TE Vwgh Beschluss 2021/7/30 Ra 2020/17/0102

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Veröffentlicht am 30.07.2021
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Index

E6J
E6O
10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG)
10/07 Verwaltungsgerichtshof
34 Monopole
40/01 Verwaltungsverfahren

Norm

B-VG Art133 Abs4
GSpG 1989 §2 Abs2
GSpG 1989 §52 Abs1 Z1
GSpG 1989 §52 Abs2
GSpG 1989 §53
GSpG 1989 §54
VStG §16
VStG §64
VwGG §34 Abs1
62009CJ0347 Dickinger und Ömer VORAB
62012CJ0390 Pfleger VORAB
62015CJ0464 Admiral Casinos Entertainment VORAB
62017CJ0003 Sporting Odds VORAB
62017CO0079 Gmalieva VORAB

Beachte


Miterledigung (miterledigt bzw zur gemeinsamen Entscheidung verbunden):
Ra 2020/17/0103

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Enzenhofer und die Hofrätin Mag. Dr. Zehetner sowie den Hofrat Dr. Terlitza als Richterin und Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. Kovacs, über die Revision des 1. T T und des 2. F Sportverein, beide vertreten durch Dr. Fabian A. Maschke, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Dominikanerbastei 17/11, gegen das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes Wien vom 2. Juli 2020, VGW-002/092/2232/2020-25, VGW-002/V/092/2233/2020, VGW-002/V/092/2234/2020 und VGW-002/V/092/2235/2020, betreffend Beschlagnahme und Einziehung nach dem Glücksspielgesetz (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Landespolizeidirektion Wien), den Beschluss gefasst:

Spruch

Die Revision wird zurückgewiesen.

Begründung

1        Der Erstrevisionswerber war Betreiber eines öffentlich zugänglichen Lokals in W, das dem zweitrevisionswerbenden Verein (Zweitrevisionswerber) als Vereinslokal diente. Am 27. September 2019 wurden bei einer glücksspielrechtlichen Kontrolle eine Bingomaschine, ein Steuerpult, zwei Anzeigetafeln und zehn Anzeigemonitore vorgefunden und vorläufig in Beschlag genommen.

2        Mit Bescheid vom 3. Jänner 2020 ordnete die belangte Behörde gegenüber dem Erstrevisionswerber als Inhaber bzw. Berechtigten und gegenüber dem Zweitrevisionswerber als Eigentümer und Veranstalter die Beschlagnahme und Einziehung der genannten Gegenstände nach den §§ 53 und 54 Glücksspielgesetz - GSpG an.

3        Mit dem angefochtenen Erkenntnis wies das Verwaltungsgericht Wien (Verwaltungsgericht) die von den revisionswerbenden Parteien dagegen erhobene Beschwerde nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung als unbegründet ab (Spruchpunkt I.). Weiters sprach das Verwaltungsgericht aus, dass eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig sei (Spruchpunkt II.).

4        Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

5        Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegen der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren mit Beschluss zurückzuweisen.

6        Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision - gesondert - vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.

7        Zu ihrer Zulässigkeit bringt die Revision zunächst vor, es seien mit den vom Beschlagnahme- und Einziehungsbescheid betroffenen Gegenständen keine verbotenen Ausspielungen durchgeführt worden, weil die Spieler lediglich gegeneinander gespielt hätten und Gewinn und Verlust nur „zwischen den Vereinsmitgliedern bzw. Spielern“ eingetreten sei. Darüber hinaus „existiert nicht einmal ein Unternehmer iSd § 2 Abs. 2 GSpG, da sich ein Verein über seine Vereinsmitglieder definiert und dementsprechend kein Unternehmer, den eine Ausspielung nach dem Glücksspielgesetz jedoch fordert, vorhanden ist ... Dass ab und zu Nicht-Vereinsmitglieder an den Spielen teilnehmen ändert nichts an der Tatsache, dass hier ein Unternehmer iSd § 2 Abs. 2 GSpG und damit die für eine Ausspielung gemäß § 2 GSpG erforderliche spezifische Personenkonstellation ... nicht vorhanden“ sei.

8        Im Revisionsfall hat sich das Verwaltungsgericht ausführlich mit der Unternehmereigenschaft (§ 2 Abs. 2 GSpG) des Zweitrevisionswerbers beschäftigt und auf nachvollziehbare Weise begründet, warum diese bejaht wird. Den dabei getroffenen Feststellungen, wonach der Zweitrevisionswerber die Glücksspiele nicht nur organisiert, sondern auch etwa 20 % des Einsatzes der Spieler einbehalten habe, sodass nicht die gesamten Einsätze der Spieler als Gewinn ausgeschüttet worden seien, tritt die Revision in ihrem Zulässigkeitsvorbringen nicht entgegen.

9        Zu den unionsrechtlichen Bedenken, die zur Zulässigkeit der Revision überdies geäußert werden, ist auszuführen, dass die Anforderungen an eine Prüfung der Unionsrechtskonformität im Zusammenhang mit einer Monopolregelung im Glücksspielsektor durch die nationalen Gerichte geklärt sind (vgl. EuGH 15.9.2011, Dickinger und Ömer, C-347/09, Rn. 83 f; 30.4.2014, Pfleger, C-390/12, Rn. 47 ff; 30.6.2016, Admiral Casinos & Entertainment AG, C-464/15, Rn. 31, 35 ff; 28.2.2018, Sporting Odds Ltd., C-3/17, Rn. 28, 62 ff; sowie 6.9.2018, Gmalieva s.r.o. u.a., C-79/17, Rn. 22 ff). Diesen Anforderungen ist der Verwaltungsgerichtshof im Erkenntnis vom 16. März 2016, Ro 2015/17/0022, durch die Durchführung der nach der Rechtsprechung des EuGH erforderlichen Gesamtwürdigung nachgekommen. Der Verwaltungsgerichtshof hat an dieser Gesamtwürdigung mit Erkenntnis vom 11. Juli 2018, Ra 2018/17/0048, 0049, mit näherer Begründung festgehalten. Von dieser Rechtsprechung ist das Verwaltungsgericht im Revisionsfall nicht abgewichen. Entgegen dem weiteren Vorbringen steht die angefochtene Entscheidung daher nicht im Widerspruch zum Urteil des EuGH vom 30. April 2014, Pfleger, C-390/12.

10       Die Revision bringt zu ihrer Zulässigkeit weiters vor, im Hinblick auf den gemäß § 38a VwGG ergangenen Beschluss des Verwaltungsgerichtshofes vom 27. April 2020, Ra 2020/17/0013-7, dürften keine Beschlagnahmen nach § 53 GSpG und Einziehungen nach § 54 GSpG durchgeführt werden, wenn eine Strafbarkeit gemäß § 52 GSpG nicht gegeben sei.

11       Der Verwaltungsgerichtshof hat mit Beschluss vom 27. April 2020, EU 2020/0002 (Ra 2020/17/0013), ein Vorabentscheidungsersuchen an den EuGH zur Auslegung des Unionsrechts hinsichtlich der Beurteilung des § 52 Abs. 2 dritter Strafsatz GSpG sowie hinsichtlich der im Zusammenhang mit einer solchen Sanktion stehenden Verhängung eines Kostenbeitrages gemäß § 64 VStG und einer Ersatzfreiheitsstrafe gemäß § 16 VStG gestellt (beim EuGH protokolliert zu C-231/20).

12       Dieses Vorabentscheidungsersuchen betrifft - schon aufgrund der Tatsache, dass in dem diesem zugrunde liegenden Revisionsverfahren nur der Strafausspruch eines Erkenntnisses angefochten war - nicht etwaige Tatbestandsmerkmale einer Übertretung des § 52 Abs. 1 Z 1 GSpG, sondern ausschließlich die Verhängung der konkreten Sanktion bei festgestellter Übertretung (sowie damit zusammenhängend die Verhängung einer Ersatzfreiheitsstrafe und die Verhängung eines Kostenbeitrages gemäß § 64 VStG), sodass u.a. Beschlagnahme- und Einziehungsverfahren nach dem GSpG von diesem Vorabentscheidungsersuchen nicht erfasst sind (vgl. VwGH 14.9.2020, Ra 2020/17/0033, mwN).

13       Die Revision verweist in ihrem Zulässigkeitsvorbringen auch auf das Vorabentscheidungsersuchen des Landesverwaltungsgerichts Steiermark zur Rechtssache C-920/19, ohne aber darzulegen, welche Bedeutung sie diesem Vorabentscheidungsansuchen für den vorliegenden Revisionsfall beimisst. Im Übrigen wird darauf hingewiesen, dass der EuGH über dieses Vorabentscheidungsansuchen mit Beschluss vom 18. Mai 2021 entschieden hat und dass sich auch aus dieser Entscheidung kein konkreter Bezug zum vorliegenden Revisionsfall ergibt. Dass im Revisionsfall von „einer willkürlichen Nichtvorlage von entscheidungswesentlichen Vorlagefragen“ auszugehen wäre, ist schon mangels näherer fallbezogener Begründung dieses Vorbringens nicht ersichtlich, zumal sich auch den Ausführungen der Revision zu deren Zulässigkeit keine konkrete Rechtsfrage, die an den EuGH heranzutragen wäre, entnehmen lässt.

14       In der Revision werden somit keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme.

15       Die Revision war daher gemäß § 34 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren mit Beschluss zurückzuweisen.

Wien, am 30. Juli 2021

Gerichtsentscheidung

EuGH 62009CJ0347 Dickinger und Ömer VORAB
EuGH 62012CJ0390 Pfleger VORAB
EuGH 62015CJ0464 Admiral Casinos Entertainment VORAB
EuGH 62017CJ0003 Sporting Odds VORAB
EuGH 62017CO0079 Gmalieva VORAB

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2021:RA2020170102.L00

Im RIS seit

02.09.2021

Zuletzt aktualisiert am

14.09.2021
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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