Entscheidungsdatum
02.03.2021Norm
AsylG 2005 §10 Abs1 Z3Spruch
W109 2212671-1/25E
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch den Richter Mag. BÜCHELE über die Beschwerde von XXXX , geb. XXXX , StA. Afghanistan, vertreten durch RA Mag. Wolfgang AUNER, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl, Regionaldirektion Salzburg vom 11.12.2018, Zl. XXXX , nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 21.07.2020 und am 01.12.2020 zu Recht:
A) Die Beschwerde wird gemäß §§ 3 Abs. 1, 8 Abs. 1., 57, 10 Abs. 1 Z 3 AsylG 2005 iVm § 9 BFA-VG, §§ 52 Abs. 2 Z 2 und Abs. 9, 46, 55 Abs. 1, 2 und 3 FPG als unbegründet abgewiesen
B) Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Text
Entscheidungsgründe:
I. Verfahrensgang:
1. Am 16.09.2014 beantragte der Beschwerdeführer, ein afghanischer Staatsangehöriger und Angehöriger der Volksgruppe der Paschtunen, bei der Österreichischen Botschaft in Islamabad die Erteilung einer „Aufenthaltsbewilligung – Studierender“, die ihm vom XXXX von 11.03.2015 bis 10.03.2016 erteilt wurde und er reiste in der Folge am 23.04.2015 mit einem Visum D legal in das Bundesgebiet ein. Am 09.03.2016 und am 10.03.2017 beantragte der Beschwerdeführer jeweils die Verlängerung seiner „Aufenthaltsbewilligung – Studierende“, die bis zum 11.03.2017 und bis zum 12.09.2017 erfolgte.
Am 22.08.2017 stellte der Beschwerdeführer erstmals im Bundesgebiet einen Antrag auf internationalen Schutz und gab in der Erstbefragung am gleichen Tag an, er sei in XXXX geboren, habe in Pakistan zwölf Jahre die Schule besucht und vier Jahre studiert. In XXXX studiere er seit April 2015, er brachte eine Aufenthaltsgenehmigung des XXXX in Vorlage. Zum Fluchtgrund befragt führte er auf das Wesentliche zusammengefasst aus, er sei am 13.01.2017 nach Afghanistan gereist, um seine Familie zu besuchen und ca. 30 Tage nach seiner Einreise von drei Taliban-Mitgliedern entführt worden. Er sei fünf Kilometer von seinem Dorf zu einem Stück Wald gebracht und dort aufgefordert worden, mit den Taliban zusammenzuarbeiten und dadurch für den Islam etwas beizutragen. Er habe so getan, als ob er ihrer Aufforderung nachkomme. Nachdem sie etwa zwei Stunden auf ihn eingeredet hätten, hätten sie ihn im Bereich des Zollamtes (Gumrok) in Nangarhar freigelassen und ihm gesagt, er solle nicht glauben, dass er jetzt frei und die Sache erledigt sei. Sollte er den Aufforderungen nicht nachkommen, werde ihm das gleiche Schicksal wie dem Onkel väterlicherseits drohen. Dieser sei zweieinhalb Jahre zuvor von Unbekannten umgebracht worden. Er sei dann nachhause gegangen und habe seinen Brüdern von dem Vorfall erzählt. Sie hätten gesagt, ihre Familie sei den Taliban bekannt und der Beschwerdeführer solle sich so schnell wie möglich aus dem Land bringen. Die Zeit bis zur Ausreise habe er bei Verwandten verbracht und sei zehn Tage nach dem Vorfall ausgereist. Danach hätten die Taliban den Eltern einen Drohbrief geschickt, dann sei sein Cousin (der Sohn eines anderen Onkels väterlicherseits) von Unbekannten erschossen worden. Zwei Wochen zuvor habe die Familie wieder einen an den Beschwerdeführer adressierten Drohbrief erhalten.
Am 31.08.2018 führte der Beschwerdeführer in der niederschriftlichen Einvernahme vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl zu seinen Fluchtgründen auf das Wesentliche zusammengefasst aus, er sei im Jahr 2017 nach Afghanistan zurückgekehrt, um seine Familie zu besuchen und nach etwa einem Monat von drei Taliban entführt und mit einem PKW zu einem Waldstück gebracht worden. Sie hätten ihm gesagt, sie würden ihn kennen und wüssten über seine Ausbildung in Pakistan und Europa Bescheid. Sie hätten ihm vorgeworfen, dass er für die Regierung arbeiten würde und angefangen, Werbung gegen die Regierung zu machen, diese sei abtrünnig und das Land von Ungläubigen besetzt. Der Beschwerdeführer müsse sich dem islamischen Emirat anschließen und unter dessen Flagge dem Islam dienen. Sie hätten auch gesagt, er würde finanzielle Unterstützung bekommen, wenn er für sie arbeite und sie ihn unterstützen, wenn er Probleme mit der Regierung oder außerhalb hätte. Nach dem Gespräch hätten sie ihn in Richtung Jalalabad „Zoll“ (Gomrok) gebracht. Bevor sie ihn freigelassen hätten, hätten sie gesagt, das heiße nicht, dass er jetzt flüchten und sie ignorieren könne. Er müsse den Taliban vertrauen und sich ihnen anschließen. Sie hätten ihn mit dem Tod bedroht, gesagt, dass sie ihn und seine Frau und seine Kinder kennen würden und ihn erwischen und umbringen würden, wenn er sich weigere, mit ihnen zusammenzuarbeiten. Sie hätten ihm auch gesagt, sein Onkel habe sich geweigert, für die Taliban zu arbeiten und sei umgebracht worden. Das sei ein Cousin des Vaters, den sie Onkel nennen würden. Er sei nachhause gegangen und habe den Vorfall mit seinen Brüdern besprochen. Sie hätten gesagt, dass die Taliban einen eigenen Staat und eine eigene Regierung hätten, man könne nichts gegen die Taliban machen. Bis zum Rückflug habe er ein paar Nächte bei seiner Familie, ein paar Nächte bei seiner Schwester und ein paar Nächte bei Freunden verbracht. Er habe schon von Österreich Hin- und Rückflug gebucht. Als er bei seinen Verwandten gewesen sei, sei er nur zuhause geblieben und nicht rausgegangen. Einen Monat nach seiner Ausreise sei ein Cousin väterlicherseits in ihrem Dorf umgebracht worden.
2. Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid vom 11.12.2018, zugestellt am 18.12.2018, wies die belangte Behörde den Antrag des Beschwerdeführers hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 AsylG 2005 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 (Spruchpunkt I.) sowie hinsichtlich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten § 8 Abs. 1 AsylG 2005 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 ab (Spruchpunkt II.), erteilte dem Beschwerdeführer keinen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG 2005 (Spruchpunkt III.), erließ gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG 2005 iVm § 9 BFA-VG eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG (Spruchpunkt IV.) und stellte gemäß § 52 Abs. 9 FPG fest, dass die Abschiebung des Beschwerdeführers gemäß § 46 FPG nach Afghanistan zulässig sei (Spruchpunkt V.). Die Frist für die freiwillige Ausreise gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG wurde mit zwei Wochen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung festgesetzt (Spruchpunkt VI.). Begründend führte die belangte Behörde aus, die vorgebrachte Bedrohung durch die Taliban sei nicht glaubhaft. Aus den Länderinformationen und den weiteren Erhebungen sei zu entnehmen, dass wenn die Taliban Drohbriefe verwenden, diese öffentlich ausgehängt würden. Dies habe im Fall des Beschwerdeführers nicht stattgefunden. Es würden auch immer wieder Drohbriefe vorgelegt, um so dem Vorbringen im Asylverfahren Nachdruck zu verleihen. Die Datierung der Drohbriefe lasse auf ein geringes Interesse an der Person des Beschwerdeführers schließen oder viel mehr an der Authentizität der vorgelegten Beweismittel zweifeln. Der Inhalt der Drohbriefe sei widersprüchlich. Der Zeitpunkt der Antragstellung lasse Zweifel am Wahrheitsgehalt des Vorbringens aufkeimen. Der Beschwerdeführer habe vier Tage nach seiner Rückkehr aus Afghanistan beim XXXX einen Antrag auf Verlängerung der Aufenthaltsbewilligung gestellt. Es wäre viel lebensnäher, wenn sich der Beschwerdeführer gleich nach der Rückkehr um Schutz an die österreichischen Behörden gewandt hätte. Das Vorbringen decke sich nicht mit den länderkundlichen Feststellungen. Diesen sei zu entnehmen, dass die Taliban keine Personalknappheit hätten und genug Freiwillige sich ihnen anschließen. Zwangsrekrutierung würde nur in besonderen Notlagen stattfinden. Die gesamte Familie lebe nach wie vor im Herkunftsdorf und der Beschwerdeführer habe über keine Probleme seiner Familienmitglieder mit den Taliban berichtet. Eine Rückkehr in die Herkunftsprovinz sei nicht zumutbar, dem Beschwerdeführer stehe jedoch eine innerstaatliche Fluchtalternative in Herat, und Mazar-e Sharif offen.
3. Am 03.01.2019 langte die vollumfängliche Beschwerde des Beschwerdeführers gegen den oben dargestellten Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl bei der belangten Behörde ein in der im Wesentlichen ausgeführt wird, die belangte Behörde sei ihren Ermittlungspflichten nicht in ausreichendem Maß nachgekommen. Die Länderfeststellungen würden sich unzureichend mit dem individuellen Vorbringen des Beschwerdeführers befassen. Die Beweiswürdigung sei mangelhaft. Die Drohbriefe seien nicht direkt bei der Familie des Beschwerdeführers, sondern in einem Geschäft gegenüber der Wohnung hinterlassen worden. Dort und bei den Nachbarn hätten auch immer wieder Leute nach dem Beschwerdeführer gefragt. Die Taliban hätten dem Beschwerdeführer nicht ganz genau gesagt, was er für sie tun solle. Er glaube, er sei wegen seiner Qualifikation besonders interessant. Er nehme an, er habe nicht kämpfen, sondern spionieren sollen. Der Beschwerdeführer habe nach seiner Rückkehr gehofft, dass sich die Lage wieder beruhige. Dass dem nicht so sei, habe er erst festgestellt, als er vom Erhalt der Drohbriefe erfahren habe. Ein Grund für die Glaubwürdigkeit sei, dass der Beschwerdeführer seinen Antrag vor Ablauf des Studentenvisums gestellt habe. Eine innerstaatliche Fluchtalternative bestehe nicht, da die Taliban in ganz Afghanistan vernetzt seien. In Mazar-e Sharif und Herat habe der Beschwerdeführer außerdem keine Existenzgrundlage und sei auch die Sicherheitslage in diesen Gebieten nicht stabil.
Mit Ladung vom 06.07.2020 brachte das Bundesverwaltungsgericht aktuelle Länderberichte in das Verfahren ein.
Am 21.07.2020 fand die erste Tagsatzung der öffentlichen mündlichen Verhandlung des Bundesverwaltungsgerichtes zur Ermittlung des entscheidungswesentlichen Sachverhaltes durch, an der der Beschwerdeführer, sein bevollmächtigter Rechtsvertreter und ein Dolmetscher für die Sprache Paschtu teilnahmen. Die belangte Behörde verzichtete auf die Teilnahme.
In der mündlichen Verhandlung wurde der Beschwerdeführer zu seinen Fluchtgründen befragt und er hielt sein Vorbringen, er sei von den Taliban entführt, zur Zusammenarbeit aufgefordert und bedroht worden, aufrecht. Zudem beantragte er die Einholung eines länderkundlichen Sachverständigengutachtens, sowie Nachforschungen in Pakistan durch Dr. XXXX . Er brachte weiter vor, dass die (auch) in Afghanistan herrschende COVID-19-Situation zu berücksichtigen sei. Die Gefahr einer Ansteckung bzw. Heilung dürfe nicht unbeachtet bleiben. Durch die COVID-19-Situation hätten sich Wirtschaftslage und Arbeitsplatzsituation verschärf, die Lebensmittelversorgung für die Bevölkerung scheine gefährdet.
Am 24.07.2020 langte eine Stellungnahme der belangten Behörde ein, in der im Wesentlichen ausgeführt wird, der Beschwerdeführer sei ein 33-jähriger, gesunder Mann. Da es sich um eine Pandemie handle, sei das allgemeine Lebensrisiko, am Erreger SARS-CoV-2 zu erkranken weltweit erhöht. Das individuelle Risiko, an SARS-CoV-2 schwer oder gar tödlich zu erkranken sei beim Beschwerdeführer sehr niedrig. Ein „real risk“ einer Verletzung des Art. 3 EMRK drohe dem Beschwerdeführer in seinem Herkunftsstaat aufgrund der Covid-19-Pandemie daher nicht. Dem Beschwerdeführer habe über eine Aufenthaltsbewilligung für Studierende verfügt, der gemäß NAG erforderliche Studienerfolg sei jedoch ausgeblieben. Dass ein Fremder sich in der Situation im Fall des ausbleibenden Studienerfolges und der unberechtigten Stellung eines Asylantrages erfolgreich auf sein Privat- und Familienleben berufen könne, würde dem Ziel eines geordneten Fremdenwesens zuwiderlaufen.
Am 01.12.2020 fand die zweit Tagsatzung der öffentlichen mündlichen Verhandlung des Bundesverwaltungsgerichtes statt, an der der Beschwerdeführer, sein bevollmächtigter Rechtsvertreter, eine Vertrauensperson des Beschwerdeführers, ein länderkundlicher Sachverständiger und ein Dolmetscher für die Sprache Paschtu teilnahmen. Die belangte Behörde nahm erneut nicht an der Verhandlung teil.
Im Zuge der zweiten Tagsatzung wurde Dr. XXXX zum Sachverständigen zur Erstellung eines Gutachtens zur Klärung des Fluchtvorbringens bestellt.
Mit Schreiben vom 28.12.2020 brachte das Bundesverwaltungsgericht nochmals aktuelle Länderberichte in das Verfahren ein und gab dem Beschwerdeführer und der belangten Behörde die Gelegenheit zur Stellungnahme.
Am 11.01.2021 langte eine Stellungnahme des Beschwerdeführers beim Bundesverwaltungsgericht ein, in der ausgeführt wird, dass durch die herrschende Pandemie schwere Einbrüche in Hinblick auf Wirtschaft und Arbeitsmöglichkeiten bereits vorliegen bzw. weitere entstehen würden. Medizinische Versorgung sei so gut wie nicht gegeben. Der Beschwerdeführer habe keine Existenzgrundlage und keine Möglichkeit des Fortkommens im Herkunftsland. Die Taliban hätten fast überall die Kontrolle übernommen. Der Beschwerdeführer sei im Bundesgebiet mittlerweile sozial sehr gut integriert und in der Lage, durch sein Erwerbseinkommen auch seinen Lebensunterhalt entsprechend zu finanzieren.
Mit Schreiben vom 12.02.2021 brachte das Bundesverwaltungsgericht weiters die EASO Country Guidance Afghanistan vom Dezember 2020 in das Verfahren ein und gab dem Beschwerdeführer und der belangten Behörde die Gelegenheit zur Stellungnahme.
Der Beschwerdeführer legte im Lauf des Verfahrens folgende Dokumente vor:
? Tazkira samt Übersetzung
? Reisepass
? Österreichischer Aufenthaltstitel
? Österreichischer Führerschein
? Zwei „Drohbriefe“
? Diplom „Bachelor of Science in Business Admnistration“ vom 13.09.2013
? Fotos
? Studienunterlagen der XXXX -Universität XXXX
? Flugbuchung bzw. Aufstellung
? Unterlagen zur Erwerbstätigkeit
? Mietverträge
? Einstellungszusage
? Zwei Empfehlungsschreiben
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1. Feststellungen:
1.1. Zu Person und Lebensumständen Beschwerdeführers
Der Beschwerdeführer trägt den im Spruch angeführten Namen, wurde am XXXX geboren und ist Staatsangehöriger der Islamischen Republik Afghanistan und Angehöriger der Volksgruppe der Paschtunen. Er bekennt sich zur sunnitischen Glaubensrichtung des Islam. Die Muttersprache des Beschwerdeführers ist Paschtu. Er spricht auch Dari, Urdu, Englisch und verfügt über gute Deutschkenntnisse.
Der Beschwerdeführer ist gesund und in Österreich strafgerichtlich unbescholten.
Der Beschwerdeführer wurde in einem Dorf in der Provinz XXXX , Distrikt Behsud geboren und reiste im Kleinkindalter mit seiner Familie nach Pakistan aus. Dort war die Familie legal aufhältig und der Beschwerdeführer besuchte zwölf Jahre die Schule und studierte vier Jahre an der Universität in XXXX . Er schloss im Jahr 2013 mit einem „Bachelor of Science in Business Administration“ ab.
Die Familie führte einen Betrieb, der mit elektronischer Hardware handelte, in dem auch der Beschwerdeführer mitarbeitete. Die Familie kehrte gelegentlich für Besuche nach Afghanistan zurück. Im Jahr 2013 hat der Beschwerdeführer ein 40-tägiges Praktikum bei der afghanischen Nationalbank gemacht.
Der Beschwerdeführer ist verheiratet und hat fünf Töchter. Die Eheschließung fand im Jahr 2007 in Pakistan statt.
Außerdem hat der Beschwerdeführer drei ältere Brüder und zwei ältere Schwestern. Der Vater des Beschwerdeführers ist verstorben.
Im Jahr 2015 kehrte die Familie des Beschwerdeführers (Ehefrau, Kinder, Brüder und Mutter) nach dessen Ausreise nach Afghanistan ins Herkunftsdorf zurück, wo sie über ein großes Haus und Grundstücke verfügt. Zudem besitzt die Familie zwei Geschäfte in Jalalabad. Ein Bruder des Beschwerdeführers arbeitet als LKW-Fahrer, die beiden anderen Brüder betreiben in Jalalabad einen Handel mit Baumaschinen. Der Beschwerdeführer steht in Kontakt zu seiner Familie. Auch weitere Angehörige des Beschwerdeführers leben in der Herkunftsprovinz. Im Fall seiner Rückkehr ist davon auszugehen, dass dem Beschwerdeführer das familiäre Netzwerke zur Verfügung steht.
Im April 2015 reiste der Beschwerdeführer legal nach Österreich ein und nahm an der XXXX -Universität XXXX das Masterstudium „General Management“ auf.
Ihm wurde zum Zweck des Studiums vom XXXX eine „Aufenthaltsbewilligung – Studierende“ zunächst von 11.03.2015 bis 10.03.2016 erteilt und diese in der Folge zwei Mal, bis 11.03.2017 und bis 12.09.2017 verlängert.
Am 09.03.2016 wurde ihm im Zuge der Beantragung der Verlängerung seiner Aufenthaltsbewilligung zur Kenntnis gebracht, dass eine Verlängerung des Aufenthaltstitels bei rechtzeitiger Antragstellung nur bei entsprechendem Studienerfolg (16 ECTS oder 8 SWS) erteilt wird.
Der Beschwerdeführer erbrachte in seinem Studium zwei Prüfungsleistungen, am 07.06.2016 und am 30.06.2016, im Gesamtausmaß von 12 ECTS bzw. 8 SWS. Nach dem WS 2018/2019 brach der Beschwerdeführer sein Studium ab.
Während seines Aufenthaltes in Österreich kehrte der Beschwerdeführer zwei Mal zum Zweck des Familienbesuches nach Afghanistan zurück, einmal von 22.01.2016 bis 02.03.2016 und einmal von 12.01.2017 bis 06.03.2017. Während seines Studiums wurde der Beschwerdeführer von seiner Familie finanziell unterstützt.
Der Kontostand des Beschwerdeführers auf seinem österreichischen Bankkonto betrug per 22.03.2017 EUR 10.996,76. Sein afghanisches Bankkonto wies am 28.02.2015 einen Kontostand von AFN 777.193 (umgerechnet EUR 12.505,03) auf.
Der Beschwerdeführer verfügt seit September 2018 über eine Gewerbeberechtigung „Güterbeförderung mit Kraftfahrzeugen oder Kraftfahrzeugen mit Anhängern, deren höchst zulässiges Gesamtgewicht insgesamt 3.500 kg nicht übersteigt“ und arbeitet seither als Lieferant. Aktuell ist er Pizzazusteller tätig. Er verfügt über eine Einstellungszusage seines aktuellen Auftraggebers für ein vollversichertes Beschäftigungsverhältnis. Seit Oktober 2018 bezieht der Beschwerdeführer keine Grundversorgung mehr. Er ist bei der Sozialversicherungsanstalt der Selbstständigen versichert. Der Beschwerdeführer lebt in einer privaten Mietwohnung. Der Beschwerdeführer hat in Österreich soziale Kontakte geknüpft. Im Bundesgebiet ist zudem ein Cousin des Beschwerdeführers aufhältig, der Beschwerdeführer steht mit ihm in Kontakt.
1.2. Zu den Fluchtgründen des Beschwerdeführers
Es wird nicht festgestellt, dass der Beschwerdeführer während seines Besuches in Nangarhar im Jahr 2017 von den Taliban entführt, zur Zusammenarbeit aufgefordert und mit dem Tod bedroht wurde.
Dass die Familie des Beschwerdeführers nach der Rückkehr des Beschwerdeführers zunächst nach Kabul umzog und schließlich wieder nach Pakistan ausreiste, wird nicht festgestellt.
Dem Beschwerdeführer drohen im Fall der Rückkehr in das Herkunftsdorf keine Übergriffe durch die Taliban.
1. 3. Zur Rückkehr in den Herkunftsstaat
Afghanistan ist von einem innerstaatlichen bewaffneten Konflikt zwischen der afghanischen Regierung und Aufständischen betroffen. Die Betroffenheit von Kampfhandlungen sowie deren Auswirkungen für die Zivilbevölkerung sind regional unterschiedlich.
Nangarhar zählt zu den volatilen Provinzen Afghanistans, für die Provinz sind für das Jahr 2019 1.070 zivile Opfer (356 Tote und 714 Verletzte) verzeichnet. Dies entspricht einem Rückgang von 41% gegenüber 2018. Die Hauptursachen dafür waren improvisierte Sprengkörper, gefolgt von Kämpfen am Boden und Selbstmordangriffen. Die Provinz galt als ISKP-Hochburg, anhaltender Druck der US-amerikanischen und afghanischen Streitkräfte und der Taliban resultierten in Niederlagen des ISKP im November 2019 in Nangarhar. Sowohl die Taliban als auch die Regierungstruppen haben Gebietsgewinne erzielt, die afghanischen Streitkräfte konnten nach November 2019 die vom ISKP geräumten Gebiete halten und die Rückkehr von ISKP-Kämpfern verhindern. Im Distrikt Behsud kam es von 01.01. bis 30.09.2020 der Globalincidentmap zufolge zu keinen sicherheitsrelevanten Vorfällen, nach ACLED kam es zu drei sicherheitsrelevanten Vorfällen mit mindestens einem Todesopfer, für das Jahr 2019 sind ebenso keine Vorfälle nach der Glopalincidentmap und drei nach ACLED verzeichnet. Behsud wird fast vollständig von der Regierung kontrolliert.
Jalalabad verfügt über einen Flughafen, Linienflüge durch zivile Fluggesellschaften finden jedoch nicht statt. Er wird von der NATO militärisch genutzt und bei Bedarf auch zivil, vor allem während der Hadsch nach Mekka. Das United Humanitarian Air Service, ein Flugbetreiber vorwiegend für Mitarbeiter humanitärer Hilfsorganisationen, der UN und Diplomaten, fliegt Jalalabad Stand Oktober 2020 zwei Mal wöchentlich von Kabul aus an.
Nangarhar ist mit Kabul über die „Grand Trunk Road“, Abschnitt Kabul-Jalalabad verbunden, die durch die Provinzen Kabul (Distrike Bagrami, Khak-e Jabbar, Surobi) und Laghman (Distrikt Qarghayi) nach Nangarhar und dort über Surkhrod und Jalalabad nach Behsud führt.
Entlang der Fernstraße Kabul-Jalalabad greifen Aufständische Konvois der Sicherheitskräfte an. An Checkpoints von Taliban und afghanischen Sicherheitskräften kommt es zu Erpressungen. Die Bewegungsfreiheit wird insbesondere durch bewaffnete Zusammenstöße, Checkpoints, Entführungen und Tötungen beeinträchtigt. Auf Straßen und Autobahnen werden IEDs (Sprengfallen) platziert, die auch zu zivilen Opfern führen.
Der Distrikt Shurkrod wird mit Ausnahme des Distriktzentrums und dessen Umgebung von den Taliban kontrolliert. Shurkrod war zuletzt besonders stark von Sicherheitsvorfällen der Kategorie „Kämpfe“ betroffen. Im Zeitraum 01.03.2019 – 30.06.2020 wurden 9.856 Personen aus Shurkrod vertrieben.
Balkh zählte zuletzt zu den konfliktintensivsten Provinzen des Landes. Für die gesamte Provinz sind für das Jahr 2019 277 zivile Opfer (108 Tote und 169 Verletzte) verzeichnet, eine Steigerung von 22 % gegenüber 2018. Hauptursachen für die Opfer waren Bodenkämpfe, improvisierte Sprengkörper und gezielte Tötungen. Im Zeitraum 01.01. bis 30.09.2020 sind 553 zivile Opfer (198 Tote, 355 Verletzte) dokumentiert, was mehr als eine Verdopplung gegenüber derselben Periode im Vorjahr ist. Balkh ist ethnisch divers und wird unter anderem von Paschtunen bewohnt.
In Mazar-e Sharif kam es von 01.01. bis 30.09.2020 der Globalincidentmap zufolge zu einem sicherheitsrelevanten Vorfall, nach ACLED kam es zu 9 sicherheitsrelevanten Vorfällen mit mindestens einem Todesopfer. Mazar-e Sharif gilt als vergleichsweise sicher und steht unter Regierungskontrolle. 2019 fanden beinahe monatlich kleinere Anschläge mit improvisierten Sprengkörpern statt. Deren Ziel waren oftmals Sicherheitskräfte, doch gab es auch zivile Opfer. Kriminalität stellt ein Problem dar, insbesondere bewaffnete Raubüberfälle. Im Dezember und März 2019 kam es in Mazar-e Sharif zudem zu Kämpfen zwischen Milizführern bzw. lokalen Machthabern und Regierungskräften. Mazar-e Sharif verfügt über einen internationalen Flughafen, für den keine Sicherheitsvorfälle verzeichnet sind.
Der durch die afghanische Regierung geleistete Menschenrechtsschutz ist trotz ihrer ausdrücklichen Verpflichtungen, nationale und internationale Menschenrechtsverpflichtungen einzuhalten, inkonsistent. Menschenrechtsverletzungen an der Zivilbevölkerung finden unabhängig von der tatsächlichen Kontrolle über das betreffende Gebiet durch den Staat und seine Vertreter, regierungsnahe Gruppen und regierungsfeindliche Gruppierungen statt. Straflosigkeit ist weit verbreitet. Besonders schwere Menschenrechtsverletzungen sind insbesondere in umkämpften Gebieten verbreitet. Das formale Justizsystem ist schwach ausgeprägt, Korruption, Drohungen, Befangenheit und politische Einflussnahme sind weit verbreitet, es mangelt an ausgebildetem Personal und Ressourcen. Die Sicherheitskräfte wenden unverhältnismäßige Gewalt an, Folter ist in Haftanstalten weit verbreitet.
Afghanistan ist eines der ärmsten Länder der Welt. Die Grundversorgung ist für große Teile der Bevölkerung eine tägliche Herausforderung, dies gilt in besonderem Maße für Rückkehrer. Diese bereits prekäre Lage hat sich seit März 2020 durch die Covid-19-Pandemie stetig weiter verschärft. In urbanen Gebieten leben rund 41,6 % unter der nationalen Armutsgrenze. Die afghanische Wirtschaft stützt sich hauptsächlich auf den informellen Sektor (einschließlich illegaler Aktivitäten), der 80 bis 90 % der gesamten Wirtschaftstätigkeit ausmacht und weitgehend das tatsächliche Einkommen der afghanischen Haushalte bestimmt. Das Wirtschaftswachstum konnte sich zuletzt aufgrund der besseren Witterungsbedingungen für die Landwirtschaft erholen und lag 2019 laut Weltbank-Schätzungen bei 2,9 %. Für 2020 geht die Weltbank Covid-19-bedingt von einer Rezession (bis zu – 8 % BIP) aus. 2016/2017 waren rund 45 % der Menschen von anhaltender oder vorrübergehender Lebensmittelunsicherheit betroffen.
Der Arbeitsmarkt ist durch eine niedrige Erwerbsquote, hohe Arbeitslosigkeit, sowie Unterbeschäftigung und prekäre Arbeitsverhältnisse charakterisiert. Die Arbeitslosenquote innerhalb der erwerbsfähigen Bevölkerung liegt auf hohem Niveau und dürfte wegen der Covid-19-Pandemie wieder steigen. Letzten Schätzungen zufolge sind 1,9 Millionen Afghan/innen arbeitslos. Bei der Arbeitssuche spielen persönliche Kontakte eine wichtige Rolle. Ohne Netzwerke, ist die Arbeitssuche schwierig. Arbeitgeber bewerten persönliche Beziehungen und Netzwerke höher als formelle Qualifikationen.
Finanzielle oder sonstige Unterstützung bei Arbeitslosigkeit existiert nicht. Ein Mangel an Bildung korreliert mit Armut, wobei ein niedriges Bildungsniveau und Analphabetismus immer noch weit verbreitet sind.
Mazar-e Sharif gilt als Industriezentrum mit großen Fertigungsbetrieben und einer Vielzahl von kleinen und mittleren Unternehmen, welche Kunsthandwerk und Teppiche anbieten. Die Arbeitsmarktsituation ist auch In Mazar-e Sharif eine der größten Herausforderungen. Auf Stellenausschreibungen melden sich innerhalb einer kurzen Zeitspanne sehr viele Bewerber und ohne Kontakte ist es schwer einen Arbeitsplatz zu finden. In den Distrikten ist die Anzahl der Arbeitslosen hoch. Die meisten Arbeitssuchenden begeben sich nach Mazar-e Sharif, um Arbeit zu finden. In Mazar-e Sharif stehen zahlreiche Wohnungen zur Verfügung. Auch eine Person, die in Mazar-e Sharif keine Familie hat, sollte in der Lage sein, dort Wohnraum zu finden. Des Weiteren gibt es in Mazar-e Sharif eine Anzahl von Hotels sowie Gast- oder Teehäusern, welche unter anderem von Tagelöhnern zur Übernachtung benutzt werden.
Die COVID-19-Krise führte in der ersten Hälfte des Jahres 2020 zu einem deutlichen Anstieg der Lebensmittelpreise. Die Preise scheinen seit April 2020, nach Verteilung von Weizen aus strategischen Getreidereserven, Durchsetzung von Anti-Preismanipulations-Regelungen und der Wiederöffnung der Grenzen für Lebensmittelimporte, wieder gesunken zu sein.
Der Finanzsektor in Afghanistan entwickelt sich, zur Eröffnung eines Bankkontos ist ein Ausweisdokument (Tazkira), zwei Passfotos und 1.000 bis 5.000 AFN als Mindestkapital erforderlich, zudem sind Überweisungen aus dem Ausland über das Hawala-System möglich.
Afghanistan ist von der COVID-Pandemie betroffen, die Zahl der Fälle geht seit Juni 2020 kontinuierlich zurück. Die Versorgung Erkrankter ist mangelhaft, es mangelt an Kapazitäten. Durch die COVID-19 Pandemie hat sich der allgemeine Zugang der Bevölkerung zu medizinischer Behandlung verringert.
Die Verfügbarkeit und Qualität der medizinischen Grundbehandlung ist durch Mangel an gut ausgebildeten Ärzten, Ärztinnen und Assistenzpersonal (v.a. Hebammen), mangelnde Verfügbarkeit von Medikamenten, schlechtes Management sowie schlechte Infrastruktur begrenzt. In großen Städten ist die medizinische Versorgung grundsätzlich sichergestellt.
Etwa 99 % der afghanischen Bevölkerung sind Muslime. Die Sunniten werden auf 80 bis 89,7 % der Gesamtbevölkerung geschätzt. 40 % der Gesamtbevölkerung sind Paschtunen, sie sind die größte Volksgruppe Afghanistans und sprechen Paschtu. Offizielle Landessprachen sind Dari und Paschtu.
2. Beweiswürdigung:
2.1. Zu Person und Lebensumständen des Beschwerdeführers
Die Feststellungen zu Identität und Staatsangehörigkeit des Beschwerdeführers beruht auf dem aktenkundigen Reisepass des Beschwerdeführers. Die Feststellungen zu Volksgruppen- und Religionszugehörigkeit, Muttersprache und sonstigen Sprachkenntnissen des Beschwerdeführers beruhen auf seinen gleichbleibenden und plausiblen Angaben, die auch das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl nicht in Zweifel zog und ihrer Entscheidung zugrunde legte. Zu den Deutschkenntnissen des Beschwerdeführers ist auszuführen, dass dieser zwar kein Sprachzertifikat in Vorlage gebracht hat. Im Zuge der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht am 21.07.2020 war jedoch ein flüssiges Gespräch mit dem Beschwerdeführer in deutscher Sprache möglich, weswegen festgestellt wurde, dass er über gute Deutschkenntnisse verfügt.
Zu seinem Gesundheitszustand hat der Beschwerdeführer kein Vorbringen erstattet und auch keine medizinischen Unterlagen in Vorlage gebracht, die eine Erkrankung seinerseits belegen würden. In der Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht gab der Beschwerdeführer an, er sei gesund. Folglich wird festgestellt, dass er gesund ist.
Die Feststellung zur Unbescholtenheit des Beschwerdeführers beruht auf dem im Akt einliegenden aktuellen Auszug aus dem Strafregister.
Die Angaben des Beschwerdeführers zu Herkunft, Lebensverhältnissen bis zur (erstmaligen) Einreise nach Österreich und Lebenswandel waren gleichbleibend und konsistent, zudem hat der Beschwerdeführer zu seinem Studienabschluss ein Diplom in Vorlage gebracht (AS 139). Das vom Beschwerdeführer gleichbleibend angegebene Dorf ist zudem – nebst Provinz und Distrikt – auch in der aktenkundigen Tazkira des Beschwerdeführers ersichtlich (z.B. AS 180).
Dass der Beschwerdeführer verheiratet ist und fünf Töchter hat, hat er ebenso gleichbleibend angegeben, wie seine Geschwister und dass sein Vater bereits verstorben ist.
Zur Rückkehr der Familie nach Afghanistan und deren dortigen Lebensverhältnissen erstattete der Beschwerdeführer in seiner niederschriftlichen Einvernahme durch die belangte Behörde am 31.08.2018 detaillierte und plausible Angaben (AS 119 bis 123). Dass Kontakt besteht, ergibt sich aus den Angaben des Beschwerdeführers. Im Hinblick auf im Zuge der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht am 21.07.2020 behaupteten Umzug der Familie nach Kabul und der Ausreise nach Pakistan (OZ 10, S. 9 bis 10) wird auf das Fluchtvorbringen verwiesen.
Zu seinem Studium hat der Beschwerdeführer diverse Unterlagen (z.B. Studienbestätigungen AS 147) vorgelegt. Die Feststellung zum Einreisezeitraum beruht auf der im Akt einliegenden Kopie aus dem Reisepass des Beschwerdeführers, die das ihm erteilte Visum, sowie den Einreisestempel abbildet (Akt Magistrat AS 135).
Dass dem Beschwerdeführer eine „Aufenthaltsbewilligung – Studierende“ erteilt und in der Folge verlängert wurde, ist unstrittig und geht auch aus dem von der belangten Behörde beschafften Akt des XXXX hervor.
Die Feststellung zur Belehrung des Beschwerdeführers durch den XXXX beruht auf der aktenkundigen Niederschrift hierzu (Akt Magistrat AS 172), die ihm von der belangten Behörde im Zuge der niederschriftlichen Einvernahme am 31.08.2018 vorgehalten wurden (AS 115).
Die Feststellungen zu den vom Beschwerdeführer erbrachten Prüfungsleistungen beruht auf der mehrmals im Verfahren vorgelegten „Bestätigung des Studienerfolges“ (etwa AS 185; Beilage zu OZ 10). Die jüngste vom Beschwerdeführer vorgelegte Studienbestätigung ist für das WS 2018/2019 ausgestellt (AS 183). In der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht am 21.07.2020 (OZ 10, S. 13) bestätigte der Beschwerdeführer auf Nachfrage auch, nicht mehr zu studieren.
Die Feststellungen zu den Besuchen des Beschwerdeführers in Afghanistan während seines Aufenthaltes in Österreich beruhen auf den Angaben des Beschwerdeführers, überdies hat er Unterlagen zu den zu diesem Zweck gebuchten Flügen vorgelegt (etwa AS 149, 151). Dass er von seiner Familie unterstützt wurde, hat der Beschwerdeführer selbst angegeben (AS 115).
Die Feststellungen zu den Kontoständen des Beschwerdeführers beruhen auf den von ihm vorgelegten Kontounterlagen (Akt Magistrat AS 119 bis 124, 237).
In der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht am 01.12.2020 hat der Beschwerdeführer einen Auszug aus dem Gewerbeinformationssystem Austria, Abrechnungen zu seiner aktuellen Tätigkeit, eine „Einstellbestätigung“ seines aktuellen Auftraggebers, Kontoübersichten der SVS für die Jahre 2019 und 2020 und seinen aktuellen Mietvertrag samt Meldebestätigung vorgelegt (Beilagen zu OZ 17). Zu den sozialen Kontakten des Beschwerdeführers sind zwei Empfehlungsschreiben aktenkundig (Beilagen zu OZ 10). Weitere aktuelle Unterlagen zu seiner Erwerbstätigkeit reichte der Beschwerdeführer mit Stellungnahme einlangend am 11.01.2021 (OZ 22) nach. Der Cousin des Beschwerdeführers tritt im Akt häufig in Erscheinung, dies insbesondere auch in Zusammenhängen, die das behauptete Verwandtschaftsverhältnis glaubhaft erscheinen lassen (z.B. Wohnrechtsvereinbarung Akt Magistrat AS 89).
2.2. Zu den Fluchtgründen des Beschwerdeführers
Im Hinblick auf das Fluchtvorbringen des Beschwerdeführers teilt das Bundesverwaltungsgericht die Einschätzung der belangten Behörde, der zufolge dieses nicht glaubhaft ist.
Zwar berichten die vom Bundesverwaltungsgericht mit Schreiben vom 28.12.2020 (OZ 20) in das Verfahren eingebrachten UNHCR Richtlinien zur Feststellung des internationalen Schutzbedarfs afghanischer Asylsuchender vom 30.08.2018 (in der Folge: UNHCR-Richtlinien), dass regierungsfeindliche Kräfte in Gebiete, in denen sie die tatsächliche Kontrolle über das Territorium und die Bevölkerung ausüben, verschiedene Methoden zur Rekrutierung von Kämpfern nutzen, einschließlich Maßnahmen unter Einsatz von Zwang. Auch wird bestätigt, dass die Folgen für Personen, die sich der Rekrutierung widersetzen, gravierend seien, sie seien ebenso wie ihre Familienmitglieder gefährdet, getötet oder bestraft zu werden (Abschnitt III. Internationaler Schutzbedarf, Kapitel A. Risikoprofile, Unterkapitel 3. Männer im wehrfähigen Alter und Kinder im Kontext der Minderjährigen- und Zwangsrekrutierung, insbesondere Buchstabe a) Zwangsrekrutierung durch regierungsfeindliche Kräfte (AGEs), S. 59 bis 60). Allerdings ist anzumerken, dass den UNHCR-Richtlinien keine Informationen zur konkreten Vorgehensweise der Taliban bei der „Zwangsrekrutierung“ zu entnehmen sind und damit auch unklar bleibt, was UNHCR unter „Zwang“ im Zusammenhang mit der Rekrutierung versteht.
So betont das vom Bundesverwaltungsgericht ebenso mit Schreiben vom 28.12.2020 (OZ 20) in das Verfahren eingebrachte Länderinformationsblatt der Staatendokumentation, Afghanistan, generiert am 16.12.2020, Version 2 (in der Folge: Länderinformationsblatt), dass der Begriff der Zwangsrekrutierung in den länderkundlichen Quellen unterschiedlich interpretiert und Informationen zur Rekrutierung unterschiedlich kategorisiert würden. Druck und Zwang, den Taliban beizutreten, sei nicht immer gewalttätig, Faktoren wie Armut, kulturelle Gegebenheiten und Ausgrenzung könnten die Unterscheidung zwischen freiwilliger und zwangsweiser Beteiligung zum Verschwimmen bringen (Kapitel 11.1 Rekrutierung durch regierungsfeindliche Gruppierungen, Abschnitt Taliban).
Der vom Bundesverwaltungsgericht mit Schreiben vom 12.02.2021 (OZ 23) in das Verfahren eingebrachte EASO Country Guidance: Afghanistan von Dezember 2020 (in der Folge: EASO Country Guidance) ist hierzu zu entnehmen, dass der bereits im Länderinformationsblatt erwähnte Druck bzw. Zwang, den Taliban beizutreten, etwa durch die Familie, den Stamm und religiöse Netzwerke ausgeübt werde und von den lokalen Umständen abhänge. Ansonsten betont EASO, dass es den Taliban nicht an freiwilligen Rekruten mangelt und sie nur in Ausnahmefällen auf Zwangsrekrutierung zurückgreifen würden. Etwa würden sie versuchen, Personen mit militärischem „background“, beispielsweise ANSF-Angehörige, zu rekrutieren. Ebenso würden sie, wenn sie akut unter Druck stünden, auf Zwangsrekrutierung zurückgreifen (Abschnitt Common analysis: Afghanistan, Kapitel 2.6. Persons fearing forced recruitement by armed groups, S. Buchstabe a. Forced recruitment by the Taliban und Abschnitt Risk analysis, S. 64).
Das Länderinformationsblatt berichtet im Hinblick auf die Vorgehensweise, dass die Rekrutierung hauptsächlich über bestehende traditionelle Netzwerke und organisierte Aktivitäten im Zusammenhang mit religiösen Institutionen erfolge. Auch hier wird überdies betont, dass die Taliban keinen Mangel an freiwilligen Rekruten haben und nur in Ausnahmefällen von Zwangsrekrutierung Gebrauch machen, sowie, dass Druck und Zwang, den Taliban beizutreten nicht immer gewalttätig sind (Kapitel 11.1 Rekrutierung durch regierungsfeindliche Gruppierungen, Abschnitt Taliban).
Für den „Fluchtzeitpunkt“ des Beschwerdeführers gab der länderkundliche Sachverständige im Zuge der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht am 01.12.2020 an, 2017 sei es in der Provinz Nangarhar zu schweren Auseinandersetzungen gekommen (OZ 17, S. 7). Diese Angaben des länderkundlichen Sachverständigen werden auch vom durch die belangte Behörde in das Verfahren eingebrachten Länderinformationsblatt der Staatendokumentation: Afghanistan, Gesamtaktualisierung am 29.06.2018 (AS 193 ff.), Kapitel 2.3. Nangarhar, AS 47 bis 50, bestätigt, wo im Hinblick auf den Zeitraum, in den der Ausreisezeitpunkt des Beschwerdeführers fällt, von Präsenzen der Taliban und des IS in Nangarhar, sowie von bewaffneten Zusammenstößen zwischen diesen beiden Gruppierung und auch mit den afghanischen Streitkräften. Für den Zeitraum 01.01.2017 bis 30.04.2018 sind hier 765 sicherheitsrelevante Vorfälle verzeichnet, wobei als Hauptursachen für zivile Opfer Bodenoffensiven, IEDs und gezielte Tötungen angegeben werden.
Demnach sind für den Ausreisezeitpunkt des Beschwerdeführers in der Herkunftsprovinz angesichts schwerer Auseinandersetzungen und der Präsenz der Taliban Zwangsrekrutierungen durch die Taliban (auch in einem weiteren Wortsinn) vor dem Hintergrund der Länderberichte denkbar. Der länderkundliche Sachverständige führt allerdings zur konkreten Vorgehensweise aus, die Taliban würden Leute entführen, wenn sie etwas Bestimmtes arbeiten oder für eine Art Zwangsrekrutierung, sie jedoch nicht so behutsam behandeln, wie der Beschwerdeführer es beschreibt. Zudem hätten es die Taliban, wenn sie – wie vom Beschwerdeführer angegeben – ein Dorf kontrollieren, nicht notwendig, jemanden zu entführen und in einem Waldstück eine Zusammenarbeit in Aussicht zu stellen. Sie würden zur Familie nachhause kommen und mit ihr beraten, dass der Beschwerdeführer im Falle der Aufnahme einer Arbeit für die Regierung für die Taliban arbeiten werde (OZ 17, S. 7). Das vom Beschwerdeführer beschriebene Handeln entspricht also nicht dem Kenntnisstand des vom Bundesverwaltungsgericht beigezogenen länderkundlichen Sachverständigen im Hinblick auf die Vorgehensweise der Taliban.
Weiter scheint der vom Beschwerdeführer im Zuge der zweiten Tagsatzung der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht am 21.07.2020 widergegebene Inhalt des Gespräches mit seinen Brüdern und seiner Mutter unmittelbar nach der „Festnahme“ durch die Taliban völlig lebensfremd. So finden sich darin keine konkreten Fluchtpläne und diesbezüglich konkret angezeigte Vorgehensweisen, sondern lediglich allgemeine Aussagen über die Lage in Afghanistan. So gibt der Beschwerdeführer nur an, seine Brüder und seine Mutter hätten ihm gesagt, es handle sich bei den Taliban nicht um Einzelpersonen, sondern um Mitglieder einer Regierung, sie seien sehr gefährlich und könnten den Beschwerdeführer wiederfinden. Die zentrale Regierung würde ihm auch nicht helfen, er solle von hier weggehen und nie wiederkommen (OZ 10, S. 8). Diese allgemeinen Umstände müssten jedoch allen am Gespräch beteiligten Personen hinlänglich als mitgedachtes Hintergrundwissen bekannt sein, auf das einzugehen in einer Beratung über die Frage einer akut erforderlichen Flucht nach einer Entführung und Bedrohung durch die Taliban lebensfremd erscheint. Angesichts der behaupteten Gefahr ist zudem unplausibel, dass der Beschwerdeführer noch mehrere Tage bei seiner Familie und Verwandten in der Gegend bleibt, ohne, dass es zu einem konkreten Übergriff kommt und seinen Rückflug abwartet, statt etwa sofort nach Kabul aufzubrechen, um dort zumindest die restliche Zeit zu verbringen.
Ähnlich vage und floskelhaft ist auch die vom Beschwerdeführer beschriebene Aufforderung der Taliban zur Zusammenarbeit. So schildert der Beschwerdeführer inhaltlich keinerlei konkrete Aufgabe, der er sich hätte entziehen können, sondern wird ihm seinen eigenen Angaben zufolge lediglich eine Zusammenarbeit mit den Taliban in unklarer Zukunft für den Fall, dass er eines Tages, in einer Firma oder einem Büro arbeite, in Aussicht gestellt (OZ 10, S. 8). Weiter gab der Beschwerdeführer an, die Taliban hätten alles über ihn gewusst, auch, dass er in Europa studiere (OZ 17, S. 5). Dass die Taliban dem Beschwerdeführer die von vornherein geplante Rückkehr nach Europa zu seinem Studium, von dem sie den Angaben des Beschwerdeführers zufolge ohnehin wussten, als Flucht vor der „Zwangsrekrutierung“ auslegen sollten, obwohl sie dem Beschwerdeführer eine konkrete Aufgabe nicht erteilt haben, erscheint wenig nachvollziehbar. Hiermit vom länderkundlichen Sachverständigen in der mündlichen Verhandlung konfrontiert antwortet der Beschwerdeführer widersprüchlich. So gab zunächst auf die Anmerkung des länderkundlichen Sachverständigen „Die Taliban wussten, dass Sie in Österreich studieren, Sie würden zurückkehren.“ an, es sei klar gewesen, dass die Taliban alles über ihn wüssten, um kurz später zu behaupten, die Taliban hätten anscheinend geglaubt, er werde dortbleiben und für die Regierung oder eine Organisation arbeiten (OZ 17, S. 5).
Im Hinblick auf die vorgelegten „Drohbriefe“ wird angemerkt, dass sich zwar aus der bereits vom Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl herangezogenen Anfragenbeantwortung der Staatendokumentation: Afghanistan, Drohbriefe der Taliban und des IS vom 27.06.2018 (AS 189 ff.) ergibt, dass die Taliban Drohbriefe unter anderem gegen Einzelpersonen einsetzen. Die vom Beschwerdeführer vorgelegten „Drohbriefe“ entsprechen allerdings den Angaben des Beschwerdeführers zur an ihn gestellten Forderung einer künftigen Zusammenarbeit nicht. Aus diesen geht hervor, der Beschwerdeführer sei als Mitarbeiter eines ausländischen Institutes identifiziert worden und werde bedroht, mit seinem Job für das Ausländische Institut aufzuhören. Gleichzeitig wird er jedoch aufgefordert, für die Taliban als Spion bei staatlichen Organen und Ausländischen Instituten zu arbeiten (AS 161). Auch im beinahe gleichlautenden zweiten „Drohbrief“ wird an den Beschwerdeführer die gleiche Forderung gestellt (AS 163). Wie bereits die belangte Behörde beweiswürdigend anmerkt, ist diese Forderung widersprüchlich und scheint zudem auf eine bereits konkret erteilte Aufgabe hinzuweisen. Eine solche findet sich einerseits im vom Beschwerdeführer angegebenen Gesprächsinhalt nicht. Andererseits wäre für die geforderte Spionage Voraussetzung, dass der Beschwerdeführer tatsächlich für eine ausländische Institution oder staatliche Organe arbeitet. Dies baut der Beschwerdeführer zwar floskelhaft als Vorwurf der Taliban in sein Fluchtvorbringe ein (OZ 10, S. 8), ist jedoch nicht mit der Schilderung des Beschwerdeführers vereinbar, der zufolge sie gewusst hätten, was er konkret mache, nämlich wo und was er studiere.
Im Hinblick auf die vom Beschwerdeführer vorgelegten Fotos eines älteren Herren und eines jungen Mannes, die den Angaben des Beschwerdeführers zufolge von den Taliban ermordete Verwandte (Onkel und Cousin väterlicherseits) zeigen (AS 141 bis 145) ist zunächst anzumerken, dass sich anhand dieser Fotos weder das Verwandtschaftsverhältnis der abgebildeten Personen, noch die Umstände, unter denen diese ums Leben kamen, verifizieren lassen. Weiter sind die Angaben des Beschwerdeführers zur behaupteten Ermordung des Onkels väterlicherseits, den er überdies sehr vage vorbringt, nicht nachvollziehbar. So konnte der Beschwerdeführer auf Nachfrage des länderkundlichen Sachverständigen nicht angeben, was sein Onkel gearbeitet hat und konkretisiert auch die behauptete Aufforderung nicht weiter. Er verneint lediglich, dass der Onkel für die Regierung gearbeitet habe (OZ 17, S. 5 bis 6). Im Hinblick auf die behauptete Ermordung des Cousins väterlicherseits macht der Beschwerdeführer ebenso keine weiteren Angaben, sondern stellt diese lose, ohne einen konkreten Zusammenhang zu seiner Person herzustellen, in den Raum (AS 125 bis 127).
Erstmals in der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht am 21.07.2020 behauptete der Beschwerdeführer überdies, dass seine Brüder nach seiner Ausreise auch „unbekannte Anrufe“ bekommen hätten, die Anrufer hätten nach dem Beschwerdeführer gefragt (OZ 10, S. 9). In der Einvernahme durch die belangte Behörde am 31.08.2018 gab der Beschwerdeführer derartiges noch nicht an, wie im Übrigen ebenso wenig, dass seine Familie nach Kabul übersiedelt oder nach Pakistan ausgereist sei, sondern schildert detailreich die Lebensumstände seiner Familie in Nangarhar, ohne konkrete Angaben zu deren Gefährdung. Ebenso erstmals in der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht am 21.07.2020 behauptet der Beschwerdeführer zudem, seine Familie habe noch eine Zeit im Dorf gelebt, vielleicht acht bis neun Monate, er könne es nicht genau sagen, sei dann fünf bis sechs Monate in Kabul gewesen und dann nach Pakistan gegangen (OZ 10, S. 10). Die niederschriftliche Einvernahme des Beschwerdeführers erfolgte allerdings etwa eineinhalb Jahre nach dessen Ausreise. Das Bundesverwaltungsgericht übersieht dabei nicht, dass die Schätzung von Zeitspannen ungenau sein muss. Hinzu kommt jedoch, dass UNHCR und EASO gleichermaßen betonen, dass auch die Familienangehörigen einer Person, die sich der Zwangsrekrutierung entzieht, von schweren Konsequenzen betroffen sind. So berichtet UNHCR, Familienmitglieder seien gefährdet, getötet oder bestraft zu werden (UNHCR-Richtlinien, Abschnitt III. Internationaler Schutzbedarf, Kapitel 3. Männer im wehrfähigen Alter und Kinder im Kontext der Minderjährigen- und Zwangsrekrutierung, a) Zwangsrekrutierung durch regierungsfeindliche Kräfte (AGEs), S. 60). Auch die EASO Country Guidance berichtet von generell ernsten Konsequenzen, die gegen die Familie gerichtet sind, nämlich schwere Körperverletzung und Tötungen (Abschnitt Common analysis: Afghanistan, Kapitel 2.6. Persons fearing forced recruitment by armed groups, Buchstabe a. Forced recruitment by the Taliban, S. 64). Dass die Angehörigen des Beschwerdeführers in einem Zeitraum von mehreren Monaten lediglich zwei Drohbriefe und Anrufe erhalten haben, entspricht diesen zu erwartenden Konsequenzen nicht. Weiter nennt der Beschwerdeführer keinerlei konkreten Anlass für die behaupteten Umzüge der Familie, sondern spricht vage und oberflächlich von einer „telefonischen Bedrohung“ der Brüder und von zwei Drohbriefen (OZ 10, S. 10) und kann sonst nur floskelhaft angeben, sie hätten „kein leichtes Leben dort, die Taliban waren auch immer in unserem Dorf unterwegs. Aus Angst sind sie nach Kabul gegangen. Dort konnten sie auch nicht weiterleben.“ (OZ 10, S. 9).
Weiter behauptete der Beschwerdeführer im Zuge der mündlichen Verhandlung am 01.12.2020 – hierauf nimmt auch die Stellungnahme vom 08.01.2021 Bezug (OZ 22, S. 2) – auf die Frage, ob sein Dorf unter der Herrschaft der Taliban stehe, diese hätten fast überall die Kontrolle. Sie hätten überall Checkpoints und man traue sich in der Nacht nicht, aus dem Haus rauszugehen. Am Tag sehe man niemanden von der Regierung (OZ 17, S. 5). Allerdings ist dem Länderinformationsblatt zu entnehmen, dass die Regierungstruppen in Nagarhar in Folge der Niederlage des ISKP in Nangarhar im November 2019 Gebietsgewinne erzielen konnten und nun den größten Teil der Niederungen kontrollieren. Zehn der 22 Distrikte Nangarhars – darunter auch der Herkunftsdistrikt Behsud, sowie dessen Nachbardistrikte Kama – würden fast vollständig unter Kontrolle der Regierungstruppen stehen, in acht weiteren Distrikten – darunter weitere Nachbardistrikte, etwa Chaparhar, Kuz Kunar und Rodad – seien stärker vertreten, als die Taliban (Kapitel 5.22 Nagarhar, Abschnitt Hintergrundinformationen zu Konflikt und Akteuren). Damit wird die Behauptung des Beschwerdeführers, die Taliban hätten „fast überall die Kontrolle“, von den Länderberichten für die Gegenwart im Hinblick auf die Herkunftsregion nicht bestätigt, sondern ergänzt viel mehr den vom Beschwerdeführer im Hinblick auf das Fluchtvorbringen angesichts der bereits aufgezeigten Ungereimtheiten gewonnenen Gesamteindruck. Überdies ergibt sich hieraus auch, dass der Beschwerdeführer – nachdem die Taliban die tatsächliche Kontrolle über den Herkunftsdistrikt des Beschwerdeführers aktuell nicht ausüben – auch im Fall der Rückkehr nicht mit Zwangsrekrutierung zu rechnen hat. Weiter sind an der Person des Beschwerdeführers keine der bereits oben beschriebenen Merkmale ersichtlich, die ihn für eine Rekrutierung durch die Taliban besonders interessant machen würden. Überdies sind auch Übergriffe – auch mangels anderer Anhaltspunkte – für den Fall der Rückkehr folglich nicht zu erwarten.
2.3. Zur Rückkehr in den Herkunftsstaat
Die Feststellung zum internationalen bewaffneten Konflikt in Afghanistan beruht auf dem Länderinformationsblatt, der EASO Country Guidance und den UNHCR-Richtlinien.
Die Feststellungen zur Sicherheitslage in Nangarhar beruhen auf dem Länderinformationsblatt, Kapitel 5.22. Nangarhar, die von der EASO Country Guidance, Abschnitt Common analysis: Afghanistan, Kapitel 3.3 Article 15(c) QD, Abschnitt Nangarhar, S. 138-139, bestätigt werden.
Die Feststellungen zum Flughafen in Jalalabad beruhen ebenso auf dem Länderinformationsblatt, Kapitel 5.22. Nangarhar.
Von der „Grand Trunk Road“, Abschnitt Kabul-Jalalabad, berichtet etwa das Länderinformationsblatt, Kapitel 5.35. Erreichbarkeit, Abschnitt Grand Trunk Road - Highway Jalalabad-Peshawar / Pak-Afghan-Highway. Der festgestellte Straßenverlauf beruht auf dem EASO COI vom Bundesverwaltungsgericht mit Schreiben vom 28.12.2020 (OZ 20) in das Verfahren eingebrachte EASO COI Report: Afghanistan. Security situation von September 2020, und geht aus den jeweiligen Kapiteln zu den jeweiligen Provinzen, sowie den dort enthaltenen Landkarten hervor (Kapitel 2.15 Kabul province, Karte S. 162 und S. 163; Kapitel 2.21 Laghman, Karte S. 211 und S. 212; Kapitel 2.23 Nangarhar, Karte S. 227 und S. 228).
Von Angriffen entlang der Fernstraße Kabul-Jalalabad berichtet Kapitel 5.22. Nagnarhar. Von Erpressungen („cases of extortion“) berichtet der vom Bundesverwaltungsgericht mit Schreiben vom 28.12.2020 (OZ 20) in das Verfahren eingebrachte EASO COI Report: Afghanistan. Security situation von September 2020, Kapitel 1.6. Mobility, S. 53, dem auch die Feststellungen zu den allgemeinen Auswirkungen des Konfliktes auf die Bewegungsfreiheit entnommen sind. Auch das Länderinformationsblatt nennt Sicherheitsbedenken als zentrale Hürde für die Bewegungsfreiheit und berichtet, dass in bestimmten Gebieten Gewalt durch Aufständische, Landminen und IEDs (Sprengfallen) das Reisen besonders gefährlich machen (Kapitel 20. Bewegungsfreiheit).
Dass der Distrikt Shrukrod weitgehend unter Talibankontrolle steht, berichten Länderinformationsblatt und EASO gleichermaßen (Länderinformationsblatt, Kapitel 5.22. Nangarhar, Abschnitt Hintergrundinformationen zu Konflikt und Akteuren; EASO COI Report: Afghanistan. Security situation von September 2020, Kapitel 2.23 Nangarhar, S. 232) wobei EASO konkretisiert, dass die ANDSF nur im Distriktzentrum und dessen Umgebung präsent ist. EASO berichtet auch, dass Shurkrod zuletzt besonders stark von Sicherheitsvorfällen der Kategorie „Kämpfe“ betroffen war (S. 233), sowie von Vertreibungen in Shurkrod (S. 236).
Die Feststellungen zur Sicherheitslage in Balkh und insbesondere Mazar-e Sharif beruhen auf dem Länderinformationsblatt, Kapitel 5. Sicherheitslage, Unterkapitel 5.5. Balkh. Die Feststellung zum Flughafen beruht ebenso auf dem Länderinformationsblatt, Kapitel 5. Sicherheitslage, Unterkapitel 5.35. Erreichbarkeit, Abschnitt Internationaler Flughafen Mazar-e Sharif. Die EASO Country Guidance bestätigt die Informationen des Länderinformationsblattes und berichtet hinsichtlich des Flughafens von Mazar-e Sharif, dass keine Sicherheitsvorfälle bekannt sind (Abschnitt Common analysis: Afghanistan, Kapitel 5. Internal protection, Abschnitt Safety, S. 164).
Die Feststellungen zur Menschenrechtslage beruhen auf den UNHCR-Richtlinien, Kapitel II. Überblick über die Situation in Afghanistan, Unterkapitel C. Die Menschenrechtssituation, S. 26 ff., sowie dem damit übereinstimmenden Länderinformationsblatt, Kapitel 6. Rechtsschutz/Justizwesen, 8. Folter und unmenschliche Behandlung und 12. Allgemeine Menschenrechtslage. Mangels konkreter Anhaltspunkte im Vorbringen des Beschwerdeführers wurden genauere Feststellungen zu den jeweiligen Themenkreisen nicht getroffen.
Die Feststellungen zur Wirtschaftslage beruhen auf dem Länderinformationsblatt, Kapitel 22. Grundversorgung. Dort finden sich auch Informationen zum Finanzsektor.
Die Feststellungen zur COVID-Pandemie beruhen auf dem Länderinformationsblatt, Kapitel 3. COVID-19, die Feststellungen zur medizinischen Grundversorgung beruhen auf dem Länderinformationsblatt, Kapitel 23 Medizinische Versorgung.
Die Feststellung zur Verbreitung der sunnitischen Glaubenszugehörigkeit in Afghanistan beruht auf dem Länderinformationsblatt, Kapitel 15. Religionsfreiheit. Die Feststellung zum Anteil der Paschtunen an der Gesamtbevölkerung beruhen auf dem Länderinformationsblatt, Kapitel 16.1. Paschtunen, zu den Landessprachen auf Kapitel 16. Relevante ethnische Minderheiten.
Zur Plausibilität und Seriosität der herangezogenen Länderinformationen zur Lage im Herkunftsstaat ist auszuführen, dass die im Länderinformationsblatt zitierten Unterlagen von angesehen Einrichtungen stammen. Es ist auch darauf hinzuweisen, dass die Staatendokumentation des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl nach § 5 Abs. 2 BFA-VG verpflichtet ist, gesammelte Tatsachen nach objektiven Kriterien wissenschaftlich aufzuarbeiten und in allgemeiner Form zu dokumentieren. Auch das European Asylum Support Office (EASO) ist nach Art. 4 lit. a Verordnung (EU) Nr. 439/2010 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 19. Mai 2010 zur Einrichtung eines Europäischen Unterstützungsbüros für Asylfragen bei seiner Berichterstattung über Herkunftsländer zur transparent und unparteiisch erfolgende Sammlung von relevanten, zuverlässigen, genauen und aktuellen Informationen verpflichtet. Damit durchlaufen die länderkundlichen Informationen, die diese Einrichtungen zur Verfügung stellen, einen qualitätssichernden Objektivierungsprozess für die Gewinnung von Informationen zur Lage im Herkunftsstaat. Den UNHCR-Richtlinien ist nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes besondere Beachtung zu schenken („Indizwirkung"), wobei diese Verpflichtung ihr Fundament auch im einschlägigen Unionsrecht findet (Art. 10 Abs. 3 lit. b der Richtlinie 2013/32/EU [Verfahrensrichtlinie] und Art. 8 Abs. 1 und 2 der Richtlinie 2011/95/EU [Statusrichtlinie]; VwGH 07.06.2019, Ra 2019/14/0114) und der Verwaltungsgerichtshof auch hinsichtlich der Einschätzung von EASO von einer besonderen Bedeutung ausgeht und eine Auseinandersetzung mit den „EASO-Richtlinien“ verlangt (VwGH 17.12.2019, Ra 2019/18/0405). Das Bundesverwaltungsgericht stützt sich daher auf die angeführten Länderberichte, wobei eine beweiswürdigende Auseinandersetzung im Detail oben erfolgt ist.
3. Rechtliche Beurteilung:
3.1. Zur Abweisung der Beschwerde hinsichtlich Spruchpunkt I. des angefochtenen Bescheides (Asyl)
Gemäß § 3 Abs. 1 Asylgesetz 2005 (in der Folge AsylG) ist einem Fremden, der in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat der Status des Asylberechtigten zuzuerkennen, wenn glaubhaft ist, dass ihm im Herkunftsstaat Verfolgung im Sinne des Art. 1 Abschnitt A Z 2 Genfer Flüchtlingskonvention droht, dem Fremden keine innerstaatliche Fluchtalternative gemäß § 11 AsylG offen steht und dieser auch keinen Asylausschlussgrund gemäß § 6 AsylG gesetzt hat.
Verfolgung im Sinne des Art. 1 Abschnitt A Z 2 Genfer Flüchtlingskonvention droht einer Person, wenn sie sich aus wohlbegründeter Furcht, aus Gründen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder der politischen Gesinnung verfolgt zu werden, außerhalb des Herkunftsstaates befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, sich des Schutzes dieses Landes zu bedienen.
Nach der ständigen Rechtsprechung des VwGH kommt einer von Privatpersonen bzw. privaten Gruppierung ausgehenden, auf einem Konventionsgrund beruhenden Verfolgung Asylrelevanz zu, wenn der Staat nicht gewillt oder nicht in der Lage ist, diese Verfolgungshandlungen hintanzuhalten (VwGH 08.09.2015, Ra 2015/18/0010 mwN).
Der Verwaltungsgerichtshof differenziert in ständiger Judikatur zwischen der per se nicht asylrelevanten Zwangsrekrutierung durch eine Bürgerkriegspartei von der Verfolgung, die an die tatsächliche oder unterstellte politische Gesinnung anknüpft, die in der Weigerung, sich den Rekrutierenden anzuschließen, gesehen wird. Auf das Auswahlkriterium für die Zwangsrekrutierung kommt es dabei nicht an. Entscheidend ist daher, mit welcher Reaktion durch die Milizen aufgrund einer Weigerung, sich dem Willen der Rekrutierenden zu beugen, gerechten werden muss und ob in ihrem Verhalten eine (unterstellte) politische oder religiöse oppositionelle Gesinnung erblickt wird (19.04.2016, VwGH Ra 2015/01/0079 mwN).
Wie festgestellt und beweiswürdigend ausgeführt konnten der Beschwerdeführer nicht glaubhaft machen, dass er von den Taliban entführt und zur Zusammenarbeit aufgefordert wurden und ihm deshalb im Fall der Rückkehr Übergriffe drohen. Eine Verfolgungsgefahr im Sinne der oben zitierten Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes konnte er damit nicht glaubhaft machen.
Die Beschwerden waren daher hinsichtlich Spruchpunkt I. der angefochtenen Bescheide als unbegründet abzuweisen.
3.2. Zur Abweisung der Beschwerde hinsichtlich Spruchpunkt II. des angefochtenen Bescheides (Subsidiärer Schutz)
Gemäß § 8 Abs. 1 AsylG 2005 ist einem Fremden der Status des subsidiär Schutzberechtigten zuzuerkennen, wenn er in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, wenn dieser in Bezug auf die Zuerkennung des Status des Asylberechtigten abgewiesen wird, oder dem der Status des Asylberechtigten aberkannt worden ist, wenn eine Zurückweisung oder Zurückschiebung oder Abschiebung des Fremden in seinen Herkunftsstaat eine reale Gefahr einer Verletzung von Art. 2 EMRK, Art. 3 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention bedeuten würde oder für ihn als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes mit sich bringen würde.
Zwar widerspricht es nach der die Rechtsprechung des EuGH berücksichtigenden Rechtsprechung des