Entscheidungsdatum
16.07.2021Index
50/01 GewerbeordnungNorm
GewO 1994 §87 Abs3Text
IM NAMEN DER REPUBLIK
Das Landesverwaltungsgericht Tirol erkennt durch seinen Richter Dr. Hohenhorst über die Beschwerde von AA, geboren XX.XX.XXXX, wohnhaft Adresse 1, **** Z, vertreten durch Rechtsanwalt BB, Adresse 2, **** Y, vom 07.07.2021, gegen den Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Y vom 10.06.2021, Zl ***, betreffend Entziehung der Gewebeberechtigung,
zu Recht:
1. Der Beschwerde wird Folge gegeben, der bekämpfte Bescheid behoben und das Verfahren eingestellt.
2. Die ordentliche Revision ist gemäß Art 133 Abs 4 B-VG nicht zulässig.
E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e
I. Verfahrensgang:
Mit dem bekämpften Bescheid entzieht die Bezirkshauptmannschaft Y AA gemäß § 87 Abs 1 Z 3 iVm Abs 3 GewO 1994 die Gewerbeberechtigung zur Ausübung des Gewerbes „Gastgewerbe in der Betriebsart Bar“ im Standort **** Z, Adresse 3, (GISA-Zahl ***) für einen Monat ab Rechtskraft dieses Bescheides.
Dagegen richtet sich die fristgerechte und zulässige Beschwerde, in welcher AA durch seinen Rechtsvertreter im Wesentlichen ausführt, dass er den Bescheid seinem gesamten Umfang nach anfechte. Insbesondere würden die behördlichen Annahmen bekämpft, dass am 23.05.2021 zu viele Personen im Lokal gewesen seien und die Mindestabstände nicht eingehalten worden wären, weiters dass er zu wenig Personal gehabt hätte, um Kontrollen durchzuführen, sich die Besucher im Lokal Großteils ohne FFP2-Masken bewegt hätten und er seiner Verpflichtung zur Registrierung der Gäste nur teilweise nachgekommen sei. Es treffe nicht zu, dass befragte Besucher davon berichtet hätten, dass sie nicht nach dem Nachweis einer geringer epidemiologischen Gefahr gefragt worden seien. Die belangte Behörde habe sich nicht mit dem Inhalt der Stellungnahme des Beschwerdeführers vom 09.06.2021 auseinandergesetzt und bewerte auch den Polizeibericht falsch, in welchem angeführt sei, dass die Tische der Terrasse des Lokals nahezu restlos gefüllt gewesen und in Summe ca 50 Personen wahrgenommen worden seien. Wenn auf der Terrasse 35 bis 40 Personen Platz hätten, ergebe dies, dass sich im Lokal noch 10 bis 15 Personen aufgehalten hätten, womit die Annahme, dass zu viele Gäste in das Lokal hineingelassen worden wären, unzulässig sei. Zwischen den Verabreichungsplätzen im Lokal seien Trennwände errichtet worden und die gültigen Abstandregeln zwischen den Besuchergruppen eingehalten worden. Nach Ausrufung der Sperrstunde um 21:50 Uhr hätten sich Gäste kurz vor 22:00 Uhr zur Bar begeben, um zu bezahlen bzw ihren Unmut über die Sperrstunde kundzutun. Wenn er der Polizei gegenüber angedeutet hätte, dass er allenfalls zusätzliches Personal benötigt hätte, beziehe sich dies lediglich auf die Abwicklung der letzten 15 Minuten vor der Sperrstunde. Er habe auch ein Covid-19-Präventionskonzept vorbereitet und selbst den Kurs zum Corona-Sicherheitsbeauftragten absolviert. Es sei auch nicht nachzuvollziehen, dass eine Überprüfung des Nachweises einer geringen epidemiologischen Gefahr nicht erfolgt wäre; aus dem Polizeibericht ergebe sich dazu keinerlei Anhaltspunkt. Er habe die Einvernahme diverser Zeugen beantragt, die das Gegenteil bestätigten. Die vorgesehenen Registrierungsdaten habe er der Gesundheitsbehörde geliefert, es seien von ihm die Daten von mehr als 50 Personen weitergereicht worden. Die Terrasse des Lokals sei zur öffentlichen Verkehrsfläche hin einfach zugänglich und neben der Terrasse befinde sich ein Warteplatz für Taxiabholungen und kämen auch Gästegruppen aus dem in geringer Entfernung liegenden Lokal Gasthof Post, weshalb davon auszugehen sei, dass sich Personen auf der Terrasse aufhielten, ohne tatsächlich Gäste im Lokal zu sein.
Es könne somit keinesfalls angenommen werden, dass es schwerwiegende Verstöße gegen die im Zusammenhang mit dem betreffenden Gewerbe zu beachtenden Rechtsvorschriften und Schutzinteressen gegeben hätte. Vorwerfbar sei allenfalls, dass 12 Minuten nach der verordneten Sperrstunde nach wie vor Personen im Lokal und auf der Terrasse waren. Der Umstand, dass die Polizei von der Aufnahme der Personendaten Abstand nahm, zeige offensichtlich davon, dass die Beamten hierin geringfügige Übertretungen gesehen hätten und die Aufforderung der Herstellung des rechtmäßigen Zustandes ausgereicht hätte. Relevant sei der Vorfall erst im Nachhinein geworden, als sich herausgestellt hatte, dass eine oder mehrere Personen im Lokal mit gefälschtem 3-G-Nachweis positiv unterwegs gewesen seien und dies ursächlich für den Ausbruch eines Clusters verantwortlich gemacht werden könnte. Wenn die belangte Behörde bemängle, dass unzureichend darauf hingewiesen worden sei, dass beim Verlassen des Verabreichungsplatzes eine FFP-2-Maske zu tragen sei, sei auf die Information der Wirtschaftskammer zu verweisen, wonach von Betriebsinhabern erwartet wird, dass sie auf Rechtsverletzungen reagieren und diese während des gewohnten Geschäftsbetriebs wahrnehmen. Sie wären aber nicht dazu verpflichtet, zusätzliche Kontrollorgane dafür zu organisieren. Der Umstand, dass sich manche Gäste nicht an die gültige Maskenpflicht gehalten hätten, könne nicht ihm angelastet werden. Neben dem zu erwartenden Verwaltungsstrafverfahren stelle die Entziehung der Gewerbeberechtigung eine zusätzliche Sanktion dar, welche weder tunlich noch notwendig sei. Keinesfalls wäre davon auszugehen, dass er die erforderliche Zuverlässigkeit für die Ausübung des Gewerbes nicht mehr besitzen würde. Angeboten werde die Einvernahme von 10 Zeugen und der Antrag auf Bescheidaufhebung gestellt. Der Beschwerde beigelegt sind die Bestätigungen von 6 Lokalgästen, wonach bei ihrem Besuch am 23.05.2021 bei ihnen die Einhaltung der 3-G-Regel durch das Personal kontrolliert wurde; um ca 21:50 Uhr wurde die Sperrstunde verkündet, die Musik abgeschaltet und kam es zu keiner weiteren Verabreichung von Getränken mehr. Vorgelegt wurde weiters das Covid-19-Präventionskonzept.
II. Sachverhalt:
AA ist seit 01.01.2019 Inhaber des Gewerbes „Gastgewerbe in der Betriebsart Bar“ am Standort **** Z, Adresse 3 (eingetragen unter der GISA-Zahl ***). Im Bericht der Polizeiinspektion Y vom 23.05.2021 wurde der Behörde mitgeteilt, dass am 23.05.2021 um 22:12 Uhr die Tische der Terrasse des Lokals „CC“ in **** Z, Adresse 3, von konsumierenden Gästen nahezu restlos gefüllt gewesen seien. Im Inneren des Lokales hätten sich weitere Gäste befunden, in Summe ca 50 Personen. Die Gäste, die sich außerhalb ihres zugewiesenen Sitzplatzes zum Teil mit vollen Getränken an der Bar stehend befanden, hätten weder einen Mund-Nasen-Schutz getragen, noch den Sicherheitsabstand von 2 Metern eingehalten. Vom Betriebsinhaber sei die Registrierungspflicht auch nicht vollständig durchgeführt worden.
In einer bei der Behörde am 29.05.2021 eingegangenen anonymen Anzeige wird mitgeteilt, dass am 23.05.2021 auf der Terrasse keinerlei Tests kontrolliert und keine Registrierung durchgeführt worden seien. Im Innenraum wären keine Masken getragen worden, ca 20 Leute hätten an der Theke gefeiert. In der Sachverhaltsdarstellung der Polizeiinspektion Z vom 06.06.2021 wird unter anderem darüber berichtet, dass mehrere von der Polizei befragte Besucher angaben, dass sie nicht nach einem Nachweis einer geringen epidemiologischen Gefahr gefragt wurden. Mit dem gegenständlichen Lokal konnten insgesamt 22 Covid-positiv-getestete Personen in Verbindung gebracht werden. Auch der Beschwerdeführer selbst wurde am 28.05.2021 Covid-positiv getestet und musste sich mit Absonderungsbescheid der Bezirkshauptmannschaft Y vom 29.05.2021 in häusliche Quarantäne begeben. Ein Strafbescheid im Zusammenhang mit dem angezeigten Sachverhalt liegt bislang nicht vor.
III. Beweiswürdigung:
Dieser Sachverhalt ergibt sich aus dem Akt der Bezirkshauptmannschaft Y.
IV. Rechtslage:
Im gegenständlichen Verfahren ist folgende Bestimmung der Gewerbeordnung 1994 maßgeblich:
„§ 87
(1) Die Gewerbeberechtigung ist von der Behörde (§ 361) zu entziehen, wenn
[…]
3. der Gewerbeinhaber infolge schwerwiegender Verstöße gegen die im Zusammenhang mit dem betreffenden Gewerbe zu beachtenden Rechtsvorschriften und Schutzinteressen, insbesondere auch zur Wahrung des Ansehens des Berufsstandes, die für die Ausübung dieses Gewerbes erforderliche Zuverlässigkeit nicht mehr besitzt oder
[…]
(3) Die Behörde kann die Gewerbeberechtigung auch nur für eine bestimmte Zeit entziehen, wenn nach den Umständen des Falles erwartet werden kann, daß diese Maßnahme ausreicht, um ein späteres einwandfreies Verhalten des Gewerbeinhabers zu sichern.
[…]“
V. Erwägungen:
Ob es sich bei den festgestellten Verwaltungsübertretungen des Gewerbetreibenden um „schwerwiegende Verstöße“ im Sinne des § 87 Abs 1 Z 3 GewO handelt, ist danach zu beurteilen, ob sich unter Berücksichtigung der Art der verletzten Schutzinteressen und der Schwere ihrer Verletzung der Schluss ziehen lässt, dass der Gewerbetreibende nicht mehr als zuverlässig anzusehen sei (VwGH 02.02.2012, 2011/04/0180). Die Schwere der Verletzung der Schutzinteressen ist an Hand der rechtskräftigen Straferkenntnisse zu beurteilen. Schwere Verletzungen wurden etwa dann angenommen, wenn die Verstöße trotz erfolgter Bestrafung wiederholt begangen wurden (s. obiges Erkenntnis). Nach den Gesetzesmaterialien ist ein Verstoß unter anderem dann als schwerwiegend anzusehen, wenn es sich um Verstöße gegen Rechtsvorschriften und Schutzinteressen handelt, die bei der Ausübung gerade des gegenständlichen Gewerbes besonders zu beachten sind, wozu etwa die Ausübungs- und Standesregeln zählen. Die Verstöße müssen die Annahme erschüttern, dass der Gewerbeinhaber die für die Ausübung des Gewerbes erforderliche Zuverlässigkeit besitzt. Dies wird etwa dann vorliegen, wenn der Gewerbeinhaber die Gesetzesverletzung wiederholt und vorsätzlich begeht. Das Gewicht des Verstoßes ergibt sich weiters aus der Bedeutung des verletzten Schutzinteresses, wozu auch der Schutz vor Gefährdung der Gesundheit zählt. An sich „schwer“ werden Verstöße gegen Rechtsvorschriften dann sein, wenn sie zu schweren verwaltungsstrafrechtlichen Sanktionen oder spezifischen strafgerichtlichen Verurteilungen geführt haben. Die Gewerbeberechtigung ist gemäß § 87 Abs 1 Z 3 zu entziehen, wenn der Verlust der gewerberechtlichen Zuverlässigkeit auf schwerwiegenden Verstößen gegen Rechtsvorschriften und Schutzinteressen beruht; dabei bedarf es anders als beim Entziehungsgrund des Abs 1 Z 1 keiner Beurteilung des Persönlichkeitsbildes des Gewerbeinhabers, weil nach der Regelung dieser Gesetzesstelle sich die mangelnde Zuverlässigkeit für die Ausübung des Gewerbes als zwingende Rechtsvermutung aus den dort genannten schwerwiegenden Verstößen ergibt (VwGH 11.11.1998, 98/04/0188). Im Entziehungsverfahren gemäß § 87 Abs 1 Z 3 ist hinsichtlich der im Strafverfahren als erwiesen angenommenen Tatsachen eine neuerliche Sachverhaltsfeststellung nicht mehr zulässig (VwSlg 7827 A/1970).
Im Fall der Entziehung der Gewerbeberechtigung nur für eine bestimmte Zeit lebt die Gewerbeberechtigung nach Ablauf der gesetzten Frist wieder von selbst auf. Es besteht keine Verpflichtung der Gewerbebehörde, die Gewerbeberechtigung lediglich befristet zu entziehen. Sie hat viel mehr selbstständig nach den Umständen des Einzelfalles zu beurteilen, ob eine befristete Entziehung ausreicht, um ein späteres einwandfreies Verhalten des Gewerbeinhabers zu sichern (VwGH 29.03.1994, 93/04/0130). Eine Befristung der Entziehung der Gewerbeberechtigung nach § 87 Abs 3 kommt nur dann in Betracht, wenn besondere Gründe gegeben sind, die erwarten lassen, dass eine bloß befristete Maßnahme ausreiche, um ein späteres einwandfreies Verhalten des Gewerbetreibenden zu sichern (VwGH 25.03.2014, 2013/04/0077).
Im bekämpften Bescheid wird die Gewerbeberechtigung für einen Monat ab Rechtskraft des Bescheides entzogen. In der Begründung dazu wird lediglich die Bestimmung des § 87 Abs 3 GewO zitiert. Es fehlt jegliche Begründung dafür, aufgrund welcher besonderen Gründe die belangte Behörde davon ausgeht, dass die auf einen Monat befristete Entziehung ausreicht, um ein späteres einwandfreies Verhaltes des Gewerbetreibenden zu sichern. Aus dem sonstigen Akteninhalt sind für die Rechtsmittelinstanz solche Gründe nicht ergründbar, die belangte Behörde trifft auch keine Begründung zur Entziehungsdauer. Es ist deshalb nicht erkennbar, welche Änderungen innerhalb der relativ kurzen Dauer von einem Monat zur Sicherung des einwandfreien Verhaltens des Gewerbetreibenden führen sollten; dies noch dazu, zumal diese Maßnahme erst ab Rechtskraft des Bescheides wirken soll und damit der Zeitpunkt des Beginns der Maßnahme unbekannt ist. Im Hinblick auf die 6-monatige Entscheidungsfrist gemäß § 34 VwGVG hätte das zeitliche Inkrafttreten der bloß einmonatigen Maßnahme einen vergleichsweise großen Spielraum, der auch schon aus diesem Grund einer entsprechenden Begründung bedürfte. Dergleichen ist nichts geschehen und kann das Verwaltungsgericht aufgrund des Akteninhaltes eine solche Begründung nicht liefern.
Die Entziehung der Gewerbeberechtigung ist nicht eine Strafe, sondern eine von der Gewerbebehörde selbstständig zu treffende administrative Maßnahme (VwGH 25.06.2008, 2007/04/0137). Der gegenständliche einmonatige Entzug der Gewerbeberechtigung darf nicht als (zusätzliche) Strafe betrachtet werden, wozu die Formulierung „Beschuldigtenvorbringen“ auf Seite 8 des bekämpften Bescheides hindeuten könnte.
VI. Unzulässigkeit der ordentlichen Revision:
Die ordentliche Revision ist unzulässig, da keine Rechtsfrage iSd Art 133 Abs 4 B-VG zu beurteilen war, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes. Weiters ist die dazu vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Ebenfalls liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.
R e c h t s m i t t e l b e l e h r u n g
Gegen diese Entscheidung kann binnen sechs Wochen ab der Zustellung Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof, Freyung 8, 1010 Wien, oder außerordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden. Die Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof ist direkt bei diesem, die außerordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof ist beim Landesverwaltungsgericht Tirol einzubringen.
Die genannten Rechtsmittel sind von einem bevollmächtigten Rechtsanwalt bzw einer bevollmächtigten Rechtsanwältin abzufassen und einzubringen und es ist eine Eingabegebühr von Euro 240,00 zu entrichten.
Es besteht die Möglichkeit, auf die Revision beim Verwaltungsgerichtshof und die Beschwerde beim Verfassungsgerichtshof zu verzichten. Ein solcher Verzicht hat zur Folge, dass eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof und eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof nicht mehr erhoben werden können.
Landesverwaltungsgericht Tirol
Dr. Hohenhorst
(Richter)
Schlagworte
befristete Entziehung der GewerbeberechtigungEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:LVWGTI:2021:LVwG.2021.25.1843.1Zuletzt aktualisiert am
24.08.2021