TE Bvwg Erkenntnis 2021/7/26 W141 2238277-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 26.07.2021
beobachten
merken

Entscheidungsdatum

26.07.2021

Norm

Ausstellung von Behindertenpässen und von Parkausweisen §1
BBG §42
BBG §45
B-VG Art133 Abs4

Spruch


W141 2238277-1/11E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. Gerhard HÖLLERER als Vorsitzenden und den Richter Mag. Stephan WAGNER sowie den fachkundigen Laienrichter Robert ARTHOFER als Beisitzer über die Beschwerde des XXXX ,
geboren am XXXX , bevollmächtigt vertreten durch den KOBV – Der Behindertenverband, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Soziales und Behindertenwesen, Landesstelle Niederösterreich, vom 29.10.2019, XXXX , betreffend die Vornahme der Zusatzeintragung „Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung“ in den Behindertenpass, zu Recht erkannt:

A)

Der Beschwerde wird Folge gegeben und der Bescheid vom 29.10.2019 behoben.

Herr XXXX erfüllt die Voraussetzungen für die Vornahme der Zusatzeintragung „Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung“ in den Behindertenpass.

B)

Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.


Text


Entscheidungsgründe:

I. Verfahrensgang

1. Der bevollmächtigte Vertreter des Beschwerdeführers beantragte am 03.06.2019 beim Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen (Kurzbezeichnung: Sozialministeriumservice; in der Folge belangte Behörde genannt) die Eintragung des Zusatzvermerkes „Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung“ in den Behindertenpass, sowie die Ausstellung eines Ausweises gemäß § 29b Straßenverkehrsordnung (StVO).

Die belangte Behörde holte ein medizinisches Sachverständigengutachten einer Ärztin für Allgemeinmedizin mit einer persönlichen Untersuchung am 30.07.2019 ein und stellte diese einen Gesamtgrad der Behinderung von 80 vH fest und führte aus, dass dem Beschwerdeführer die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel zumutbar sei.

2. Mit Schreiben vom 02.09.2019 wurde dem bevollmächtigten Vertreter des Beschwerdeführers gemäß § 45 AVG im Rahmen eines Parteiengehörs das Ergebnis der Beweisaufnahme zur Kenntnis gebracht und ihm die Gelegenheit eingeräumt sich hiezu binnen 2 Wochen zu Äußern.

3. Mit Schreiben vom 06.09.2019, eingelangt am 09.09.2019, gab der bevollmächtigte Vertreter des Beschwerdeführers im Rahmen des Parteiengehörs eine Stellungnahme ab und reichte am 07.10.2019 weitere medizinische Unterlagen nach.

4. Mit Schreiben vom 12.09.2019, 14.10.2019 und 28.10.2019 gab die Sachverständige zur Stellungnahme und den Unterlagen Stellungnahmen ab und hielt an den im Sachverständigengutachten festgestellten eingeschätzten Gesundheitseinschränkungen, sowohl in Hinblick auf den Grad der Behinderung als auch auf die Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung, fest.

5. Am 15.10.2019 wurde dem Beschwerdeführer mit Wirksamkeit ab dem 07.05.2019 ein Behindertenpass mit einem Grad der Behinderung von 80 vH ausgestellt.

6. Mit Bescheid vom 29.10.2019 wurde der Antrag des Beschwerdeführers vom 03.06.2019 auf Vornahme der Zusatzeintragung „Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung“ in den Behindertenpass abgewiesen. Die belangte Behörde stützte sich auf das eingeholte medizinische Sachverständigengutachten. Nach dem eingeholten Gutachten lägen die Voraussetzungen für die Zusatzeintragung nicht vor. Die Ergebnisse des ärztlichen Begutachtungsverfahrens seien der Beilage, die einen Bestandteil der Begründung bilde, zu entnehmen. Die Ergebnisse des ärztlichen Begutachtungsverfahrens seien als schlüssig erkannt und in freier Beweiswürdigung der Entscheidung zu Grunde gelegt worden. Die Stellungnahme der Sachverständigen vom 14.10.2019 war dem Bescheid nicht beigelegt.

9. Mit Schreiben vom 17.12.2019 erhob der bevollmächtigte Vertreter des Beschwerdeführers fristgerecht Beschwerde gegen den abweisenden Bescheid vom 29.10.2019 und führte im Wesentlichen aus, dass der Beschwerdeführer an PAVK im Stadium IIb leide und aufgrund dessen die Gehstrecke erheblich reduziert sei, zudem sei er auf die Benützung eines Gehstockes angewiesen.

10. Am 04.01.2021 wurde der Beschwerdeakt dem Bundesverwaltungsgericht vorgelegt.

10.1. Die gegenständliche Rechtsache wurde mit Beschluss vom 25.02.2021 der bisherigen Gerichtsabteilung abgenommen und in weiterer Folge am 03.03.2021 der Gerichtsabteilung W141 neu zugewiesen.

10.2. Auf Grund des Beschwerdevorbringens und der vorgelegten Befunde wurde vom Bundesverwaltungsgericht ein ergänzendes medizinisches Sachverständigengutachten aus dem Fachgebiet Innere Medizin und Rheumatologie basierend auf der persönlichen Untersuchung des Beschwerdeführers am 19.04.2021, mit dem Ergebnis eingeholt, dass dem Beschwerdeführer die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel nicht zumutbar sei.

11. Mit Schreiben vom 11.05.2021 wurde dem bevollmächtigten Vertreter des Beschwerdeführers und der belangten Behörde das Sachverständigengutachten vom 19.04.2021 gemäß § 45 AVG iVm § 17 VwGVG im Rahmen des Parteiengehörs zur Kenntnis gebracht und diesen die Möglichkeit eingeräumt, innerhalb einer Frist von zwei Wochen ab Zustellung schriftlich Stellung zu nehmen. Die belangte Behörde brachte keine Einwendungen gegen das eingeholte Sachverständigengutachten ein.

Der bevollmächtigte Vertreter des Beschwerdeführers gab mit Schreiben vom 21.05.2021 bekannt, dass das Ergebnis des Ermittlungsverfahrens zur Kenntnis genommen werde.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1.Feststellungen:

Das Bundesverwaltungsgericht geht aufgrund des durchgeführten Ermittlungsverfahrens von folgendem, für die Entscheidung maßgeblichen, Sachverhalt aus.

1.1.    Der Beschwerdeführer ist Inhaber eines Behindertenpasses.

1.2. Zur beantragten Zusatzeintragung:

Dem Beschwerdeführer ist die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel nicht zumutbar.

1.2.1. Art der Funktionseinschränkungen:

-        DM 2 - Erstmanifestation ca 2000

-        diabetische Polyneuropathie

-        diabetische Nephropathie - Mikroalbuminurie

-        metabolisches Syndrom

-        Hyperlipidämie

-        Adipositas

-        nicht signifikant KHK - letzte Angio 01/2015 Klinik St.Pölten

-        keine bis leicht eingeschränkte LVF 12/2014

-        PAVK Grad llb - Stent A iliaca Comm. sin 2011

-        Ulcera cruris beide Unterschenkel

-        Hepatosplenomegalie

-        St.p.CHE

-        Cataract bds - noch keine OP geplant

-        N.Prostatae - ED 11/2018

-        Dranginkontinenz

1.2.2.   Ausmaß der Funktionseinschränkungen:

Status:

Größe: 180 cm Gewicht: 140 kg

Kopf frei beweglich
Hirnnerven: frei
Hörvermögen: gut
Sehvermögen: Cataract
Hals: keine vergrößerten Lymphknoten tastbar, Schilddrüse schluckverschieblich
Herz: Herztöne arrhytmisch, rein, normofrequent
Lunge: Vesiculäratmen, keine Rasselgeräusche, Lungenbasen verschieblich
Bauch: multiple narbige Veränderungen bei täglicher Insulinapplikation, Striae rubrae
WS: unauffällig

OE:
frei, Nacken und Schürzengriff möglich, grobe Kraft seitengleich
Schulter: frei beweglich
EBO und Handgelenke: frei beweglich
Finger: frei beweglich, 0SJ

UE:
Hüfte und Knie: endlagig schmerzbedingt in der Beweglichkeit eingeschränkt
Beinödeme beidseitig
Ulcera cursis beide Unterschenkel, teils putrid belegt
Muskelkraft seitengleich

Status psychicus:

klar, orientiert zu Person, Zeit und Ort

Gesamtmobilität/Gangbild:

kommt an einer Unterarmstützkrücke gehend zur Untersuchung, das hinsetzen und aufstehen erfolgt schwerfällig, Lagewechsel sind möglich, aber aufgrund der Adipositas wesentlich erschwert.

1.2.3. Zu den Auswirkungen der festgestellten Funktionseinschränkungen auf die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel:

Eine erhebliche Einschränkung der Funktion der unteren Extremität liegt nicht vor. Die Beweglichkeit der Gelenke ist ausreichend, um Niveauunterschiede zu überwinden. Als Gehhilfe wird ein Stock verwendet.

Es liegt eine arterielle Verschlusskrankheit im Stadium II/B nach Fontaine vor. Diese Erkrankung betrifft beide unteren Extremitäten. Eine entsprechende Therapie mit Gefäßdehnung der Arteria iliaca communis links wurde bereits durchgeführt und ist auch Gegenstand von klinischen Kontrollen. Eine beschwerdefreie Gehstrecke beträgt in etwa 200 m, dann muss eine Pause eingelegt werden. Eine Wegstrecke von 300 bis 400 m in 10 min ist somit nicht zumutbar. Niveauunterschiede können erschwert, aber unter Benützung von Haltegriffen in öffentlichen Verkehrsmitteln überwunden werden und der Transport sitzend durchgeführt werden.

Im Hinblick auf die PAVK sind keine weiteren Therapieoptionen möglich.

Eine diabetische Polyneuropathie liegt nicht vor. Ebenso die angegebene Schwindelsymptomatik.

Im Hinblick auf das Prostatacarzenom und die damit verbundene Dranginkontinenz ist die Versorgung mit handelsüblichen Inkontinenzprodukten anzustreben und auch ausreichend.

Eine Nachuntersuchung ist nicht indiziert, da eine wesentliche Verbesserung trotz Interventionen nicht zu erwarten ist.

1.3.    Der Antrag auf Zusatzeintragung „Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung“ im Behindertenpass ist am 03.06.2019 bei der belangten Behörde eingelangt.

1.4.    Der Verwaltungsakt ist unter Anschluss der Beschwerdeschrift und den dieser beigelegten Beweismittel am 04.01.2021 im Bundesverwaltungsgericht eingelangt.

2.Beweiswürdigung:

Aufgrund der vorliegenden Beweismittel und des Aktes der belangten Behörde ist das Bundesverwaltungsgericht (BVwG) in der Lage, sich vom entscheidungsrelevanten Sachverhalt im Rahmen der freien Beweiswürdigung ein ausreichendes Bild zu machen. Die freie Beweiswürdigung ist ein Denkprozess, der den Regeln der Logik zu folgen hat und im Ergebnis zu einer Wahrscheinlichkeitsbeurteilung eines bestimmten historisch empirischen Sachverhalts, also von Tatsachen, führt. Der Verwaltungsgerichtshof führt dazu präzisierend aus, dass eine Tatsache in freier Beweiswürdigung nur dann als erwiesen angenommen werden darf, wenn die Ergebnisse des Ermittlungsverfahrens ausreichende und sichere Anhaltspunkte für eine derartige Schlussfolgerung liefern (VwGH 28.09.1978, Zahl 1013, 1015/76).

Hauer/Leukauf, Handbuch des österreichischen Verwaltungsverfahrens, 5. Auflage, § 45 AVG, E 50, Seite 305, führen beispielsweise in Zitierung des Urteils des Obersten Gerichtshofs vom 29.02.1987, Zahl 13 Os 17/87, aus: „Die aus der gewissenhaften Prüfung aller für und wider vorgebrachten Beweismittel gewonnene freie Überzeugung der Tatrichter wird durch eine hypothetisch denkbare andere Geschehensvariante nicht ausgeschlossen. Muss doch dort, wo ein Beweisobjekt der Untersuchung mit den Methoden einer Naturwissenschaft oder unmittelbar einer mathematischen Zergliederung nicht zugänglich ist, dem Richter ein empirisch-historischer Beweis genügen. Im gedanklichen Bereich der Empirie vermag daher eine höchste, ja auch eine (nur) hohe Wahrscheinlichkeit die Überzeugung von der Richtigkeit der wahrscheinlichen Tatsache zu begründen, (…)“.

Zu 1.1) Die Feststellungen zu den allgemeinen Voraussetzungen ergeben sich aus dem diesbezüglich unbedenklichen, widerspruchsfreien und unbestrittenen Akteninhalt.

Zu 1.2) Die Feststellungen zu Art und Ausmaß der Funktionseinschränkungen gründen sich – in freier Beweiswürdigung – in nachstehend ausgeführtem Umfang auf die vorgelegten und eingeholten Beweismittel.

Das vom Bundesverwaltungsgericht eingeholte ärztliche Sachverständigengutachten ist schlüssig, nachvollziehbar und frei von Widersprüchen.

Es wurde auf die Art der Leiden und deren Ausmaß ausführlich eingegangen. Die getroffenen Einschätzungen, basierend auf dem im Rahmen der persönlichen Untersuchung des Beschwerdeführers erhobenen klinischen Befunde, entsprechen unter Berücksichtigung der vorgelegten Beweismittel den festgestellten Funktionseinschränkungen. Diese stehen nicht im Widerspruch zum Ergebnis des eingeholten Sachverständigengutachtens, es wird kein höheres Funktionsdefizit beschrieben, als gutachterlich festgestellt wurde und es enthält auch keine neuen fachärztlichen Aspekte, welche unberücksichtigt geblieben sind.

Zu den Auswirkungen der festgestellten Funktionsbeeinträchtigungen des Beschwerdeführers im Hinblick auf die beantragte Zusatzeintragung „Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung“ in den Behindertenpass, wurde in dem schlüssigen Sachverständigengutachten vom 19.04.2021 von der Fachärztin für Innere Medizin und Rheumatologie ausführlich und nachvollziehbar Stellung genommen. Die getroffenen Einschätzungen, basierend auf einer persönlichen Untersuchung des Beschwerdeführers mit erhobenem klinischen Befund und den schlüssigen und nachvollziehbaren gutachterlichen Äußerungen, entsprechen den festgestellten Funktionseinschränkungen.

Die Fachärztin für Innere Medizin führt nachvollziehbar aus, dass eine erhebliche Einschränkung der Funktion der unteren Extremitäten nicht vorliegt. Die Beweglichkeit der Gelenke ist ausreichend um Niveauunterschiede zu überwinden. Als Gehhilfe wird vom Beschwerdeführer ein Stock verwendet.

Beim Beschwerdeführer liegt jedoch eine erhebliche Einschränkung der körperlichen Belastbarkeit vor. Es ist eine arterielle Verschlusskrankheit im Stadium ll/B nach Fontaine gegeben. Diese Erkrankung betrifft beide untere Extremitäten. Eine entsprechende Therapie mit Gefäßdehnung der Arteria iliaca communis links wurde bereits durchgeführt und ist auch Gegenstand von klinischen Kontrollen.

Eine beschwerdefreie Gehstrecke beträgt in etwa 200m, dann muss eine Pause eingelegt werden.

Im internistischen Sachverständigengutachten wird nachvollziehbar und schlüssig dargestellt, dass in Zusammenschau der klinischen Untersuchung und der vorgelegten Befunde festzuhalten ist, dass beim Beschwerdeführer eine PAVK Mb nach Fontaine trotz bereits erfolgter Stentimplantation linksseitig in die Arteria iliaca communis besteht.

Aufgrund der ausgeprägten Adipositas sowie der peripher arteriellen Verschlusskrankheit llb ist die Gehstrecke des Beschwerdeführers auf 200 m ohne Pausen beschränkt. Bei längeren Wegstrecken muss eine Pause eingelegt werden.

Somit ist das zurücklegen einer Wegstrecke von 300 bis 400 m im 10 min nicht mehr zumutbar.

Die internistische Sachverständige führt weiter aus, dass im Hinblick auf die PAVK keine weiteren Therapieoptionen aus den Befunden ableitbar sind, die Ulzera Cruris (offenen Beine) mit den putriden (eitrigen) Belägen stellt eine Kontraindikation für einen interventionellen Eingriff (erneute Gefäßdehnung, Bypassoperatio, etc...) dar.

Niveauunterschiede können erschwert, aber unter Benützung von Haltegriffen, wie in öffentlichen Verkehrsmittel üblich, überwunden werden und der Transport sitzend durchgeführt werden.

Für den Nachweis einer diabetischen Polyneuropathie liegen keine ausreichend dokumentierten Befunde (Nervenleitgeschwindigkeitsmessung) vor, um eine Gehbehinderung ausreichend abzubilden.

Die angegebene Schwindelsymptomatik ist ebenfalls nicht dokumentiert, eine ausreichende Abklärung um diese in die Beurteilung mit aufzunehmen ist laut der Sachverständigen nicht vorliegend.

Im Hinblick auf das Prostatacarznom und die damit verbundene Dranginkontinenz ist die Versorgung mit handelsüblichen Inkontinenzprodukten anzustreben und auch als ausreichend zu erachten.

Die medizinische Sachverständige hat in ihrem Gutachten vom 19.04.2021 nachvollziehbar dargelegt, dass sich im Vergleich zum vorliegenden Sachverständigengutachten vom 30.07.2019 sowie zur Stellungnahme der Sachverständigen nunmehr eine abweichende Beurteilung ergibt. Bei einer arteriellen Verschlusskrankheit im Stadium II/B nach Fontaine lässt sich im Rahmen der nunmehr durchgeführten klinischen Untersuchung eine beschwerdefreie Wegstrecke von etwa 200 m objektivieren. Auch die Niveauunterschiede können nur erschwert überwunden werden.

Das Gutachten führt damit zu einer abweichenden Beurteilung im Vergleich zum erstinstanzlichen Sachverständigengutachten. Aus aktueller gutachterlicher Sicht ist das Zurücklegen einer Wegstrecke von 300-400 m unzumutbar und das Ein- und Aussteigen erschwert. Die schlüssigen und ausführlichen Erörterungen der Gutachterin, Ärztin für Innere Medizin und Rheumatologie, vom 19.04.2021 wurden auch im Rahmen des Parteiengehörs unbeeinsprucht zur Kenntnis genommen.

Die Krankengeschichte des Beschwerdeführers wurde umfassend und differenziert nach den konkret vorliegenden Krankheitsbildern auch im Zusammenwirken zueinander berücksichtigt.

Das vom Bundesverwaltungsgericht eingeholte Sachverständigengutachten steht mit den Erfahrungen des Lebens, der ärztlichen Wissenschaft und den Denkgesetzen nicht in Widerspruch. Auch war dem Vorbringen sowie den eingeholten und vorgelegten Beweismitteln kein Anhaltspunkt zu entnehmen, die Tauglichkeit der befassten Sachverständigen oder deren Beurteilung beziehungsweise Feststellungen in Zweifel zu ziehen.

Die Angaben des Beschwerdeführers in der Beschwerde und die vorgelegten Befunde waren sohin geeignet, das der angefochtenen Entscheidung zugrunde gelegte Sachverständigengutachten und die Stellungnahmen zu entkräften und eine geänderte Beurteilung herbeizuführen.

Zur Erörterung der Rechtsfrage, ob dem Beschwerdeführer die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel zumutbar ist, siehe die rechtlichen Erwägungen unter Punkt II 3.1.

Zu 1.3.) Der Antrag auf Zusatzeintragung „Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung“ im Behindertenpassweist am Eingangsvermerk der belangten Behörde das Datum 03.06.2019 auf.

Zu 1.4.) Das Schreiben mit welchem die Beschwerdevorlage durch die belangte Behörde erfolgt ist weist am Eingangsvermerk des Bundesverwaltungsgerichtes das Datum 04.01.2021 auf.

3.Rechtliche Beurteilung:

Gemäß § 6 des Bundesgesetzes über die Organisation des Bundesverwaltungsgerichtes (Bundesverwaltungsgerichtsgesetz – BVwGG) entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist.

Gemäß § 45 Abs. 3 BBG hat in Verfahren auf Ausstellung eines Behindertenpasses, auf Vornahme von Zusatzeintragungen oder auf Einschätzung des Grades der Behinderung die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts durch den Senat zu erfolgen.

Gegenständlich liegt somit Senatszuständigkeit vor.

Das Verfahren der Verwaltungsgerichte mit Ausnahme des Bundesfinanzgerichtes ist durch das Bundesgesetz über das Verfahren der Verwaltungsgerichte (Verwaltungsgerichts-verfahrensgesetz - VwGVG) geregelt (§ 1 leg.cit.).

Gemäß § 17 VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.

Gemäß § 27 VwGVG hat das Verwaltungsgericht, soweit nicht Rechtswidrigkeit wegen Unzuständigkeit der Behörde gegeben ist, den angefochtenen Bescheid auf Grund der Beschwerde (§ 9 Abs. 1 Z 3 und 4) oder auf Grund der Erklärung über den Umfang der Anfechtung (§ 9 Abs. 3) zu überprüfen.

Gemäß § 28 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht, sofern die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder das Verfahren einzustellen ist, die Rechtssache durch Erkenntnis zu erledigen.

Gemäß § 28 Abs. 2 VwGVG hat das Verwaltungsgericht über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG dann in der Sache selbst zu entscheiden, wenn der maßgebliche Sachverhalt feststeht oder die Feststellung des maßgeblichen Sachverhalts durch das Verwaltungsgericht selbst im Interesse der Raschheit gelegen oder mit einer erheblichen Kostenersparnis verbunden ist.

Zu A)
1.         Zur Entscheidung in der Sache:

Gemäß § 1 Abs. 2 BBG ist unter Behinderung im Sinne dieses Bundesgesetzes die Auswirkung einer nicht nur vorübergehenden körperlichen, geistigen oder psychischen Funktionsbeeinträchtigung oder Beeinträchtigung der Sinnesfunktionen zu verstehen, die geeignet ist, die Teilhabe am Leben in der Gesellschaft zu erschweren. Als nicht nur vorübergehend gilt ein Zeitraum von mehr als voraussichtlich sechs Monaten.

Gemäß § 40 Abs. 1 BBG ist behinderten Menschen mit Wohnsitz oder gewöhnlichem Aufenthalt im Inland und einem Grad der Behinderung oder einer Minderung der Erwerbsfähigkeit von mindestens 50% auf Antrag vom Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen (§ 45) ein Behindertenpass auszustellen, wenn
1.         ihr Grad der Behinderung (ihre Minderung der Erwerbsfähigkeit) nach bundesgesetzlichen Vorschriften durch Bescheid oder Urteil festgestellt ist oder
2.         sie nach bundesgesetzlichen Vorschriften wegen Invalidität, Berufsunfähigkeit, Dienstunfähigkeit oder dauernder Erwerbsunfähigkeit Geldleistungen beziehen oder
3.         sie nach bundesgesetzlichen Vorschriften ein Pflegegeld, eine Pflegezulage, eine Blindenzulage oder eine gleichartige Leistung erhalten oder
4.         für sie erhöhte Familienbeihilfe bezogen wird oder sie selbst erhöhte Familienbeihilfe beziehen oder
5.         sie dem Personenkreis der begünstigten Behinderten im Sinne des Behinderteneinstellungsgesetzes, BGBl. Nr. 22/1970, angehören.

Gemäß § 40 Abs. 2 BBG ist behinderten Menschen, die nicht dem im Abs. 1 angeführten Personenkreis angehören, ein Behindertenpass auszustellen, wenn und insoweit das Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen auf Grund von Vereinbarungen des Bundes mit dem jeweiligen Land oder auf Grund anderer Rechtsvorschriften hiezu ermächtigt ist.

Gemäß § 41 Abs. 1 BBG gilt als Nachweis für das Vorliegen der im § 40 genannten Voraussetzungen der letzte rechtskräftige Bescheid eines Rehabilitationsträgers (§ 3), ein rechtskräftiges Urteil eines Gerichtes nach dem Arbeits- und Sozialgerichtsgesetz, BGBl. Nr. 104/1985, ein rechtskräftiges Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes oder die Mitteilung über die Gewährung der erhöhten Familienbeihilfe gemäß § 8 Abs. 5 des Familienlastenausgleichsgesetzes 1967, BGBl. Nr. 376. Das Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen hat den Grad der Behinderung nach der Einschätzungsverordnung (BGBl. II Nr. 261/2010) unter Mitwirkung von ärztlichen Sachverständigen einzuschätzen, wenn
1.         nach bundesgesetzlichen Vorschriften Leistungen wegen einer Behinderung erbracht werden und die hiefür maßgebenden Vorschriften keine Einschätzung vorsehen oder
2.         zwei oder mehr Einschätzungen nach bundesgesetzlichen Vorschriften vorliegen und keine Gesamteinschätzung vorgenommen wurde oder
3.         ein Fall des § 40 Abs. 2 vorliegt.

Gemäß § 42 Abs. 1 BBG hat der Behindertenpass den Vornamen sowie den Familien- oder Nachnamen, das Geburtsdatum eine allfällige Versicherungsnummer und den festgestellten Grad der Behinderung oder der Minderung der Erwerbsfähigkeit zu enthalten und ist mit einem Lichtbild auszustatten. Zusätzliche Eintragungen, die dem Nachweis von Rechten und Vergünstigungen dienen, sind auf Antrag des behinderten Menschen zulässig. Die Eintragung ist vom Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen vorzunehmen.

Gemäß § 42 Abs. 2 BBG ist der Behindertenpass unbefristet auszustellen, wenn keine Änderung in den Voraussetzungen zu erwarten ist.

Gemäß § 45 Abs. 1 BBG sind Anträge auf Ausstellung eines Behindertenpasses, auf Vornahme einer Zusatzeintragung oder auf Einschätzung des Grades der Behinderung unter Anschluss der erforderlichen Nachweise bei dem Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen einzubringen.

Gemäß § 45 Abs. 2 BBG ist ein Bescheid nur dann zu erteilen, wenn einem Antrag gemäß Abs. 1 nicht stattgegeben, das Verfahren eingestellt (§ 41 Abs. 3) oder der Pass eingezogen wird. Dem ausgestellten Behindertenpass kommt Bescheidcharakter zu.

Gemäß § 46 BBG idF des BGBl. Nr. 57/2015 dürfen in Beschwerdeverfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht neue Tatsachen und Beweismittel nicht vorgebracht werden.

Gemäß § 54 Abs. 18 BBG tritt § 46 in der Fassung des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. 57/2015 mit 1. Juli 2015 in Kraft.

Gemäß § 47 BBG ist der Bundesminister für Arbeit und Soziales ermächtigt, mit Verordnung die näheren Bestimmungen über den nach § 40 auszustellenden Behindertenpaß und damit verbundene Berechtigungen festzusetzen.

Die Verordnung über die Ausstellung von Behindertenpässen und von Parkausweisen, BGBl. II 495/2013, wurde mit BGBl II Nr. 263/2016 novelliert. Gemäß § 5 Abs. 3 der Novelle ist § 1 dieser Verordnung mit Ablauf des 21.09.2016 in Kraft getreten.

Gemäß § 1 Abs. 2 der Verordnung des Bundesministers für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz über die Ausstellung von Behindertenpässen und von Parkausweisen (Verordnung über die Ausstellung von Behindertenpässen und von Parkausweisen), BGBl. II Nr. 495/2013 idgF, hat der Behindertenpass auf der Vorderseite zu enthalten:

1. die Bezeichnung „Behindertenpass“ in deutscher, englischer und französischer Sprache;

2. den Familien- oder Nachnamen, Vorname(n), akademischen Grad oder Standesbezeichnung des Menschen mit Behinderung;

3. das Geburtsdatum;

4. den Verfahrensordnungsbegriff;

5. den Grad der Behinderung oder die Minderung der Erwerbsfähigkeit;

6. das Antragsdatum;

7. das Ausstellungsdatum;

8. die ausstellende Behörde;

9. eine allfällige Befristung;

10. eine Braillezeile mit dem Ausdruck „Behindertenpass“;

11. ein Hologramm in Form des Bundeswappens mit dem Schriftzug „Sozialministeriumservice“ im Hintergrund;

12. das Logo des Sozialministeriumservice;

13. einen QR-Code, mit dem auf der Homepage des Sozialministeriumservice nähere Informationen zum Behindertenpass und den einzelnen Zusatzeintragungen abgerufen werden können sowie

14. ein der Bestimmung des § 4 der Passgesetz-Durchführungsverordnung, BGBl. II Nr. 223/2006, entsprechendes Lichtbild.

Gemäß § 1 Abs. 4 Z 3 Verordnung über die Ausstellung von Behindertenpässen und von Parkausweisen ist auf Antrag des Menschen mit Behinderung jedenfalls die Feststellung einzutragen, dass dem Inhaber/der Inhaberin des Passes die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung nicht zumutbar ist; die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel ist insbesondere dann nicht zumutbar, wenn das 36. Lebensmonat vollendet ist und

?        erhebliche Einschränkungen der Funktionen der unteren Extremitäten oder

?        erhebliche Einschränkungen der körperlichen Belastbarkeit oder

?        erhebliche Einschränkungen psychischer, neurologischer oder intellektueller Fähigkeiten, Funktionen oder

?        eine schwere anhaltende Erkrankung des Immunsystems oder

?        eine hochgradige Sehbehinderung, Blindheit oder Taubblindheit nach § 1 Abs. 4 Z 1 lit. b oder d

vorliegen.

Gemäß § 1 Abs. 5 der Verordnung über die Ausstellung von Behindertenpässen und von Parkausweisen bildet die Grundlage für die Beurteilung, ob die Voraussetzungen für die in Abs. 4 genannten Eintragungen erfüllt sind, ein Gutachten eines ärztlichen Sachverständigen des Bundessozialamtes. Soweit es zur ganzheitlichen Beurteilung der Funktionsbeeinträchtigungen erforderlich erscheint, können Experten/Expertinnen aus anderen Fachbereichen beigezogen werden. Bei der Ermittlung der Funktionsbeeinträchtigungen sind alle zumutbaren therapeutischen Optionen, wechselseitigen Beeinflussungen und Kompensationsmöglichkeiten zu berücksichtigen.

In den auf der Homepage des Bundesministeriums für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz veröffentlichten Erläuterungen zur oben genannten Verordnung wird auszugsweise Folgendes ausgeführt:

Zu § 1 Abs. 2 (auszugsweise): Abs. 2 unterscheidet zwei Arten von Eintragungen; solche, die die Art der Behinderung des Passinhabers/der Passinhaberin betreffen und jene, die Feststellungen über Erfordernisse des Menschen mit Behinderung im täglichen Leben treffen, etwa die behinderungsbedingte Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel.

Zu § 1 Abs. 4 Z 3 (vormals § 1 Abs. 2 Z 3) (auszugsweise):

Mit der vorliegenden Verordnung sollen präzisere Kriterien für die Beurteilung der Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel festgelegt werden. Die durch die Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes bisher entwickelten Grundsätze werden dabei berücksichtigt.

Grundsätzlich ist eine Beurteilung nur im Zuge einer Untersuchung des Antragstellers/der Antragstellerin möglich. Im Rahmen der Mitwirkungspflicht des Menschen mit Behinderung sind therapeutische Möglichkeiten zu berücksichtigen. Therapierefraktion – das heißt keine therapeutische Option ist mehr offen – ist in geeigneter Form nachzuweisen. Eine Bestätigung des Hausarztes/der Hausärztin ist nicht ausreichend.

Durch die Verwendung des Begriffes „dauerhafte Mobilitätseinschränkung“ hat schon der Gesetzgeber (StVO-Novelle) zum Ausdruck gebracht, dass es sich um eine Funktionsbeeinträchtigung handeln muss, die zumindest 6 Monate andauert. Dieser Zeitraum entspricht auch den grundsätzlichen Voraussetzungen für die Erlangung eines Behindertenpasses.

Nachfolgende Beispiele und medizinische Erläuterungen sollen besonders häufige, typische Fälle veranschaulichen und richtungsgebend für die ärztlichen Sachverständigen bei der einheitlichen Beurteilung seltener, untypischer ähnlich gelagerter Sachverhalte sein. Davon abweichende Einzelfälle sind denkbar und werden von den Sachverständigen bei der Beurteilung entsprechend zu begründen sein.

Die Begriffe „erheblich“ und „schwer“ werden bereits jetzt in der Einschätzungsverordnung je nach Funktionseinschränkung oder Erkrankungsbild verwendet und sind inhaltlich gleich bedeutend.

Unter erheblicher Einschränkung der Funktionen der unteren Extremitäten sind ungeachtet der Ursache eingeschränkte Gelenksfunktionen, Funktionseinschränkungen durch Erkrankungen von Knochen, Knorpeln, Sehnen, Bändern, Muskeln, Nerven, Gefäßen, durch Narbenzüge, Missbildungen und Traumen zu verstehen.

Zusätzlich vorliegende Beeinträchtigungen der oberen Extremitäten und eingeschränkte Kompensationsmöglichkeiten sind zu berücksichtigen. Eine erhebliche Funktionseinschränkung wird in der Regel ab einer Beinverkürzung von 8 cm vorliegen.

Erhebliche Einschränkungen der körperlichen Belastbarkeit betreffen vorrangig cardiopulmonale Funktionseinschränkungen. Bei den folgenden Einschränkungen liegt jedenfalls eine Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel vor:

?        arterielle Verschlusskrankheit ab II/B nach Fontaine bei fehlender therapeutischer Option

?        Herzinsuffizienz mit hochgradigen Dekompensationszeichen

?        hochgradige Rechtsherzinsuffizienz

?        Lungengerüsterkrankungen unter Langzeitsauerstofftherapie

?        COPD IV mit Langzeitsauerstofftherapie

?        Emphysem mit Langzeitsauerstofftherapie

?        mobiles Gerät mit Flüssigsauerstoff muss nachweislich benützt werden

Nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes zu dieser Zusatzeintragung ist die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel dann unzumutbar, wenn eine kurze Wegstrecke nicht aus eigener Kraft und ohne fremde Hilfe, allenfalls unter Verwendung zweckmäßiger Behelfe ohne Unterbrechung zurückgelegt werden kann oder wenn die Verwendung der erforderlichen Behelfe die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel in hohem Maße erschwert. Die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel ist auch dann nicht zumutbar, wenn sich die dauernde Gesundheitsschädigung auf die Möglichkeit des Ein- und Aussteigens und die sichere Beförderung in einem öffentlichen Verkehrsmittel unter Berücksichtigung der beim üblichen Betrieb dieser Verkehrsmittel gegebenen Bedingungen auswirkt (VwGH vom 22.10.2002, Zl. 2001/11/0242).

Zu prüfen ist die konkrete Fähigkeit öffentliche Verkehrsmittel zu benützen. Zu berücksichtigen sind insbesondere zu überwindende Niveauunterschiede beim Aus- und Einsteigen, Schwierigkeiten beim Stehen, bei der Sitzplatzsuche, bei notwendig werdender Fortbewegung im Verkehrsmittel während der Fahrt (VwGH vom 14.05.2009, 2007/11/0080).

Für die Berechtigung der zusätzlichen Eintragung in den Behindertenpass hinsichtlich der Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel kommt es entscheidend auf die Art und die Schwere der dauernden Gesundheitsschädigung und deren Auswirkungen auf die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel an, nicht aber auf andere Umstände, die die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel erschweren. Aus diesem Grund ist der Umstand betreffend die mangelnde Infrastruktur (Vorhandensein und Erreichbarkeit, Entfernung zum nächsten öffentlichen Verkehrsmittel, „Leben am Land“) oder den Transport von schweren Gepäckstücken und das Tätigen von Einkäufen rechtlich nicht von Relevanz und kann daher bei der Beurteilung der Zumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel nicht berücksichtigt werden (VwGH vom 22.10.2002, Zl. 2001/11/0258).

Der Beschwerdeführer ist aufgrund der vorliegenden ausgeprägten Adipositas, sowie der Peripher arteriellen Verschlusskrankheit llb nicht in der Lage, eine Gehstrecke von 300 bis 400 m zurückzulegen. Die Gehstrecke des Beschwerdeführers ist auf 200m ohne Pausen beschränkt. Bei längeren Wegstrecken muss eine Pause eingelegt werden.

Unter Berücksichtigung der durchgeführten persönlichen Untersuchungen mit dem Ergebnis, dass dem Beschwerdeführer eine Gehstrecke von 300 bis 400 m nicht zumutbar ist, liegen die Voraussetzungen für die beantragte Zusatzeintragung vor.

Unter Verweis auf die zuvor wiedergegebenen Ausführungen in den Erläuterungen zur Verordnung über die Ausstellung von Behindertenpässen und von Parkausweisen sowie der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes, ist dem Beschwerdeführer die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel unzumutbar.

Da festgestellt worden ist, dass die dauernden Gesundheitsschädigungen ein Ausmaß erreichen, welches die Vornahme der Zusatzeintragung „Dem Inhaber des Passes ist die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung nicht zumutbar“ rechtfertigt, war spruchgemäß zu entscheiden.
2.         Zum Entfall einer mündlichen Verhandlung:

Gemäß § 24 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht auf Antrag oder, wenn es dies für erforderlich hält, von Amts wegen eine öffentliche mündliche Verhandlung durchzuführen.

Gemäß § 24 Abs. 2 VwGVG kann die Verhandlung entfallen, wenn

1. der das vorangegangene Verwaltungsverfahren einleitende Antrag der Partei oder die Beschwerde zurückzuweisen ist oder bereits auf Grund der Aktenlage feststeht, dass der mit Beschwerde angefochtene Bescheid aufzuheben, die angefochtene Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt oder die angefochtene Weisung für rechtswidrig zu erklären ist oder

2. die Säumnisbeschwerde zurückzuweisen oder abzuweisen ist.

Gemäß § 24 Abs. 3 VwGVG hat der Beschwerdeführer die Durchführung einer Verhandlung in der Beschwerde oder im Vorlageantrag zu beantragen. Den sonstigen Parteien ist Gelegenheit zu geben, binnen angemessener, zwei Wochen nicht übersteigender Frist einen Antrag auf Durchführung einer Verhandlung zu stellen. Ein Antrag auf Durchführung einer Verhandlung kann nur mit Zustimmung der anderen Parteien zurückgezogen werden.

Gemäß § 24 Abs. 4 VwGVG kann, soweit durch Bundes- oder Landesgesetz nicht anderes bestimmt ist, das Verwaltungsgericht ungeachtet eines Parteiantrags von einer Verhandlung absehen, wenn die Akten erkennen lassen, dass die mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten lässt, und einem Entfall der Verhandlung weder Art. 6 Abs. 1 der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten, BGBl. Nr. 210/1958, noch Art. 47 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union, ABl. Nr. C 83 vom 30.03.2010 S. 389 entgegenstehen

Weiters kann das Verwaltungsgericht gemäß § 24 Abs. 5 VwGVG von der Durchführung (Fortsetzung) einer Verhandlung absehen, wenn die Parteien ausdrücklich darauf verzichten. Ein solcher Verzicht kann bis zum Beginn der (fortgesetzten) Verhandlung erklärt werden.

Der EGMR hat in seinen Entscheidungen vom 10. Mai 2007, Nr. 7401/04 (Hofbauer/Österreich Nr. 2), und vom 3. Mai 2007, Nr. 17.912/05 (Bösch/Österreich), unter Hinweis auf seine frühere Rechtsprechung dargelegt, dass der Beschwerdeführer grundsätzlich ein Recht auf eine mündliche Verhandlung vor einem Tribunal hat, außer es lägen außergewöhnliche Umstände vor, die eine Ausnahme davon rechtfertigten. Der EGMR hat das Vorliegen solcher außergewöhnlichen Umstände angenommen, wenn das Verfahren ausschließlich rechtliche oder "hoch-technische" Fragen ("exclusively legal or highly technical questions") betrifft. Der Gerichtshof verwies im Zusammenhang mit Verfahren betreffend ziemlich technische Angelegenheiten ("rather technical nature of disputes") auch auf das Bedürfnis der nationalen Behörden nach zweckmäßiger und wirtschaftlicher Vorgangsweise, das angesichts der sonstigen Umstände des Falles zum Absehen von einer mündlichen Verhandlung berechtige (VwGH 03.10.2013, Zl. 2012/06/0221).

In seinem Urteil vom 18. Juli 2013, Nr. 56.422/09 (Schädler-Eberle/Liechtenstein) hat der EGMR in Weiterführung seiner bisherigen Judikatur dargelegt, dass es Verfahren geben würde, in denen eine Verhandlung nicht geboten sei, etwa wenn keine Fragen der Beweiswürdigung auftreten würden oder die Tatsachenfeststellungen nicht bestritten seien, sodass eine Verhandlung nicht notwendig sei und das Gericht auf Grund des schriftlichen Vorbringens und der schriftlichen Unterlagen entscheiden könne (VwGH 03.10.2013, Zl. 2012/06/0221).

Hinsichtlich der bekämpften Abweisung der Zusatzeintragung ist im gegenständlichen Fall für die Entscheidung maßgebend, ob die dauernden Gesundheitsschädigungen der Beschwerdeführers ein Ausmaß erreichen, welches die Eintragung der „Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung“ rechtfertigt. Zur Klärung des Sachverhaltes wurde ein ärztliches Sachverständigengutachten vom Bundesverwaltungsgericht eingeholt. Gegen dieses Gutachten vom 19.04.2021 wurden im Rahmen des Parteiengehörs keine Einwendungen erhoben. Wie bereits oben ausgeführt wurde, wurde dieses als nachvollziehbar und schlüssig erachtet. Der Sachverhalt ist geklärt und daher konnte die Durchführung einer mündlichen Verhandlung unterbleiben.

Zu B) Unzulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung (vgl. VwGH vom 24.04.2014, Zl. Ra 2014/01/0010; VwGH vom 24.03.2014, Zl. Ro 2014/01/0011) zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. 

Schlagworte

Behindertenpass Sachverständigengutachten Unzumutbarkeit Zusatzeintragung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2021:W141.2238277.1.00

Im RIS seit

01.09.2021

Zuletzt aktualisiert am

01.09.2021
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
Zurück Haftungsausschluss Vernetzungsmöglichkeiten

Sofortabfrage ohne Anmeldung!

Jetzt Abfrage starten