Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Dr. Veith als Vorsitzenden und den Hofrat Dr. Musger, die Hofrätin Dr. Solé sowie die Hofräte Dr. Nowotny und Mag. Pertmayr als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei R***** D*****, vertreten durch Dr. Walter F. Scharinger, Rechtsanwalt in Salzburg, gegen die beklagte Partei M***** D*****, vertreten durch Dr. Schilchegger Rechtsanwaltsgesellschaft mbH in Anif, wegen Einwilligung in die Einverleibung des Eigentumsrechts (Streitwert: 78.122,64 EUR), über die außerordentlichen Revisionen beider Parteien gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Linz als Berufungsgericht vom 10. April 2020, GZ 1 R 149/19s-26, womit infolge Berufung beider Parteien das Urteil des Landesgerichts Salzburg vom 28. August 2019, GZ 5 Cg 8/18z-20, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung beschlossen und zu Recht erkannt:
Spruch
Der Revision der klagenden Partei wird nicht Folge gegeben, jener der beklagten Partei wird Folge gegeben.
1. Die angefochtene Entscheidung wird im Umfang der Klagsabweisung als Teilurteil bestätigt.
Die Entscheidung über die auf diesen Teil des Begehrens entfallenden Kosten des Verfahrens aller drei Instanzen wird dem Endurteil vorbehalten.
2. Im Übrigen, also im Umfang des klagsstattgebenden Teils und der Kostenentscheidung, werden die Urteile der Vorinstanzen aufgehoben und die Rechtssache wird insoweit zur neuerlichen Entscheidung nach Verfahrensergänzung an das Erstgericht zurückverwiesen.
Die auf diesen Teil des Begehrens entfallenden Kosten des Rechtsmittelverfahrens sind weitere Verfahrenskosten.
Text
Entscheidungsgründe:
[1] Der am 20. 11. 2015 verstorbene Erblasser war der Vater des Klägers und Ehemann der Beklagten. Neben den Streitteilen hinterließ er vier Töchter und zwar eine voreheliche Tochter, eine Tochter aus erster Ehe (aus der auch der Kläger stammt) und zwei Töchter aus seiner zweiten Ehe mit der Beklagten. Im Verlassenschaftsverfahren nach dem Erblasser wurde die Beklagte nach Abgabe einer bedingten Erbantrittserklärung mit Beschluss vom 7. 12. 2017 rechtskräftig als Alleinerbin eingeantwortet.
[2] Der Erblasser und dessen erste Ehefrau, die Mutter des Klägers, waren jeweils zur Hälfte Eigentümer einer bäuerlichen Liegenschaft. Nach dem Tod seiner ersten Ehefrau wurde der Erblasser aufgrund eines Erbvertrags und wechselseitigen Testaments als Erbe Alleineigentümer dieser Liegenschaft. In Punkt 6. des im Zuge der Verlassenschaftsabhandlung errichteten notariellen Protokoll vom 27. 6. 1972, das vom Erblasser und dem für die mj Kinder einschreitenden Kollisionskurator unterfertigt wurde, wurde ua Folgendes festgehalten:
„Trotzdem der erbl. Witwer gemäß der Ehepakte vom 4. April 1962 bei Vorableben seiner Frau in der Verfügung über den gemeinschaftlichen Realbesitz nicht beschränkt sein soll, verpflichtet sich hiemit der erbl. Witwer […] die Liegenschaft [...] einem der erbl. Kinder entweder unter Lebenden zu übergeben oder von Todeswegen zu hinterlassen.
Die Übergabe unter Lebenden oder die Zuwendung von Todeswegen hat zu angemessenen Bedingungen so, daß der Übernehmer wohl bestehen kann, zu erfolgen. Hiebei bleibt der Zeitpunkt der Übergabe unter Lebenden dem erbl. Witwer vorbehalten, ebenso die Auswahl des Übernehmers unter den beiden erbl. Kindern.
Zur Sicherstellung dieser Gutsübergabs-
verpflichtung räumt der erbl. Witwer [...] seinen Kindern [...] das Veräußerungs- und Belastungsverbot im Sinne des § 364 c ABGB ein und erteilt unter einem seine Einwilligung, daß dieses Belastungs- und Veräußerungs-
verbot im Sinne dieses Erbteilungsüber-
einkommens auf die EZ [...] einverleibt werde.“
[3] Mit notariellem Schenkungsvertrag vom 17. 4. 1973 schenkte der Erblasser eine Liegenschaftshälfte der Beklagten. Im Vertrag wurde festgehalten, dass die Beklagte als teilweise Gegenleistung für diese Schenkung die im Grundbuch derzeit aushaftenden Lasten zur Hälfte übernimmt, darunter auch das für die erstehelichen Kinder einverleibte Belastungs- und Veräußerungsverbot. Dazu hielt der Notariatsakt fest:
„Als teilweise Gegenleistung für diese Schenkung übernimmt die Geschenknehmerin die im Grundbuch derzeit aushaftenden Lasten und zwar […] f) das in […] für die gleichen minderjährigen Kinder haftende Belastungs- und Veräußerungsverbot gemäß Punkt 6. des Protokolles vom 27. Juni 1972. Hiezu erklärt die Geschenknehmerin, die Bestimmungen dieses Belastungs- und Veräußerungs-
verbotes zu kennen und übernimmt diese Verpflichtung.“
[4] Am gleichen Tag schlossen der Erblasser und die Beklagte auch einen notariellen Erbvertrag mit wechselseitigem Testament, in dem sie erklärten, dass auf die Verlassenschaftsabhandlungen nach ihren Nachlässen die Bestimmungen des Anerbengesetzes keine Anwendung zu finden hätten. Weiters hat der Erbvertrag mit wechselseitigem Testament auszugsweise folgenden Inhalt:
„Beide Ehegatten [...] bestimmen [...] für den Vorablebensfall eines von ihnen Folgendes:
a) Beide Ehegatten erklären, die im Protokoll vom 27. […] Juni 1972 [...] festgelegten Übernahmsrechte der erstehelichen Kinder zu kennen und zu respektieren.
Beide Eheteile bestimmen als dem zur Nachfolge im Besitz [der Liegenschaft] berufenen Kind den [Kläger].
Beide Eheteile vermachen daher dem [Kläger die Liegenschaft] samt [...] Zugehör und setzen Noterben auf den Pflichtteil [...].
b) Bezüglich des freivererblichen Vermögens setzen die beiden Ehegatten einander hinsichtlich dreier Nachlaßviertel erbvertragsmäßig und hinsichtlich des nach dem Gesetz der freien letztwilligen Anordnung vorbehaltenen Nachlaßviertels testamentarisch wechselseitig zu Erben ein […] und beschränken etwaige Noterben auf den ihnen gebührenden Pflichtteil […].“
[5] Darüber hinaus vermachte der Erblasser der Beklagten darin in seinem Ablebensfall unentgeltlich den „Austrag“ einer Wohnung im ersten Stock des Hauses auf der Liegenschaft, eine bestimmte Nahrungsbereitstellung, eine monatliche, wertgesicherte Geldleistung von 500 ATS, die Bereitstellung eines bestimmten Ausmaßes von Brennholz, Pflegeleistungen in Krankheits- und Gebrechlichkeitsfällen, Übernahme der Arzt-, Medikamenten- und Krankenhauskosten, im Ablebensfall ein ortsübliches und standesgemäßes Begräbnis und die Bereitstellung einer gleichwertigen und gleichartigen Wohnung im Nahebereich bei Auszug der Berechtigen aus der Austragswohnung.
[6] 1997 verpachteten der Erblasser und die Beklagte die Liegenschaft an den Kläger. Der im Vertrag festgelegte Pachtzins von 11.000 ATS pro Jahr wurde vom Kläger nicht bezahlt. Alle Einnahmen aus der Landwirtschaft flossen auf ein Betriebskonto, von dem alle Ausgaben des Betriebs bezahlt wurden. Bis 2007 waren nur der Erblasser und die Beklagte über dieses Konto verfügungsberechtigt, der Kläger erst ab 2007.
[7] Der Verkehrswert der Liegenschaft betrug zum Todestag des Erblassers 1.505.000 EUR. Der Hälfteanteil des Erblassers hatte zum Bewertungsstichtag einen Verkehrswert von 677.250 EUR.
[8] [1] Die Aktiva der Verlassenschaft nach dem Erblasser betrugen 740.294,08 EUR, wobei 677.250 EUR auf den Hälfteanteil an der Liegenschaft, 50.000 EUR auf eine Darlehensforderung gegen den Kläger, 7.594,30 EUR auf offene Pachtzinsforderungen gegen den Kläger und 2.599,78 EUR auf Bankguthaben entfielen. Die Verlassenschaftspassiva betrugen 17.817,32 EUR, die Massekosten (Kosten des Abhandlungsverfahrens) beliefen sich auf 18.616,88 EUR.
[9] Der Kläger begehrte die Einwilligung der Beklagten in die Einverleibung seines Eigentumsrechts an der gesamten Liegenschaft. Zudem erhob er drei „Eventualbegehren“ und zwar gerichtet auf
a) die Einwilligung der Beklagten in die Einverleibung seines Eigentumsrechts an der gesamten Liegenschaft Zug um Zug gegen die Einräumung einer Höchstbetragshypothek von 700.000 EUR an dieser Liegenschaft, die Einverleibung des Ausgedinges und die Bezahlung der zu Recht bestehenden Massekosten,
b) die Einwilligung der Beklagten in die Einverleibung seines Eigentumsrechts am ideellen Hälfteanteil des Erblassers, verbunden mit dem Begehren auf Feststellung, dass dem Kläger ein Anspruch auf Übereignung der der Beklagten gehörenden Liegenschaftshälfte zukomme, und die Beklagte schuldig sei, darin einzuwilligen, dass das Eigentumsrecht des Klägers nach dem Ableben der Beklagten (auch) auf dieser Liegenschaftshälfte einverleibt werde, und
c) die Einwilligung der Beklagten in die Einverleibung seines Eigentumsrechts am ideellen Hälfteanteil des Erblassers Zug um Zug gegen die Einräumung einer Höchstbetragshypothek von 700.000 EUR ob dieser Liegenschaft und die Bezahlung der zu Recht bestehenden Massekosten, verbunden mit dem bereits unter b) erwähnten Feststellungsbegehren.
[10] Der Kläger brachte vor, der Erblasser habe sich schon im Abhandlungsverfahren nach seiner ersten Ehefrau mit gerichtlichem Protokoll vom 27. 6. 1972 verpflichtet, die Liegenschaft einem der beiden Kinder aus erster Ehe entweder zu Lebzeiten oder von Todes wegen zu übergeben. Die Schenkung der Liegenschaftshälfte an die Beklagte sei unter der Voraussetzung erfolgt, dass eines der erstehelichen Kinder spätestens im Zeitpunkt des Todes des Erblassers in den Besitz der Liegenschaft nachfolgen würde. Im Schenkungsvertrag sei festgehalten worden, dass die Beklagte diese Beschränkungen zugunsten der Kinder kenne, respektiere und übernehme. Auch im Erbvertrag habe die Beklagte die Übernahmerechte der erstehelichen Kinder sowie ihre Übergabeverpflichtung spätestens zum Todeszeitpunkt des Erblassers hinsichtlich der ihr übertragenen Liegenschaftshälfte übernommen. Die Beklagte und der Erblasser hätten für die Nachfolge den Kläger bestimmt. Das Recht zur Übernahme der Liegenschaft habe dem Kläger im Zeitpunkt des Todes des Erstversterbenden zustehen sollen. Dieser Fall sei mit dem Tod des Erblassers eingetreten, weshalb der Kläger einen schuldrechtlichen Anspruch auf Übereignung habe. Darüber hinaus hätten beide Eheleute für den Vorablebensfall eines von ihnen gemeinsam dem Kläger die gesamte Liegenschaft vermacht. Es handle sich um ein gemeinsames Vermächtnis im Vorablebensfall des Erblassers hinsichtlich der gesamten Liegenschaft, das durch den angeordneten Austrag untermauert werde. Der Kläger anerkenne die dort geregelten Austragsansprüche der Beklagten. Der Anspruch des Klägers stütze sich auf ein vertraglich eingeräumtes Besitznachfolgerecht und auf ein Vermächtnis jeweils zu seinen Gunsten. Ob und in welcher Höhe Pflichtteilsansprüche zu Recht bestünden und von der Beklagten auch tatsächlich gefordert würden, sei unklar. Der Kläger sei bereit, Sicherstellung für allfällige Pflichtteilsansprüche und seiner Beitragspflicht zu den von der Beklagten zu tragenden Schulden gemäß § 692 ABGB aF anzubieten, soweit und sofern diese Pflicht tatsächlich bestehe. Dadurch bestehe kein Leistungsverweigerungsrecht der Beklagten mehr.
[11] Die Beklagte wendete ein, sie habe ihre Liegenschaftshälfte nicht geschenkt erhalten, sondern Gegenleistungen von insgesamt 388.751 ATS erbracht. Sie habe sich gegenüber den Kindern des Erblassers aus der ersten Ehe oder auch nur dem Kläger nie zur Übertragung ihres Hälfteanteils verpflichtet. Der Erblasser habe lediglich über seinen ihm verbliebenen Hälfteanteil als Legat verfügen können. Durch das Legat einer Sache der bedingt eingeantworteten Beklagten könne nicht das Nachlassvermögen plötzlich verdoppelt werden. Der Nachlass bestehe im Wesentlichen aus Darlehens- und Pachtzinsforderungen gegen den Kläger und aus dem Hälfteanteil der Liegenschaft. Die anderen Bestandteile der Aktiva würden unter der Summe der Passiva liegen und nur einen Teil der Kosten des Verlassenschaftsverfahrens decken. Damit sei die Verlassenschaft nach §§ 690 ff ABGB aF durch das Vermächtnis an den Kläger erschöpft und reiche nicht zur Bezahlung der Schulden aus. Der Kläger erleide als Legatar einen verhältnismäßigen Abzug. Gemäß § 783 ABGB aF sei der Kläger auch verpflichtet, verhältnismäßig zur vollständigen Entrichtung der den Noterben gebührenden Erb- und Pflichtteile beizutragen. Die Beitragspflicht des Klägers betrage insgesamt 681.631,71 EUR. Eine Sicherstellung bzw Zahlung hätte vor Klagsführung erfolgen müssen, dem Legatar stehe bis dahin kein Klagerecht zu. Die Beklagte begehre Zahlung, weil sie als Erbin die bereits eingeforderten und längst fälligen Pflichtteilsansprüche der übrigen Pflichtteilsberechtigten kurzfristig zu begleichen habe. Um diese abzudecken, müsste sie eine allfällige Sicherheitsleistung sofort verwerten. Die angebotene Sicherstellung sei überdies nicht hinreichend, da sie mit einer unzulässigen Bedingung versehen sei, ein untaugliches, weil nicht im Eigentum des Klägers stehendes Pfandobjekt betreffe und nur die Hälfte der tatsächlichen Verpflichtungen umfasse.
[12] Das Erstgericht wies das Hauptbegehren und das erste und zweite Eventualbegehren sowie das im dritten Eventualbegehren enthaltene Feststellungsbegehren ab und erkannte die Beklagte schuldig, in die Einverleibung des Eigentumsrechts des Klägers am ideellen Hälfteanteil des Erblassers an der Liegenschaft Zug um Zug gegen Zustimmung des Klägers zur Einverleibung einer Höchstbetragshypothek von 700.000 EUR zugunsten der Beklagten ob dieser Liegenschaft zur Sicherstellung der Forderungen der Beklagten, insbesondere der Beitragsleistungen gemäß §§ 692, 783 ABGB aF, und gegen Bezahlung der Massekosten aus dem Verlassenschaftsverfahren des Erblassers in Höhe von 18.616,88 EUR durch den Kläger an die Beklagte einzuwilligen. Der Erblasser und die Beklagte hätten dem Kläger ein Legat hinsichtlich der Liegenschaft eingeräumt. Da ein Legat erst mit dem Tod des Erblassers fällig werde, sei die Fälligkeit nur hinsichtlich der Liegenschaftshälfte des Erblassers zu bejahen. Da der Erbe dem Legatar nur das um die aliquote Pflichtteilsdeckung reduzierte Legat schulde, sei die Beklagte nicht zur Leistung des ungekürzten Sachlegats verpflichtet. Aufgrund der Unmöglichkeit einer Ausfolgung des (real) gekürzten Sachlegats habe sie das Recht des gänzlichen Zurückhaltens. Dieses Recht sei aber zu verneinen, wenn der Legatar seiner materiellen Beitragspflicht nachkäme, indem er den auf ihn entfallenden Geldbetrag zur Pflichtteilsdeckung leiste oder zumindest eine entsprechende Sicherstellung anbiete, wobei die Einräumung einer Hypothek eine geeignete Sicherheitsleistung darstelle. Ausgehend von den Pflichtteilsansprüchen der Beteiligten und einem Verkehrswert der Liegenschaftshälfte von rund 677.000 EUR sei von einer geeigneten Sicherstellung durch die Höchstbetragshypothek von 700.000 EUR auszugehen. Weiters biete der Kläger die Bezahlung der Massekosten an. Insofern bestehe das dritte Eventualbegehren zu Recht. Das im dritten Eventualbegehren ebenfalls enthaltene Feststellungsbegehren bestehe jedoch schon deshalb nicht zu Recht, weil die Beklagte keine Zustimmungserklärungen für einen Zeitpunkt nach ihrem Ableben abgeben könne (die Herausgabepflicht treffe die Erben) und noch nicht feststehe, ob nicht auch die Erben nach der Beklagten zu einer Legatsreduktion berechtigt seien.
[13] Den dagegen erhobenen Berufungen beider Parteien gab das Berufungsgericht nicht Folge. Es bewertete den Entscheidungsgegenstand mit 30.000 EUR übersteigend und sprach aus, dass die ordentliche Revision nicht zulässig sei.
[14] Das Berufungsgericht war der Ansicht, dass dem Kläger kein mit dem Tod des Vaters fällig gewordenes Besitznachfolgerecht an der gesamten Liegenschaft eingeräumt worden sei. Vielmehr hätten im Erbvertrag beide Ehegatten für den Vorablebensfall eines von ihnen dem Kläger die Liegenschaft „vermacht“. Ein solches gemeinsam ausgesetztes Vermächtnis habe zur Konsequenz, dass der überlebende Ehegatte das Vermächtnis nicht mehr widerrufen könne, nicht aber, dass das Vermächtnis des Überlebenden schon im Todeszeitpunkt des zuerst Versterbenden fällig sei. Der Anspruch des Klägers bezüglich des Hälfteanteils der Beklagten sei daher noch nicht fällig. Die Abweisung des im dritten Eventualbegehren enthaltenen Feststellungsbegehrens habe das Erstgericht überzeugend begründet. Die Sicherstellung gemäß § 692 ABGB aF habe nach den Vorschriften der §§ 1373 f ABGB zu erfolgen, beim Vermächtnis einer Liegenschaft also regelmäßig durch Einräumung einer Hypothek. Die vom Kläger vor Verhandlungsschluss angebotenen Zug-um-Zug-Gegenleistungen seien nicht verspätet. Nach § 1374 ABGB müsse eine Pfandsache zumindest doppelt so viel wert sein als zu besichern sei. Für die Frage der Höhe der Sicherheitsleistung sei nicht die Gesamtverbindlichkeit des Klägers gegenüber der Beklagten maßgebend, sondern nur die in § 692 ABGB aF genannten Verbindlichkeiten der Verlassenschaft und die Legate. Die Möglichkeit einer Sicherheitsleistung sei auch hinsichtlich der Beitragspflicht des Legatars nach § 783 ABGB aF zu bejahen. Die Pflichtteilsansprüche der Hinterbliebenen (also der Beklagten und der vier Töchter) berechne die Beklagte mit insgesamt 305.005,94 EUR. Dazu kämen die Passiva der Verlassenschaft von 17.817,32 EUR. Die Bezahlung der Massekosten habe der Kläger gesondert angeboten. Ein Belohnungsanspruch der Beklagten als Erbin für Mühewaltung sei den festgestellten Passiven und Massekosten der Verlassenschaft nicht zu entnehmen. Sonstige Verbindlichkeiten des Klägers gegenüber der Beklagten seien nicht nach § 692 ABGB aF zu sichern. Damit sei die Pfandsache zumindest doppelt so viel wert als die zu sichernden Pflichtteilsansprüche und Schulden der Verlassenschaft.
[15] Dagegen richten sich die außerordentlichen Revisionen beider Parteien. Die Revision des Klägers enthält den Antrag, die Urteile der Vorinstanzen dahin abzuändern, dass dem Klagehauptbegehren zur Gänze stattgegeben werde; in eventu wird beantragt, den Eventualbegehren zur Gänze stattzugeben; hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt. Die Beklagte strebt mit ihrer Revision die gänzliche Klagsabweisung an; hilfsweise stellt auch sie einen Aufhebungsantrag.
[16] Die Parteien beantragen in der ihnen vom Obersten Gerichtshof jeweils freigestellten Revisionsbeantwortung, die Revision der Gegenseite zurückzuweisen; hilfsweise ihr nicht Folge zu geben.
Rechtliche Beurteilung
[17] Beide Revisionen sind zur Klarstellung der Rechtslage zulässig. Die Revision der Beklagten ist im Sinne des Aufhebungsantrags auch berechtigt, jene des Klägers ist nicht berechtigt.
[18] Aufgrund des inhaltlichen Zusammenhangs ist es im vorliegenden Fall zweckmäßig, beide Revisionen gemeinsam zu behandeln.
[19] Der Kläger macht geltend, das Berufungsgericht habe den 1973 abgeschlossenen Vertrag zwischen dem Erblasser und der Beklagten unrichtig beurteilt. Darin sei betreffend die von der Beklagten übernommenen Liegenschaftshälfte ein Besitznachfolgerecht zugunsten des Klägers vereinbart worden. Selbst wenn man ein gemeinsames Vermächtnis annehmen wollte, wäre dies nach der Rechtsprechung als Vermächtnis des Erstverstorbenen anzusehen und daher auch der Hälfteanteil der Beklagten bereits fällig gewesen. Sollte der Beklagten der Anspruch des Klägers auf Übergabe der Liegenschaftshälfte nicht überbunden worden sein, habe er Anspruch auf Schadenersatz in Form der Naturalrestitution wegen schuldhaften Eingriffs in sein Forderungsrecht gegen den Erblasser. Bei Annahme eines Vermächtnisses des Erblassers reiche das Anbieten einer Sicherstellung aus, sodass der Zug-um-Zug-Ausspruch nicht berechtigt sei. Das AnerbenG sei im Erbvertrag von 1973 lediglich hinsichtlich der Erbfolge ausgeschlossen worden, nicht aber betreffend den Wert der Liegenschaft zur Pflichtteilsermittlung. Dabei sei auch das in den Pflichtteil der Beklagten einzurechnende Ausgedinge mindernd zu berücksichtigen. Der Anspruch auf die Liegenschaftshälfte des Erblassers stütze sich vorwiegend auf die im Protokoll vom 27. 6. 1972 festgehaltene Übergabeverpflichtung, sodass der Kläger auch insoweit keiner Beitragspflicht nach § 783 ABGB aF unterliege.
[20] Die Beklagte macht geltend, die Zahlung oder Sicherstellung nach § 692 ABGB aF müsse bereits vor Klagsführung erfolgen. Überdies habe die Beklagte auf Vollzahlung bestanden und diesen Anspruch bereits fällig gestellt. Wegen der Unmöglichkeit einer realen Kürzung des Sachlegats käme allenfalls die Auferlegung einer Zahlungspflicht Zug um Zug gegen die Ausfolgung des ungekürzten Legats in Betracht, was der Kläger aber nicht angeboten habe. Der Beklagten stehe auch wegen der sonstigen Verbindlichkeiten des Klägers das allgemeine Zurückbehaltungsrecht nach § 471 ABGB zu. Die Beitragspflicht nach § 783 ABGB aF könne nicht durch Sicherstellung, sondern nur Zug um Zug gegen Zahlung erfolgen. Dies gelte auch für die Bedienung der Auslagen und die Belohnung der nachlassverwaltenden Erbin (§ 690 ABGB aF) sowie das Unterhaltslegat (Ausgedinge). Auch der Anspruch auf Belohnung der nachlassverwaltenden Erbin nach § 690 ABGB aF, der in der Verlassenschaft keine Deckung mehr finde, kürze den Anspruch des Vermächtnisnehmers. Bei der Beurteilung, ob der Wert des Pfandes iSd § 1374 ABGB ausreiche, seien sämtliche Vorbelastungen der Liegenschaft heranzuziehen. Das Unterhaltslegat (Ausgedinge) sei im Rang vor der angebotenen Sicherheit grundbücherlich sicherzustellen. Dies führe dazu, dass die als Sicherheit angebotene Liegenschaftshälfte ohnedies nicht ausreichend werthaltig wäre.
[21] Hiezu wurde erwogen:
[22] 1. Ein vertraglicher Anspruch des Klägers auf Übereignung der Liegenschaft besteht nicht:
[23] 1.1 Der Inhalt unstrittig echter Urkunden oder unstrittiges Vorbringen der Parteien können der Entscheidung zugrunde gelegt werden (RS0121557 [T3, T8]). Die vom Kläger gerügten „Feststellungsmängel“ liegen daher nicht vor.
[24] 1.2 In Rechtsprechung und Lehre ist die vertragliche Begründung von Besitznachfolgerechten in Anlehnung an die erbrechtliche Nacherbschaft anerkannt. Dabei vereinbaren alter und neuer Eigentümer im Zusammenhang mit der Übereignung der Sache, dass das Eigentum des Erwerbers bei Eintritt einer Bedingung oder nach Ablauf einer Frist an einen anderen, nämlich den Besitznachfolger, fällt oder aber, dass zumindest die Verpflichtung besteht, das Eigentum zu übertragen, wobei der Besitznachfolger entweder der alte Eigentümer oder ein Dritter sein kann (5 Ob 148/19d; 6 Ob 20/20i). Dabei kann vereinbart werden, dass das Eigentumsrecht des Erwerbers durch sein Vorableben auflösend bedingt ist und die Liegenschaft an den alten Eigentümer oder auch einen Dritten fällt (6 Ob 20/20i). Es ist aber auch eine bloß schuldrechtliche Verpflichtung des Erwerbers möglich, wonach dieser (nur) verpflichtet ist, die Liegenschaft einer oder mehreren bestimmten oder bestimmbaren Personen bei Lebzeiten zu übergeben oder von Todes wegen zu überlassen (6 Ob 20/20i). Dabei ist es eine Frage der Auslegung, ob der durch eine Besitznachfolgevereinbarung begünstigte Dritte unmittelbar aus dieser ein Forderungsrecht erwirbt sowie bejahendenfalls, zu welchem Zeitpunkt dies der Fall ist (6 Ob 20/20i). Kommt die Anordnung oder Vereinbarung eines Besitznachfolgerechts nach dem Inhalt des Vertrags der letztwilligen Anordnung einer Nacherbschaft iSd § 608 ABGB nahe, wird eine unmittelbare Berechtigung der begünstigten Personen daraus eher zu verneinen sein. Wird im Vertrag hingegen die Verpflichtung zur Weiterüberlassung an eine ganz bestimmte Person zu einem bestimmten Zeitpunkt konkret vereinbart, wird im Sinn der zitierten Rechtssätze eher von einer unmittelbaren Berechtigung der dritten Person auszugehen sein (5 Ob 68/19i).
[25] 1.3 Zwar wurde in der Rechtsprechung auch eine Vereinbarung als „Besitznachfolgerecht“ in einem Fall bezeichnet, in dem sich eine Hälfteeigentümerin und Erbin des zweiten Hälfteanteils einer Liegenschaft in einem Erbübereinkommen verpflichtete, ihrem Sohn die gesamte Liegenschaft entweder zu Lebzeiten zu übergeben oder von Todes wegen zu hinterlassen (3 Ob 530/85). Eine nähere Auseinandersetzung mit der rechtlichen Qualifikation einer solchen Konstruktion kann aber im vorliegenden Fall dahin stehen. Maßgeblich ist lediglich, ob der Kläger aufgrund des notariellen Protokolls vom 27. 6. 1972 einen vertraglichen Anspruch auf Übereignung der Liegenschaft erlangt hat.
[26] Der Erblasser hat sich darin sowohl die Auswahl des Übernehmers als auch die Art der rechtlichen Umsetzung des Erwerbs (unter Lebenden oder von Todes wegen) vorbehalten. Schon eine konkrete Verpflichtung zur Weiterüberlassung an eine ganz bestimmte Person zu einem bestimmten Zeitpunkt (siehe Punkt 1.2), liegt somit nicht vor. Durch das freie Auswahlrecht des Erblassers und die dadurch herbeigeführte Unbestimmbarkeit des Begünstigten bestand überdies für seine Kinder lediglich die Hoffnung, zu Begünstigten ausgewählt zu werden. Sie erhielten aber kein eigenes Forderungsrecht (vgl 6 Ob 92/01z [ErwGr I]).
[27] Aus dem notariellen Protokoll vom 27. 6. 1972 ist daher ein Anspruch des Klägers gegen den (späteren) Erblasser auf Übereignung der Liegenschaft nicht abzuleiten.
[28] 1.4 Zutreffend ist das Berufungsgericht davon ausgegangen, dass durch den Notariatsakt vom 17. 4. 1973 kein vertraglicher Anspruch gegen die Beklagte auf Übergabe des dieser übereigneten Hälfteanteils an der Liegenschaft begründet wurde.
[29] Eine ausdrückliche Verpflichtung, die der Beklagten geschenkte Liegenschaftshälfte dem Kläger zu hinterlassen, enthält der „Schenkungsvertrag“ nicht. Das Belastungs- und Veräußerungsverbot zugunsten beider erstehelicher Kinder samt Hinweis auf den diesem zugrunde liegenden Titel war lediglich bei den von der Beklagten zur Hälfte zu übernehmenden im Grundbuch aushaftenden Lasten angeführt. Als solche bücherliche Belastung war jedoch lediglich das genannte Belastungs- und Veräußerungsverbot eingetragen, nicht aber ein weitergehendes Recht. Die vertragliche Einräumung eines Besitznachfolgerechts zugunsten des Klägers ergibt sich daraus somit nicht.
[30] 1.5 Eine solche ist aber auch im Zusammenhang mit dem gleichzeitig errichteten Erbvertrag mit wechselseitigem Testament nicht zu erblicken. Vielmehr ist diesem zu entnehmen, dass der Erblasser und die Beklagte die „im Protokoll vom 27. 6. 1972 festgelegten Übernahmsrechte“ der erstehelichen Kinder dadurch als berücksichtigt („respektiert“) erachteten, dass sie gemeinschaftlich anordneten, die gesamte Liegenschaft im Vorablebensfall eines von ihnen dem Kläger als Legat zu vermachen (dazu Punkt 2.). Dies entspricht auch dem Inhalt des genannten Protokolls, wonach es dem Erblasser frei stand, die Liegenschaft einem erstehelichen Kind auch erst von Todes wegen zu hinterlassen.
[31] 2. Mit dem notariellen Erbvertrag und wechselseitigen Testament vom 17. 4. 1973 errichteten der Erblasser und die Beklagte ein Vermächtnis über die Liegenschaft zugunsten des Klägers bereits bei Tod des Erstversterbenden:
[32] 2.1 Bereits nach dem Wortlaut der entsprechenden Passage im notariellen Erbvertrag mit wechselseitigem Testament, in der sie dem Kläger die gesamte Liegenschaft „vermachen“, haben der Erblasser und die Beklagte dem Kläger ein Vermächtnis ausgesetzt. Durch die Bezugnahme auf die im Protokoll vom 27. 6. 1972 festgelegten „Übernahmsrechte“ der erstehelichen Kinder wird deutlich, dass damit dem Kläger die Liegenschaft von Todes wegen zugewendet werden sollte (siehe Punkt 1.4).
[33] 2.2 Enthält ein wechselseitiges Testament auch ein Vermächtnis, wird im Zweifel angenommen, dass es zur Gänze vom Erstverstorbenen und nicht von jedem Ehegatten zur Hälfte ausgesetzt ist (2 Ob 234/32 SZ 14/38; ähnlich Fischer-Czermak in Gruber/Kalss/Müller/Schauer, Erbrecht und Vermögensnachfolge² § 20 Rz 105 [zugunsten der Kinder]).
[34] Auch im vorliegenden Fall ist daher von einem solchen zur Gänze vom Erstverstorbenen ausgesetzten Vermächtnis auszugehen. Dafür spricht nicht nur die erörterte „Zweifelsregel“, sondern auch der Wortlaut der Verfügung, nach der diese für den Vorablebensfall eines der Ehegatten gelten soll. Auch der Umstand, dass der Erblasser der Beklagten (als Untervermächtnis) von der Liegenschaft aus „den Austrag“ einer Wohnung und diverser anderer Leistungen zuwenden wollte, lässt darauf schließen, dass die Liegenschaft bereits nach dem (Vor-)Tod des Erblassers ins Eigentum des Klägers übergehen sollte.
[35] 2.3 Ein „Verschaffungsvermächtnis“ liegt insoweit nicht vor, weil die dem Erblasser nicht gehörende Liegenschaftshälfte im Eigentum der mit dem Legat belasteten Beklagten als Erbin und nicht eines Dritten steht (§ 662 ABGB aF; Welser in Rummel/Lukas4 § 662 Rz 2).
[36] 2.4 Gemäß § 684 ABGB aF erwirbt der Legatar in der Regel gleich nach dem Tod des Erblassers für sich und seine Nachfolger ein Recht auf das Vermächtnis. Der Anfall (Erwerb) der Vermächtnisforderung vollzieht sich mangels anderer Anordnung des Erblassers mit dem Erbfall, bei suspensiv bedingter Zuwendung erst mit dem Bedingungseintritt. Das Vermächtnis einzelner Verlassenschaftsstücke und darauf sich beziehender Rechte kann der Legatar nach § 685 ABGB aF sogleich fordern. Diese privilegierten Vermächtnisse werden mit dem Anfall fällig (6 Ob 204/09g). Die Bestimmung des § 685 ABGB aF gilt auch für unbewegliche Sachen (RS0015318). Dem einzelnen Verlassenschaftsstück werden Sachen gleichgestellt, die aus dem Eigentum des Beschwerten zu leisten sind (Welser in Rummel/Lukas4 § 685 ABGB Rz 5).
[37] Das dem Kläger ausgesetzte Legat der gesamten Liegenschaft wurde daher mit dem Tod des Erblassers als erstversterbenden Ehegatten fällig.
[38] 3. Über den von der Beklagten eingewendeten Legatskürzungsanspruch ist im gegenständlichen Verfahren zu entscheiden:
[39] 3.1 Wegen der bedingten Erbantrittserklärung der Beklagten ist § 692 ABGB aF anwendbar. Danach sind die Legate verhältnismäßig zu kürzen, wenn die Verlassenschaft zur Bezahlung der Schulden, anderer pflichtgemäßer Auslagen, wozu auch die Pflichtteile gehören (4 Ob 235/06x; Welser in Rummel/Lukas4 § 692 Rz 2; Eccher in Schwimann/Kodek4 Vor §§ 690–693 Rz 1 mwN), und zur Berichtigung aller Vermächtnisse nicht ausreicht. Dabei sind Sachvermächtnisse möglichst naturaliter, aber unter Bedachtnahme auf die Interessen des Erben und der Legatare, zu kürzen; soweit dies nicht möglich ist, tritt Geld an ihre Stelle. Sofern es vernünftig und den Beteiligten zumutbar ist, kann dem Sachlegatar eine Zahlung an den Nachlass auferlegt werden (2 Ob 96/14b; 6 Ob 204/09g; RS0125595). Für die Beurteilung der Frage, ob die Verlassenschaft zur Deckung der Legate ausreicht oder diese zu kürzen sind, ist auf den Zeitpunkt der Einantwortung abzustellen (6 Ob 204/09g).
[40] 3.2 Gemäß § 783 ABGB aF müssen in allen Fällen, wo einem Noterben der gebührende Erb- oder Pflichtteil gar nicht oder nicht vollständig ausgemessen worden ist, sowohl die eingesetzten Erben als auch die Legatare, nicht jedoch der Ehegatte mit dem gesetzlichen Vorausvermächtnis, verhältnismäßig zur vollständigen Entrichtung beitragen. Ist die Kürzung von Vermächtnissen zur Pflichtteilsergänzung notwendig, so sind die Erben zur Vornahme der Legatsreduktion berufen. Sie haben demgemäß den Vermächtnisnehmern entsprechend gekürzte Legate auszufolgen (RS0012643). Während die Reduktion nach § 692 ABGB aF mit der Haftung des Erben nach außen zusammenhängt, regelt § 783 ABGB aF die materielle Beitragspflicht der Legatare, also die Frage, wann und in welchem Ausmaß sie die Erben bei der Deckung des Pflichtteils zu entlasten haben (RS0012895 [T1]). § 783 ABGB aF greift auch dann ein, wenn der Erbe eine unbedingte Erbantrittserklärung abgegeben hat (RS0012899) oder wenn der Nachlass zur Deckung des Pflichtteils und der Legate an sich ausreicht; dennoch muss der Legatar gegenüber dem Erben verhältnismäßig zur Deckung des Pflichtteils beitragen. Zur Feststellung der Beitragspflicht sind die Werte der reinen Erbteile (unter Abzug der Legate) und der Legate zu ermitteln, wobei diese Wertberechnung nach den Grundsätzen der §§ 692 ff ABGB zu erfolgen hat (7 Ob 512/90; Welser in Rummel/Lukas4 § 783 Rz 3). Danach sind sie verhältnismäßig, dh in der Relation dieser Werte zueinander, zu kürzen. Ist der Erbe zugleich pflichtteilsberechtigt, so ist sein Erbteil, wenn er den Wert des Pflichtteils nicht erreicht, aus dem Wert der Vermächtnisse (bzw der übrigen Erbteile) auf den Betrag seines Pflichtteils zu ergänzen (1 Ob 627/91).
[41] Damit geht § 783 ABGB aF über die Legatsreduktion nach § 692 ABGB aF hinaus, die nur bei einem unzureichendem Nachlass oder nach der Einantwortung bei bedingter Erbantrittserklärung anwendbar ist. Die Legate werden danach (nur) so weit gekürzt, dass die Berichtigung des Pflichtteilsanspruchs überhaupt möglich ist, dh ohne Bedachtnahme auf eine zusätzliche Beitragspflicht des Legatars gegenüber dem Erben (4 Ob 235/06x mwN; 2 Ob 96/14b). Wenn die Pflichtteilsansprüche – wie hier behauptet – den Wert des (verbliebenen) Nachlasses übersteigen, führen allerdings beide Bestimmungen zum selben Ergebnis (4 Ob 235/06x).
[42] Der Erbe schuldet dem Legatar in beiden Fällen nur das um die Kürzung reduzierte Legat. Dem Legatar fehlt von vornherein der rechtfertigende Grund für den Empfang des ungekürzten Vermächtnisses. Ist die reale Kürzung eines Sachlegats nicht möglich, hat der Erbe das Recht des gänzlichen Zurückhaltens. Es trifft ihn diesbezüglich also keine Vorleistungspflicht, was ihm aufgrund der Unmöglichkeit einer Ausfolgung des (real) gekürzten Sachlegats das Recht des gänzlichen Zurückhaltens gibt. Dieses Recht ist aber dann zu verneinen, wenn der Legatar seiner materiellen Beitragspflicht nachkommt, indem er den auf ihn entfallenden Geldbetrag leistet oder (solange insoweit Unsicherheit besteht [siehe Punkt 3.5]) zumindest eine entsprechende Sicherstellung anbietet, ohne dass ein diesbezüglicher Rechtsanspruch des Erben bestünde. In der Entscheidung 2 Ob 96/14b wurde klargestellt, dass insoweit ein Gleichklang der Bestimmungen der §§ 692 und 783 ABGB aF besteht.
[43] Auch den Legatar trifft jedoch keine Vorleistungspflicht (vgl RS0012655; idS auch 2 Ob 96/14b). Für die Fälligkeit seines Anspruchs auf das Legat ist es ausreichend, dass die Zahlung des Wertausgleichs Zug um Zug gegen Leistung des Legats erfolgt (Kralik, Erbrecht 244).
[44] 3.4 Der Anspruch, die Vermächtnisse gemäß § 692 ABGB aF wegen Unzulänglichkeit des Nachlasses zu kürzen, kann vom Erben einredeweise geltend gemacht werden. Diese Einrede schließt die Geltendmachung des Vermächtnisanspruchs dauernd aus, weil sie sich darauf beruft, dass durch das dem Erben vorbehaltene Kürzungsrecht der Vermächtnisanspruch ganz oder teilweise erloschen ist (Weiß in Klang² III 636). Dem Erben obliegt in diesem Fall die Pflicht, die Unzulänglichkeit des Nachlasses zur vollständigen Befriedigung der Vermächtnisansprüche zu beweisen. Dringt er mit diesem Beweis nicht durch, so unterliegt er mit seinem Kürzungsbegehren (Weiß in Klang² III 636). Diese Einrede kann daher nicht durch Sicherheitsleistung abgewendet werden, weil über den Kürzungsanspruch in diesem Prozess abschließend entschieden werden soll. Das gilt für die materielle Beitragspflicht der Legatare nach § 783 ABGB aF entsprechend (zum Gleichklang beider Bestimmungen vgl 2 Ob 96/14b).
[45] 3.5 Daneben hat der Erbe gemäß § 692 ABGB aF auch eine aufschiebende Einrede. Solange der Erbe die Gefahr der Unzulänglichkeit des Nachlasses bescheinigen kann, weil die Höhe des Nachlasses oder der den Vermächtnisnehmern vorangehenden Erbschafts- und Erbgangsschulden noch nicht feststeht (Weiß in Klang² III 638), hat er gemäß § 692 ABGB aF bis zur Klärung gegenüber dem Legatar eine aufschiebende, den Verzug und die Verjährung hemmende Einrede (Zurückbehaltungsrecht) insoweit, als der geltend gemachte Legatsanspruch voraussichtlich von der Kürzung betroffen ist (RS0012633 [T1]). Denn es wäre untunlich, den Erben zunächst zur Leistung zu verhalten und ihn gleichzeitig auf seinen Anspruch auf Rückforderung (§ 693 ABGB aF) des von Anfang an nicht Geschuldeten zu verweisen (vgl 2 Ob 96/14b), weil später eine Legatskürzung erforderlich werden könnte (vgl Christandl in Klang³ §§ 691–694 Rz 15 f). Daher wird in der Literatur auch die Ansicht vertreten, dass der Erbe – bei sonstigem Verlust dieser Einrede – dem Legatar gegenüber verpflichtet ist, ohne zu zögern für Gewissheit zu sorgen und allenfalls erforderliche Verfahren zur Schaffung dieser Gewissheit einzuleiten und gehörig fortzusetzen (vgl Christandl in Klang³ §§ 691–694 Rz 17; Kralik, Erbrecht 244).
[46] Der Legatar kann diese Einrede durch Sicherstellung abwenden (Weiß in Klang² III 638). Diese Sicherheitsleistung hat nach den Vorschriften der §§ 1373 f ABGB zu erfolgen, beim Vermächtnis einer Liegenschaft also regelmäßig durch Einräumung einer Hypothek, es sei denn, etwas anderes wurde vereinbart (7 Ob 195/09s; RS0012662 [T2]). Auch insoweit trifft den Legatar keine Vorleistungspflicht (vgl RS0012655; idS auch 2 Ob 96/14b). Er muss daher die Sicherheit nicht schon vor Klageerhebung anbieten oder gar verschaffen. Die Sicherstellung Zug um Zug gegen Leistung des Legats ist ausreichend. Andernfalls könnte die Sicherheitsleistung niemals durch Einverleibung einer Hypothek auf der vermachten Liegenschaft (vgl 7 Ob 195/09s) erfolgen.
[47] 3.6 Im vorliegenden Fall hat sich die Beklagte nur darauf gestützt, dass die Verlassenschaft zur Bezahlung der Schulden, anderer pflichtgemäßer Auslagen und der Pflichtteile nicht zur Berichtigung des Vermächtnisses ausreicht und (erkennbar), dass der Wert des nicht in den Nachlass fallenden Hälfteanteils der Beklagten an der Liegenschaft nicht im Nachlass gedeckt ist. Damit hat sie sich in der Sache nur auf die Legatskürzung nach § 692 ABGB aF berufen; eine darüber allenfalls hinausgehende Beitragspflicht nach § 783 ABGB aF hat sie – selbst in ihrer Revision – nicht behauptet (vgl 4 Ob 235/06x). Sie hat ihren Legatskürzungsanspruch beziffert und Vorbringen zum Nachlassbestand sowie zu den dem Vermächtnis des Klägers vorangehenden Ansprüchen, insbesondere zu bereits geltend gemachten Pflichtteilsansprüchen der anderen Kinder des Erblassers erstattet. Wegen der Unmöglichkeit einer realen Kürzung des Sachlegats hat sie ausdrücklich die Zahlung eines Ausgleichsbetrags begehrt. Damit hat sie einen fälligen Legatskürzungsanspruch eingewendet, der zum (teilweisen) Erlöschen des Anspruchs des Klägers führen soll (Punkt 3.4). Diese Einrede kann nicht durch Sicherheitsleistung abgewendet werden. Über die behauptete Kürzung des Legatsanspruchs des Klägers nach § 692 ABGB aF ist vielmehr im gegenständlichen Verfahren zu entscheiden.
[48] Die Entscheidung 2 Ob 96/14b steht dem nicht entgegen, weil dort die klagende Vermächtnisnehmerin nicht einmal eine Sicherheitsleistung angeboten hatte; daher war eine differenzierte Betrachtung der genannten Einreden nicht erforderlich.
[49] 4. Aus diesen Erwägungen ergibt sich für den Legatsanspruch des Klägers Folgendes:
[50] 4.1 Die Anwendung des AnerbenG scheidet im vorliegenden Fall schon deshalb aus, weil der Erblasser dies in seiner letztwilligen Verfügung ausdrücklich erklärt hat (§ 9 Abs 1 iVm § 8 Abs 6 und § 22 Abs 1 AnerbenG). Mangels vertraglichen Anspruchs aufgrund des notariellen Protokolls vom 27. 6. 1972 (dazu oben Punkt 1.2) kann der Kläger auch daraus nicht die Anwendung einzelner Bestimmungen dieses Gesetzes gegenüber der Beklagten fordern. Daher ist für die Berechnung der Pflichtteilsansprüche der – vom Berufungsgericht gebilligte – festgestellte Wert der Liegenschaft(-santeile) zum Todestag heranzuziehen.
[51] Zwar ist bei der Deckungsprüfung nach § 692 ABGB aF auf die Wertverhältnisse zum Zeitpunkt der Einantwortung abzustellen (Punkt 3.1). Allerdings ist davon auszugehen, dass der Wert der Liegenschaft bis zur Einantwortung nicht gesunken ist. Da insoweit nur die Kürzung eines Legats (jenes des Klägers) in Frage kommt, sind im konkreten Fall ergänzende Festellungen über dessen Wert im Einantwortungszeitpunkt nicht erforderlich. Auch ins Gewicht fallende Wertänderungen des sonstigen Nachlassvermögens sind nicht zu erwarten und wurden auch nicht behauptet, sodass die festgestellten Werte herangezogen werden können.
[52] 4.2 Auch das Legat einer Sache des Erben muss im Wert des Nachlasses gedeckt sein (Eccher in Schwimann/Kodek4 Vor §§ 690–693 Rz 1; Kralik, Erbrecht 243). Die Beklagte muss jedenfalls nicht mehr leisten, als ihr – schon unter Abzug der Pflichtteilsansprüche der anderen Kinder – aus dem Nachlass zukommt (vgl Apathy/Neumayr in KBB6 § 692 Rz 1). Zudem hat ihr eigener Pflichtteilsanspruch (worauf allerdings der Wert des ihr vermachten Ausgedinges anzurechnen ist) und ein allfälliger Vergütungsanspruch nach § 690 ABGB aF Vorrang vor dem Vermächtnis.
[53] 4.2.1 Die genannten Abzugsposten stehen derzeit noch nicht fest (dazu sogleich Punkt 4.3). Im für den Kläger günstigsten Fall hätte die Beklagte keine Pflichtteilsansprüche zu berichtigen, ihr eigener Pflichtteilsanspruch wäre durch das Ausgedinge zur Gänze abgedeckt und es bestünde kein Vergütungsanspruch nach § 690 ABGB aF. In diesem Fall käme es hinsichtlich des Hälfteanteils des Erblassers zu keiner Kürzung nach § 692 ABGB aF. Der Beklagten als Erbin verbliebe ein reiner Nachlass von 26.609,88 EUR. Nur insoweit wäre daher das Legat hinsichtlich der (nicht zum Nachlass gehörenden) Liegenschaftshälfte der Beklagten wertmäßig im Nachlass gedeckt. Demgegenüber stünde ein Wert ihres nicht zum Nachlass gehörenden Hälfteanteils von 677.250 EUR. Es käme daher insoweit zu einer Legatskürzung um rund 650.000 EUR. Bei dieser Sachlage und unter Berücksichtigung, dass die ihr verbliebenen Aktiva der Verlassenschaft zum größten Teil aus Forderungen gegen den Kläger bestehen, entspräche es weder der Interessenlage noch wäre es der Beklagten zumutbar, auch „ihren“ Liegenschaftsanteil gegen Zahlung eines Ausgleichsbetrags dem Kläger herausgeben zu müssen. Vielmehr träte – entsprechend den erörterten Rechtsprechungsgrundsätzen (oben Punkt 3.1) – an die Stelle des real nicht kürzbaren Legats ein Geldersatzanspruch des Legatars. Das Klagebegehren, das nur auf Ausfolgung der vermachten Sache gerichtet ist, bestünde daher insoweit nicht zu Recht. Einen Geldersatzanspruch als Legatar müsste der Kläger gesondert verfolgen.
[54] 4.2.2 Käme es aber bereits hinsichtlich des Hälfteanteils des Erblassers zu einer Kürzung des Legatsanspruchs des Klägers nach § 692 ABGB aF, wäre das Legat hinsichtlich der (nicht zum Nachlass gehörenden) Liegenschaftshälfte der Beklagten wertmäßig im Nachlass gar nicht gedeckt. Sie wäre aufgrund der vorliegenden Interessenlage daher berechtigt, die Vermächtniskürzung insoweit schon real durch Nichterfüllung des Legats in Bezug auf ihren Hälfteanteil an der Liegenschaft vorzunehmen.
[55] 4.2.3 Ein Anspruch des Klägers auf Einwilligung in die Einverleibung des Eigentumsrechts hinsichtlich des nicht in den Nachlass fallenden Hälfteanteils der Beklagten besteht daher jedenfalls nicht.
[56] Im Ergebnis zutreffend haben daher die Vorinstanzen das diesbezügliche Begehren auf Einwilligung in die Einverleibung des Eigentumsrechts ob diesem Hälfteanteil und das Feststellungsbegehren abgewiesen.
[57] 4.2.4 Dazu ist festzuhalten, dass es sich bei den „Eventualbegehren“ des Klägers – abgesehen vom Feststellungsbegehren – inhaltlich lediglich jeweils nur um ein Minus des Hauptbegehrens handelt (vgl RS0041069: Zug-um-Zug-Begehren). Auch eine klare Zuordnung zu unterschiedlichen Klagegründen (vgl 2 Ob 1/16k) ist dem Klagsvorbringen nicht zu entnehmen, weil – teilweise aus anwaltlicher Vorsicht – bloß auf unterschiedliche rechtliche Beurteilungen verschiedener Teilaspekte Bezug genommen und das Klagebegehren daran angepasst wird. Ein Eventualbegehren liegt daher nur im Feststellungsbegehren für den Fall vor, dass das Klagebegehren auf Einwilligung der Beklagten in die Einverleibung des Eigentumsrechts ob dem nicht in den Nachlass fallenden Hälfteanteil abgewiesen wird.