TE Bvwg Erkenntnis 2021/7/21 W154 2244366-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 21.07.2021
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Entscheidungsdatum

21.07.2021

Norm

BFA-VG §22a Abs1
BFA-VG §22a Abs3
B-VG Art133 Abs4
FPG §76 Abs2 Z2
FPG §76 Abs3
VwGVG §35 Abs3
VwGVG §8a

Spruch


W 154 2244366-1/8E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag. KRACHER als Einzelrichterin über die Beschwerde von XXXX , geb. XXXX , StA. Algerien, alias XXXX , geb. XXXX , StA. Marokko, alias XXXX geb. XXXX , StA. Libyen, alias XXXX , geb. XXXX , StA. Libyen, alias XXXX , geb. XXXX , StA. Algerien, alias XXXX geb. XXXX , vertreten durch die Bundesagentur für Betreuungs- und Unterstützungsleistungen (BBU), gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 19.04.2021, Zahl: 1001813700/210206377, sowie die Anhaltung in Schubhaft seit 20.04.2021 zu Recht erkannt:

A)

I. Die Beschwerde wird gemäß § 76 Abs. 2 Z 2 FPG iVm § 22a Abs. 1 BFA-VG als unbegründet abgewiesen.

II. Gemäß § 22a Abs. 3 BFA-VG iVm § 76 Abs. 3 FPG wird festgestellt, dass die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen zum Zeitpunkt der Entscheidung vorliegen.

III. Gemäß § 35 Abs. 3 VwGVG i.V.m. § 1 Z. 3 und Z. 4 VwG-AufwErsV hat der Beschwerdeführer dem Bund Aufwendungen in Höhe von € 426,20 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

IV. Die Verfahrenshilfe wird gemäß § 8a VwGVG iVm § 64 Abs. 1 Z 1 lit. a ZPO im Umfang der Befreiung von der Entrichtung der Eingabegebühr bewilligt.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.


Text


Entscheidungsgründe:

I. Verfahrensgang und Sachverhalt:

1. Mit dem oben im Spruch angeführten Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl (BFA) wurde über den Beschwerdeführer (BF) gemäß § 76 Abs. 2 Z 2 FPG die Schubhaft zum Zweck der Sicherung der Abschiebung angeordnet. Der Bescheid wurde dem BF am 19.04.2021 durch persönliche Übergabe zugestellt.

Die belangte Behörde stützte die Fluchtgefahr dabei auf § 76 Abs. 3 Z 1, 3 und 9 FPG und bezog des Weiteren ein, dass der BF bereits während laufenden Asylverfahrens sich durch Untertauchen dem Verfahren entzogen habe, des Weiteren sei der BF mangels aufrechten Wohnsitzes für die Behörden nie greifbar gewesen, da er vor seiner Inhaftierung ohne behördliche Meldung gewesen sei, in mehrere Mitgliedstaaten abgetaucht sei und sich so im Verborgenen aufgehalten habe. Der Sicherungsbedarf sei aufgrund des Gesamtverhaltens des BF zu bejahen gewesen. Verhältnismäßigkeit unter Hinweis auf die Straffälligkeit des BF und die Haftfähigkeit des BF stünden der Anhaltung in Schubhaft ebenfalls nicht entgegen. Die Anordnung eines gelinderen Mittels sei bereits, aufgrund dessen sich der BF als besonders vertrauensunwürdig gezeigt habe, und dieses Verhalten für ein Untertauchen nach einer Freilassung aus der Schubhaft, um sich der Abschiebung zu entziehen, sprechen würde, zu versagen gewesen. Aufgrund des bislang gezeigten Verhaltens des BF bestehe ein beträchtliches Risiko des Untertauchens, weshalb der Schubhaftzweck, nämlich die Sicherung der Abschiebung, vereitelt würde.

2. Gegen den Bescheid, die Schubhaftanordnung sowie die fortdauernde Anhaltung in Schubhaft erhob der BF durch seine bevollmächtigte Vertretung am 14.07.2021 Beschwerde und begründete diese im Wesentlichen mit der Unverhältnismäßigkeit der Haft, da sich der BF bei Bescheiderlassung noch in Strafhaft befunden habe, und die Behörde offenbar ein Verfahren zur Erlangung eines Heimreisezertifikates (HRZ) nicht rechtzeitig vor Entlassung des BF aus der Strafhaft betrieben habe, des Weiteren mit der Unmöglichkeit der Durchführung einer Abschiebung mangels eines Heimreisezertifikates, da die Behörde bei verschiedenen nordafrikanischen Staaten bislang erfolglos um ein Heimreisezertifikat angesucht habe, mit dem Nichtvorliegen der Fluchtgefahr und der mangelhaften Prüfung der Anwendung gelinderer Mittel sowie der Verzögerung von Abschiebungen aufgrund der Covid-19 Pandemie aufgrund fehlender Realisierbarkeit der Abschiebung innerhalb der Schubhafthöchstdauer.

In der Beschwerde wurde beantragt, den bekämpften Bescheid zu beheben und auszusprechen, dass die Anordnung der Schubhaft und die bisherige Anhaltung in Schubhaft rechtswidrig erfolgt seien, des Weiteren auszusprechen, dass die Voraussetzungen zur weiteren Anhaltung des BF nicht vorliegen, ebenso die Durchführung einer mündlichen Verhandlung sowie der belangten Behörde den Ersatz der Aufwendungen aufzutragen. Unter Stellung eines Verfahrenshilfeantrages wurde beantragt, den BF von der Entrichtung der Eingabegebühr zu befreien.

3. Am 15.07.2021 legte die belangte Behörde die Verwaltungsakten vor und erstattete in Folge eine Stellungnahme. In der Stellungnahme führte die belangte Behörde im Wesentlichen wie folgt aus:

„Der Beschwerdeführer (idF BF) wird seit 20.04.2021 (Zeitpunkt der Entlassung aus der Strafhaft) in Schubhaft angehalten und befindet sich seither im Polizeianhaltezentrum Wien Hernalser Gürtel.

Zu den Punkten in der Beschwerde wird folgendes ausgeführt:

Entgegen den Ausführungen des BF war das Bundesamt während dessen Anhaltung in Strafhaft nicht untätig, die erforderlichen Schritte für die Erlangung und Ausstellung eines Heimreisezertifikates wurden rechtzeitig und ordnungsgemäß umgesetzt.

Das Bundesamt hat darzulegen, warum die Aufrechterhaltung der Schubhaft notwendig und verhältnismäßig ist.

Entgegen den Ausführungen des BF, wonach bisher kein Heimreisezertifikat für ihn erlangt werden konnte und es auch nicht absehbar sei, wie lange die Erlangung eines derartigen Dokumentes dauern würde, wird darauf verwiesen, dass der BF jahrelang die Erlangung von Heimreisedokumenten durch die Verwendung verschiedenster Aliasidentitäten, missbräuchlicher Asylantragstellungen und Nichtmitwirken am Verfahren, vereitelt hat. Festzuhalten ist auch, dass sich der BF während seines laufenden Asylverfahrens den Behörden durch Untertauchen entzog, zahlreiche Grenzverletzungen beging, indem sich der BF in andere Mitgliedstaaten begab und auch dort unter anderen Identitäten um Asylgewährung ansuchte. Am 14.01.2015 wurde der BF in Norwegen und am 04.11.2014 in der Schweiz aufgrund von Asylantragsstellungen erkennungsdienstlich behandelt. Am 25.09.2018 wurde der BF aus der Schweiz in das Bundesgebiet rücküberstellt, wo er unter der Identität XXXX , XXXX geb., StA von Libyen in Erscheinung trat. Auch im Bundesgebiet trat der BF unter einer anderen Identität in Erscheinung, nämlich XXXX , XXXX geboren, StA Algerien.

Wenn in der Beschwerde weiters angeführt wird, dass der BF früher nicht kooperiert hat, aber nun bei der Erlangung seines Heimreisezertifikates mitwirken wird, so wird darauf verwiesen, dass er bei der niederschriftlichen Einvernahme vor dem BFA vom 05.03.2021 keinesfalls gewillt war, bei der Erlangung eines Heimreisezertifikates wahrheitsgemäße bzw. generell Angaben zu seiner Person zu machen. Der BF stand während der niederschriftlichen Einvernahme vor dem BFA auf und verließ den Einvernahmeraum. Trotz mehrmaliger Versuche ihn zu überzeugen mitzuwirken, war der BF keinesfalls gewillt gegenüber den Behördenorganen wahrheitsgemäße Angaben zu seiner Person bzw. seiner Identität bekanntzugeben. Diese Daten wären für die Aufnahme eines Sprachgutachtens relevant gewesen und mussten daher aufgrund des Nichtmitwirkens des BF mit erheblichem Mehraufwand durchgeführt werden.

Bezüglich der familiären und sozialen Verhältnisse im Inland ist anzumerken, dass der BF keine Familienangehörigen in Österreich hat, seine Angehörigen leben im Herkunftsland. Die Angaben des BF in der Beschwerde, dass die Chancen des Untertauchens wegen fehlender familiärer Anbindungen geringer sind, sind nicht nachvollziehbar, da der BF in der Vergangenheit bereits mehrmals untergetaucht ist, sein Asylverfahren eingestellt werden musste und er sich in anderen Mitgliedstaaten unter falscher Identität verbarg. Der BF musste mehrmals im Zuge des Dublin-Verfahrens in das Bundesgebiet rücküberstellt werden. Er gab deutlich vor der niederschriftlichen Einvernahme vor dem BFA bekannt: „Ich werde sicher nicht nach Algerien zurückkehren, ich habe keine Unterlagen dort, keine Familie, keine Arbeit, niemand wartet auf mich dort. Ich werde eure Fragen sowieso nicht beantworten, ihr könnt ruhig probieren mich abzuschieben, ich werde sicher nicht nach Algerien gehen.“

Der BF gab an, dass er keinen Kontakt bzw. keine Angehörigen in seinem Herkunftsland hätte. Demgegenüber steht jedoch, dass er laut Telefonliste der JA laufend mit mehreren Angehörigen (Schwester, Bruder, Onkel, ..) in Algerien, Marokko, sowie Frankreich in telefonischem Kontakt steht.

Durch den ständigen telefonischen Kontakt mit Angehörigen, ist davon auszugehen, dass es dem BF möglich ist Identitätsdokumente durch seine Angehörigen zu erlangen. Dass der BF diese Schritte bisher nicht in die Wege geleitet hat ist ein weiteres Indiz dafür, dass der BF nicht rückkehrwillig ist.

Den Ausführungen, dass sämtliche Bemühungen des BFA zur Erlangung eines Heimreisezertifikates erfolglos geblieben sind, wird entgegengehalten, dass der BF nicht ansatzweise bereit ist, an der Feststellung seiner Identität mitzuwirken. Dies äußert sich unter anderem auch darin, dass er nicht einmal bereit ist auf die Fragen eines Organwalters zu antworten und während der Einvernahme aufsteht und den Raum verlässt. Weiters ist anzumerken, dass bereits eine Befundaufnahme zu seiner Herkunft stattgefunden hat und der Gutachter vorab bekanntgab, dass der BF höchstwahrscheinlich in Marokko hauptsozialisiert wurde. Es erfolgte am 31.05.2021 die negative Identifizierung der marokkanischen Botschaft, jedoch ohne persönliche Einvernahme des BF vor den Botschaftsangehörigen. Derzeit sind Verfahren zur Erlangung eines Heimreisezertifikates mit den Ländern Algerien und Marokko laufend. Aufgrund der Vorabinformation des Sprachgutachtens über die wahrscheinliche Herkunft aus Marokko und der telefonischen Kontakte nach Marokko wurde ein neues Verfahren mit Marokko eingeleitet.

Seitens des BFA wurden bereits folgende Verfahren für die Erlangung eines Heimreisezertifikates eingeleitet:

Für Algerien wurde am 11.10.2017 erstmals ein HRZ-Verfahren eingeleitet, die Ablehnung seitens der algerischen Botschaft erfolgte am 08.03.2018, sowie am 23.03.2019. Am 24.01.2019 wurde seitens des BFA nochmals ein Verfahren eingeleitet, am 21.03.2019 erfolgte eine erneute Ablehnung im Zuge des Vorführtermins. Am 07.07.2021 wurde aufgrund neuer vorliegender Tatsachen ein HRZ-Verfahren für Algerien eingeleitet, das Verfahren ist derzeit laufend.

Für Marokko wurde am 16.11.2017 erstmals ein HRZ-Verfahren eingeleitet, die negative Identifizierung erfolgte am 05.04.2018. Am 24.01.2019 wurde seitens des BFA nochmals ein Verfahren eingeleitet, zuletzt wurde am 17.02.2020 an die marokkanische Botschaft urgiert, am 31.05.2021 erfolgte die negative Identifizierung. Aufgrund neuer vorliegender Tatsachen wurde am 07.07.2021 neuerlich ein Verfahren für Marokko eingeleitet, das Verfahren ist derzeit laufend.

Für Libyen wurde am 08.05.2018 erstmals ein HRZ-Verfahren eingeleitet, die negative Identifizierung erfolgte am 28.11.2018. Am 24.01.2019 wurde seitens des BFA nochmals ein Verfahren eingeleitet, im Zuge des Vorführtermins am 11.06.2019 konnten Sie nicht als libyscher Staatsbürger identifiziert werden.

Für Ägypten wurde am 22.10.2018 erstmals ein HRZ-Verfahren eingeleitet, die negative Identifizierung erfolgte am 22.11.2018.

Für Tunesien wurde am 22.10.2018 erstmals ein HRZ-Verfahren eingeleitet, die negative Identifizierung erfolgte am 18.12.2018. Am 24.01.2019 wurde seitens des BFA nochmals ein Verfahren eingeleitet, am 02.04.2019 erfolgte erneut die negative Identifizierung.

Den Angaben des rechtlichen Vertreters des BF, dass das BFA bei der Verhängung der Schubhaft nicht auf die derzeitige Ausnahmesituation aufgrund des Corona-Virus (COVID-29) Rücksicht genommen hätte, wird entgegengehalten, dass dies im erstinstanzlichen Bescheid (siehe Seite 19) festgehalten wurde.

Das Verfahren zur Erlangung eines HRZ wird mit Nachdruck vom BFA geführt. Eine Abschiebung des BF ist von vornherein nicht unmöglich und kann auch zeitnah durchgeführt werden, sofern bis dahin auch die im Hinblick auf die zur Bekämpfung zur Covid-19 Pandemie betroffenen derzeit noch geltenden Reisebestimmungen einer tatsächlichen Abschiebung auf dem Luftweg nicht entgegenstehen.

Da sich der BF illegal im Bundesgebiet aufhält und er damit nicht zur legalen Arbeitsaufnahme berechtigt ist, bestehen jedoch hinreichend Gründe zur Annahme, dass der BF seinen Lebensunterhalt nach Entlassung aus der Schubhaft wieder durch Delikte nach dem SMG bestreiten wird, zumal er bereits 2 Mal wegen der Begehung von Suchtgiftdelikten und 2 Mal wegen Körperverletzung, schwerer Körperverletzung und Widerstand gegen die Staatsgewalt gerichtlich rechtskräftig verurteilt wurde.

Diese Straftaten werden von der belangten Behörde deshalb als sehr schwerwiegend erachtet, da sich in der Suchtgiftkriminalität eine besondere Gefährlichkeit manifestiert. Die Suchtgiftkriminalität ist in höchstem Maße sozialschädlich, da durch sie eine Gesundheitsgefährdung in großem Ausmaß entstehen kann, wobei zu bemerken ist, dass sie vor allem auch besonders schutzwürdige jugendliche Personen gefährdet. Durch seine Mitwirkung am Suchtgifthandel hat der Fremde dazu beigetragen, diese Gefahren zu verwirklichen. Das Fehlverhalten ist daher außerordentlich gravierend und gefährdet massiv die öffentliche Ordnung und Sicherheit.

In Hinblick auf die "verheerende Wirkung von Drogen auf das Leben von Menschen" gab auch der EGMR wiederholt sein Verständnis für die Bestimmtheit der Mitgliedstaaten im Vorgehen gegenüber Personen, die an der Verbreitung von Drogen aktiv mitwirken, zum Ausdruck (vgl. EGMR, 19.02.1998, Dalia gegen Frankreich, Nr. 154/1996/773/974; EGMR vom 30.11.1999, Baghli gegen Frankreich, Nr. 34374/97).

Seitens der Behörde sind auch keinerlei Anzeichen ersichtlich, dass der BF seine Verhaltensmuster – völliges Desinteresse am Mitwirken im Verfahren bis zum Widerstand gegen die Staatsgewalt – abgelegt hätte.

Wie aus der Gesamtschau der Verurteilungen des BF ersichtlich ist, zeigt er eine hohe kriminelle Energie. Trotz bereits verspürten Haftübels verharrt er unbeirrt in seinem Verhaltensmuster und wurde gegenteilig, in nur kürzester Zeit, erneut straffällig wodurch ihm keine positive Zukunftsprognose zugesprochen werden kann und somit jegliche Vertrauenswürdigkeit abgesprochen werden muss. Auf Grund dieser Erwägungen war davon auszugehen, dass im Falle des Fremden insgesamt Fluchtgefahr in einem die Anordnung der Schubhaft rechtfertigenden Ausmaß besteht.

Somit geht die belangte Behörde davon aus, dass der BF – entgegen der Behauptungen der rechtsfreundlichen Vertretung - auch in Hinkunft nicht gewillt ist, sich an die geltende Rechtsordnung zu halten und um Mitwirkung im Verfahren bemüht ist.

Entsprechend des bisherigen Verhaltens des BF begründen folgende Kriterien eine Fluchtgefahr:

- Der BF reiste zu einem unbekannten Zeitpunkt illegal in das Bundesgebiet ein;

- Am 12.02.2014 stellte der BF in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz;

- Am selben Tag wurden der BF vor der Polizeiinspektion Traiskirchen EAST Ost einer Erstbefragung unterzogen, bei der der BF befragt zum Flucht- bzw. Ausreisegrund und den Rückkehrbefürchtungen folgendes erklärte: „Mein Vater und der Bruder meines Vaters hatten einen längeren Konflikt wegen Geld. Eines Tages stach der Bruder meines Vaters meinen Vater in den Bauch. Ich konnte diesem Druck nicht standhalten und habe deswegen mein Heimatland verlassen. Sonst habe ich keine Fluchtgründe. Ich habe Angst vor Familienkonflikten.“

- In der Folge führte das Bundesamt gem. Dublin-III-VO Konsultationen mit den Mitgliedstaaten Frankreich und der Schweiz. Die Mitteilung gem. § 28 Abs 2 AsylG wurde dem BF mittels Verfahrensanordnung vom 14.02.2014 nachweislich am 17.02.2014 zugestellt;

- Mit Schreiben vom 13.02.2014 und 04.03.2014 erklärten die Mitgliedstaaten Frankreich und Schweiz ihre Unzuständigkeit gem. Dublin-III-VO. In der Folge tauchte der BF unter, weshalb das Asylverfahren am 03.04.2014 gem. § 24 Abs 2 AsylG eingestellt wurde. Gleichzeitig wurde gegen den BF gem. § 34 Abs 4 Z 1 BFA-VG ein Festnahmeauftrag erlassen;

- Am 06.04.2014 wurden der BF in Innsbruck von der Polizei angehalten und aufgrund des gegen den BF bestehenden Festnahmeauftrags festgenommen und am selben Tag der Regionaldirektion Tirol vorgeführt. Im Anschluss wurde das Asylverfahren zugelassen und der BF wurde durch Organwalter des BFA niederschriftlich einvernommen;

- Nach Beendigung der Einvernahme wurde die Festnahme des BF widerrufen und er wurde auf freien Fuß entlassen. In Folge tauchte der BF abermals unter und gab dem Bundesamt seine Aufenthaltsorte nicht bekannt;

- Der BF verließ daraufhin unerlaubt das österreichische Bundesgebiet und wurde im Februar 2015 in Norwegen angetroffen und am 19.02.2015 gem. Dublin-III-VO nach Österreich rücküberstellt;

- Mit Urteil des LG Wiener Neustadt vom 06.05.2015 zu 36 Hv 22/15g, rk mit 12.05.2015, wurde der BF gem. §§ 125 StGB, §§ 27 Abs 1 Z 1 8. Fall, 27 (3 u. 3) Z 1 SMG, 27 Abs 1 Z 1 2. Fall SMG, §§ 15, 269, 83, 84 Abs 2 Z 4 StGB zu einer Freiheitsstrafe von 9 Monaten, davon 8 Monate bedingt, Probezeit 3 Jahre, verurteilt;

- Mit Urteil des LG für Strafsachen Wien vom 12.06.2015 zu 162 Hv 94/15d, rk mit 17.08.2015, wurde der BF gem. §§ 27 Abs 1 Z 1 8. Fall, 27 Abs 3 SMG zu einer unbedingten Freiheitsstrafe von 10 Monaten verurteilt;

- Am 02.06.2016 stellte der BF bei der Polizeiinspektion Hörbranz unter der Identität XXXX , geb. XXXX , StA Algerien, abermals einen Asylantrag. Aufgrund eines dabei durchgeführten EURODAC-Abgleichs wurde festgestellt, dass der BF bereits am 12.02.2014 in Österreich einen Asylantrag gestellt hatte;

- In weiterer Folge verließ der BF abermals unerlaubt das österreichische Bundesgebiet und wurde am 30.03.2017 gem. Dublin-III-VO von der Schweiz nach Österreich rücküberstellt.

Gegenüber den Schweizer Behörden gab der BF als Identität XXXX , geb. XXXX , StA Libyen, an;

- Mit Bescheid vom BFA RD Tirol, VZ. 14098400 wurde am 14.08.2017 der Antrag auf internationalen Schutz, sowie die Zuerkennung des Status des subsidiären Schutzes, abgewiesen. Ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen wurde dem BF gemäß § 57 AsylG nicht erteilt. Es wurde gemäß § 52 Absatz 9 FPG festgestellt, dass seine Abschiebung gemäß § 46 FPG nach Algerien zulässig ist und eine Rückkehrentscheidung mit einem auf die Dauer von 7 Jahren befristetes Einreiseverbot erlassen. Der Bescheid erwuchs am 06.09.2017 in Rechtskraft I. Instanz;

- Am 10.10.2017 wurde ein HRZ-Verfahren mit Algerien eingeleitet. Der BF wurde von einem Mitarbeiter des BFA in der Justizanstalt Salzburg zur Erlangung eines HRZ niederschriftlich einvernommen. Der BF wirkte an der Erlangung des HRZ nicht mit;

- Der BF wurde mit Urteil des LG Salzburg vom 12.12.2017, GZ: 047 HV 53/2017w, rk. Am 16.12.2017, wegen der Verbrechen/Vergehen nach § 15 StGB §§ 83 (1), 84 (2) StGB; § 15 StGB § 269 (1) StGB; § 15 StGB § 83 (1) StGB; § 107 (1 u 2) StGB; § 15 StGB § 105 (1) StGB zu einer Freiheitsstrafe von 12 Monaten, davon 9 Monate bedingt, Probezeit 3 Jahre verurteilt. Im Anschluss wurde das BFA von der Justizanstalt telefonisch über das Urteil informiert und die bevorstehende Entlassung aus der Untersuchungshaft angekündigt;

- Daraufhin wurde vom BFA RD Salzburg gegen den BF ein Festnahmeauftrag gem. § 34 BFA-VG erlassen. Der BF wurde weiters ins PAZ Salzburg verbracht und fremdenpolizeilich einvernommen. Im Anschluss wurde gegen den BF durch das BFA RD-Salzburg die Schubhaft verhängt. Der BF wirkte weiterhin nicht bei der Erlangung eines Heimreisezertifikates mit, sodass der BF im Zuge des Vorführtermins seitens der algerischen Botschaft negativ identifiziert wurde und aus der Schubhaft entlassen wurde;

- Der BF ist nicht bereit seine Identität preiszugeben oder an seiner Identitätsfeststellung mitzuwirken oder aus eigenem Kontakt mit der Botschaft seines Heimatlandes aufzunehmen und machte bezüglich seiner Identität und Herkunft vielfach unterschiedliche Angaben;

- Der BF betrieb missbräuchlich Asylverfahren und versuchte in anderen Mitgliedstaaten die Antragsstellung auf Internationalen Schutz, um fremdenpolizeiliche Maßnahmen hintanzuhalten und benutzte dafür unterschiedliche Fluchtgründe und Identitäten; auch die asylrechtlichen Ausweisungen blieben durch den BF unbeachtet;

- Der BF missachtete wiederholt die österreichische Rechtsordnung, indem er bereits insgesamt 4 Mal wegen der Begehung von Suchtgiftdelikten, Körperverletzung, schwere Körperverletzung und Widerstand gegen die Staatsgewalt von inländischen Gerichten rechtskräftig verurteilt wurde;

- Der BF lukrierte von 12.02.2014 bis 08.08.2017 Sozialleistungen aus der Grundversorgung (Krankenversicherung, Verpflegung und Miete);

- Der BF verfügt nicht über ausreichend Barmittel, um seinen Unterhalt zu finanzieren. Der BF ist auch nicht in der Lage seine Beschwerdegebühr in der Höhe von EUR 30,- zu bezahlen, da er vollkommen mittellos ist. Es besteht die erhöhte Gefahr, dass der BF widerum in die Schattenwirtschaft bzw. wieder in die Suchtgiftkriminalität abgleitet, um sich seinen Lebensunterhalt zu finanzieren.

- Einer legalen Beschäftigung ging der BF nicht nach und ist auch nicht zur Aufnahme einer solchen berechtigt. Der BF finanzierte seinen Lebensunterhalt durch den Verkauf von Suchtmitteln trotz Geldmittel aus öffentlicher Hand;

- Der BF ist weder beruflich, noch sozial integriert;

- Der BF hat keine familiären Bindungen im Bundesgebiet;

- Der BF ist nicht ansatzweise bereit freiwillig das Bundesgebiet zu verlassen;

- Der BF war vor seiner Inhaftierung mehrmals melderechtlich nicht registriert bzw. nicht im Bundesgebiet aufhältig.

- Der Fremde war im Bundesgebiet nicht sozialversicherungspflichtig erwerbstätig.

Der BF hält sich nach wie vor unrechtmäßig im Bundesgebiet auf. Ein gültiges HRZ liegt derzeit nicht vor.

Seitens der Fremdenpolizeibehörden wurde bereits jahrelang versucht ein Heimreisezertifikat zu erlangen, am 07.07.2021 wurden neuerlich Verfahren zur Ausstellung eines HRZ mit Algerien und Marokko gestartet. Das BFA steht so wie bisher in ständigem Kontakt mit den zuständigen Botschaften.

Die Behörde kann zusammengefasst daher den Beschwerdeausführungen nicht folgen, wonach die angeordnete Schubhaft rechtswidrig oder unverhältnismäßig gewesen sei.

Die Anhaltung in Schubhaft ist jedenfalls nach Maßgabe der grundrechtlichen Garantien des Art. 2 Abs. 1 Z 7 PersFrBVG und des Art. 5 Abs. 1 lit. f EMRK nur dann zulässig, wenn der Anordnung der Schubhaft ein konkreter Sicherungsbedarf zugrunde liegt und die Schubhaft unter Berücksichtigung der Umstände des jeweiligen Einzelfalls verhältnismäßig ist. Dabei ist das öffentliche Interesse an der Sicherung der Aufenthaltsbeendigung und das Interesse des Betroffenen an der Schonung seiner persönlichen Freiheit abzuwägen. Kann der Sicherungszweck auf eine andere, die Rechte des Betroffenen schonendere Weise, wie etwa durch die Anordnung eines gelinderen Mittels nach § 77 FPG, erreicht werden (§ 76 Abs. 1 FPG), ist die Anordnung der Schubhaft nicht zulässig (VfGH 03.10.2012, VfSlg. 19.675/2012; VwGH 22.01.2009, Zl. 2008/21/0647; 30.08.2007, Zl. 2007/21/0043).

Ein Sicherungsbedarf ist in der Regel dann gegeben, wenn bestimmte Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass sich der Fremde dem Verfahren oder der Abschiebung entziehen oder diese zumindest wesentlich erschweren werde (§ 76 Abs. 3 FPG). Es ist allerdings nicht erforderlich, dass ein Verfahren zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme bereits eingeleitet worden ist (VwGH 28.06.2002, Zl. 2002/02/0138).

Auch aufgrund ständiger Judikatur des Bundesverwaltungsgerichts wegen CoV-19 (z. B. vgl BVwG ZI. W137 2218884-12/8E, BVwG ZI. W180 2226127-5/13E, BVwG Zl. W171 2126792-2/8E) gelangt das Bundesamt zum Ergebnis, dass sowohl die gesetzlichen Formalerfordernisse vorliegen, als auch, dass die Schubhaft zum Zweck der Maßnahme in einem angemessenen Verhältnis steht und im Interesse des öffentlichen Wohls dringend erforderlich sowie geboten ist.“

Am Ende der Stellungnahme beantragte die belangte Behörde die Abweisung der Beschwerde sowie den Ersatz der verzeichneten Kosten.

4. Im gegenständlichen Verfahren wurde seitens des Bundesverwaltungsgerichtes eine Anfrage an die für die Erlangung von Heimreisezertifikaten zuständige Abteilung des Bundesamtes zum bisher geführten Verfahren und zur Wahrscheinlichkeit einer baldigen Ausstellung eines Heimreisezertifikates für den BF gerichtet.

In der Anfragebeantwortung vom 19.07.2021 wurde wie folgt ausgeführt:

„bezugnehmend auf die beiden Fragen in Ihrer Anfrage zu XXXX (IFA: 1001813700), geb. XXXX ; StA: Algerien darf ich Ihnen Folgendes mitteilen:

?        Welche Schritte wurden bisher zur Erlangung eines Heimreisezertifikates für den Genannten gesetzt?

Wie angeführt wurden HRZ-Verfahren gestartet mit Algerien, Marokko, Libyen, Ägypten und Tunesien.:

Das Verfahren mit Ägypten wurde am 22.11.2018 ad acta gelegt, konnte seitens Ägypten nicht als StA identifziert werden.

Das Verfahren mit Tunesien wurde mit 02.04.2019 ad acta gelegt, nach Erhalt einer neg. Identifizierung aus Tunis.

Das Verfahren mit Libyen wurde am 13.06.2019 ad acta gelegt, nach Erhalt einer neg. Identifizierung (Person wurde am 11.06.2019 interviewt, Hinweis des Konsuls auf eine ALG StA).

Das 1. Verfahren mit MAR wurde am 09.04.2018 ad acta gelegt, nach Erhalt einer neg. Identifizierung aus Rabat.

Das 2. Verfahren mit MAR wurde am 31.05.2021 ad acta gelegt, nach Erhalt einer neg. Identifizierung aus Rabat.

Das 3. Verfahren mit MAR wurde am 19.07.2021 eingeleitet.

Das 1. Verfahren mit ALG wurde am 21.03.2019 ad acta gelegt, nach Erhalt einer neg. Identifizierung (Person wurde am 21.03.2019 interviewt).

Das 2. Verfahren mit ALG wurde am 08.07.2021 eingeleitet, am 15.07.2021 wurden weitere Daten an die BS übermittelt (Telefonkontaktdaten).

?        Wann und mit welcher Wahrscheinlichkeit ist mit der (baldigen) Ausstellung eines Heimreisezertifikates für den Betreffenden bzw. mit dessen Außerlandesbringung zu rechnen?

Zumal von keiner Kooperationsbereitschaft des Genannten hinsichtlich seiner Staatsangehörigkeit zu sprechen ist und noch keine pos. Identifizierung – weder seitens Algerien noch Marokko – vorliegt, ist aus heutiger Sicht dahingehend keine Prognose abgegeben werden.“

5. Die Stellungnahme der belangten Behörde vom 15.07.2021 wurde dem bevollmächtigten Vertreter des BF zur Stellungnahme übermittelt. Der BF sah von der Erstattung einer Stellungnahme ab.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

Der BF besitzt nicht die österreichische Staatsbürgerschaft und ist somit Fremder im Sinne des § 2 Abs. 4 Z 1 FPG.

Die Identität des BF steht nicht fest.

Der BF ist nicht im Besitz von identitätsbezeugenden Dokumenten und kann Österreich aus eigenem Entschluss nicht verlassen.

Gegen den BF bestand zum Zeitpunkt der Anordnung der Schubhaft eine durchsetzbare Rückkehrentscheidung.

Der BF verfügt in Österreich über keine privaten, familiären, beruflichen oder sonstigen sozialen Bindungen, über keine eigene gesicherte Unterkunft und über keine ausreichenden Existenzmittel zur Sicherung seines Lebensunterhaltes.

Der BF wurde in Österreich mehrfach strafgerichtlich verurteilt.

Das Verfahren zur Erlangung eines Heimreisezertifikates für den BF wurde seitens der Behörde bislang kontinuierlich geführt. Das Bundesamt hat das Verfahren zur Erlangung eines HRZ durch dessen Beantragung bei mehreren Vertretungsbehörden versucht, sodass ein HRZ ehestmöglich ausgestellt werden kann. Demgegenüber hat der BF die Verfahren zur Erlangung eines HRZ aufgrund seiner mangelnden Kooperationsbereitschaft mit der Behörde und seinen falschen, divergierenden Angaben selbstverschuldet in die Länge gezogen. Dass ein HRZ Verfahren geführt werden muss, ist ausschließlich der Sphäre des BF zuzurechnen.

Die Vertrauenswürdigkeit des BF ist insgesamt beeinträchtigt.

Auf Grundlage des gegenständlich angefochtenen Schubhaftbescheides befindet sich der BF in Schubhaft. Diese wird derzeit im PAZ Wien, Hernalser Gürtel, vollzogen.

Der BF ist hafttauglich.

2. Beweiswürdigung:

Der Verfahrensgang und der Sachverhalt ergeben sich aus dem Inhalt des vorgelegten Verwaltungsaktes des BFA sowie des Gerichtsaktes zur oben genannten Zahl.

Dass der BF nicht österreichischer Staatsbürger ist, ergibt sich aus einer IZR Abfrage.

Die Feststellung zur Identität ergibt sich aus dem Inhalt des vorgelegten Verwaltungsaktes des BFA sowie dem Gerichtsakt. So trat der BF – wie auch der Stellungnahme der belangten Behörde vom 15.07.2021 zu entnehmen ist (s. Seite 2) - in Österreich unter verschiedenen Identitäten auf und trat beispielsweise in der Schweiz unter libyscher Identität in Erscheinung. Bislang hat der BF noch keine Anstrengungen unternommen, seine wahre Identität ans Licht zu bringen. Dies obwohl er offensichtlich in Kontakt mit seinen Familienangehörigen in seinem Heimatland sowie in Frankreich steht (s. dazu die Stellungnahme des BFA vom 15.07.2021, Seite 3, bezugnehmend auf die Telefonliste der Justizanstalt).

Dass der BF bislang keine identitätsbezeugenden Dokumente in Vorlage brachte, die ihm möglicherweise die freiwillige Ausreise in sein Heimatland gestatten könnten, ergibt sich aus dem Verfahrensakt. Dass der BF diesbezüglich persönlich Bemühungen setzen würde, kommt auch aus der Beschwerde nicht hervor, dies obwohl der BF – wie oben dargelegt – in Kontakt mit seinen Familienangehörigen steht.

Das Vorliegen einer Rückkehrentscheidung iVm einem Einreiseverbot für den BF ergibt sich aus dem Verwaltungsakt. Mit Bescheid des BFA vom 14.08.2017 wurde der Antrag des BF auf internationalen Schutz sowie der Antrag auf Zuerkennung des Status des subsidiären Schutzes abgewiesen. Ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen wurde dem BF gemäß § 57 AsylG nicht erteilt. Es wurde gemäß § 52 Absatz 9 FPG festgestellt, dass seine Abschiebung gemäß § 46 FPG nach Algerien zulässig ist und eine Rückkehrentscheidung mit einem auf die Dauer von 7 Jahren befristetes Einreiseverbot erlassen. Der Bescheid erwuchs am 06.09.2017 unbekämpft in Rechtskraft.

Die Feststellung zur kontinuierlichen Führung des Verfahrens zur Ausstellung eines Heimreisezertifikates durch das BFA ergibt sich aus dem Verfahrensakt und der oben angeführten Stellungnahme der für die Erlangung von Heimreisezertifikaten zuständige Abteilung des BFA vom 19.07.2021. Daraus ist zu ersehen, dass HRZ-Verfahren mit Algerien, Marokko, Libyen, Ägypten und Tunesien geführt wurden.

Das Verfahren mit Ägypten wurde am 22.11.2018 ad acta gelegt, da der BF seitens Ägypten nicht als Staatsangehöriger identifziert werden konnte. Das Verfahren mit Tunesien wurde nach Erhalt einer negativen Identifizierung aus Tunis mit 02.04.2019 ad acta gelegt.

Das Verfahren mit Libyen wurde nach Erhalt einer negativen Identifizierung (der BF wurde am 11.06.2019 interviewt, Hinweis des Konsuls auf eine algerische Staatsangehörigkeit) am 13.06.2019 ad acta gelegt.

Das 1. Verfahren mit Marokko wurde nach Erhalt einer negativen Identifizierung aus Rabat am 09.04.2018 ad acta gelegt. Das 2. Verfahren mit Marokko wurde nach Erhalt einer negativen Identifizierung aus Rabat am 31.05.2021 ad acta gelegt. Das 3. Verfahren mit Marokko wurde am 19.07.2021 eingeleitet.

Das 1. Verfahren mit Algerien wurde nach Erhalt einer negativen Identifizierung (der BF wurde am 21.03.2019 interviewt) am 21.03.2019 ad acta gelegt. Das 2. Verfahren mit Algerien wurde am 08.07.2021 eingeleitet, am 15.07.2021 wurden weitere Daten an die Botschaft übermittelt (Telefonkontaktdaten).

Seitens der Behörde ist beabsichtigt, den BF unmittelbar nach Einlangen eines Heimreisezertifikates in seinen Herkunftsstaat abzuschieben, ein Abschiebetermin ist abhängig vom Einlangen eines Heimreisezertifikates.

Der Beschwerde ist dabei entgegenzuhalten, dass das BFA die Verfahren nicht erst seit der Anhaltung des BF in Strafhaft, sondern seit geraumer Zeit führt und dabei durch das unkooperative Verhalten des BF, der mit allen Mitteln seine Identität zu verschleiern versucht, am erfolgreichen und zeitnahen Abschluss der Verfahren gehindert wird.

Die Feststellung zur strafgerichtlichen Verurteilung des BF in Österreich ergibt sich aus einer Anfrage an das Strafregister, aus dem Verfahrensakt und den im Gerichtsakt einliegenden Urteilsausfertigungen.

Die Feststellung zur Anhaltung in Schubhaft ergibt sich aus der Anhaltedatei-Vollzugsverwaltung des Bundesministeriums für Inneres.

Die Feststellungen zur gänzlich fehlenden sozialen und beruflichen Integration und dem fehlenden Wohnsitz ergeben sich zum einen aus der Einvernahme des BF vor dem Bundesamt am 05.03.2021 sowie aus einer Anfrage zum Zentralen Melderegister. Die Feststellungen zu seinen finanziellen Verhältnissen ergeben sich aus der Anhaltedatei und aus dem der Beschwerde angefügten Vermögensbekenntnis.

Die beeinträchtigte Vertrauenswürdigkeit des BF ergibt sich zum einen aus den verschiedenen Identitäten, die der BF zu führen pflegt, um eine Abschiebung zu erschweren, er hielt sich im Verborgenen auf, um dem Zugriff der Behörde zu entgehen, achtete die österreichische Rechtsordnung nicht, war nie legal erwerbstätig und kam seiner Verpflichtung zur Ausreise nicht nach. In der Einvernahme vom 05.03.2021 verhielt er sich der Behörde gegenüber äußerst unkooperativ, indem er von sich aus wütend den Einvernahmeraum verließ und nicht mehr zur Fortführung der Einvernahme überredet werden konnte, weshalb diese abgerochen werden musste.

Es haben sich keine Anzeichen ergeben, wonach beim BF Haftunfähigkeit vorliegen würde. Dies hat der BF in seiner Einvernahme vom 05.03.2021 auch nicht behauptet. Darüber hinaus ist es notorisch, dass im Falle gesundheitlicher Probleme eine engmaschige gesundheitliche Kontrolle im Rahmen der Schubhaft durchgeführt wird. Falls Haftuntauglichkeit eintritt, wäre der BF jedenfalls sofort zu enthaften.

3. Rechtliche Beurteilung:

3.1. Der mit „Rechtsschutz bei Festnahme, Anhaltung und Schubhaft“ betitelte § 22a des BFA-Verfahrensgesetzes (BFA-VG), BGBl. I Nr. 87/2012 idgF, lautet:

㤠22a. (1) Der Fremde hat das Recht, das Bundesverwaltungsgericht mit der Behauptung der Rechtswidrigkeit des Schubhaftbescheides, der Festnahme oder der Anhaltung anzurufen, wenn

1. er nach diesem Bundesgesetz festgenommen worden ist,

2. er unter Berufung auf dieses Bundesgesetz angehalten wird oder wurde, oder

3. gegen ihn Schubhaft gemäß dem 8. Hauptstück des FPG angeordnet wurde.

(1a) Für Beschwerden gemäß Abs. 1 gelten die für Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 2 B-VG anwendbaren Bestimmungen des VwGVG mit der Maßgabe, dass belangte Behörde jene Behörde ist, die den angefochtenen Schubhaftbescheid erlassen hat oder der die Festnahme oder die Anhaltung zuzurechnen ist.

(2) Die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichtes über die Fortsetzung der Schubhaft hat binnen einer Woche zu ergehen, es sei denn, die Anhaltung des Fremden hätte vorher geendet. Hat das Bundesverwaltungsgericht dem Beschwerdeführer gemäß § 13 Abs. 3 AVG aufgetragen, innerhalb bestimmter Frist einen Mangel der Beschwerde zu beheben, wird der Lauf der Entscheidungsfrist bis zur Behebung des Mangels oder bis zum fruchtlosen Ablauf der Frist gehemmt.

(3) Sofern die Anhaltung noch andauert, hat das Bundesverwaltungsgericht jedenfalls festzustellen, ob zum Zeitpunkt seiner Entscheidung die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen vorliegen.

(4) Soll ein Fremder länger als vier Monate durchgehend in Schubhaft angehalten werden, so ist die Verhältnismäßigkeit der Anhaltung nach dem Tag, an dem das vierte Monat überschritten wurde, und danach alle vier Wochen vom Bundesverwaltungsgericht zu überprüfen. Das Bundesamt hat die Verwaltungsakten so rechtzeitig vorzulegen, dass dem Bundesverwaltungsgericht eine Woche zur Entscheidung vor den gegenständlichen Terminen bleibt. Mit Vorlage der Verwaltungsakten gilt die Beschwerde als für den in Schubhaft befindlichen Fremden eingebracht. Das Bundesamt hat darzulegen, warum die Aufrechterhaltung der Schubhaft notwendig und verhältnismäßig ist. Das Bundesverwaltungsgericht hat jedenfalls festzustellen, ob zum Zeitpunkt seiner Entscheidung die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen vorliegen und ob die Aufrechterhaltung der Schubhaft verhältnismäßig ist. Diese Überprüfung hat zu entfallen, soweit eine Beschwerde gemäß Abs. 1 bereits eingebracht wurde.

(5) Gegen die Anordnung der Schubhaft ist eine Vorstellung nicht zulässig.“

Das Bundesverwaltungsgericht ist somit gemäß § 22a Abs. 1 BFA-VG für die Entscheidung der gegenständlichen Beschwerde zuständig.

Zu Spruchteil A)

Zu Spruchpunkt I. (Schubhaftbescheid, Anhaltung in Schubhaft):

3.2. Der mit „Schubhaft“ betitelte § 76 des Fremdenpolizeigesetzes 2005 (FPG), BGBl. I Nr. 100/2005 idgF, lautet:

„§ 76. (1) Fremde können festgenommen und angehalten werden (Schubhaft), sofern der Zweck der Schubhaft nicht durch ein gelinderes Mittel (§ 77) erreicht werden kann. Unmündige Minderjährige dürfen nicht in Schubhaft angehalten werden.

(2) Die Schubhaft darf nur angeordnet werden, wenn

1. dies zur Sicherung des Verfahrens über einen Antrag auf internationalen Schutz im Hinblick auf die Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme notwendig ist, sofern der Aufenthalt des Fremden die öffentliche Ordnung oder Sicherheit gemäß § 67 gefährdet, Fluchtgefahr vorliegt und die Schubhaft verhältnismäßig ist,

2. dies zur Sicherung des Verfahrens zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme nach dem 8. Hauptstück oder der Abschiebung notwendig ist, sofern jeweils Fluchtgefahr vorliegt und die Schubhaft verhältnismäßig ist, oder

3. die Voraussetzungen des Art. 28 Abs. 1 und 2 Dublin-Verordnung vorliegen.

Bedarf es der Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme deshalb nicht, weil bereits eine aufrechte rechtskräftige Rückkehrentscheidung vorliegt (§ 59 Abs. 5), so steht dies der Anwendung der Z 1 nicht entgegen. In den Fällen des § 40 Abs. 5 BFA-VG gilt Z 1 mit der Maßgabe, dass die Anordnung der Schubhaft eine vom Aufenthalt des Fremden ausgehende Gefährdung der öffentlichen Ordnung oder Sicherheit nicht voraussetzt.

(2a) Im Rahmen der Verhältnismäßigkeitsprüfung (Abs. 2 und Art. 28 Abs. 1 und 2 Dublin-Verordnung) ist auch ein allfälliges strafrechtlich relevantes Fehlverhalten des Fremden in Betracht zu ziehen, insbesondere ob unter Berücksichtigung der Schwere der Straftaten das öffentliche Interesse an einer baldigen Durchsetzung einer Abschiebung den Schutz der persönlichen Freiheit des Fremden überwiegt.

(3) Eine Fluchtgefahr im Sinne des Abs. 2 Z 1 oder 2 oder im Sinne des Art. 2 lit n Dublin-Verordnung liegt vor, wenn bestimmte Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass sich der Fremde dem Verfahren oder der Abschiebung entziehen wird oder dass der Fremde die Abschiebung wesentlich erschweren wird. Dabei ist insbesondere zu berücksichtigen,

1. ob der Fremde an dem Verfahren zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme mitwirkt oder die Rückkehr oder Abschiebung umgeht oder behindert;

1a. ob der Fremde eine Verpflichtung gemäß § 46 Abs. 2 oder 2a verletzt hat, insbesondere, wenn ihm diese Verpflichtung mit Bescheid gemäß § 46 Abs. 2b auferlegt worden ist, er diesem Bescheid nicht Folge geleistet hat und deshalb gegen ihn Zwangsstrafen (§ 3 Abs. 3 BFA-VG) angeordnet worden sind;

2. ob der Fremde entgegen einem aufrechten Einreiseverbot, einem aufrechten Aufenthaltsverbot oder während einer aufrechten Anordnung zur Außerlandesbringung neuerlich in das Bundesgebiet eingereist ist;

3. ob eine durchsetzbare aufenthaltsbeendende Maßnahme besteht oder der Fremde sich dem Verfahren zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme oder über einen Antrag auf internationalen Schutz bereits entzogen hat;

4. ob der faktische Abschiebeschutz bei einem Folgeantrag (§ 2 Abs. 1 Z 23 AsylG 2005) aufgehoben wurde oder dieser dem Fremden nicht zukommt;

5. ob gegen den Fremden zum Zeitpunkt der Stellung eines Antrages auf internationalen Schutz eine durchsetzbare aufenthaltsbeendende Maßnahme bestand, insbesondere, wenn er sich zu diesem Zeitpunkt bereits in Schubhaft befand oder aufgrund § 34 Abs. 3 Z 1 bis 3 BFA-VG angehalten wurde;

6. ob aufgrund des Ergebnisses der Befragung, der Durchsuchung oder der erkennungsdienstlichen Behandlung anzunehmen ist, dass ein anderer Mitgliedstaat nach der Dublin-Verordnung zuständig ist, insbesondere sofern

a. der Fremde bereits mehrere Anträge auf internationalen Schutz in den Mitgliedstaaten gestellt hat oder der Fremde falsche Angaben hierüber gemacht hat,

b. der Fremde versucht hat, in einen dritten Mitgliedstaat weiterzureisen, oder

c. es aufgrund der Ergebnisse der Befragung, der Durchsuchung, der erkennungsdienstlichen Behandlung oder des bisherigen Verhaltens des Fremden wahrscheinlich ist, dass der Fremde die Weiterreise in einen dritten Mitgliedstaat beabsichtigt;

7. ob der Fremde seiner Verpflichtung aus dem gelinderen Mittel nicht nachkommt;

8. ob Auflagen, Mitwirkungspflichten, Gebietsbeschränkungen, Meldeverpflichtungen oder Anordnungen der Unterkunftnahme gemäß §§ 52a, 56, 57 oder 71 FPG, § 38b SPG, § 13 Abs. 2 BFA-VG oder §§ 15a oder 15b AsylG 2005 verletzt wurden, insbesondere bei Vorliegen einer aktuell oder zum Zeitpunkt der Stellung eines Antrags auf internationalen Schutzes durchsetzbaren aufenthaltsbeendenden Maßnahme;

9. der Grad der sozialen Verankerung in Österreich, insbesondere das Bestehen familiärer Beziehungen, das Ausüben einer legalen Erwerbstätigkeit beziehungsweise das Vorhandensein ausreichender Existenzmittel sowie die Existenz eines gesicherten Wohnsitzes.

(4) Die Schubhaft ist schriftlich mit Bescheid anzuordnen; dieser ist gemäß § 57 AVG zu erlassen, es sei denn, der Fremde befände sich bei Einleitung des Verfahrens zu seiner Erlassung aus anderem Grund nicht bloß kurzfristig in Haft. Nicht vollstreckte Schubhaftbescheide gemäß § 57 AVG gelten 14 Tage nach ihrer Erlassung als widerrufen.

(5) Wird eine aufenthaltsbeendende Maßnahme (Z 1 oder 2) durchsetzbar und erscheint die Überwachung der Ausreise des Fremden notwendig, so gilt die zur Sicherung des Verfahrens angeordnete Schubhaft ab diesem Zeitpunkt als zur Sicherung der Abschiebung verhängt.

(6) Stellt ein Fremder während einer Anhaltung in Schubhaft einen Antrag auf internationalen Schutz, so kann diese aufrechterhalten werden, wenn Gründe zur Annahme bestehen, dass der Antrag zur Verzögerung der Vollstreckung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme gestellt wurde. Das Vorliegen der Voraussetzungen ist mit Aktenvermerk festzuhalten; dieser ist dem Fremden zur Kenntnis zu bringen. § 11 Abs. 8 und § 12 Abs. 1 BFA-VG gelten sinngemäß.“

Die Anhaltung in Schubhaft ist nach Maßgabe der grundrechtlichen Garantien des Art. 2 Abs. 1 Z 7 PersFrBVG und des Art. 5 Abs. 1 lit. f EMRK nur dann zulässig, wenn der Anordnung der Schubhaft ein konkreter Sicherungsbedarf zugrunde liegt und die Schubhaft unter Berücksichtigung der Umstände des jeweiligen Einzelfalls verhältnismäßig ist. Dabei sind das öffentliche Interesse an der Sicherung der Aufenthaltsbeendigung und das Interesse des Betroffenen an der Schonung seiner persönlichen Freiheit abzuwägen. Kann der Sicherungszweck auf eine andere, die Rechte des Betroffenen schonendere Weise, wie etwa durch die Anordnung eines gelinderen Mittels nach § 77 FPG, erreicht werden (§ 76 Abs. 1 FPG), ist die Anordnung der Schubhaft nicht zulässig (VfGH 03.10.2012, VfSlg. 19.675/2012; VwGH 22.01.2009, Zl. 2008/21/0647; 30.08.2007, Zl. 2007/21/0043).

Ein Sicherungsbedarf ist in der Regel dann gegeben, wenn bestimmte Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass sich der Fremde dem Verfahren oder der Abschiebung entziehen oder diese zumindest wesentlich erschweren werde (§ 76 Abs. 3 FPG). Es ist allerdings nicht erforderlich, dass ein Verfahren zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme bereits eingeleitet worden ist (VwGH 28.06.2002, Zl. 2002/02/0138).

Die fehlende Ausreisewilligkeit des Fremden, d.h. das bloße Unterbleiben der Ausreise, obwohl keine Berechtigung zum Aufenthalt besteht, vermag für sich genommen die Verhängung der Schubhaft nicht zu rechtfertigen. Vielmehr muss der – aktuelle – Sicherungsbedarf in weiteren Umständen begründet sein, etwa in mangelnder sozialer Verankerung in Österreich. Dafür kommt insbesondere das Fehlen ausreichender familiärer, sozialer oder beruflicher Anknüpfungspunkte im Bundesgebiet in Betracht, was die Befürchtung, es bestehe das Risiko des Untertauchens eines Fremden, rechtfertigen kann. Abgesehen von der damit angesprochenen Integration des Fremden in Österreich ist bei der Prüfung des Sicherungsbedarfes auch sein bisheriges Verhalten in Betracht zu ziehen, wobei frühere Delinquenz das Gewicht des öffentlichen Interesses an einer baldigen Durchsetzung einer Abschiebung maßgeblich vergrößern kann (VwGH 21.12.2010, Zl. 2007/21/0498; weiters VwGH 08.09.2005, Zl. 2005/21/0301; 23.09.2010, Zl. 2009/21/0280).

Schubhaft zur Sicherung der Abschiebung kann immer nur dann verhältnismäßig sein, wenn mit der Möglichkeit einer Abschiebung auch tatsächlich zu rechnen ist. Ergibt sich, dass diese fremdenpolizeiliche Maßnahme innerhalb der Schubhafthöchstdauer nicht durchführbar ist, so darf die Schubhaft nicht verhängt werden bzw. ist – wenn sich das erst später herausstellt – umgehend zu beenden (VwGH 28.08.2012, 2010/21/0517; 19.04.2012, 2009/21/0047).

3.3. Zur Frage der Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides und der Anhaltung in Schubhaft seit 20.04.2021:

Die „Fluchtgefahr“ ist in Österreich in § 76 Abs. 3 FPG (wie oben unter 3.2. wiedergegeben) gesetzlich definiert.

Die belangte Behörde begründete die festgestellte Fluchtgefahr zum einen mit § 76 Abs. 3 Z 1 FPG. Dabei kommt es darauf an, ob der Fremde an dem Verfahren zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme mitwirkt oder die Rückkehr oder Abschiebung umgeht oder behindert. Durch das Verwenden unterschiedlicher Identitäten und das Untertauchen des BF ging die belangte Behörde zu recht vom Vorliegen des § 76 Abs. 3 Z 1 FPG aus.

Gegen den BF lag zum Zeitpunkt der Schubhaftanordnung eine durchsetzbare Rückkehrentscheidung bezüglich Algerien vor, wodurch der Tatbestand des § 76 Abs. 3 Z 3 FPG erfüllt ist.

Zum anderen sah das BFA § 76 Abs. 3 Z 9 FPG verwirklicht. Dabei ist die belangte Behörde vom Fehlen einer Verankerung des BF in Österreich ausgegangen. Demgemäß ist der Grad der sozialen Verankerung in Österreich, insbesondere das Bestehen familiärer Beziehungen, das Ausüben einer legalen Erwerbstätigkeit beziehungsweise das Vorhandensein ausreichender Existenzmittel sowie die Existenz eines gesicherten Wohnsitzes zu berücksichtigen. Wie das Verfahren ergeben hat, kommt das Bundesamt dabei zutreffend zum Ergebnis, dass es für substanzielle familiäre oder soziale Anknüpfungspunkte im Bundesgebiet zum Zeitpunkt der Schubhaftanordnung keinen stichhaltigen Hinweis gab. Zum anderen stützte sich die belangte Behörde auf die Vertrauensunwürdigkeit des BF, die sich nicht zuletzt aus dessen Missachtung der österreichischen Rechtsordnung und dessen unkooperativen Verhalten den österreichischen Behörden gegenüber manifestiert. Daraus haben sich ein erhöhtes Risiko des Untertauchens sowie ein erhöhter Sicherungsbedarf ergeben.

Die belangte Behörde kam zutreffend zu der Auffassung, dass der BF über keine substantiellen Bindungen in Österreich verfügt, auf Grund welcher anzunehmen sein könnte, dass er sich bis zur Abschiebung den Behörden nicht entziehen werde.

Es liegt daher Fluchtgefahr im Sinne des § 76 Abs. 3 Z 1, Z 3 und Z 9 FPG und ein erhöhter Sicherungsbedarf vor.

Auf Grund dieser Erwägungen ging das Bundesamt zutreffend davon aus, dass im Falle des Beschwerdeführers insgesamt Fluchtgefahr in einem die Anordnung der Schubhaft rechtfertigenden Ausmaß besteht.

Das erkennende Gericht geht auch davon aus, dass die angeordnete Schubhaft bereits aufgrund der Straffälligkeit des BF sowie des Untertauchens des BF in der Vergangenheit das Kriterium der Verhältnismäßigkeit erfüllt.

Überdies gab es bei Anordnung der Schubhaft keine erkennbaren Hinweise auf eine Haftunfähigkeit des BF.

3.4. Auf Grund der festgestellten Fluchtgefahr konnte auch nicht mit der Anwendung gelinderer Mittel das Auslangen gefunden werden:

Dem Bundesamt ist darin beizupflichten, dass sich im Falle des BF weniger einschneidende Maßnahmen nicht wirksam anwenden lassen, dies bereits aufgrund mangelnder Vertrauenswürdigkeit des BF wie oben ausgeführt.

Aufgrund des Ermittlungsverfahrens lässt sich aus derzeitiger Sicht erkennen, dass eine zügige Außerlandesbringung des BF als wahrscheinlich anzusehen ist. Die Bemühungen des Bundesamts sind im gegenständlichen Fall im Entscheidungszeitpunkt erfolgversprechend und entsprechen den Erfordernissen der höchstgerichtlichen Judikatur (Vgl. VwGH Ra 2020/21/0070 vom 26.11.2020 Ra 2020/21/0174-8 vom 22.12.2020).

Aus diesen Gründen ist die Beschwerde gegen den angefochtenen Bescheid und die Anhaltung in Schubhaft ab 20.04.2021 abzuweisen.

Zu Spruchpunkt II. (Vorliegen der Voraussetzungen für die Fortsetzung der Schubhaft):

Gemäß § 22a Abs. 3 BFA-VG hat das Bundesverwaltungsgericht, sofern die Anhaltung noch andauert, jedenfalls festzustellen, ob zum Zeitpunkt seiner Entscheidung die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen vorliegen.

Die Voraussetzungen nach § 76 Abs. 3 Z 1, 3 und 9 FPG liegen weiterhin vor.

Für die Durchsetzung einer – realistisch möglichen - Rückkehrentscheidung (Abschiebung) ist die Anwesenheit des Beschwerdeführers erforderlich. Es ist angesichts seines bisherigen Verhaltens jedoch davon auszugehen, dass er sich dem behördlichen Zugriff durch Untertauchen entziehen würde, sollte sich eine Gelegenheit dazu bieten. Da er zudem über keine feststellbaren (legalen) beruflichen und familiären Anknüpfungspunkte im Bundesgebiet verfügt, ist nicht ersichtlich, was den BF im Falle einer Entlassung aus der Schubhaft von einem Untertauchen abhalten sollte.

In Zusammenschau mit den obigen Ausführungen besteht damit aus Sicht des Bundesverwaltungsgerichts kein Zweifel, dass im gegenständlichen Fall eine zur Anordnung einer Schubhaft hinreichende Fluchtgefahr seitens des BF gegeben ist.

Im Falle des BF kann daher auch weiterhin aufgrund seines bereits geschilderten Vorverhaltens mit der Verhängung gelinderer Mittel nicht das Auslangen gefunden werden.

Es liegt somit auch die geforderte „ultima-ratio-Situation“ für die Fortsetzung der Schubhaft vor und erweist sich diese zum gegenwärtigen Zeitpunkt auch als verhältnismäßig. Von der Möglichkeit einer Abschiebung im Rahmen der gesetzlichen Fristen ist zum gegenwärtigen Zeitpunkt auszugehen.

Hinweise auf eine Haftunfähigkeit des BF sind im gesamten Verfahren nicht hervorgekommen.

Es ist daher gemäß § 22a Abs. 3 BFA-VG auszusprechen, dass die Voraussetzungen für die weitere Anhaltung des BF in Schubhaft vorliegen.

Entfall einer mündlichen Verhandlung:

Gemäß § 21 Abs. 7 BFA-VG kann eine mündliche Verhandlung unterbleiben, wenn der Sachverhalt aus der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde geklärt erscheint oder sich aus den bisherigen Ermittlungen zweifelsfrei ergibt, dass das Vorbringen nicht den Tatsachen entspricht. Im Übrigen gilt § 24 VwGVG.

Die Abhaltung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung konnte gemäß § 21 Abs. 7 BFA-VG iVm § 24 VwGVG unterbleiben, da der Sachverhalt auf Grund der Aktenlage und des Inhaltes der Beschwerde geklärt war und Widersprüchlichkeiten in Bezug auf die für die gegenständliche Entscheidung maßgeblichen Sachverhaltselemente nicht vorlagen. Was die in der Beschwerde beantragte Zeugeneinvernahme eines Vertreters der für die Erlangung von Heimreisezertifikaten zuständige Abteilung des Bundesamtes anbelangt, konnte mit der schriftlichen Stellungnahme vom 12.02.2021 das Auslangen gefunden werden.

Aus der Aktenlage haben sich zudem keine Zweifel an der Haftfähigkeit ergeben, wobei diesbezügliche Probleme auch in der Beschwerde nicht thematisiert worden sind.

Zu Spruchpunkt III. (Kostenbegehren):

Gemäß § 22a Abs. 1a BFA-VG gelten für Beschwerden nach dieser Bestimmung die für Beschwerden wegen Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt anwendbaren Bestimmungen des VwGVG mit der Maßgabe, dass belangte Behörde jene Behörde ist, die den angefochtenen Schubhaftbescheid erlassen hat oder der die Festnahme oder die Anhaltung zuzurechnen ist (für die Zeit vor Inkrafttreten des § 22a Abs. 1a BFA-VG s. VwGH 23.04.2015, Ro 2014/21/0077).

Gemäß § 35 Abs. 1 VwGVG hat die im Verfahren über Beschwerden wegen Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt obsiegende Partei hat Anspruch auf Ersatz ihrer Aufwendungen durch die unterlegene Partei. Wenn die angefochtene Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt für rechtswidrig erklärt wird, dann ist gemäß Abs. 2 der Beschwerdeführer die obsiegende und die Behörde die unterlegene Partei. Wenn die Beschwerde zurückgewiesen oder abgewiesen wird oder vom Beschwerdeführer vor der Entscheidung durch das Verwaltungsgericht zurückgezogen wird, dann ist gemäß Abs. 3 die Behörde die obsiegende und der Beschwerdeführer die unterlegene Partei. Die §§ 52 bis 54 VwGG sind gemäß Abs. 6 auf den Anspruch auf Aufwandersatz gemäß Abs. 1 sinngemäß anzuwenden.

Dem Beschwerdeführer gebührt als unterlegener Partei daher kein Kostenersatz (ein solcher wurde im Übrigen in der Beschwerde auch nicht beantragt), die belangte Behörde hat als (vollständig) obsiegende Partei Anspruch auf Kostenersatz im beantragten Umfang.

Zu Spruchpunkt IV. - Genehmigung des Antrages auf Gewährung der Verfahrenshilfe im Umfang der Eingabegebühr:

Soweit durch Bundes- oder Landesgesetz nicht anderes bestimmt ist, ist gemäß § 8a Abs. 1 VwGVG einer Partei Verfahrenshilfe zu bewilligen, soweit dies auf Grund des Art. 6 Abs. 1 der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten, BGBl. Nr. 210/1958, oder des Art. 47 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union, ABl. Nr. C 83 vom 30.03.2010 S. 389, geboten ist, die Partei außerstande ist, die Kosten der Führung des Verfahrens ohne Beeinträchtigung des notwendigen Unterhalts zu bestreiten, und die beabsichtigte Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung nicht als offenbar mutwillig oder aussichtslos erscheint. Juristischen Personen ist Verfahrenshilfe sinngemäß mit der Maßgabe zu bewilligen, dass an die Stelle des Bestreitens der Kosten der Führung des Verfahrens ohne Beeinträchtigung des notwendigen Unterhalts das Aufbringen der zur Führung des Verfahrens erforderlichen Mittel durch die Partei oder die an der Führung des Verfahrens wirtschaftlich Beteiligten tritt.

Dadurch wird zum Ausdruck gebracht, dass es sich bei der Regelung der Verfahrenshilfe im VwGVG um eine sogenannte "subsidiäre Bestimmung" handelt: Sie soll nur dann zur Anwendung gelangen, wenn durch Bundes- oder Landesgesetz nicht anderes bestimmt ist, also dann, wenn das sogenannte "Materiengesetz" keine Regelung enthält, deren Gegenstand der Verfahrenshilfe entspricht. Gemäß § 52 BFA-Verfahrensgesetz (BFA-VG), BGBl. I Nr. 87/2012 idgF, ist einem Fremden oder Asylwerber im verwaltungsgerichtlichen Verfahren in bestimmten Angelegenheiten von Amts wegen kostenlos ein Rechtsberater zur Seite zu stellen. § 52 BFA-VG entspricht damit den Vorgaben des Art. 47 GRC. Im Anwendungsbereich des BFA-VG gelangt daher die Bestimmung des § 8a VwGVG (überhaupt) nicht zur Anwendung (siehe ErläutRV 1255 BlgNR 25. GP zu § 8a VwGVG).

Das BFA-VG sieht für seinen, das verwaltungsgerichtliche Verfahren betreffenden Anwendungsbereich allerdings keine ausdrückliche Regelung vor, ob oder inwieweit im Rahmen der kostenlosen Rechtsberatung nach § 52 BFA-VG auch eine Befreiung von allfälligen zu entrichtenden Gerichtsgebühren oder anderen bundesgesetzlich geregelten staatlichen Gebühren (§ 64 Abs. 1 Z 1 lit. a ZPO) möglich ist (s. auch VwGH 31.8.2017; Ro 2017/21/0004). Da im vorliegenden Fall eine gesetzliche Gebührenbefreiung nicht besteht, unterliegt die gegenständliche Beschwerde der Verpflichtung zur Entrichtung der Eingabengebühr nach § 14 Tarifpost 6 Abs. 5 Z 1 lit. b Gebührengesetz 1957 in Verbindung mit der BuLVwG-Eingabengebührverordnung, BGBl. II Nr. 387/2014

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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