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AbgabenverfahrenNorm
HGB §158Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch Vorsitzenden Vizepräsident Dr. Raschauer und die Hofräte Dr. Seiler, Dr. Großmann, Dr. Schubert und Dr. Wetzel als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Füszl, über die Beschwerde 1.) des VN, 2.) der GN, und 3.) der CB in G, sämtliche vertreten durch Dr. Heribert Neumann, Rechtsanwalt in Graz, Radetzkystraße 7, gegen den Bescheid der Finanzlandesdirektion für Steiermark vom 27. Oktober 1982, Zl. B 232-3/82, betreffend Umsatzsteuer für 1978, zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Der Bund hat den Beschwerdeführern Aufwendungen in der Höhe von S 8.585,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Das Mehrbegehren wird abgewiesen.
Begründung
Am 20. Dezember 1978 beschlossen der Erstbeschwerdeführer in seiner Eigenschaft als Komplementär und die Zweit- und Drittbeschwerdeführerin in ihrer Eigenschaft als Kommanditisten der unter der Firmenbezeichnung „JS Nachfolger FB“ protokollierten Kommanditgesellschaft, das Unternehmen der Gesellschaft mit allen Aktiven und Passiven gemäß Art. III des Strukturverbesserungsgesetzes in eine Gesellschaft mit beschränkter Haftung gegen Gewährung von neuen Gesellschaftsanteilen einzubringen. Als Einbringungsstichtag wurde der 1. Mai 1978 bestimmt.
Am 25. Jänner 1979 wurde in das Handelsregister beim Landes- als Handelsgericht Graz eingetragen, daß die Kommanditgesellschaft aufgelöst und die Firma erloschen sei.
Mit Datum 4. Dezember 1979 erließ das Finanzamt Graz - Stadt unter der für die Kommanditgesellschaft geführten Steuernummer an die „Fa. JS Nachf.“ zu Handen des Steuerberaters LS einen Umsatzsteuerbescheid für 1978, in dem - übereinstimmend mit der für die Kommanditgesellschaft abgegebenen Umsatzsteuererklärung - eine Zahllast in Höhe von S 60.089,-- festgesetzt wurde.
Im Zuge einer 1980 durchgeführten, die abgabenrechtlichen Verhältnisse der Kommanditgesellschaft betreffenden abgabenbehördlichen Prüfung vertrat der Prüfer die Auffassung, daß für die Einbringung des Unternehmens der Kommanditgesellschaft in eine Kapitalgesellschaft die Begünstigungen des Strukturverbesserungsgesetzes nicht zuerkannt werden könnten, weil nicht das gesamte Betriebsvermögen gegen Gewährung von Gesellschaftsrechten eingebracht, sondern ein Anteil im Betrage von S 1,164.615,-- als Darlehen „eingebucht“ worden sei. Auf Grund dieser Auffassung gelangte der Prüfer hinsichtlich der Umsatzsteuer für 1978 zu einer Zahllast in Höhe von S 925.769,--, was gegenüber der bisherigen Vorschreibung eine Mehrbelastung von S 865.680,-- bedeutete. (Laut Sachverhaltsdarstellung in der vorliegenden Beschwerde konnte ein. Betrag von S 537.222,-- bei der „Nachfolge-GmbH“ als Vorsteuer geltend gemacht werden, sodaß eine effektive Mehrbelastung von S 328.458,-- entstand.)
Das Finanzamt nahm das Veranlagungsverfahren gemäß § 303 Abs. 4 BAO wieder auf und erließ mit Datum 29. September 1980 einen mit den Prüfungsfeststellungen übereinstimmenden neuen Sachbescheid. Dagegen wurde unter der Firmenbezeichnung der Kommanditgesellschaft durch den bevollmächtigten Steuerberater Berufung erhoben. Mit Berufungsvorentscheidung vom 9. April 1981 gab das Finanzamt der Berufung Folge und setzte die Umsatzsteuerzahllast für 1978 wiederum mit S 60.089,-- fest. Die Adressierung dieser Entscheidung und des bekämpften Bescheides vom 29. September 1980 entsprach jener des Bescheides vom 4. Dezember 1979.
Gleichfalls unter der bisherigen Steuernummer richtete das Finanzamt schließlich am 18. August 1982 an die namentlich genannten Beschwerdeführer „als Rechtsnachfolger gemäß § 19 (2) BAO der Fa. JS Nachf. FB KG“ einen Umsatzsteuerbescheid für 1978, dessen Zahllast abermals auf S 925.769,-- lautete. In der Begründung des Bescheides heißt es: „Da sämtlichen vom Finanzamt an die im Zeitpunkt ihrer Erlassung nicht mehr existente KG gerichteten Bescheiden für 1978 der Bescheidcharakter fehlt, war gegenständlicher Bescheid zu erlassen. Zur materiellen Rechtsfrage wird auf den Betriebsprüfungsbericht vom 8. Juli 1980 hingewiesen.“
Auch gegen diesen Bescheid wurde unter der Firmenbezeichnung der Kommanditgesellschaft Berufung erhoben und darin eingewendet, daß die Begründung des Finanzamtes jeder Grundlage entbehre. Der Umsatzsteuerbescheid vom 29. September 1980 sei rechtsgültig an den damaligen steuerlichen Vertreter der Firma ergangen. Das Finanzamt übersehe § 81 Abs. 6 BAO, worin klargestellt werde, daß die bei Beendigung einer Personenvereinigung bestehende Vertretungsbefugnis insoweit und solange aufrecht bleibe, als nicht von einem der zuletzt beteiligt gewesenen Gesellschafter oder der vertretungsbefugten Person dagegen Widerspruch erhoben werde. Beantragt wurde die ersatzlose Aufhebung des bekämpften Bescheides.
Mit dem nunmehr beim Verwaltungsgerichtshof angefochtenen Bescheid gab die belangte Behörde dem Rechtsmittel nicht Folge. Zur Begründung dieser Entscheidung führte sie unter Bezugnahme auf § 19 Abs. 2 BAO aus, daß nach Beendigung einer Kommanditgesellschaft, die eine Personenvereinigung ohne eigene Rechtspersönlichkeit sei, Bescheide in Angelegenheiten der Kommanditgesellschaft an die zuletzt beteiligt gewesenen Gesellschafter zu richten seien. Wenn die Berufung ausführe, daß der Umsatzsteuerbescheid vom 29. September 1980 im Sinne des § 81 Abs. 6 zweiter Satz BAO „rechtsgültig“ an den damaligen steuerlichen Vertreter ergangen sei, so übersehe sie, daß diesem Vertreter ein an eine nicht mehr existierende Personenvereinigung gerichteter Bescheid zugestellt worden sei. Ein Bescheid, der an eine nicht mehr existierende Personenvereinigung gerichtet sei, vermöge jedoch genauso wie ein an einen bereits Verstorbenen gerichteter Bescheid keine Rechtswirkungen zu entfalten (Hinweis auf das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 10. September 1980, Zlen. 2601, 2602, 2658 bis 2660/80). Daß dieser Bescheid zu Handen der gemäß § 81 Abs. 6 zweiter Satz BAO vertretungsbefugten Person ergangen sei, ändere nichts am Fehlen des für das Vorliegen des Bescheidcharakters erforderlichen Bescheidadressaten. Dasselbe gelte für den ursprünglichen Umsatzsteuerbescheid 1978 vom 4. Dezember 1979. Das Finanzamt habe daher, zutreffend ausgehend vom Fehlen eines über die Umsatzsteuer 1978 der Kommanditgesellschaft handelnden Bescheides, nunmehr an die zuletzt beteiligt gewesenen Gesellschafter der Kommanditgesellschaft den bekämpften Bescheid erlassen.
Der Verwaltungsgerichtshof hat über die gegen diesen Bescheid wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes und wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften erhobene Beschwerde unter Bedachtnahme auf die von der belangten Behörde erstattete Gegenschrift erwogen:
Die von der belangten Behörde in der Begründung des angefochtenen Bescheides angezogene Bestimmung des § 19 Abs. 2 BAO wurde dem genannten Paragraphen durch Art. I Z. 11 der Novelle BGBl. Nr. 151/1980 angefügt. Sie lautet:
„(2) Mit der Beendigung von Personenvereinigungen (Personengemeinschaften) ohne eigene Rechtspersönlichkeit gehen deren sich aus Abgabenvorschriften ergebende Rechte und Pflichten auf die zuletzt beteiligt gewesenen Gesellschafter (Mitglieder) über. Hinsichtlich Art und Umfang der Inanspruchnahme der ehemaligen Gesellschafter (Mitglieder) für Abgabenschulden der Personenvereinigung (Personengemeinschaft) tritt hiedurch keine Änderung ein.“
Gleichfalls auf die obige Novelle geht die bereits mehrfach erwähnte Vorschrift des § 81 Abs. 6 BAO zurück, die folgenden Wortlaut aufweist:
„(6) In den Fällen des § 19 Abs. 2 sind die Abs. 1, 2 und 4 auf die zuletzt beteiligt gewesenen Gesellschafter (Mitglieder) sinngemäß anzuwenden. Die bei Beendigung der Personenvereinigung (Personengemeinschaft) bestehende Vertretungsbefugnis bleibt, sofern dem nicht andere Rechtsvorschriften entgegenstehen, insoweit und so lange aufrecht, als nicht von einem der zuletzt beteiligt gewesenen Gesellschafter (Mitglieder) oder der vertretungsbefugten Person dagegen Widerspruch erhoben wird.“
Schließlich wurde im Art. V Z. 1 der genannten Novelle bestimmt, daß die §§ 19 Abs. 2 und 81 Abs. 6 BAO in der Fassung des Art. I Z. 11 und 36 auf Fälle, in denen eine Personenvereinigung (Personengemeinschaft) bereits vor dem Inkrafttreten der genannten Bestimmungen beendigt worden ist, mit der Maßgabe anzuwenden sind, daß an die Stelle des Zeitpunktes der Beendigung der Personenvereinigung (Personengemeinschaft) der Zeitpunkt des Inkrafttretens dieser Bestimmungen tritt.
Im Beschwerdefall geht der Rechtsstreit ausschließlich um die Frage, ob der Erlassung des Umsatzsteuerbescheides für 1978 vom 18. August 1982 das prozessuale Hindernis der Rechtskraft des dieselbe Sache betreffenden Bescheides vom 4. Dezember 1979 oder der Berufungsvorentscheidung vom 9. April 1981 entgegenstand oder nicht. Während die Verwaltungsinstanzen die Auffassung vertraten, daß die früheren Bescheide an eine nicht mehr existierende Personenvereinigung gerichtet gewesen seien und daher keine Rechtswirkungen zu erzeugen vermocht hätten, verbleiben die Beschwerdeführer dabei, daß auf der Grundlage des zweiten Satzes des § 81 Abs. 6 BAO eine rechtsgültige Zustellung des Umsatzsteuerbescheides vom 29. September 1980 (gemeint wohl: der Berufungsvorentscheidung vom 9. April 1981) erfolgt sei.
Von wesentlicher Bedeutung ist demnach, ob mit der belangten Behörde davon ausgegangen werden kann, daß der eingangs bezeichneten Kommanditgesellschaft mangels rechtlicher Existenz im Verfahren der Veranlagung zur Umsatzsteuer für 1978 keine Parteistellung mehr zukommen konnte. Zur Beantwortung dieser Frage ist auf das Handelsrecht zurückzugreifen. Denn nach § 79 BAO gelten für die Rechtsfähigkeit die Bestimmungen des bürgerlichen Rechtes. Diese Verweisung umfaßt auch das Gesellschaftsrecht (vgl. Stoll, BAO, Handbuch, S. 178). Die nach materiellem Recht zu beurteilende Rechtsfähigkeit begründet die Parteifähigkeit (Stoll, a. a. O.).
Es ist nun ständige Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes (vgl. etwa die Entscheidungen vom 26. November 1963, HS 4174, vom 8. Mai 1968, HS 6166, vom 30. Juni 1971, SZ 44/107, vom 6. März 1973, HS 8037, und vom 16. Februar 1978, GesRZ 1978, S. 82), daß eine Personengesellschaft des Handelsrechts (offene Handelsgesellschaft, Kommanditgesellschaft) mit der Auflösung noch nicht beendet ist. Die Löschung im Handelsregister hat nur deklarative Bedeutung. Eine solche Gesellschaft erlischt erst mit der Beendigung der Liquidation. Solange noch Rechte bzw. Verpflichtungen der Gesellschaft behauptet werden, kann die Liquidation nicht beendet sein. Die Auflösung einer Personenhandelsgesellschaft und die Löschung ihrer Firma im Handelsregister beeinträchtigen demnach ihre Parteifähigkeit solange nicht, als ihre Rechtsverhältnisse zu Dritten noch nicht abgewickelt sind. Bis dahin kann die Gesellschaft unter ihrer Firma klagen und geklagt werden. Auch der Verwaltungsgerichtshof hat in seinem Erkenntnis vom 23. April 1979, Zl. 748/78, und in seinem Beschluß vom 23. Juni 1983, Zl. 83/15/0050, die Auffassung vertreten, daß einer Personenhandelsgesellschaft ungeachtet der erfolgten Auflösung und Löschung ihrer Firma im Handelsregister Parteistellung zukommt, solange ihre Rechtsverhältnisse gegenüber Dritten noch nicht abgewickelt sind.
Für den vorliegenden Fall folgt aus der aufgezeigten Rechtslage, daß die Parteifähigkeit der genannten Kommanditgesellschaft schon im Hinblick auf die noch offenen Besteuerungsverfahren auch nach der Auflösung der Gesellschaft und der Löschung ihrer Firma im Handelsregister als weiter bestehend anzusehen ist. Es ist daher schon in Ansehung des Umsatzsteuerbescheides vom 4. Dezember 1979, der noch vor dem Inkrafttreten der BAO-Novelle 1980 ergangen ist, die Annahme der Verwaltungsinstanzen, die Kommanditgesellschaft habe zur Zeit seiner Erlassung nicht mehr bestanden, rechtswidrig.
Im Rahmen des gegenständlichen Rechtsstreites kann es nun dahingestellt bleiben, ob das gleiche auch in Ansehung der Berufungsvorentscheidung vom 9. April 1981 zu gelten hat. Denn wurde diese rechtswirksam an die Kommanditgesellschaft erlassen, so steht ihre Rechtskraft einer neuerlichen Geltendmachung des Abgabenanspruches entgegen. Liegt aber eine rechtswirksame Erlassung nicht vor, so ergibt sich die Unzulässigkeit des neuerlichen Abspruches aus der Rechtskraft des Bescheides vom 4. Dezember 1979.
Da die belangte Behörde somit die Rechtslage verkannt hat, mußte der angefochtene Bescheid gemäß § 42 Abs. 2 lit. a VwGG 1965 wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben werden.
Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG 1965 in Verbindung mit der Verordnung des Bundeskanzlers BGBl. Nr. 221/1981. Der Ersatz der verzeichneten Umsatzsteuer war nicht zuzuerkennen, weil der Pauschbetrag für den Schriftsatzaufwand auch die Umsatzsteuer einschließt.
Wien, am 3. November 1983
Schlagworte
Mangel der Berechtigung zur Erhebung der Beschwerde mangelnde subjektive Rechtsverletzung Grundsätzliches zur Parteistellung vor dem VwGH AllgemeinEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1983:1982150177.X00Im RIS seit
02.09.2021Zuletzt aktualisiert am
02.09.2021