TE OGH 2021/7/28 9ObA24/21a

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Veröffentlicht am 28.07.2021
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Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Hopf als Vorsitzenden, die Hofrätinnen Dr. Fichtenau und Mag. Korn sowie die fachkundigen Laienrichter Mag. Thomas Stegmüller (aus dem Kreis der Arbeitgeber) und Angela Taschek (aus dem Kreis der Arbeitnehmer) als weitere Richter in der Arbeitsrechtssache der klagenden Partei J*****, vertreten durch Brauneis Klauser Prändl, Rechtsanwälte GmbH in Wien, gegen die beklagte Partei Republik Österreich (Bundesministerium für Landesverteidigung), Rossauer Lände 1, 1090 Wien, vertreten durch die Finanzprokuratur, Singerstraße 17–19, 1010 Wien, wegen 1. 99.275,97 EUR sA und 2. Feststellung (Streitwert 31.000 EUR), über die außerordentliche Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 18. Dezember 2020, GZ 7 Ra 42/20b-25, den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.

Text

Begründung:

[1]            Der Kläger stand ab 1998 in einem beamteten Dienstverhältnis zur Beklagten und hatte seit 1994 die Qualifikation als Einsatzpilot. 2005 wurde für definitiv gestellte Beamte mit Richtlinie des Bundeskanzleramts vom 10. 8. 2005 gemäß § 36 Abs 2 VBG die Möglichkeit eingeräumt, in ein entsprechendes Vertragsbediensteten-verhältnis mit Sondervertrag zu wechseln (RL I/2005). Diese Richtlinie sieht unter anderem vor, dass das Dienstverhältnis endet, wenn eine der Voraussetzungen für die Verwendung als Einsatzpilot wegfällt. Eine vom selben Tag stammende „II. Richtlinie für den Abschluss von Sonderverträgen für Vertragsbedienstete die im unmittelbaren Anschluss nach Ablauf ihres Sondervertrages als Militärpiloten weiter auf Arbeitsplätzen verwendet werden, für die die Erfahrung als Einsatzpilot eine wesentliche Voraussetzung darstellt (ehemalige Militärpiloten)“ (RL II/2005) sah für ehemalige Militärpiloten nach einer Sondervertragsdauer von zwölf Jahren als Militärpilot eine gestaffelte Ergänzungszulage zum für die neue Verwendung gebührenden Monatsentgelt vor, wenn sie weiter auf einem Arbeitsplatz verwendet werden, für den die Erfahrung als Einsatzpilot eine wesentliche Voraussetzung darstellt. Diese Richtlinie enthielt eine für den Abschluss von Sonderverträgen erteilte generelle Genehmigung des Bundeskanzleramts befristet für die Dauer von drei Jahren.

[2]       2014 wurde vom Bundesminister für Kunst und Kultur, Verfassung und öffentlichen Dienst eine (neue) Richtlinie „gemäß § 36 Abs 2 VBG für den Abschluss von Sonderverträgen bzw. sondervertraglichen Zusatz-vereinbarungen für Einsatzpiloten und ehemalige Einsatzpiloten“ erlassen und vom Bundeskanzleramt eine generelle Genehmigung für den Abschluss von derartigen Sonderverträgen bzw sondervertraglichen Zusatz-vereinbarungen für die Dauer von fünf Jahren erteilt. Auch diese Richtlinie sieht eine Ergänzungszulage für ehemalige Einsatzpiloten vor, allerdings kürzer und in geringerer Höhe.

[3]            Nachdem der Kläger im September 2015 als dauernd militärfliegeruntauglich beurteilt worden war, versuchte er beim BKA einen Sondervertrag im Sinne der RL II/2005 zu erwirken. Das wurde abgelehnt, jedoch ein Sondervertrag gemäß der Richtlinie aus 2014 angeboten und vom Kläger letztlich auch abgeschlossen, wobei vereinbart wurde, dass der Kläger damit nicht darauf verzichtet, gegebenenfalls weitergehende Ansprüche nach der Richtlinie II/2005 geltend zu machen.

[4]            Der Kläger begehrt die Zahlung der Differenz zwischen dem sich aufgrund seines nunmehrigen Dienstvertrags ergebenden Einkommen zu einem solchen auf Basis der RL II/2005 sowie die Feststellung des Anspruchs auf Entlohnung auf Basis der RL II/2005 für die Zukunft. In eventu begehrt er, die Beklagte schuldig zu erkennen, mit ihm einen Sondervertrag entsprechend der RL II/2005 abzuschließen bzw festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, einen solchen Vertrag abzuschließen.

[5]       Die Beklagte bestritt.

[6]       Die Vorinstanzen wiesen das Klagebegehren ab. Der mit dem Kläger geschlossene Sondervertrag auf Basis der RL I/2005 enthalte keine Regelung über eine Ergänzungszulage. Ein Sondervertrag auf Basis der RL II/2005 sei jedenfalls nicht schriftlich geschlossen worden. Eine allenfalls mündlich erfolgte Zusage sei nicht bindend.

[7]            Die ordentliche Revision wurde vom Berufungsgericht nicht zugelassen, weil eine Rechtsfrage von der im § 502 Abs 1 ZPO iVm § 2 Abs 1 ASGG geforderten Qualität nicht zur Beurteilung vorliege. Ob eine einzelvertragliche Vereinbarung getroffen wurde, könne nur einzelfallbezogen beurteilt werden.

Rechtliche Beurteilung

[8]       Die gegen diese Entscheidung gerichtete außerordentliche Revision des Klägers ist nicht zulässig.

[9]       1. Gemäß § 36 Abs 1 VBG können in Ausnahmefällen im Dienstvertrag vom VBG abweichende Sondervereinbarungen getroffen werden, die als Sonderverträge zu bezeichnen sind und der Genehmigung des Bundeskanzlers (bis 2018), nunmehr der Bundesministerin oder des Bundesministers für öffentlichen Dienst und Sport bedürfen. Schriftform und Genehmigung sind gesetzliche Wirksamkeitserfordernisse solcher Verträge (RS0115297 [T3]). Mündliche oder schlüssige Abschlüsse von Sonderverträgen kommen nicht in Betracht (9 ObA 119/20w; RS0029331). Fehlt die erforderliche Genehmigung des Vertrags, so scheidet ein Vertrauensschutz aus; der Vertrag ist rechtsunwirksam (RS0029314).

[10]           Die Schutzfunktion dieser Bestimmung zugunsten des Dienstgebers liegt darin, dass eine nachgeordnete Dienststelle ohne Genehmigung des Bundeskanzlers/der Bundesministerin oder des Bundesministers für öffentlichen Dienst und Sport einen Sondervertrag nach § 36 VBG nicht eingehen kann (RS0029314). Darüber hinaus haben die Bestimmungen über die Sonderverträge auch Schutzfunktionen zugunsten der Allgemeinheit der Steuerzahler (9 ObA 125/10p).

[11]     2. Bei Bedarf kann der Bundeskanzler/die Bundesministerin oder der Bundesminister für öffentlichen Dienst und Sport nach § 36 Abs 2 VBG verbindliche Richtlinien für die einheitliche Gestaltung bestimmter Arten von Sonderverträgen festlegen. Für den Abschluss solcher Sonderverträge kann eine generelle Genehmigung erteilt werden.

[12]           Aus dem Wortlaut des § 36 Abs 2 VBG ergibt sich, dass eine im Sinn dieser Bestimmung erlassene Richtlinie keinen unmittelbaren Anspruch eines Dienstnehmers der Beklagten begründet, dient sie doch zu Zwecken der Verwaltungsvereinfachung nur dazu, eine gemäß § 36 Abs 1 VBG im Einzelfall erforderliche Genehmigung eines Sondervertrags für bestimmte, iSd § 36 Abs 2 S 1 VBG einheitlich gestaltete Arten von Sonderverträgen durch eine generelle Genehmigung zu ersetzen. Der Abschluss des Sondervertrags selbst wird dadurch aber gerade nicht entbehrlich, weil das Genehmigungserfordernis sonst ins Leere ginge. Das Vorliegen einer Richtlinie und einer generellen Genehmigung ändert daher nichts an der Notwendigkeit des Abschlusses einer entsprechenden Sondervereinbarung (9 ObA 111/16p).

[13]           3. Im konkreten Fall gab es 2005 zwei Richtlinien, die eine generelle Genehmigung zum Abschluss von Sonderverträgen enthielten, die Richtlinie für den Abschluss von Sonderverträgen für Militärpiloten (RL I/2005) und die Richtlinie für den Abschluss von Sonderverträgen für Vertragsbedienstete die im unmittelbaren Anschluss nach Ablauf ihres Sondervertrags als Militärpiloten weiter auf Arbeitsplätzen verwendet werden, für die die Erfahrung als Einsatzpilot eine wesentliche Voraussetzung darstellt (RL II/2005).

[14]           Der Kläger selbst geht in seiner außerordentlichen Revision davon aus, dass mit ihm 2005 ein Vertrag nach der ersten Richtlinie abgeschlossen wurde und nicht nach der zweiten Richtlinie, deren Voraussetzungen er damals nicht erfüllte. Er meint jedoch, dass ihm die Verschaffung einer besoldungsrechtlichen Stellung entsprechend der RL II/2005 zugesagt worden sei.

[15]           4. Entgegen den Ausführungen in der außerordentlichen Revision liegt aber eine solche Zusage in Schriftform nicht vor. Weder enthält der Vertrag mit dem Kläger eine entsprechende Passage, noch kann, wie ausgeführt, die Richtlinie für sich allein eine Vereinbarung ersetzen. Hinsichtlich des Schreibens vom 23. 9. 2005 hat das Berufungsgericht die Auffassung vertreten, dass es sich lediglich um eine an einen allgemeinen Personenkreis gerichtete Information handelt, nach der bei Vorliegen der Voraussetzungen im (abzuschließenden) Dienstvertrag eine Ergänzungszulage berücksichtigt und angeboten werden wird, nicht aber um eine vertragliche Zusage gegenüber dem Kläger. Berücksichtigt man, dass in dem allgemein gehaltenen Schreiben ausdrücklich darauf verwiesen wird, dass die Begründung eines neuen Dienstverhältnisses und die Einteilung auf bestimmte Arbeitsplätze, die Voraussetzung für die Ergänzungszulage sind, nicht einklagbar sind und ein „gänzlicher Widerruf der Richtlinie“ nicht zu erwarten ist, hält sich die Auffassung, dass daraus eine verbindliche Zusage nicht abgeleitet werden kann, im Rahmen des gesetzlich eingeräumten Ermessensspielraums.

[16]           5. Soweit der Kläger sich unter Hinweis auf Thunhart (Sonderverträge im öffentlichen Dienst gemäß § 36 VBG, ZfV 2002/1142) entgegen der Rechtsprechung auf die Wirksamkeit einer mündlichen Zusage beruft, muss auf diese Frage nicht eingegangen werden, weil es bereits an der gesetzlich vorgeschriebenen Genehmigung für eine Zusage mangelt. Zwar ist es richtig, dass sowohl die RL I/2005 als auch die RL II/2005 die Genehmigung enthielten, mit Personen, die die in den Richtlinien enthaltenen Voraussetzungen erfüllten, Sonderverträge mit dem in den Richtlinien enthaltenen Inhalt abzuschließen. Entgegen der Ansicht des Klägers sind die Richtlinien dabei jedoch von einander unabhängig zu beurteilen.

[17]           Der Kläger erhielt einen Sondervertrag nach der RL I/2005. Diese Richtlinie sieht ausdrückliche Regelungen für die Beendigung des Vertrags vor, darunter auch den Eintritt der Fluguntauglichkeit. Dagegen ist weder die Möglichkeit vorgesehen, nach Beendigung des Sondervertrags, den Abschluss eines weiteren Sondervertrags zuzusagen, noch mit dem Dienstnehmer eine Ergänzungszulage für neu begründete oder unter anderen Rahmenbedingungen fortlaufende Dienstverhältnisse zu vereinbaren. Im Rahmen der RL I/2005 konnte dem Kläger daher eine solche Zusage nicht gemacht werden.

[18]           Die RL II/2005 sieht dagegen eine auf drei Jahre befristete Genehmigung für den Abschluss von Sonderverträgen mit einer Personengruppe vor, der der Kläger damals unstrittig nicht angehörte. Diese Richtlinie deckt schon nach ihrem Wortlaut nicht die vom Kläger behauptete Zusage des Abschlusses eines Sondervertrags für die Zukunft. Darüber hinaus wäre eine solche Interpretation in Widerspruch zur Befristung der Genehmigung auf drei Jahre.

[19]           Auf die vom Kläger als fehlend gerügten Feststellungen zu einer mündlichen Vereinbarung kommt es daher nicht an.

[20]           6. Soweit der Kläger sich auf die Sittenwidrigkeit des „Einwands der Unwirksamkeit der Vereinbarung“ beruft, übersieht er, dass er unabhängig von Einwendungen der Beklagten die Grundlagen für die Berechtigung seines Anspruchs, also eine wirksame Vereinbarung, nachzuweisen hat. Dazu kommt, dass ein allfälliges Fehlverhalten einzelner Bediensteter der Beklagten nicht zu deren Bindung an ohne entsprechende Genehmigung abgeschlossene Verträge führen kann. So kann nach der Rechtsprechung die Schutzfunktion des § 36 VBG zugunsten des Dienstgebers nicht ohne Weiteres dadurch umgangen werden, dass ein lediglich in Aussicht gestellter Sondervertrag ohne Genehmigung durch einen inhaltsgleichen schadenersatzrechtlichen Anspruch ersetzt wird (RS0029314 [T4]). Dasselbe muss aber für den vom Kläger eingeforderten Entfall berechtigter Einwendungen, insbesondere den Einwand der Unwirksamkeit der Vereinbarung aufgrund des Fehlens der Voraussetzungen nach § 36 VBG, gelten.

[21]           7. Die außerordentliche Revision des Klägers ist daher mangels Vorliegens einer Rechtsfrage von der Qualität des § 502 Abs 1 ZPO zurückzuweisen. Einer weiteren Begründung bedarf diese Zurückweisung nicht (§ 510 Abs 3 Satz 3 ZPO).

Textnummer

E132568

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:2021:009OBA00024.21A.0728.000

Im RIS seit

03.09.2021

Zuletzt aktualisiert am

03.09.2021
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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