Index
41/02 Passrecht Fremdenrecht;Norm
FrG 1993 §18 Abs2 Z1;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Pokorny und die Hofräte Dr. Sulyok, Dr. Robl, Dr. Rosenmayr und Dr. Baur als Richter, im Beisein des Schriftführers Dr. Hanel, über die Beschwerde des E in T, vertreten durch Dr. F, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Oberösterreich vom 2. Mai 1996, Zl. St 334/95, betreffend Aufenthaltsverbot, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Begründung
Mit dem im Instanzenzug ergangenen angefochtenen Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Oberösterreich (der belangten Behörde) vom 2. Mai 1996 wurde gegen den Beschwerdeführer, einen bosnischen Staatsangehörigen, gemäß § 18 Abs. 1 und Abs. 2 Z. 1 iVm den §§ 19 bis 21 FrG ein Aufenthaltsverbot für die Dauer von zehn Jahren erlassen.
Begründend führte die belangte Behörde aus, daß sich der Beschwerdeführer seit dem 24. Februar 1991 im Bundesgebiet aufhalte. Dem Beschwerdeführer sei zuletzt (nach wiederholt erteilten Sichtvermerken) am 14. Jänner 1994 eine Bewilligung nach dem Aufenthaltsgesetz bis zum 9. Juli 1995 erteilt worden. Der Beschwerdeführer sei mehrmals wegen begangener Handlungen gegen fremdes Eigentum angezeigt worden: Am 14. Jänner 1994 vom Gendarmerieposten Lenzing wegen des Verdachtes des Verbrechens nach den §§ 127, 129 und 130 StGB, nachdem der Beschwerdeführer über einen längeren Zeitraum Zeitungskassen, teilweise noch vor Erreichen der Strafmündigkeit, aufgebrochen und geplündert habe. Das Landesgericht Wels habe am 14. März 1994 mit Zustimmung der Staatsanwaltschaft die vorläufige Einstellung des Strafverfahrens sowie eine Schadenswiedergutmachung durch Zahlungen an die geschädigten Firmen Media Print und Familia Press verfügt. Diese Maßnahmen hätten den Beschwerdeführer nicht davon abhalten können, bereits kurze Zeit danach wieder Einbruchsdiebstähle zu begehen. Er sei deshalb mit Urteil des Landesgerichtes Wels vom 28. August 1995 gemäß den §§ 127, 129 StGB rechtskräftig zu einer bedingten Freiheitsstrafe von fünf Monaten verurteilt worden. Im Hinblick darauf sei zweifellos die Annahme gerechtfertigt, daß der (weitere) Aufenthalt des Beschwerdeführers im Bundesgebiet die öffentliche Ruhe, Ordnung und Sicherheit gefährde. Mit Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Vöcklabruck vom 11. Mai 1995 sei dem Beschwerdeführer der Besitz von Waffen und Munition verboten worden, weil er Anfang April 1995 im Casino-Cafe in Vöcklabruck mehrere Besucher mit einem sogenannten Elektro-Schocker attackiert habe. Der Beschwerdeführer sei mit Schreiben der belangten Behörde vom 1. September 1995 aufgefordert worden, zu der geplanten Erlassung eines Aufenthaltsverbotes Stellung zu nehmen. Mit Schreiben vom 7. September 1995 habe seine Mutter als gesetzliche Vertreterin vorgebracht, daß der Beschwerdeführer "relativ gut integriert sei". Er habe die Hauptschule und den Polytechnischen Lehrgang in T besucht und hier Freunde gefunden; er könne nicht nach Bosnien zurück, weil dort Krieg herrsche und sein Vater wahrscheinlich im Krieg verschollen sei. Dem Beschwerdeführer sei nach seiner Verurteilung am 28. August 1995 ein Bewährungshelfer beigegeben worden, weshalb sichergestellt sei, daß er keine Gefahr mehr für die öffentliche Ruhe, Ordnung und Sicherheit darstelle.
Im Zuge des Berufungsverfahrens sei bekannt geworden, daß der Beschwerdeführer trotz der bereits eingeleiteten fremdenrechtlichen Maßnahmen neuerlich strafbare Handlungen gesetzt habe, die zu einer (neuerlichen) r.k. Verurteilung durch das Landesgericht Wels vom 26. Februar 1996 wegen der §§ 127, 129 Z. 1, 15 Abs. 1 StGB (Freiheitsstrafe in der Dauer von zehn Wochen unbedingt) geführt habe. (Laut Ausweis der vom Verfassungsgerichtshof vorgelegten Akten wurden die dieser Verurteilung zugrundeliegenden Straftaten im Dezember 1995 begangen)
Der Beschwerdeführer lebe hier mit seinem noch minderjährigen Bruder, seiner Mutter sowie seinem Stiefvater und zwei Halbgeschwistern im Familienverband. Damit greife das Aufenthaltsverbot zweifellos nicht nur in private, sondern auch familiäre Interessen des Beschwerdeführers ein. Angesichts des Umstandes, daß der Beschwerdeführer bereits mehrmals gerichtlich verurteilt worden sei, sei nicht nur die im § 18 Abs. 1 FrG umschriebene Annahme gerechtfertigt, sondern das Aufenthaltsverbot im Lichte des § 19 FrG dringend geboten. Der Beschwerdeführer habe sich auch durch die Einleitung fremdenpolizeilicher Maßnahmen bzw. durch die Erlassung des erstinstanzlichen Aufenthaltsverbotsbescheides nicht von der Begehung weiterer strafbarer Handlungen abhalten lassen. Bei den vom Beschwerdeführer begangenen Einbruchsdiebstählen handle es sich um besonders schwere Delikte gegen das Eigentum, wobei noch hinzukomme, daß gegen den Beschwerdeführer ein Waffenverbot habe ausgesprochen werden müssen. Ein solches sei dann auszusprechen, wenn Tatsachen die Annahme rechtfertigten, daß eine bestimmte Person durch mißbräuchliche Verwendung von Waffen die öffentliche Sicherheit gefährden könnte. Der Beschwerdeführer habe bereits mit "Elektro-Schocker" Personen attackiert, woraus ein "Gefährdungspotential" für die öffentliche Ordnung und Sicherheit hervorleuchte. Beim Beschwerdeführer liege eine soziale Integration nicht vor. Die belangte Behörde sei (gleichermaßen als "ultima ratio") verpflichtet, gegen den Beschwerdeführer, den andere Maßnahmen nicht von der Begehung weiterer strafbarer Handlungen hätten abhalten können, ein Aufenthaltsverbot auszusprechen. Im Hinblick auf die zu stellende negative Zukunftsprognose überwögen die nachteiligen Folgen bei Abstandnahme von der Erlassung des Aufenthaltsverbotes die Auswirkungen dieser Maßnahme auf die Lebenssituation des Beschwerdeführers. Die Dauer des verhängten Aufenthaltsverbotes entspreche den zugrundeliegenden Umständen; erst nach Verstreichen einer Frist von zehn Jahren sei davon auszugehen, daß der Beschwerdeführer keine Gefahr mehr für die öffentliche Ruhe, Ordnung und Sicherheit darstelle.
Die Behandlung der zunächst an den Verfassungsgerichtshof gerichteten Beschwerde wurde von diesem mit Beschluß vom 30. September 1996, Zl. B 2022/96, abgelehnt und zugleich die Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung abgetreten.
In der über Auftrag fristgerecht erstatteten Beschwerdeergänzung beantragt der Beschwerdeführer, den Bescheid der belangten Behörde wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Nach dem Beschwerdeinhalt sieht sich der Beschwerdeführer insoweit in seinen Rechten als beschwert, als das Aufenthaltsverbot infolge einer fehlerhaften Anwendung der §§ 18, 19 und 20 FrG zu Unrecht über ihn verhängt worden sei.
Die belangte Behörde habe nicht darauf Bedacht genommen, daß die vom Landesgericht Wels ausgesprochenen Freiheitsstrafen bedingt nachgesehen worden seien. Die Verhängung des Aufenthaltsverbotes sei unverhältnismäßig, weil gemäß § 18 Abs. 2 Z. 1 FrG erst eine bedingt nachgesehene Freiheitsstrafe von mehr als sechs Monaten die Verhängung eines Aufenthaltsverbotes rechtfertige. Der Gesetzgeber habe im Jugendgerichtsgesetz 1988 seine Absicht zum Ausdruck gebracht, Jugendliche im Bereich ihrer pubertätsbedingten Entwicklung anders als erwachsene Täter zu behandeln und primär das Prinzip der Integration zu verfolgen. Demgemäß habe das Landesgericht Wels die Freiheitsstrafen unter Setzung einer Probezeit bedingt nachgesehen. Der bekämpfte Bescheid setze sich über diese strafgerichtliche Anordnung der bedingten Strafnachsicht hinweg, weshalb im Ergebnis die belangte Behörde unzulässig die "Unterbrechung des Strafvollzuges" anordnete. In jedem Falle verstoße der bekämpfte Bescheid gegen die Bestimmungen der § 19 und 20 FrG.
Der Gerichtshof vermag der Auffassung des Beschwerdeführers nicht beizupflichten. Nach der ständigen Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes ist die zur Vollziehung des Fremdengesetzes zuständige Behörde bei der Prüfung der Frage, ob die von einem Fremden begangene Straftat die im § 18 Abs. 1 FrG umschriebene Annahme rechtfertige, nicht an die für die Gewährung der bedingten Strafnachsicht maßgeblichen Erwägungen des Gerichtes gebunden; sie hat diese Frage vielmehr eigenständig und ausschließlich aus dem Blickwinkel des Fremdenrechtes zu beurteilen. Gleiches hat für die Frage zu gelten, ob ein Aufenthaltsverbot nach § 19 FrG dringend geboten sei. Die Fremdenbehörde ist dabei auch nicht an die Erwägungen des Gerichtes bei der Anwendung der für die Ahndung von Jugendstraftaten maßgebenden Bestimmung des § 5 Z. 1 JGG gebunden (vgl. dazu das hg. Erkenntnis vom 11. April 1996, Zl. 96/18/0042 mwN). Die belangte Behörde ist auf der Grundlage des von ihr festgestellten Sachverhaltes - der Beschwerdeführer wurde zweimal wegen auf der gleichen schädlichen Neigung beruhenden Straftaten rechtskräftig gerichtlich verurteilt - zu dem zutreffenden Ergebnis gelangt, daß der Tatbestand des § 18 Abs. 2 Z. 1 FrG erfüllt ist. Sie ist angesichts der Art und Schwere der den Verurteilungen des Beschwerdeführers zugrundeliegenden Delikte zu Recht vom Vorliegen einer bestimmten Tatsache ausgegangen, welche die in § 18 Abs. 1 Z. 1 FrG umschriebene Annahme rechtfertigt, daß der Aufenthalt des Beschwerdeführers im Bundesgebiet die öffentliche Ordnung und Sicherheit gefährde.
Wie die belangte Behörde ist auch der Verwaltungsgerichtshof der Auffassung, daß die Erlassung des Aufenthaltsverbotes im Grunde des § 19 FrG dringend geboten ist; dies angesichts der Vielzahl, der raschen Aufeinanderfolge der - teilweise - schwerwiegenden Straftaten, die von einer krassen Mißachtung fremden Eigentums zeugen. Die Behörde hat nämlich zu Recht dem öffentlichen Interesse an der Bekämpfung der Eigentumskriminalität einen hohen Stellenwert beigemessen. Es kann ihr nicht entgegengetreten werden, wenn sie angesichts des besonders hartnäckigen rechtswidrigen Verhaltens des Beschwerdeführers zu dem von ihr ausreichend und nachvollziehbar begründeten Ergebnis kam, daß die Erlassung eines Aufenthaltsverbotes gemäß § 19 FrG zur Verhinderung von strafbaren Handlungen dringend geboten sei. Wenn sie weiters gemäß § 20 Abs. 1 FrG die Auswirkungen des Aufenthaltsverbotes auf die Lebenssituation des Beschwerdeführers und seiner Familie als geringer bewertete als die nachteiligen Folgen der Abstandnahme von dieser Maßnahme, ist diese Auffassung nicht rechtswidrig. Der bisherige Aufenthalt des Beschwerdeführers im Bundesgebiet zeigt deutlich, daß er bislang überhaupt keine soziale Integration erfahren hat. Der Beschwerdeführer wurde bereits im Jänner 1994 wegen von ihm begangener zahlreicher - teilweise gewerbsmäßiger - Einbruchsdiebstähle angezeigt, wobei diese Strafanzeige nur im Hinblick darauf, daß diese Straftaten vom Beschwerdeführer zum Teil noch vor Erreichen seiner Strafmündigkeit gesetzt worden waren, gemäß dem Jugendgerichtsgesetz 1988 zurückgelegt wurde. Ungeachtet dieses Umstandes wurde der Beschwerdeführer kurze Zeit darauf wieder mehrfach straffällig, weshalb über ihn eine Freiheitsstrafe von fünf Monaten verhängt wurde. Weder die ausgesprochene Strafe noch die Beistellung eines Bewährungshelfers hielten den Beschwerdeführer davon ab, neuerlich einschlägig straffällig zu werden. Auch die dem Beschwerdeführer mit Schreiben vom 1. September 1995 angedrohte fremdenpolizeiliche Maßnahme bewirkte bei ihm keine Änderung seines Verhaltens. Selbst das in erster Instanz bereits ausgesprochene Aufenthaltsverbot konnte ihn nicht davon abhalten, während des laufenden Berufungsverfahrens neuerlich straffällig zu werden. Hinzu kommt, daß der Beschwerdeführer auch nicht davor zurückschreckte, die körperliche Integrität anderer Personen zu mißachten, weshalb gegen ihn ein Waffenverbot auszusprechen war. Aus der dargestellten Lebensgeschichte des Beschwerdeführers im Bundesgebiet durfte die belangte Behörde mit Recht die für den Beschwerdeführer nachteilige negative Zukunftsprognose für seine weitere Entwicklung ziehen, zumal auch in der Beschwerde nicht nachvollziehbar dargelegt wird, weshalb das von der belangten Behörde gemäß § 20 Abs. 1 FrG vorgenommene Abwägungsergebnis rechtswidrig sein sollte. Aus der bisherigen Dauer des Aufenthaltes des Beschwerdeführers im Bundesgebiet kann angesichts der ständigen Straftaten von einer Integration nicht gesprochen werden; die familiären Interessen des Beschwerdeführers wurden bei den Erwägungen der belangten Behörde mitberücksichtigt; anzumerken ist, daß trotz der Jugendlichkeit des Beschwerdeführers im Hinblick auf seine bisherige Lebenslaufbahn ein positiver Einfluß von familiärer Seite offensichtlich nicht gegeben ist. Soweit in diesem Zusammenhang die Beschwerde darauf verweist, daß sich der Beschwerdeführer seit 1. Juli 1996 in einer "letztendlich positiven Entwicklung" befinde, ist darauf schon angesichts der Erlassung des bekämpften Bescheides im Mai 1996 und des im verwaltungsgerichtlichen Verfahren bestehenden Neuerungsverbotes nicht Bedacht zu nehmen.
Da somit die vom Beschwerdeführer behauptete Rechtsverletzung nicht vorliegt, war die Beschwerde ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung gemäß § 35 Abs. 1 VwGG abzuweisen.
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1997:1996210910.X00Im RIS seit
20.11.2000