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L00155 LVerwaltungsgericht SalzburgNorm
B-VG Art130 Abs2aBetreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Handstanger, Hofrat Dr. Mayr, Hofrätin Mag. Hainz-Sator und die Hofräte Dr. Pürgy und Mag. Brandl als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag.a Sowa-Janovsky, über die Revision des Landesverwaltungsgerichts Salzburg gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 10. Juli 2019, Zl. W101 2140606-1/12E, betreffend Beschwerde nach dem Datenschutzgesetz 2000 (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Datenschutzbehörde; mitbeteiligte Partei: S H in S), zu Recht erkannt:
Spruch
Der Revision wird Folge gegeben und das angefochtene Erkenntnis gemäß § 42 Abs. 1 und 4 VwGG dahin abgeändert, dass sein Spruchpunkt A) lautet:
„Der Beschwerde wird gemäß § 28 Abs. 2 VwGVG Folge gegeben und der Teilbescheid der Datenschutzbehörde vom 6. September 2016, GZ. DSB-D122.454/0010-DSB/206, dahin abgeändert, dass sein Spruch lautet:
‚Die gegen das Landesverwaltungsgericht Salzburg (Drittbeschwerdegegner) gerichtete Beschwerde nach § 31 Abs. 2 DSG 2000 wird wegen Unzuständigkeit zurückgewiesen.‘“
Begründung
1 Unstrittig hat das Landesverwaltungsgericht Salzburg mit Erkenntnis vom 17. Juli 2015 über die Beschwerde des Mitbeteiligten gegen einen Bescheid des Bürgermeisters der Landeshauptstadt Salzburg in einer Angelegenheit des Mitbeteiligten nach dem Salzburger Mindestsicherungsgesetz entschieden und den Text dieses Erkenntnisses einschließlich der darin wiedergegebenen und unter anderem das Geburtsdatum des Mitbeteiligten enthaltenden Geschäftszahl des Aktes des Magistrats der Stadt Salzburg vom 16. November 2015 bis 19. April 2016 auf der Website des Landesverwaltungsgerichtes zum Download bereitgehalten.
2 Der Mitbeteiligte brachte in seiner mit 5. Jänner 2016 datierten und am 7. Jänner 2016 bei der Datenschutzbehörde eingelangten, zunächst nur gegen die Stadt Salzburg und das Land Salzburg gerichteten Datenschutzbeschwerde nach § 31 Abs. 2 Datenschutzgesetz 2000 (DSG 2000) im Wesentlichen vor: Durch das Anführen seines Geburtsdatums in der seinem Verfahren betreffend Gewährung von Mindestsicherung von Amts wegen zugewiesenen Aktenzahl durch den Magistrat der Stadt Salzburg als Verwaltungsbehörde bzw. das Amt der Salzburger Landesregierung als Oberbehörde sowie durch die Veröffentlichung näher bezeichneter Entscheidung des Landesverwaltungsgerichts Salzburg über seine Beschwerde gegen näher bezeichneten Bescheid des Magistrats der Stadt Salzburg auf der Website des Landesverwaltungsgerichtes unter Wiedergabe der Aktenzahl des angefochtenen Bescheides, woraus Rückschlüsse auf seine Person möglich seien, sei er in seinem Recht auf Geheimhaltung verletzt worden. Mit Schreiben vom 3. Februar 2016 dehnte der Mitbeteiligte die Datenschutzbeschwerde auf das Landesverwaltungsgericht Salzburg als Beschwerdegegnerin im Hinblick auf die Veröffentlichung des ihn betreffenden Erkenntnisses des Landesverwaltungsgerichtes vom 17. Juli 2015 aus.
3 Mit Teilbescheid vom 6. September 2016 gab die Datenschutzbehörde der Datenschutzbeschwerde des Mitbeteiligten Folge und stellte fest, dass die Präsidentin des Landesverwaltungsgerichtes Salzburg als Justizverwaltungsorgan den Mitbeteiligten dadurch in seinem Grundrecht auf Geheimhaltung schutzwürdiger personenbezogener Daten verletzt habe, dass vom 16. November 2015 bis 19. April 2016 der Text des näher bezeichneten Erkenntnisses des Landesverwaltungsgerichtes Salzburg vom 17. Juli 2015, enthaltend die wiedergegebene Geschäftszahl des Aktes des Magistrats der Stadt Salzburg und damit das Geburtsdatum des Mitbeteiligten, auf der Website des Verwaltungsgerichtes zum Download bereitgehalten und an eine nicht mehr feststellbare Zahl von Empfängern übermittelt worden sei.
4 Begründend führte die Datenschutzbehörde aus, gemäß § 31 Abs. 2 DSG 2000 sei sie nicht zur Entscheidung über Beschwerden wegen behaupteter Verletzungen des Rechts auf Geheimhaltung personenbezogener Daten zuständig, wenn sich die Beschwerde gegen ein Organ im Dienste der Gesetzgebung oder der Gerichtsbarkeit richte. Unbestritten sei, dass nach dieser Bestimmung die Datenschutzbehörde nicht für die Beurteilung von Akten der Datenverwendung zuständig sei, die von Richtern (oder Rechtspflegern) in Ausübung ihres Richteramts gesetzt würden bzw. die der Vornahme solcher Amtsgeschäfte zuzurechnen seien.
Während in §§ 83 bis 85 GOG für die ordentliche Gerichtsbarkeit ein (subsidiäres) Verfahren zur Geltendmachung von Datenschutzrechten bestehe, gebe es, soweit absehbar, im Bereich der Verwaltungs- und Verfassungsgerichtsbarkeit des Bundes und der Länder keine entsprechenden gesetzlichen Regelungen. Die vom DSG 2000 gewährten Rechte würden unzweifelhaft auch für den Bereich der Gerichtsbarkeit gelten. Es bestehe daher ein Bedarf nach einem entsprechenden Rechtsschutzinstrumentarium und somit eine Rechtsschutzlücke. § 31 DSG 2000 sei daher verfassungskonform so auszulegen, dass diese Rechtsschutzlücke auf den durch zwingende Bestimmungen des Verfassungsrechts wie etwa den Grundsatz der Trennung zwischen Gerichtsbarkeit und Verwaltung in Art. 94 Abs. 1 B-VG bedingten „Kernbereich“ beschränkt bleibe.
Aus § 8 Abs. 2 und 4 sowie § 20 Salzburger Landesverwaltungsgerichtsgesetz (S. LVwGG) folge rechtlich zwingend, dass es sich bei der in § 20 leg. cit. geregelten Entscheidungsdokumentation um eine Tätigkeit handle, die der Justizverwaltung zuzurechnen sei. Anders als in § 15 OGHG komme dem in der Sache erkennenden Richter (Einzelrichter oder Richtersenat) gesetzlich keine Mitwirkung bei der Entscheidungsdokumentation zu. Das Gesetz weise diese Aufgabe vielmehr klar der Präsidentin des Landesverwaltungsgerichtes als Justizverwaltungsorgan und den ihr unterstehenden, weisungsgebundenen Bediensteten der Evidenzstelle zu.
In weiterer Folge sei die Frage, ob das Landesverwaltungsgericht durch seine Präsidentin vorliegend nicht zumindest als „Organ im Dienste der Gerichtsbarkeit“ tätig geworden sei, zu verneinen. Mit Organen im Dienste der Gerichtsbarkeit seien gesetzlich Verwaltungsbehörden und deren Bedienstete gemeint, die hinsichtlich bestimmter Aufgaben von Gesetzes wegen unter der Leitung von Gerichten oder Staatsanwaltschaften stünden. Insbesondere treffe dies auf die Sicherheitsbehörden im kriminalpolizeilichen Ermittlungsverfahren zu. Zwischen den durch die Richter des Landesverwaltungsgerichts in Ausübung ihres Richteramtes vollzogenen Aufgaben der Gerichtsbarkeit und der durch die Präsidentin des Landesverwaltungsgerichts ausgeübten Justizverwaltung, vorliegend der Entscheidungsdokumentation, gebe es hingegen eine klare durch Art. 87 Abs. 2 B-VG auch verfassungsrechtlich gebotene Trennung und keine gesetzlich geregelte Über- oder Unterordnung oder die Ermächtigung zu einer „Indienstnahme“. Die „Letztverantwortung“ liege hier gerade nicht beim erkennenden Richter oder Richtersenat, weil Weisungen an die Bediensteten der Evidenzstelle gemäß § 20 Abs. 1 und 2 S. LVwGG von der Präsidentin zu erteilen seien.
Die Datenschutzbehörde sei insofern für die das Landesverwaltungsgericht Salzburg betreffende Datenschutzbeschwerde mit der Maßgabe (§ 31 Abs. 3 Z 2 DSG 2000) zuständig, „dass die ‚Präsidentin des Landesverwaltungsgerichts Salzburg als Justizverwaltungsorgan‘ als datenschutzrechtlich Verantwortliche“ und das Landesverwaltungsgericht Salzburg vorliegend bloß als deren „Geschäftsapparat (§ 4 Z 1 5. Fall DSG 2000)“ zu gelten habe.
5 Das Geburtsdatum sei gemäß § 4 Z 1 DSG 2000 ein schutzwürdiges personenbezogenes Datum und Angabe über den Mitbeteiligten als Betroffenen. Dass das Geburtsdatum als Bestandteil einer Aktenzahl hier nicht auf den ersten Blick und nur mit entsprechendem Zusatzwissen erkannt habe werden können und eine sichere Identifizierung des Mitbeteiligten nicht in jedem Fall möglich gewesen sei, ändere daran nichts.
§ 20 Abs. 2 S. LVwGG, wonach Entscheidungen, soweit sich diese für eine Veröffentlichung eignen würden, „in anonymisierter Form“ zu veröffentlichen seien, sei so zu verstehen, dass eine Pseudonymisierung (vgl. Art. 4 Z 5 DSGVO) geboten sei. Die Entscheidung müsse so bearbeitet werden, dass aus ihr bei Wahrung der Verständlichkeit des Inhalts schutzwürdige personenbezogene Daten, insbesondere solche natürlicher Personen, die nicht in Ausübung einer öffentlichen Funktion tätig gewesen seien (§ 8 Abs. 3 Z 6 DSG 2000), zu entfernen oder durch Platzhalter (Initialen, Abkürzungen o.ä.) zu ersetzen seien, sodass der Empfänger der Daten, so sie nicht über ein außergewöhnlich dichtes Insiderwissen verfügten, keinen Bezug zu den Betroffenen herstellen und diese insbesondere nicht ohne weitere Hilfsmittel identifizieren könnten. Zu pseudonymisieren seien insbesondere Namen, Geburtsdaten, Personenkennzeichen sowie Adressen. Entscheidungen, die bei der Erhaltung der Verständlichkeit nicht in diesem Umfang pseudonymisiert werden könnten, würden sich gemäß § 20 Abs. 2 S. LVwGG nicht zur Veröffentlichung eignen.
Das Landesverwaltungsgericht Salzburg habe die durch § 20 Abs. 2 S. LVwGG gesetzlich gebotene „Anonymisierung“ nicht vollständig vorgenommen. Damit sei die Verwendung des Geburtsdatums nicht nur überschießend (§ 6 Abs. 1 Z 3 DSG 2000), sondern gemäß § 7 Abs. 1 bis 3 DSG 2000 dem Inhalt nach nicht mehr von den gesetzlichen Befugnissen des Landesverwaltungsgerichtes Salzburg gedeckt gewesen. Das Landesverwaltungsgericht Salzburg habe daher den Mitbeteiligten im spruchgemäßen Zeitraum im Recht auf Geheimhaltung verletzt. Der Datenschutzbeschwerde sei somit hinsichtlich des Landesverwaltungsgerichts Folge zu geben und es sei gemäß § 31 Abs. 7 DSG 2000 ein Eingriff in das Grundrecht auf Geheimhaltung gemäß § 1 Abs. 1 DSG 2000 festzustellen gewesen.
6 Dagegen richtete sich die Beschwerde der Präsidentin des Landesverwaltungsgerichtes Salzburg.
7 Mit dem angefochtenen Erkenntnis entschied das Bundesverwaltungsgericht (BVwG) über „die Beschwerde des Landesverwaltungsgerichtes Salzburg, vertreten durch die Präsidentin“, wies die Beschwerde als unbegründet ab und sprach aus, dass die Revision nicht zulässig sei.
8 Ausgehend vom unstrittigen Sachverhalt führte das BVwG begründend aus, dass zum Zeitpunkt der Erlassung des Teilbescheides „die Präsidentin des Landesverwaltungsgerichtes Salzburg als Leiterin der Evidenzstelle (= Justizverwaltungsorgan)“ gemäß § 20 Abs. 1 S. LVwGG idF LGBl. Nr. 18/2016 dafür zuständig gewesen sei, Entscheidungen des Landesverwaltungsgerichtes „in anonymisierter Form im Rechtsinformationssystem des Bundes (RIS) oder im Rahmen des Internetauftrittes des Landesverwaltungsgerichtes“ veröffentlichen zu können. In der (seit 23. November 2018) geltenden Fassung des § 20 Abs. 1 S. LVwGG, LGBl. Nr. 82/2018, sei die Präsidentin „zur Leiterin der Evidenzstelle (= Justizverwaltungsorgan)“ bestimmt. In § 21a Abs. 3 S. LVwGG, LGBl. Nr. 82/2018, werde die Möglichkeit der Veröffentlichung von Entscheidungen „in anonymisierter Form, insbesondere im Rechtsinformationssystem des Bundes (RIS) oder im Rahmen des Internetauftrittes des Landesverwaltungsgerichtes“ festgeschrieben.
Die Bestimmung des § 15 OGHG finde nur auf den OGH bzw. auf dessen erkennende Senate selbst, aber nicht auf Gerichte bzw. Verwaltungsgerichte im Allgemeinen Anwendung.
Die Datenschutzbehörde sei daher sowohl zum Zeitpunkt der Erlassung des angefochtenen Teilbescheides gemäß § 31 DSG 2000 idF BGBl. Nr. I 83/2013, als auch zum Zeitpunkt der Entscheidung des BVwG gemäß § 18 DSG idgF iVm Art. 51 und Art. 55 DSGVO für die inhaltliche Behandlung der Datenschutzbeschwerde zuständig.
§ 69 Abs. 4 DSG enthalte keine Übergangsbestimmungen bezüglich vor dem BVwG anhängiger datenschutzrechtlicher Verfahren. Damit sei die zum Zeitpunkt der Entscheidung geltende Rechtslage anzuwenden.
Zentraler Anknüpfungspunkt, ob ein Grundrechtsanspruch gemäß § 1 Abs. 1 DSG bestehe, sei das Vorliegen von „schutzwürdigen“ Interessen. Die allgemeine Verfügbarkeit oder die mangelnde Rückführbarkeit der Daten auf den Betroffenen würden schutzwürdige Interessen ausschließen. Mangelnde Rückführbarkeit liege dann vor, wenn die Herstellung eines Personenbezuges nicht machbar sei. Das in § 1 Abs. 1 DSG normierte schutzwürdige Geheimhaltungsinteresse setze voraus, dass Daten betroffen seien, die auf eine in ihrer Identität bestimmte oder zumindest bestimmbare Person zurückgeführt werden könnten, und dass diese Daten geheim gehalten werden könnten.
Dadurch, dass im Zuge der Veröffentlichung der den Mitbeteiligten betreffenden Entscheidung des Landesverwaltungsgerichtes Salzburg eine Anonymisierung des Geburtsdatums des Mitbeteiligten in der Aktenzahl des Magistrats der Stadt Salzburg unterlassen worden sei, habe die Präsidentin des Landesverwaltungsgerichtes bzw. die ihr zurechenbaren Bediensteten bei der Anonymisierung der Entscheidung die gebotene Sorgfalt außer Acht gelassen. Bei dem in der Aktenzahl enthaltenen Geburtsdatum sei der Personenbezug zum Mitbeteiligten jedenfalls für jene Empfänger, die Kenntnis von einem oder mehrerer Details seines in der veröffentlichten Entscheidung wiedergegebenen Bildungsweges oder seiner Krankengeschichte hätten, bestimm- und damit rückführbar.
§ 21a Abs. 3 S. LVwGG biete nach Art. 6 Abs. 1 lit. c und Abs. 3 DSGVO keine Rechtsgrundlage für die nicht ausreichende Anonymisierung des Geburtsdatums des Mitbeteiligten (in der Aktenzahl). Die unterlassene Anonymisierung könne auch nicht nach Art. 6 Abs. 1 lit. e und Abs. 3 DSGVO für die Wahrnehmung der Aufgabe des Landesverwaltungsgerichtes im öffentlichen Interesse als erforderlich angesehen werden, weil der eindeutige Wortlaut des § 21a Abs. 3 S. LVwGG dafür keinen Ermessensspielraum offen lasse.
Der Mitbeteiligte sei daher durch die Veröffentlichung der ihn betreffenden Entscheidung des Landesverwaltungsgerichtes im besagten Zeitraum in seinem Recht auf Geheimhaltung verletzt worden.
9 Dagegen richtet sich die vorliegende außerordentliche Revision. Die Datenschutzbehörde als belangte Behörde beantragte in ihrer nach Einleitung des Vorverfahrens eingebrachten Revisionsbeantwortung die Zurück- in eventu Abweisung der Revision gegen Aufwandersatz an den Bund. Der Mitbeteiligte erstattete keine Revisionsbeantwortung.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Zulässigkeit
10 Die Revision ist zu der im Zulässigkeitsvorbringen dargelegten Rechtsfrage, ob der Anonymisierungs- (bzw. Pseudonymisierungs)-prozess von verwaltungsgerichtlichen Entscheidungen der Rechtsprechung oder der Justizverwaltung zuzuordnen sei und die Datenschutzbehörde für in diesem Zusammenhang erhobene Datenschutzbeschwerden zuständig sei, zulässig; sie ist auch berechtigt.
Maßgebliche Rechtslage
11 Das BVwG ist von einer Maßgeblichkeit der Verordnung (EU) 2016/679 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 27. April 2016 zum Schutz natürlicher Personen bei der Verarbeitung personenbezogener Daten, zum freien Datenverkehr und zur Aufhebung der Richtlinie 95/46/EG (Datenschutz-Grundverordnung [im Folgenden: DSGVO]) sowie des Datenschutzgesetzes (DSG), BGBl. I Nr. 165/1999 in der Fassung BGBl. I Nr. 24/2018, ausgegangen und hat dies mit der Übergangsbestimmung des § 69 Abs. 4 DSG begründet.
12 Sowohl die revisionswerbende Partei als auch die Datenschutzbehörde haben Bedenken gegen die vom BVwG vorgenommene Auslegung des § 69 Abs. 4 DSG.
13 Dem angefochtenen Erkenntnis liegt eine datenschutzrechtliche Beschwerde des Mitbeteiligten betreffend eine behauptete Verletzung im Recht auf Geheimhaltung wegen des Vorwurfs der Veröffentlichung des ihn betreffenden und unzureichend anonymisierten Erkenntnisses des Landesverwaltungsgerichts Salzburg vom 17. Juli 2015 auf deren Website während des Zeitraums vom 16. November 2015 bis 19. April 2016, also mehr als zwei Jahre vor Inkrafttreten der DSGVO und des DSG, zugrunde. Die datenschutzrechtliche Beschwerde des Mitbeteiligten vom 5. Jänner 2016 langte bei der Datenschutzbehörde am 7. Jänner 2016 ein. Die gegen den Teilbescheid der Datenschutzbehörde vom 6. September 2016 erhobene Beschwerde stammt vom 4. Oktober 2016.
14 Ausgehend von diesen Verfahrensdaten kann zur Rechtsfrage, ob für die in Beschwerde gezogene Veröffentlichung die während der Veröffentlichung geltende Rechtslage, also das Datenschutzgesetz 2000 (DSG 2000), BGBl. I Nr. 165/1999 idF BGBl. I Nr. 83/2013, oder die Rechtslage zum Zeitpunkt der Entscheidung durch das BVwG, also nach Inkrafttreten der DSGVO und des DSG, maßgeblich ist, gemäß § 43 Abs. 2 VwGG auf die Ausführungen im Erkenntnis VwGH vom 23. Februar 2021, Ra 2019/04/0054, Rn. 23 bis 29, verwiesen werden. Demnach ist in einem Fall, in dem wie vorliegend darüber abzusprechen ist, was in einem konkreten vor Inkrafttreten der DSGVO und des DSG bereits abgeschlossenen Zeitraum rechtens ist, die während dieses Zeitraums geltende Rechtslage, also das DSG 2000 idF BGBl. I Nr. 83/2013 bzw. das Salzburger Landesverwaltungsgerichtsgesetz (S. LVwGG) idF LGBl. Nr. 16/2013 bzw. ab 1. März 2016 idF LGBl. Nr. 18/2016, anzuwenden.
15 § 4 Z 4 und 5 des Bundesgesetzes über den Schutz personenbezogener Daten (Datenschutzgesetz 2000 - DSG 2000), BGBl. I Nr. 165/1999 idF BGBl. I Nr. 133/2009 sowie § 5, § 31 Abs. 2 und Abs. 3 Z 2, § 38 Abs. 1 und 3 sowie § 40 DSG 2000, BGBl. I Nr. 165/1999 idF BGBl. I Nr. 83/2013, lauteten:
„Definitionen
§ 4. Im Sinne der folgenden Bestimmungen dieses Bundesgesetzes bedeuten die Begriffe:
...
4. Auftraggeber: natürliche oder juristische Personen, Personengemeinschaften oder Organe einer Gebietskörperschaft beziehungsweise die Geschäftsapparate solcher Organe, wenn sie allein oder gemeinsam mit anderen die Entscheidung getroffen haben, Daten zu verwenden (Z 8), unabhängig davon, ob sie die Daten selbst verwenden (Z 8) oder damit einen Dienstleister (Z 5) beauftragen. Sie gelten auch dann als Auftraggeber, wenn der mit der Herstellung eines Werkes beauftragte Dienstleister (Z 5) die Entscheidung trifft, zu diesem Zweck Daten zu verwenden (Z 8), es sei denn dies wurde ihm ausdrücklich untersagt oder der Beauftragte hat auf Grund von Rechtsvorschriften oder Verhaltensregeln über die Verwendung eigenverantwortlich zu entscheiden;
5. Dienstleister: natürliche oder juristische Personen, Personengemeinschaften oder Organe einer Gebietskörperschaft beziehungsweise die Geschäftsapparate solcher Organe, wenn sie Daten nur zur Herstellung eines ihnen aufgetragenen Werkes verwenden (Z 8);
...
Öffentlicher und privater Bereich
§ 5. (1) Datenanwendungen sind dem öffentlichen Bereich im Sinne dieses Bundesgesetzes zuzurechnen, wenn sie für Zwecke eines Auftraggebers des öffentlichen Bereichs (Abs. 2) durchgeführt werden.
(2) Auftraggeber des öffentlichen Bereichs sind alle Auftraggeber,
1. die in Formen des öffentlichen Rechts eingerichtet sind, insbesondere auch als Organ einer Gebietskörperschaft, oder
2. soweit sie trotz ihrer Einrichtung in Formen des Privatrechts in Vollziehung der Gesetze tätig sind.
(3) Die dem Abs. 2 nicht unterliegenden Auftraggeber gelten als Auftraggeber des privaten Bereichs im Sinne dieses Bundesgesetzes.
(4) Gegen Rechtsträger, die in Formen des Privatrechts eingerichtet sind, ist, soweit sie nicht in Vollziehung der Gesetze tätig werden, das Grundrecht auf Datenschutz mit Ausnahme des Rechtes auf Auskunft auf dem Zivilrechtsweg geltend zu machen. In allen übrigen Fällen ist die Datenschutzbehörde zur Entscheidung zuständig, es sei denn, dass Akte im Dienste der Gesetzgebung oder der Gerichtsbarkeit betroffen sind.
...
Beschwerde an die Datenschutzbehörde
§ 31. ...
(2) Die Datenschutzbehörde erkennt weiters über Beschwerden von Personen oder Personengemeinschaften, die behaupten, in ihrem Recht auf Geheimhaltung (§ 1 Abs. 1) oder in ihrem Recht auf Richtigstellung oder auf Löschung (§§ 27 und 28) verletzt zu sein, sofern der Anspruch nicht nach § 32 Abs. 1 vor einem Gericht geltend zu machen ist oder sich gegen ein Organ im Dienste der Gesetzgebung oder der Gerichtsbarkeit richtet.
(3) Die Beschwerde hat zu enthalten:
...
2. soweit dies zumutbar ist, die Bezeichnung des Rechtsträgers oder Organs, dem die behauptete Rechtsverletzung zugerechnet wird (Beschwerdegegner),
...
Bescheide der Datenschutzbehörde
§ 38. (1) Partei in Verfahren vor der Datenschutzbehörde sind auch die Auftraggeber des öffentlichen Bereichs.
...
(3) Parteien gemäß Abs. 1 können Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht erheben.
...
Revision beim Verwaltungsgerichtshof
§ 40. Revision beim Verwaltungsgerichtshof können auch Parteien gemäß § 38 Abs. 1 erheben.“
16 § 5 Abs. 1 und 2 Salzburger Landesverwaltungsgerichtsgesetz (S. LVwGG) in der Stammfassung LGBl. Nr. 16/2013, § 8 Abs. 1 erster Satz, Abs. 2 und 4 leg. cit. idF LGBl. Nr. 78/2014, sowie § 20 Abs. 1 und 2 leg. cit. in der bis 29. Februar 2016 geltenden Stammfassung LGBl. Nr. 16/2013, lauten:
„Unabhängigkeit
§ 5
(1) Die Richterinnen und Richter sind in Ausübung ihres richterlichen Amtes an keine Weisungen gebunden.
(2) In Ausübung ihres richterlichen Amtes befinden sich Richterinnen und Richter bei der Besorgung aller ihnen nach dem Gesetz und der Geschäftsverteilung zustehenden Geschäfte mit Ausnahme jener Justizverwaltungssachen, die nach diesem Gesetz nicht durch die Vollversammlung oder einen Ausschuss der Vollversammlung zu erledigen sind.
...
2. Unterabschnitt
Organe
Präsidentin, Präsident
§ 8
(1) Die Präsidentin oder der Präsident leitet das Landesverwaltungsgericht. ...
(2) Zu den Aufgaben der Präsidentin oder des Präsidenten gehören neben den ihr bzw ihm nach diesem Gesetz ausdrücklich zugewiesenen Aufgaben insbesondere:
1. die Leitung des Dienstbetriebes des Landesverwaltungsgerichtes und die Dienstaufsicht über die weiteren Richterinnen und Richter und über das übrige Personal;
2. die Besorgung sämtlicher Justizverwaltungsangelegenheiten, die nicht ausdrücklich anderen Organen des Landesverwaltungsgerichtes oder der Landesregierung vorbehalten sind.
...
(4) Der Präsidentin oder dem Präsidenten obliegt es, bei voller Wahrung der Unabhängigkeit der Richterinnen und Richter auf eine möglichst einheitliche Rechtsprechung hinzuwirken. Sie bzw er hat zu diesem Zweck dafür zu sorgen, dass die Entscheidungen des Landesverwaltungsgerichtes in übersichtlicher Art und Weise dokumentiert werden.
...
Geschäftsstelle und Evidenzstelle
§ 20
(1) Die Präsidentin oder der Präsident des Landesverwaltungsgerichtes hat eine Geschäftsstelle und eine Evidenzstelle einzurichten und zu leiten. Der Geschäftsstelle obliegt die Besorgung der Kanzleigeschäfte des Gerichtes, der Evidenzstelle die vollständige und übersichtliche, allen Richterinnen und Richtern zugängliche Dokumentation der Entscheidungen des Landesverwaltungsgerichtes.
(2) Das für die Geschäftsstelle und die Evidenzstelle notwendige Personal und die Sacherfordernisse werden vom Amt der Landesregierung zur Verfügung gestellt. Das zur Verfügung gestellte Personal ist, soweit es ausschließlich dem Gericht zugewiesen ist, fachlich und innerdienstlich der Präsidentin oder dem Präsidenten unterstellt.“
17 § 20 Abs. 1 S. LVwGG in der vom 1. März 2016 bis 22. November 2018 geltenden Fassung LGBl. Nr. 18/2016, lautet:
Geschäftsstelle und Evidenzstelle
§ 20
(1) Die Präsidentin oder der Präsident des Landesverwaltungsgerichtes hat eine Geschäftsstelle und eine Evidenzstelle einzurichten und zu leiten. Der Geschäftsstelle obliegt die Besorgung der Kanzleigeschäfte des Gerichtes, der Evidenzstelle die vollständige und übersichtliche, allen Richterinnen und Richtern zugängliche Dokumentation der Entscheidungen des Landesverwaltungsgerichtes. Alle Entscheidungen können, soweit sich diese für eine Veröffentlichung eignen, in anonymisierter Form im Rechtsinformationssystem des Bundes (RIS) oder im Rahmen des Internetauftrittes des Landesverwaltungsgerichtes veröffentlicht werden.“
Beschwerdeführende Partei vor dem BVwG
18 Ein näheres Eingehen auf eine allfällige Rechtswidrigkeit des angefochtenen Erkenntnisses im Hinblick darauf, dass gegen den Teilbescheid der Datenschutzbehörde vom 6. September 2016 die Präsidentin des Landesverwaltungsgerichts Salzburg in ihrer Funktion als Justizverwaltungsorgan, somit als Auftraggeber des öffentlichen Bereichs iSd § 5 Abs. 2 Z 1 DSG 2000, und als solche gemäß § 38 Abs. 1 iVm Abs. 3 DSG 2000 beschwerdelegitimiert, Beschwerde erhob, das BVwG hingegen „über die Beschwerde des Landesverwaltungsgerichtes Salzburg, vertreten durch die Präsidentin“ entschied, erübrigt sich schon deshalb, weil sich das angefochtene Erkenntnis bereits aus nachstehendem Grund als rechtswidrig erweist:
Mangelnde Zuständigkeit der Datenschutzbehörde für Akte im Dienste der Gerichtsbarkeit
19 Die revisionswerbende Partei wendet gegen das angefochtene Erkenntnis im Wesentlichen die Unzuständigkeit der Datenschutzbehörde für die Entscheidung über die Datenschutzbeschwerde des Mitbeteiligten ein. Die Anonymisierung und die damit im Zusammenhang stehende Veröffentlichung von Entscheidungen sei der funktionalen Gerichtsbarkeit zuzuordnen.
Nach der Rechtsprechung der Höchstgerichte stelle die Veröffentlichung von Entscheidungen einen wesentlichen Faktor der Rechtsstaatlichkeit zur Gewährleistung der Effizienz des Rechtsschutzes dar. Durch Art. 6 EMRK werde in vielen Fällen die Öffentlichkeit garantiert. Das Rechtsstaatlichkeitsprinzip erfordere somit größtmögliche Transparenz der Gerichtstätigkeit. Einer der Eckpfeiler dieser Transparenz sei die Veröffentlichung von Entscheidungen, die damit ausschließlich im Dienste der Gerichtsbarkeit erfolge und eine judizielle Tätigkeit darstelle. Die in Zusammenhang mit einer Veröffentlichung stehenden Tätigkeiten seien daher funktionell jedenfalls Organen der Gerichtsbarkeit zuzurechnen. Dies gelte auch für den Anonymisierungsprozess, der die datenschutzrechtliche Voraussetzung für die Veröffentlichung darstelle.
Die Auswahl für die Veröffentlichung von Entscheidungen beim Landesverwaltungsgericht Salzburg erfolge im Zusammenspiel der Evidenzstelle, die im von der Präsidentin im Rahmen einer Organisationsverfügung übertragenen Zuständigkeitsbereich des Vizepräsidenten stehe, mit den entscheidenden Richtern. Sofern der Vorschlag für die Veröffentlichung nicht bereits durch den Richter selbst erfolge, würden die zur Veröffentlichung vorgesehenen Entscheidungen den Richtern mitgeteilt und hätten diese die Möglichkeit, die Veröffentlichung zu verhindern oder sonstige weitergehende Anonymisierungen zu veranlassen. Die Anonymisierungen würden unter denselben Voraussetzungen wie die Entscheidung selbst erfolgen, weshalb die Anonymisierungen der Gerichtsbarkeit zuzurechnen seien und zwar unabhängig davon, wer den konkreten Anonymisierungsprozess technisch unter kontrollierter Einhaltung von Vorgaben durchführe. Die Auswahl der zu veröffentlichenden Entscheidungen sei organisatorisch der Justizverwaltung, funktionell aber zwecks Gewährleistung der Unabhängigkeit der Gerichtsbarkeit eben jener zuzurechnen.
Ob eine Sache oder eine Tätigkeit Justizverwaltung oder Gerichtsbarkeit darstelle, könne sich nur durch die Funktion definieren und nicht im Belieben des einfachgesetzlichen Gesetzgebers stehen. Deshalb erschließe sich kein Grund, wieso Anonymisierungsprozesse im Zusammenhang mit der Veröffentlichung von Entscheidungen der Verwaltungsgerichte anders zu behandeln seien als gleichartige Prozesse bei der Veröffentlichung von Entscheidungen des OGH nach § 15 Abs. 5 OGHG oder des Verwaltungsgerichtshofes nach § 43 Abs. 8 VwGG. Die Anonymisierung und die damit zusammenhängende Veröffentlichung seien funktionell nicht einmal der Gerichtsbarkeit und ein andermal der Justizverwaltung zuzurechnen. Dies widerspräche dem verfassungsrechtlich gebotenen Gleichheitsgrundsatz.
Die Datenschutzbehörde sei daher nicht für Beschwerden betreffend veröffentlichte Entscheidungen der Gerichtsbarkeit zuständig.
20 Demgegenüber brachte die Datenschutzbehörde in ihrer Revisionsbeantwortung vor, mit Organen im Dienste der Gerichtsbarkeit seien gesetzlich Verwaltungsbehörden und deren Bedienstete gemeint, die hinsichtlich bestimmter Aufgaben von Gesetzes wegen unter der Leitung von Gerichten oder Staatsanwaltschaften stünden. Zwischen den durch die Richter des Landesverwaltungsgerichts Salzburg in Ausübung des Richteramtes vollzogenen Aufgaben der Gerichtsbarkeit und der durch die Präsidentin des Landesverwaltungsgerichts Salzburg ausgeübten Justizverwaltung - hier: Entscheidungsdokumentation - gebe es eine klare, durch Art. 87 Abs. 2 B-VG auch verfassungsrechtlich gebotene Trennung und keine gesetzlich geregelte Überordnung, Unterordnung oder die Ermächtigung zu einer „Indienstnahme“. Die „Letztverantwortung“ liege gerade nicht beim erkennenden Richter oder Richtersenat, weil Weisungen an die Bediensteten der Evidenzstelle gemäß § 20 Abs. 1 und 2 S. LVwGG von der Präsidentin des Landesverwaltungsgerichtes zu erteilen seien.
Hinsichtlich der Rechtsdokumentation sei durch § 20 Abs. 1 S. LVwGG idF LBGl. Nr. 18/2016 (vgl. nunmehr § 21a Abs. 3 leg.cit.) ausdrücklich angeordnet gewesen, dass Entscheidungen „in anonymisierter Form im Rechtsinformationssystem des Bundes (RIS) oder im Rahmen des Internetauftrittes des Landesverwaltungsgerichtes“ veröffentlicht werden könnten. Daraus folge, dass die durch die Evidenzstelle des Landesverwaltungsgerichtes zu erfolgende Rechtsdokumentation nicht der Herstellung von Transparenz im Sinne der Öffentlichmachung aller gerichtlichen Verfahren, einschließlich der Daten der Parteien und ihrer Anbringen, sondern nur der Dokumentation der Gesetzesauslegung durch das Gericht diene.
Von der mit Hilfe elektronischer Datenverarbeitung erfolgenden Rechtsdokumentation seien wiederum Transparenzvorschriften, wie das verfassungsrechtliche Gebot der (Volks ) Öffentlichkeit der Verhandlung vor dem erkennenden Gericht (Art. 90 Abs. 1 B-VG) oder das Recht auf Einsichtnahme in Erkenntnisse gemäß § 29 Abs. 3 letzter Halbsatz VwGVG zu unterscheiden. Aus letzterer Bestimmung sei in grundrechts- und unionsrechtskonformer Auslegung zu folgern, dass Verwaltungsgerichte gesetzlich nicht dazu ermächtigt seien, vollständige, nicht pseudonymisierte Entscheidungstexte zu veröffentlichen.
21 Gemäß § 5 Abs. 4 DSG 2000 in der hier maßgeblichen Fassung BGBl. I Nr. 83/2013 ist die Datenschutzbehörde zur Entscheidung über die Geltendmachung des Grundrechts auf Datenschutz zuständig, es sei denn, das Grundrecht wird (mit Ausnahme des Rechts auf Auskunft) gegen Rechtsträger, die in Formen des Privatrechts eingerichtet sind und nicht in Vollziehung der Gesetze tätig werden, geltend gemacht oder es sind Akte im Dienste der Gesetzgebung oder der Gerichtsbarkeit betroffen. Nach § 31 Abs. 2 leg. cit. erkennt die Datenschutzbehörde über Beschwerden von Personen, die behaupten, in ihrem Recht auf Geheimhaltung (§ 1 Abs. 1) verletzt zu sein, sofern sich der Anspruch nicht unter anderem gegen ein Organ im Dienste der Gesetzgebung oder der Gerichtsbarkeit richtet. Die Zuständigkeit der Datenschutzbehörde richtet sich demnach nach der funktionalen Zuordnung des handelnden Organs zu einer Staatsfunktion (vgl. RV 2168 BlgNR 24. GP 6). Da die monokratisch besorgte Justizverwaltung der Staatsfunktion Verwaltung zuzuordnen ist (vgl. VfGH 26.9.2016, G 140/2016-10, G 247/2016-7, Rn. 42, mwN) und Einzelrichter, wenn sie Justizverwaltungssachen erledigen, Verwaltungsorgane sind (vgl. VfGH 26.9.2016, G 140/2016-10, G 247/2016-7, Rn. 39; 14.6.2018, G 29/2018-14, G 108/2018-10, Rn. 32, jeweils mwN), unterliegt die Justizverwaltung, soweit sie monokratisch organisiert ist, der Zuständigkeit der Datenschutzbehörde. Sofern Aufgaben der Justizverwaltung kollegial zu besorgen sind, werden die Richter hingegen in Ausübung ihres richterlichen Amtes tätig und liegt eine Vollziehung durch Gerichte vor (vgl. VfGH 14.6.2018, G 29/2018-14, G 108/2018-10, Rn. 32, mwN), weshalb die Datenschutzbehörde für kollegial zu besorgende Justizverwaltungssachen nicht zuständig ist.
22 Gegenstand der Datenschutzbeschwerde ist die behaupteter Maßen unzureichende Anonymisierung und Veröffentlichung des den Mitbeteiligten betreffenden Erkenntnisses des Landesverwaltungsgerichts Salzburg vom 17. Juli 2015 auf dessen Website. Für die Frage der Zuständigkeit der Datenschutzbehörde zur Entscheidung über die Datenschutzbeschwerde des Mitbeteiligten ist demnach wesentlich, welchem Organ die Anonymisierung der Entscheidung des Landesverwaltungsgerichts Salzburg zwecks Veröffentlichung zukam und ob dieses Organ funktional der Gerichtsbarkeit oder der Justizverwaltung zuzuordnen ist.
Abgrenzung zwischen Rechtsprechung und Justizverwaltung
23 Das in Art. 94 B-VG verankerte Prinzip der Trennung von Justiz und Verwaltung bedeutet grundsätzlich keine Gewaltenteilung im materiellen Sinn. Es ist dem einfachen Gesetzgeber überlassen, welche staatlichen Aufgaben Verwaltungsbehörden und welche Aufgaben den Gerichten übertragen werden (vgl. VfGH 22.6.1963, B 352/62 = VfSlg. 4455/63); jedoch mit der Verpflichtung, eine Angelegenheit - zur Gänze - zur Vollziehung entweder den Gerichten oder den Verwaltungsbehörden zuzuweisen (vgl. VfGH 16.12.2010, G 259/09 ua. = VfSlg. 19.281/2010, mwN).
24 Auf Grund der Verweisung des Art. 134 Abs. 7 B-VG auf Art. 87 Abs. 2 B-VG ist zur Abgrenzung der Rechtsprechung von der Justizverwaltung für die Verwaltungsgerichtsbarkeit die Rechtsprechung zu Art. 87 Abs. 2 B-VG heranzuziehen.
25 Unter Justizverwaltung versteht Art. 87 Abs. 2 B-VG eine durch Richter ausgeübte, ihrem Inhalt nach aber nicht der Rechtsprechung zuzuzählende Tätigkeit, die zur richterlichen Funktion irgendeinen Bezug hat; sei es, dass sie dem Funktionieren der Gerichtsbarkeit dient, durch gerichtliche Entscheidungen bedingte Vorkehrungen anderer Organe erleichtern soll oder auf eine andere Art mit der richterlichen Tätigkeit im Zusammenhang steht (vgl. VfGH 12.10.2000, G 56/00 = VfSlg. 15.986/2000, mwN); und bei deren Besorgung die Richter - je nachdem, ob ein Einzelrichter oder ein Richterkollegium tätig wird - grundsätzlich entweder weisungsgebunden sind oder richterliche Unabhängigkeit genießen (vgl. VfGH 26.9.2016, G 140/2016-10, G 247/2016-7, = VfSlg. 20.076/2016, Rn. 39). Aus Art. 87 Abs. 2 B-VG und der dazu ergangenen Rechtsprechung ergibt sich, dass Einzelrichter sich, wenn sie Justizverwaltungssachen erledigen, nicht in Ausübung ihres richterlichen Amtes befinden, sondern Verwaltungsorgane sind. Sofern Aufgaben der Justizverwaltung kollegial zu besorgen sind, werden die Richter hingegen in Ausübung ihres richterlichen Amtes tätig und liegt eine Vollziehung durch Gerichte vor (vgl. VfGH 14.8.2018, G 29/2018-14, G 108/2018-10 = VfSlg. 20.254/2018, Rn. 32; VfSlg. 20.076/2016, Rn. 39; VwGH 22.7.2020, Ra 2020/03/0049, Rn. 22; OGH 22.2.2000, 1 Ob 355/99h).
Anonymisierung von Gerichtsentscheidungen als Angelegenheit der Rechtsprechung
26 Das S. LVwGG in der zum Zeitpunkt der Veröffentlichung des den Mitbeteiligten betreffenden Erkenntnisses auf der Website des Landesverwaltungsgerichts Salzburg am 16. November 2015 enthielt weder eine Regelung über die Veröffentlichung von Entscheidungen des Landesverwaltungsgerichts noch über deren Anonymisierung.
27 Gemäß § 20 Abs. 1 zweiter Satz S. LVwGG in der bis dato unverändert geltenden Stammfassung LGBl. Nr. 16/2013 obliegt der Evidenzstelle „die vollständige und übersichtliche, allen Richterinnen und Richtern zugängliche Dokumentation der Entscheidungen des Landesverwaltungsgerichtes“. Die der Evidenzstelle zukommende Entscheidungsdokumentation steht im Zusammenhang mit der in § 8 Abs. 4 leg. cit. enthaltenen Verpflichtung der Präsidentin, zur Wahrung der einheitlichen Rechtsprechung die Entscheidungen des Landesverwaltungsgerichtes in übersichtlicher Art und Weise zu dokumentieren (vgl. Erläuterungen zum S. LVwGG - Nr. 304 der Beilagen zum stenographischen Protokoll des Salzburger Landtages, 5. Session der 14. Gesetzgebungsperiode, Seite 34). Die Aufgabe der Entscheidungsdokumentation dient somit ausschließlich den Richterinnen und Richtern. Davon zu unterscheiden ist der Zugang der Öffentlichkeit zu den Entscheidungen des Landesverwaltungsgerichtes Salzburg.
28 Erstmals durch mit der Novelle des S. LVwGG, LGBl. Nr. 18/2016, dem § 20 Abs. 1 S. LVwGG angefügten dritten Satz wurde eine gesetzliche Grundlage für die Veröffentlichung von Entscheidungen des Landesverwaltungsgerichtes in anonymisierter Form im RIS und gegebenenfalls auch auf der Homepage des Landesverwaltungsgerichtes, soweit sich die Entscheidungen für eine Veröffentlichung eignen, geschaffen, ohne die Besorgung der Anonymisierung näher zu regeln, insbesondere diese Aufgabe der Evidenzstelle zu übertragen (vgl. Erläuterungen zur Novelle des S. LVwGG, LGBl. Nr. 18/2016 - Nr. 209 der Beilagen zum stenographischen Protokoll des Salzburger Landtages, 4. Session der 15. Gesetzgebungsperiode, Seite 6). Vielmehr blieb § 20 Abs. 1 zweiter Satz S. LVwGG unverändert. Allein aus dem Umstand, dass die gesetzliche Grundlage für die Veröffentlichung von Entscheidungen des Landesverwaltungsgerichtes in die Bestimmung über die Geschäftsstelle und die Evidenzstelle aufgenommen wurde, kann nicht geschlossen werden, dass auch die Anonymisierung der zu veröffentlichenden Entscheidungen der Evidenzstelle zukommen sollte. So wurde mit der Novelle LGBl. Nr. 82/2018 im Hinblick auf die DSGVO und Art. 130 Abs. 2a B-VG die Verarbeitung personenbezogener Daten durch das Landesverwaltungsgericht im neugeschaffenen § 21a S. LVwGG gesondert geregelt, unter anderem in dessen Abs. 3 die Veröffentlichung von Entscheidungen des Landesverwaltungsgerichts, weshalb § 20 Abs. 1 letzter Satz S. LVwGG entfallen konnte (vgl. Erläuterungen zur Novelle des S. LVwGG, LGBl. Nr. 18/2016 - Nr. 10 der Beilagen zum stenographischen Protokoll des Salzburger Landtages, 1. Session der 16. Gesetzgebungsperiode, Seite 60). Aus dem S. LVwGG insbesondere § 20 Abs. 1 dritter Satz idF LGBl. Nr. 18/2016 ergibt sich demnach nicht die Übertragung der Anonymisierung zu veröffentlichender Entscheidungen des Landesverwaltungsgerichtes an die Präsidentin des Landesverwaltungsgerichtes als von ihr (im Wege der Evidenzstelle) zu besorgende Justizverwaltungsangelegenheit.
29 Wem die Anonymisierung zu veröffentlichender Entscheidungen des Landesverwaltungsgerichtes obliegt, hat der Salzburger Landesgesetzgeber (im Gegensatz etwa zum Bundesgesetzgeber betreffend den OGH in § 15 Abs. 5 OGHG und den VwGH in § 43 Abs. 8 VwGG) vielmehr nicht ausdrücklich geregelt.
30 Die Veröffentlichung von Gerichtsentscheidungen (insbesondere im Rechtsinformationssystem des Bundes [RIS]) dient einerseits der Rechtssicherheit, in dem es dem Rechtssuchenden eine neben dem Gesetz bestehende Rechtsquelle insbesondere über die Anwendung und Auslegung des geltenden Rechts erschließt (vgl. VfGH 28.6.1990, G 315/89, G 67/90 = VfSlg. 12.409/1990), andererseits der Transparenz, indem es eine wirksame Kontrolle gerichtlicher Entscheidungen durch die Öffentlichkeit ermöglicht (vgl. zu alldem Lutschounig, EvBl 2019/1, Anmerkung zu OGH 21.3.2018, 1 Ob 22/18v; Kockler, Publikation von Gerichtsentscheidungen und Anonymisierung, JurPC 1996, 46). Um dabei die Persönlichkeitsrechte der am Verfahren beteiligten Personen (Parteien, Zeugen und andere Verfahrensbeteiligte) zu wahren, bedarf es der Anonymisierung personenbezogener Daten (vgl. Weixelbraun-Mohr, EvBl 2019/1, Anmerkung zu OGH 21.3.2018, 1 Ob 22/18v).
31 Der VfGH hat mit seinem Erkenntnis vom 13.10.1993, G 248/91, V 190/91 (= VfSlg. 13.581/1993), ausgesprochen, dass die Gewährung von Akteneinsicht bzw. Abschriftnahme im zivilgerichtlichen Verfahren auch an dritte, am Verfahren nicht beteiligte Personen nicht dem Bereich der Justizverwaltung, sondern der gerichtlichen Rechtsprechung zuzurechnen ist, und hat daher die im § 219 Abs. 2 zweiter Satz ZPO, RGBl. Nr. 113/1895, enthaltene Wortfolge „vom Vorsteher des Gerichtes“ betreffend die Übertragung der Entscheidung über die von einem Dritten verlangte Akteneinsicht an den Gerichtsvorsteher wegen Widerspruchs zum Gleichheitsgebot als verfassungswidrig aufgehoben und die Gesetzwidrigkeit der Wortfolge „und Geschäfte, die sich für den Gerichtsvorsteher aus dem Ersuchen um Akteneinsicht ergeben“ in § 11 Abs. 1 Z 32 Geo, BGBl. Nr. 264/1951, sowie § 170 Abs. 2 Geo angesichts des Wegfalls ihrer gesetzlichen Grundlage festgestellt.
32 Der VfGH führte unter anderem begründet aus „gerade der Umstand, daß Anlaß zur Entscheidung über die von einem Dritten verlangte Akteneinsicht die fehlende Zustimmung zumindest einer Verfahrenspartei bildet, läßt auf die Möglichkeit eines zu klärenden und abzuwägenden Interessensgegensatzes zwischen Verfahrensparteien und dem Akteneinsicht verlangenden Dritten schließen; bei einer solchen - ... - anzunehmenden Lage erscheint es von vornherein als sachfremd, zu dieser Klärung und Abwägung ein mit dem Verfahren (jedenfalls noch) nicht vertrautes Organ zu berufen, das seine maßgebende (und potentiell auf den Rechtsfall rückwirkende) Entscheidung sogar im Gegensatz zur Auffassung des zur Entscheidung in der Zivilrechtssache zuständigen Richters treffen kann“.
33 So wie jeder Gewährung von Akteneinsicht bzw. Abschriftnahme an einen Dritten nach § 219 Abs. 2 ZPO eine Abwägung des Grundrechts auf Datenschutz der Betroffenen (§ 1 DSG) einerseits und des rechtlichen Interesses des Dritten an der Verwendung der Daten zur Geltendmachung, Ausübung oder Verteidigung von Rechtsansprüchen andererseits durch das Entscheidungsorgan vorangeht, bedarf auch die Anonymisierung von Gerichtsentscheidungen zwecks Veröffentlichung einer Abwägung zwischen dem Persönlichkeitsschutz der am Verfahren beteiligten Personen und dem Interesse der Öffentlichkeit an der Kenntnis der Rechtsprechung. Die Entscheidung, welche personenbezogenen Daten in gerichtlichen Entscheidungen zu anonymisieren sind, ohne den Sinngehalt des Entscheidungstextes wesentlich zu verändern, vermag am ehesten derjenige zu treffen, der den zur Veröffentlichung vorgesehenen Text verfasst hat bzw. an der Verfassung entscheidend mitgewirkt hat, also das jeweilige Entscheidungsorgan (Einzelrichter oder Richtersenat als Spruchkörper; vgl. Kockler, Publikation von Gerichtsentscheidungen und Anonymisierung, JurPC 1996, 52; Danzl/Hopf, Oberster Gerichtshof3 § 15 OGHG Anm 9). Dabei ist zu beachten, dass ein - wie auch immer - durch Anonymisierung nachträglich redigierter Entscheidungstext von der Originalentscheidung abweicht und daher nicht mehr authentisch den Ausgangstext widerspiegelt (vgl. Kockler, Publikation von Gerichtsentscheidungen und Anonymisierung, JurPC 1996, 46).
Ergebnis
34 Demnach handelt es sich beim Gegenstand der Datenschutzbeschwerde des Mitbeteiligten und zwar der zwecks Veröffentlichung unzureichenden Anonymisierung des ihn betreffenden Erkenntnisses des Landesverwaltungsgerichts Salzburg vom 17. Juli 2015 um einen Akt der Rechtsprechung, für den die Datenschutzbehörde gemäß den hier maßgeblichen Bestimmungen des § 5 Abs. 4 iVm § 31 Abs. 2 DSG 2000 nicht zuständig war. Die Datenschutzbehörde hätte daher die wegen Veröffentlichung des behaupteter Maßen unzureichend anonymisierten Erkenntnisses des Landesverwaltungsgerichtes Salzburg vom 17. Juli 2015 an sie gerichtete Datenschutzbeschwerde wegen Unzuständigkeit zurückweisen müssen.
35 Hat - wie vorliegend - eine unzuständige Behörde entschieden, so hat das mit Beschwerde angerufene Verwaltungsgericht diese Unzuständigkeit wahrzunehmen. Eine stattdessen erfolgte Entscheidung des Verwaltungsgerichts in der Sache belastet diese mit Rechtswidrigkeit des Inhaltes (vgl. VwGH 29.10.2020, Ra 2018/11/0129, Rn. 15, mwN).
36 Gemäß § 42 Abs. 4 VwGG kann der Verwaltungsgerichtshof in der Sache selbst entscheiden, wenn sie entscheidungsreif ist und diese Entscheidung im Interesse der Einfachheit, Zweckmäßigkeit und Kostenersparnis liegt. Dies ist hier der Fall. Der eingangs wiedergegebene, im Revisionsfall wesentliche Sachverhalt ist nicht strittig. Der Verwaltungsgerichtshof hat somit von dieser Möglichkeit Gebrauch gemacht und der Revision gemäß § 42 Abs. 1 und 4 VwGG aus den dargelegten Gründen im aufgezeigten Sinn Folge gegeben.
Wien, am 9. August 2021
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2021:RA2019040106.L00Im RIS seit
02.09.2021Zuletzt aktualisiert am
08.09.2021