war daher Senatszuständigkeit gegeben.

Das Verfahren der Verwaltungsgerichte mit Ausnahme des Bundesfinanzgerichtes ist durch das VwGVG, BGBl. I Nr. 33/2013, geregelt (§ 1 leg.cit.). Gemäß § 58 Abs. 2 VwGVG bleiben entgegenstehende Bestimmungen, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes bereits kundgemacht wurden, in Kraft.

Gemäß § 17 VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles, die Bestimmungen der Bundesabgabenordnung – BAO, BGBl. Nr. 194/1961, des Agrarverfahrensgesetzes – AgrVG, BGBl. Nr. 173/1950, und des Dienstrechtsverfahrensgesetzes 1984 – DVG, BGBl. Nr. 29/1984, und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.

Zu A)

Gemäß § 10 Abs. 1 Z 1 AlVG verliert die arbeitslose Person, wenn sie sich weigert, eine ihr von der regionalen Geschäftsstelle oder einen vom Arbeitsmarktservice beauftragten, die Arbeitsvermittlung im Einklang mit den Vorschriften der §§ 2 bis 7 AMFG durchführenden Dienstleister zugewiesene zumutbare Beschäftigung anzunehmen oder die Annahme einer solchen Beschäftigung vereitelt, für die Dauer der Weigerung, mindestens jedoch für die Dauer der auf die Pflichtverletzung gemäß Z 1 bis 4 folgenden sechs Wochen, den Anspruch auf Arbeitslosengeld. Die Mindestdauer des Anspruchsverlustes erhöht sich mit jeder weiteren Pflichtverletzung gemäß Z 1 bis 4 um weitere zwei Wochen auf acht Wochen. Die Erhöhung der Mindestdauer des Anspruchsverlustes gilt jeweils bis zum Erwerb einer neuen Anwartschaft. Die Zeiten des Anspruchsverlustes verlängern sich um die in ihnen liegenden Zeiträume, während derer Krankengeld bezogen wurde.

Unter einer Weigerung versteht man, die ausdrückliche oder schlüssige Erklärung des Arbeitslosen, eine ihm zugewiesene zumutbare Beschäftigung nicht anzunehmen. Vereitelung ist ein für das Nichtzustandekommen der Beschäftigung ursächliches und auf den Eintritt dieser Wirkung gerichtetes (oder sie zumindest in Kauf nehmendes) Verhalten des Arbeitslosen.

Die geforderte Kausalität liegt bereits dann vor, wenn die Chancen für das Zustandekommen eines Beschäftigungsverhältnisses auf Grund der Vereitelungshandlung jedenfalls verringert wurden (VwGH 15.10.2014, 2013/08/0248).

Im vorliegenden Fall hat das Gesprächsverhalten des BF im Ergebnis die Chancen für das Zustandekommen des gegenständlichen Beschäftigungsverhältnisses verringert. Kausalität liegt daher vor. Dem BF war aber kein vorsätzliches Verhalten (auch nicht im Sinne des bedingten Vorsatzes vorzuhalten. Der Tatbestand der Vereitelung gem. § 10 AlVG ist daher nicht erfüllt.

Es war somit spruchgemäß zu entscheiden.

Zu B) Unzulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor, insbesondere da die Rechtslage eindeutig ist (VwGH 28.05.2014, Ro 2014/07/0053).

Schlagworte

Bewerbung Kausalität mündliche Verhandlung Notstandshilfe persönlicher Eindruck Vereitelung vorsätzliche Begehung zumutbare Beschäftigung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2021:W164.2213200.1.00

Im RIS seit

01.09.2021

Zuletzt aktualisiert am

01.09.2021
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
Zurück Haftungsausschluss Vernetzungsmöglichkeiten

Sofortabfrage ohne Anmeldung!

Jetzt Abfrage starten