TE Vwgh Erkenntnis 1966/12/6 2175/65

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Veröffentlicht am 06.12.1966
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Index

Mineralölsteuer
32/01 Finanzverfahren allgemeines Abgabenrecht
32/05 Verbrauchsteuern

Norm

BAO §115 Abs1
BAO §115 Abs4
BAO §119 Abs1
MinStG 1959 §41 Abs1
MinStG 1959 §7 Abs1 lita
MinStG 1959 §8 Abs1
MinStG 1959 §9 Abs1
MinStG 1959 §9 Abs2 litb

Beachte


Miterledigung (miterledigt bzw zur gemeinsamen Entscheidung verbunden):
2176/65
2180/65
2191/65

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden, Senatspräsidenten Dr. Porias, und die Hofräte Dr. Schimetschek, Dr. Eichler, Dr. Raschauer und Dr. Frühwald, als Richter, im Beisein des Schriftführers Wetzelsberger, über die Beschwerden 1) der M Aktiengesellschaft in W, vertreten durch Dr. Wilhelm Kaan, Rechtsanwalt in Wien I, Schwarzenbergstraße 1 - 3, gegen die Bescheide der Finanzlandesdirektion für Wien, Niederösterreich und Burgenland vom 9. November 1965, Zl. IX-332/64 und IX-20/1/65, betreffend Mineralölsteuer, 2) der KH & Co. KG. in W, vertreten durch Dr. Alfred Stöger, Rechtsanwalt in Wien I, Opernring 17, gegen den Bescheid der Finanzlandesdirektion für Wien, Niederösterreich und Burgenland vom 9. November 1965, Zl. IX-346/64, betreffend Mineralölsteuer, 3) der S Aktiengesellschaft in Wien, vertreten durch Dr. Wilhelm Kaan, Rechtsanwalt in Wien I, Schwarzenbergstraße 1 - 3, gegen den Bescheid der Finanzlandesdirektion für Wien, Niederösterreich und Burgenland vom 9. November 1965, Zl. IX-320/1/64, betreffend Mineralölsteuer, nach durchgeführter Verhandlung, und zwar nach Anhörung des Vortrages des Berichters sowie der Ausführungen des Vertreters der Beschwerden zu 1) und 3) Rechtsanwalt Dr. Wilhelm Kaan sowie des Vertreters der Beschwerde zu 2) Rechtsanwalt Dr. Alfred Stöger, und des Vertreters der belangten Behörde, Oberfinanzrates Dr. JP, zu Recht erkannt:

Spruch

Die angefochtenen Bescheide werden wegen Rechtswidrigkeit ihres Inhaltes aufgehoben.

Der Bund (Finanzlandesdirektion für Wien, Niederösterreich und Burgenland) hat der Erstbeschwerdeführerin (M AG., W) Aufwendungen in der Höhe von S 3.768,40, der Zweitbeschwerdeführerin (Firma KH & Co., KG) Aufwendungen in der Höhe von S 2.370,40 und an die Drittbeschwerdeführerin (Firma S AG.) Aufwendungen in der Höhe von S 2.505,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Das Mehrbegehren der Zweitbeschwerdeführerin (Firma KH & Co., KG.) wird abgewiesen.

Begründung

Die Erstbeschwerdeführerin (Zl. 2175/65), ein Herstellungebetrieb gemäß § 9 Abs. 1 des Mineralölsteuergesetzes 1959, hat ab dem Jahre 1961 bis einschließlich Mai 1964 einem Betrieb in K Mineralöle, die gemäß § 1 des Mineralösteuergesetzes 1959 der Mineralölsteuer unterliegen, und zwar in der Zeit vom 3. Jänner 1964 bis 15. Mai 1964 insgesamt 193.344 kg Benzin und 1,207.092 kg Gasöl geliefert. Die Beschwerdeführerin hat sich bei diesen Mengen in den für die Monate Jänner, Februar, März, April und Mai 1964 abgegebenen Mineralölsteueranmeldungen auf § 7 Abs. 1 lit. a des Mineralölsteuergesetzes 1959 bezogen und hat sie nicht der Mineralösteuer unterzogen. Das Finanzamt für Verbrauchsteuern und Monopole in Wien nahm auf Grund einer Mitteilung des Finanzamtes Wien-Umgebung im Frühjahr 1964 an, daß der Betrieb in K zur Zeit der Lieferungen der Benzin- und Gasölmengen kein Erzeugungsbetrieb im Sinne des Mineralösteuergesetzes 1959 gewesen sei und schrieb der Beschwerdeführerin mit Bescheiden vom 16. Juni 1964, vom 17. Juli 1964, vom 23. Juli 1964 und vom 6. August 1964 für die Monate Jänner bis Mai 1964 Mineralölsteuer samt Bundeszuschlag in der Höhe von S 1,591.328,-- und Säumniszuschlag in der Höhe von S 31.826,-- vor. Die Beschwerdeführerin erhob gegen diese Bescheide Berufungen, die bis auf die Berufung gegen den Bescheid vom 16. Juni 1964, der durch Herabsetzung der Nachforderung zum Teil stattgegeben wurde, von der belangten Behörde mit dem in Beschwerde gezogenen Bescheid vom'9. November 1965, Zl. IX-332/64, als unbegründet abgewiesen wurden.

Die Erstbeschwerdeführerin hat des weiteren (Zl. 2176/65) in der Zeit vom 7. Jänner 1964 bis 24. April 1964 an den Betrieb in K in mehreren Teilmengen insgesamt 54.740 kg Petroleum geliefert und diese Mineralölmengen ebenfalls in den für die Monate Jänner, Februar, März und April 1964 abgegebenen Mineralölsteueranmeldungen unter Bezug auf § 7 Abs. 1 lit. a des Mineralösteuergesetzes 1959 steuerfrei behandelt. Hier kam das Finanzamt Wien-Umgebung, als das für diese Lieferungen zuständige Finanzamt, im Frühjahr 1964 zur Ansicht, daß der Betrieb in K. zur Zeit der Petroleumlieferungen kein Erzeugungsbetrieb im Sinne des Mineralölsteuergesetzes 1959 gewesen sei, und schrieb der Beschwerdeführerin mit Bescheid vom 4. Juni 1964 für die Monate Jänner bis April 1964 Mineralölsteuer samt Bundeszuschlag in Höhe von S 60.214,-- vor. Die Beschwerdeführerin erhob gegen diesen Bescheid Berufung, der die belangte Behörde mit dem in Beschwerde gezogenen Bescheid vom 9. November 1965, Zl. IX-20/1/65, durch Herabsetzung der Mineralölsteuer samt Bundeszuschlag auf S 51.766,-- zum Teil stattgab. Im übrigen wurde die Berufung als unbegründet abgewiesen.

Die Zweitbeschwerdeführerin (Zl. 2180/65) betreibt ein Mineralölfreilager und hat aus diesem in der Zeit vom 13. Februar 1964 bis 3. April 1964 dem gleichen Betrieb in K in mehreren Teilmengen insgesamt 21.508 kg Bezin geliefert und diese Mineralölmengen in ihren für die Monate Februar, März und April 1964 abgegebenen Mineralölsteueranmeldungen unter Bezug auf § 7 Abs. 1 lit. a des Mineralösteuergesetzes 1959 steuerfrei behandelt. Das Finanzamt für Verbrauchsteuern und Monopole in Wien teilte der Beschwerdeführerin mit Schreiben vom 22. Mai 1964 mit, daß der Betrieb ab 1. Jänner 1964 nicht mehr als Erzeugungsbetrieb im Sinne des § 9 des Mineralölsteuergesetzes 1959 anzusehen sei, und schrieb der Beschwerdeführerin mit Bescheid vom 16. Juni 1964 Mineralölsteuer samt Bundeszuschlag in Höhe von S 54.845,40 sowie einen auf die Nachforderungen in den Monaten Februar und März 1964 entfallenden Säumniszuschlag in Höhe von S 835,68 vor. Die Beschwerdeführerin erhob gegen diesen Bescheid Berufung, die von der belangten Behörde mit dem in Beschwerde gezogenen Bescheid vom 9. November 1965, Zl. IX-346/64, als unbegründet abgewiesen wurde.

Die Drittbeschwerdeführerin (Zl. 2191/65), ein Herstellungsbetrieb gemäß § 9 Abs. 1 des Mineralölsteuergesetzes 1959, hat im Jahre 1963 und insbesondere in den Monaten Februar, April und Mai 1964 an den gleichen Betrieb in K in mehreren Teillieferungen insgesamt 162.986 kg Gasöl geliefert und diese Mineralölmengen in ihren für die Monate Februar, April und Mai 1964 abgegebenen Mineralölsteueranmeldungen unter Bezug auf § 7 Abs. 1 lit. a des Mineralölsteuergesetzes 1959 steuerfrei behandelt. Das Finanzamt für Verbrauchsteuern und Monopole in Wien, das den Betrieb in K auf Grund einer Mitteilung des Finanzamtes Wien-Umgebung ab Frühjahr 1964 nicht mehr als Erzeugungsbetrieb ansah, schrieb der Beschwerdeführerin mit Bescheid vom 16. Juni 1964 für die Monate Februar und April 1964 und mit Bescheid vom 11. August 1964 für den Monat Mai 1964 Mineralölsteuer samt Bundeszuschlag in Höhe von insgesamt S 179.284,95,vor. Mit dem Bescheid vom 11. August 1964 wurde außerdem für die Nachforderung für den Monat Mai 1964 ein Säumniszuschlag in Höhe von S 884,93 vorgeschrieben. Die Beschwerdeführerin erhob gegen die Bescheide Berufungen, die von der belangten Behörde mit dem in Beschwerde gezogenen Bescheid vom 9. November 1965, Zl. IX-320/1/64, als unbegründet abgewiesen wurden.

Mit Bescheid vom 10. Juni 1964 setzte das Finanzamt Wien-Umgebung in einem an den Betrieb in K gerichteten Bescheid dessen Schuldigkeit an Mineralölsteuer samt Bundeszuschlag für die Monate Jänner bis April 1964 mit S 0,00 fest und begründete diese Festsetzung damit, daß nach den Feststellungen des Finanzamtes von dem Betrieb ab Jänner 1964 die für einen Erzeugungsbetrieb erforderlichen Voraussetzungen nicht mehr erfüllt würden. Dieser Bescheid ist unangefochten in Rechtskraft erwachsen.

In den Entscheidungsgründen der angefochtenen Bescheide begründet die belangte Behörde die Abweisung der Berufungen der Beschwerdeführerinnen im wesentlichen damit, daß der Betrieb in K auf Grund seiner Tätigkeit nicht als Erzeugungsbetrieb im Sinne des § 9 des Mineralölsteuergesetzes 1959 angesehen werden könne. Die rechtliche Beurteilung der vorliegenden Fälle hänge aber ausschließlich von den Vorgängen ab, die sich in dem Betrieb in K in der fraglichen Zeit abgespielt hätten und es erübrige sich daher, auf die Einwendungen der Berufungen, die Beschwerdeführerinnen hätten die in Rede stehenden Mengen mit Wissen der Finanzämter unversteuert abgegeben, das Finanzamt Wien-Umgebung hätte bis zum 22. Mai 1964 nicht an der Eigenschaft des Betriebes in K als Erzeugungsbetrieb gezweifelt, es hätte bis dahin eindeutig diesen Betrieb als Steuerschuldner behandelt und dessen mineralölsteuerliche Aufzeichnungen auf Grund laufender Überprüfungen für sachlich richtig und vollständig befunden, näher einzugehen. Des weiteren sei darauf hinzuweisen, daß das Finanzamt Wien-Umgebung in einem an den Betrieb in K gerichteten Bescheid vom 10. Juni 1964 dessen Mineralölsteuerschuldigkeiten für die Monate Jänner bis April 1964 mit der Begründung auf S 0,00 herabgesetzt habe, daß der Betrieb kein Erzeugungsbetrieb im Sinne des Mineralölsteuergesetzes mehr gewesen sei.

Gegen diese Entscheidungen der belangten Behörde richten sich die vorliegenden wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes und wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften erhobenen Beschwerden.

Der Verwaltungsgerichtshof hat beschlossen, die Beschwerden zu einer gemeinsamen Verhandlung zu verbinden und hat erwogen:

Gemäß § 1 des Mineralölsteuergesetzes 1959, BGBl, Nr. 2/1960 (MinStG), unterliegt Mineralöl, das im Zollgebiet gewonnen oder hergestellt oder in das Zollgebiet eingeführt wird, der Mineralölsteuer. Die Steuerschuld entsteht u. a. gemäß § 4 Abs. 1 lit. a MinStG 1959 dadurch, daß rohes Erdöl aus dem Betrieb, in dem es gewonnen wurde, weggebracht wird oder daß Mineralöl aus einem Erzeugungsbetrieb oder einem Freilager weggebracht oder in einem Erzeugungsbetrieb oder einem Freilager verbraucht wird. Steuerschuldner ist in diesen Fällen gemäß § 5 Z. 1 MinStG 1959 der Inhaber des Herstellungsbetriebes oder des Freilagers. Für Mineralöl, für das die Steuerschuld gemäß § 4 Abs. 1 lit. a MinStG 1959 entstanden ist, ist die Mineralölsteuer gemäß § 7 Abs. 1 lit. a MinStG 1959 nicht zu erheben oder auf Antrag des Steuerschuldners zu erstatten, wenn das Mineralöl in einen Erzeugungsbetrieb oder in ein Freilager aufgenommen oder zurückgenommen wurde oder auf dem Transport in einen Erzeugungsbetrieb oder in ein Freilager zugrunde gegangen ist. Die Erhebung der Mineralölsteuer erfolgt gemäß § 8 Abs. 1 MinStG 1959 durch Selbstberechnung. Der Steuerschuldner hat bis zum Ende eines jeden Kalendermonates bei dem für die Erhebung der Mineralölsteuer zuständigen Finanzamt für jede Mineralölart getrennt, das Eigengewicht jenes Mineralöls schriftlich anzumelden, für das im vorangegangenen Monat die Steuerschuld gemäß § 4 Abs. 1 MinStG 1959 entstanden ist. Der Steuerschuldner hat in der Anmeldung jene im angemeldeten Eigengewicht enthaltenen Mengen abzuziehen, die auf Mineralöl entfallen, das gemäß § 6 MinStG 1959 von der Mineralölsteuer befreit ist oder für das bis zum Tage der Anmeldung einer der im § 7 Abs. 1 lit. a oder b MinStG 1959 angeführten Tatbestände verwirklicht wurde. Unterläßt der Steuerschuldner die Anmeldung, erweist sich die Anmeldung als unvollständig oder die Selbstberechnung als nicht richtig, so ist gemäß § 8 Abs. 3 MinStG 1959 ein Steuerbescheid zu erlassen. Erzeugungsbetriebe sind gemäß § 9 Abs. 1 MinStG 1959 Betriebe, in denen durch Bearbeitung oder Verarbeitung von Rohstoffen, Halb- oder Fertigerzeugnissen aller Art Mineralöl hergestellt wird. Gemäß § 9 Abs. 2 MinStG 1959 sind Betriebe, in denen Mineralöle miteinander gemischt werden oder Mineralöl mit anderen Stoffen gemischt wird, nur dann Erzeugungsbetriebe, wenn a) Mineralöl im Betrieb auch auf andere Art hergestellt wird, oder wenn b) das Mischen den ausschließlichen oder überwiegenden Betriebsgegenstand bildet, oder wenn c) der gewichtsmäßige Anteil der anderen Stoffe am Gemisch mehr als 5 % beträgt, und das Gemisch nicht ausschließlich im Betrieb verwendet wird.

Auf Grund dieser Gesetzeslage ist die belangte Behörde im Recht, wenn sie in den angefochtenen Bescheiden feststellt, daß die Frage der Mineralölsteuerpflicht der Beschwerdeführerinnen für die in Rede stehenden Mineralöllieferungen davon abhänge, ob der Betrieb in K, in den das gelieferte Mineralöl aufgenommen worden sei, zur Zeit der Aufnahme ein Erzeugungsbetrieb im Sinne des Mineralölsteuergesetzes 1959 gewesen sei. In diesem Betrieb wurden, wie das Finanzamt Wien-Umgebung ermittelte, bis Juli 1961 aus rohem Erdöl Benzin, Petroleum, Gasöl und andere Produkte erzeugt. Im Juli 1961 wurde der Raffinationsbetrieb eingestellt und bis zur Zeit der Erlassung der angefochtenen Bescheide nicht wieder aufgenommen. Seit dem Jahre 1961 bezog der Betrieb die früher selbst hergestellten Produkte in fertigem Zustand aus anderen Raffinerien und aus dem Ausland, lagerte die Produkte und trieb mit ihnen Handel. Ein Teil der Produkte wurde vor der Weiterveräußerung vermischt. Zur Herstellung der Gemische wurden auch der Mineralölsteuer unterlegende Produkte, und zwar Gasöl und Petroleum verwendet. Es wurden Mischungen dieser beiden Produkte miteinander und Mischungen von Gasöl mit Spindelöl, das nicht der Mineralölsteuer unterliegt, vorgenommen. In dem Zeitraum, auf den sich die angefochtenen Bescheide beziehen, wiesen die hergestellten Gasöl-Spindelöl-Gemische mit Rücksicht auf ihren hohen Spindelölgehalt nicht alle für ein steuerbares Mineralöl erforderlichen Eigenschaften auf und waren deshalb im Zeitpunkt ihrer Herstellung keine Mineralöle im Sinne des Mineralölsteuergesetzes 1959. Die Gemische aus Gasöl und Petroleum ergaben, da ja beide Mineralöle Steuergegenstand sind, der Mineralölsteuer unterliegende Produkte. In der Zeit, die für die vorliegenden Fälle maßgebend ist, wurde demnach in dem Betrieb in K auf keine andere Art als durch Mischen von Gasöl mit Petroleum - somit durch Mischen von Mineralölen untereinander - steuerbares Mineralöl hergestellt. Wie sich nun aus § 9 Abs. 2 lit. b MinStG 1959 ergibt, ist in einem solchen Falle der Betrieb, in dem die Mineralöle miteinander gemischt werden, nur dann ein Erzeugungsbetrieb, wenn das Mischen den ausschließlichen oder überwiegenden Betriebsgegenstand bildet, Dies war jedoch in dem Betrieb in K nicht der Fall, weil von der Gesamtmenge der umgesetzten Produkte weniger als die Hälfte auf Gasöl-Petroleum-Gemische entfiel.

Das Finanzamt stellte auf Grund dieser Ermittlungen fest, daß der Betrieb in K ab 1. Jänner 1964 kein Erzeugungsbetrieb im Sinne des Mineralölsteuergesetzes 1959 sei, und erließ am 10. Juni 1964 unter Bezug auf § 8 Abs. 1 und § 9 Abs. 2 MinStG 1959 in Verbindung mit § 201 der Bundesabgabenordnung (BAO) einen Bescheid, mit dem die Mineralölsteuerschuldigkeiten des Betriebes für die Monate Jänner bis April 1964 mit S 0,00 festgesetzt wurden. Begründet wurde die Entscheidung nur mit der Feststellung, daß der Betrieb ab Jänner 1964 die für einen Erzeugungsbetrieb erforderlichen Voraussetzungen nicht mehr erfülle. Nähere Ausführungen, aus welchen Gründen diese Voraussetzungen nicht mehr vorliegen, enthält dieser Bescheid nicht. Der Betrieb in K hat die Aberkennung der Qualifikation als Erzeugungsbetrieb und damit die Befreiung von einer beträchtlichen Mineralölsteuerschuld anerkannt und der Bescheid ist in Rechtskraft erwachsen. Die Rechtskraft dieses Bescheides wirkt auch gegen die Beschwerdeführerinnen und es erübrigt sich daher, auf ihre Darlegungen, daß die Aberkennung der Qualifikation als Erzeugungsbetrieb bei dem Betrieb in K zu Unrecht erfolgt ist, einzugehen.

Gemäß § 201 BAO. bzw. § 8 Abs. 3 MinStG 1959 ist, wenn die Abgabenvorschriften die Selbstberechnung einer Abgabe durch den Abgabepflichtigen ohne abgabenbehördliche Festsetzung der Abgabe zulassen, ein Abgabenbescheid u. a. dann zu erlassen, wenn sich die Selbstberechnung als nicht richtig erweist. Im vorliegenden Falle hat sich die Selbstberechnung der Mineralölsteuer deshalb als nicht richtig erwiesen, weil unter den in den monatlichen Anmeldungen abgezogenen Mengen auch solche enthalten waren, die in den Betrieb in K, aufgenommen wurden, bei dem es sich nachträglich herausgestellt hatte, daß er nicht als Erzeugungsbetrieb im Sinne des § 9 MinStG 1959 anzusehen ist, obschon er in einem Erlaß des Bundesministeriums für Finanzen unter den Erzeugungsbetrieben aufgezählt war. Der Verwaltungsgerichtshof hat in seinem Erkenntnis vom 8. November 1966, Zl. 590/65, ausgesprochen, daß es grundsätzlich nicht darauf ankomme, ob der Abgabepflichtige subjektiv seine Berechnung für richtig halte, sondern, daß es entscheidend sei, ob die Berechnung objektiv richtig sei. Demnach wäre die belangte Behörde allerdings berechtigt gewesen, die angefochtenen Bescheide zu erlassen.

Es ist jedoch darauf Bedacht zu nehmen, daß bei der Selbstberechnung einer Abgabe die abgaberechtlich bedeutsamen Tatsachen und Verhältnisse in der Regel so geartet sind, daß deren Ermittlung einer weitgehenden Mitwirkung nicht nur des Abgabepflichtigen, sondern auch Außenstehender bedarf. Das Abgabenverfahren besteht hier zum Großteil im Zusammenwirken einer Mehrzahl Beteiligter, denen allen Pflichten und Rechte eingeräumt sind. Die Mitwirkungspflicht des Abgabepflichtigen selbst kann aber nur soweit gehen, als es zur objektiven Wahrheitsfindung notwendig ist und darf die Grenzen der Zumutbarkeit nicht übersteigen (vgl. Bericht des Finanz- und Budgetausschusses, 456 der Beilagen zu den stenographischen Protokollen des Nationalrates IX. GP.). Diese Grenzen der Zumutbarkeit bei der Selbstberechnung einer Abgabe können eindeutig und allgemein nicht festgelegt werden. Hier ist vielmehr unter Beachtung aller Umstände des einzelnen Falles zu entscheiden, wo diese Grenzen liegen. Dies trifft vor allem in jenen Fällen zu, bei denen die Höhe der selbst zu berechnenden Abgabe zum Teil von der Handlungsweise eines Vertragspartners des Abgabepflichtigen abhängig ist, die dieser nicht immer mit einer jeden Zweifel ausschließenden Sicherheit festzustellen im Stande ist. So wird beispielsweise der Verkäufer, der den ermäßigten Steuersatz für Lieferungen im Großhandel gemäß § 7 Abs. 2 Z. 2 des Umsatzsteuergesetzes 1959 in Anspruch nimmt, verpflichtet sein, sich Klarheit darüber zu verschaffen, zu welchem Zweck der Abnehmer den gekauften Gegenstand zu verwenden beabsichtigt, soweit nicht diese Absicht aus den Umständen des Einzelfalles, etwa aus dem Beruf des Abnehmers in Verbindung mit der Art und Menge der gelieferten Gegenstände, eindeutig erkennbar ist. Ändert aber der Erwerber nach der Lieferung des Gegenstandes den Erwerbszweck, so hat dies gemäß § 3 Abs. 8 des Umsatzsteuergesetzes 1959 auf den vom Verkäufer in Anspruch genommenen Steuersatz keinen Einfluß mehr. Eine andere Regelung würde für den Verkäufer die Grenzen des Zumutbaren überschreiten, weil er sich naturgemäß nur an jene Tatbestände halten kann, die für ihn anläßlich der Lieferung des Gegenstandes bei sorgfältiger Prüfung aller Umstände erkennbar waren (vgl. Bundy, Das Umsatzssteuerrecht, S. 187 Anm. 18; Strack, die Umsatzsteuer, 4. Auflage, S. 408).

Diese für das Umsatzsteuerrecht geltende Rechtsansicht hat für die vorliegenden Fälle insofern Bedeutung, als sich auch die Beschwerdeführerinnen bei der Erstellung der monatlichen Mineralölsteueranmeldungen nur an die Tatbestände halten konnten, die für sie bei sorgfältiger Prüfung aller Umstände erkennbar waren, zumal das Gesetz keine Vorschriften darüber enthält, in welcher Weise sich ein Lieferant über die Eigenschaft eines Betriebes als Erzeugungsbetrieb zu informieren hat. Wie den Beschwerden und Gegenschriften zu entnehmen ist, qualifizierte sich der Betrieb in Kl. selbst zu seinem Nachteil als Erzeugungsbetrieb im Sinne des § 9 MinStG 1959 und diese Qualifikation wurde von der Behörde trotz laufender Überprüfung anerkannt. Erst im Frühjahr 1964 ergab eine eingehendere Prüfung, daß der Betrieb schon seit der Einstellung des Raffinationsbetriebes, also seit dem Jahre 1961, keine Tätigkeit ausübte, die ihn zum Erzeugungsbetrieb im Sinne des § 9 Abs. 1 oder Abs. 2 MinStG 1959 qualifizierte, worauf mit Erlaß der belangten Behörde vom 23. Juni 1964 die Finanzämter und Zollämter angewiesen wurden, den Betrieb in K aus dem Verzeichnis über die im Bundesgebiet steuerlich erfaßten Mineralölerzeugungsbetriebe zu streichen.

Als die Beschwerdeführerinnen ihre monatlichen Mineralölsteueranmeldungen erstatteten und hiezu Selbstberechnungen der Mineralölsteuer vornahmen, waren sie nach ihren Angaben, nicht in der Lage, zu erkennen, daß es sich bei dem Betrieb in K nicht um einen Erzeugungsbetrieb im Sinne des § 9 MinStG 1959 handelt. Die belangte Behörde bringt dagegen vor, die Beschwerdeführerinnen hätten sich durch Vertrag Sicherungen für die Offenlegung rechtlich bedeutsamer Betriebsvorgänge ausbedingen sollen, um sich vor den Folgen der Aberkennung der Erzeugereigenschaft des Abnehmers zu schützen. Abgesehen davon, daß derartige Maßnahmen wohl kaum den wirtschaftlichen Gepflogenheiten entsprechen könnten, wären sie im vorliegenden Falle bedeutungslos gewesen; denn der Betrieb in K hätte jedenfalls bis zur Prüfung durch die Behörde im Frühjahr 1964, die den Bescheid vom 10. Juni 1964 und den Erlaß vom 23. Juni 1964 zur Folge hatte, den Beschwerdeführerinnen auf Grund der von ihm geführten Unterlagen nachweisen können, daß er trotz besonderer Aufsichtsmaßnahmen der Behörde als Erzeugungsbetrieb anerkannt werde, Mineralölsteueranmeldungen vorgelegt habe und mit der Mineralölsteuer belastet werde.

Die Beschwerdeführerinnen haben auch darauf verwiesen, daß das von der Behörde verfaßte Verzeichnis über die im Bundesgebiet steuerlich erfaßten Mineralölerzeugungsbetriebe ihnen bekannt war, und sie daraus mit Recht entnehmen konnten, daß der darin aufgenommene Betrieb in K ein Erzeugungsbetrieb sei. Wenn die belangte Behörde bei Vorlage des Verzeichnisses an den Verwaltungsgerichtshof auch zutreffend darauf hinweist, daß es sich hier lediglich um einen Behelf für den inneren Dienstbetrieb handelt, der nicht allgemein verbindlich kundgemacht und auch nicht zur Einsichtnahme für die Abgabepflichtigen bestimmt sei, so ergibt sich aus den vorliegenden Beschwerden doch, daß dieses Verzeichnis den Mineralöllieferanten nicht vorenthalten, ja in Fachblättern sogar veröffentlicht wird und für Außenstehende somit eine wesentlicheGrundlage dafür bildet, ob ein Abnehmerbetrieb als Erzeugungsbetrieb im Sinne des § 9 MinStG 1959 anzusehen ist. Dieses Verzeichnis hat ohne Zweifel keine Publizitätswirkung, aus der sich für einen Dritten irgendwelche Rechte oder Pflichten ergeben können, es kommt ihm aber doch eine größere Bedeutung zu, als es die belangte Behörde nunmehr wahrhaben will. Durch dieses Verzeichnis wird immerhin deklariert, daß die Finanzverwaltung einen bestimmten Betrieb als einen Erzeugungsbetrieb im Sinne des § 9 MinStG 1959 anerkennt, und konnten die Beschwerdeführerinnen mit Recht dieser Feststellung der Behörde vertrauen.

Auf Grund dieses Sachverhaltes und der unbestrittenen Tatsache, daß die Mineralölsteueranmeldungen der Beschwerdeführerinnen und des Betriebes in K hinsichtlich dieser Frage durch mehrere Jahre unbeanstandet zur Kenntnis genommen wurden, konnte sich die belangte Behörde bei Ihren Entscheidungen nicht darauf beschränken, auf die Vorgänge in dem Betrieb in K und den Bescheid des Finanzamtes Wien-Umgebung vom 10. Juni 1964 hinzuweisen. Sie wäre vielmehr verpflichtet gewesen, auf die Einwendungen der Beschwerdeführerinnen, sie hätte die in Rede stehenden Mengen mit Wissen der Finanzämter unversteuert abgegeben, das Finanzamt Wien-Umgebung hätte bis zum Frühjahr 1964 nicht an der Qualifikation des Betriebes in K als Erzeugungsbetrieb gezweifelt, es hätte vielmehr bis dahin diesen Betrieb als Steuerschuldner behandelt und dessen mineralölsteuerliche Aufzeichnungen auf Grund laufender Überprüfungen in dieser Hinsicht für richtig befunden, sie hätten somit allen Grund gehabt, an der Erzeugereigenschaft des Betriebes in K nicht zu zweifeln, näher einzugehen. War nämlich den Beschwerdeführerinnen im Hinblick auf die besonderen Verhältnisse der vorliegenden Fälle die Abfuhr der Mineralölsteuer für Lieferungen an den Betrieb in K nicht zuzumuten, so konnten sie nach dem auch im Abgabenrecht geltenden Grundsatz von Treu und Glauben nicht rückwirkend zur Zahlung der Mineralölsteuer für diese Lieferungen herangezogen werden (vgl. auch das Erkenntnis vom 31. Mai 1963, Slg. Nr. 2885/F).

Aus diesen Erwägungen waren die angefochtenen Bescheide gemäß § 42 Abs. 2 lit. a VwGG 1965 wegen Rechtswidrigkeit ihres Inhaltes aufzuheben.

Der Ausspruch über die Kosten stützt sich auf § 47 und 48 Abs. 1 VwGG 1965 in Verbindung mit der Verordnung des Bundeskanzleramtes Art. I Abschnitt A vom 4. Jänner 1965, BGBl. Nr. 4. Eine gesonderte Vergütung der Umsatzsteuer konnte nicht erfolgen, da dieser Aufwand in dem Pauschbetrag für Schriftsatzaufwand seine Deckung findet.

Wien, am 6. Dezember 1966

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1966:1965002175.X00

Im RIS seit

02.09.2021

Zuletzt aktualisiert am

02.09.2021
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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