Entscheidungsdatum
03.03.2021Norm
AsylG 2005 §10 Abs1 Z3Spruch
W109 2205356-1/17E
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch den Richter Mag. BÜCHELE über die Beschwerde von XXXX , geb. XXXX (alias XXXX ), StA. Afghanistan, vertreten durch BBU GmbH, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl, Regionaldirektion Steiermark, vom 22.08.2018, Zl. XXXX , nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 05.11.2020 zu Recht:
A) Die Beschwerde wird gemäß §§ 3 Abs. 1, 8 Abs. 1., 57, 10 Abs. 1 Z 3 AsylG iVm § 9 BFA-VG, §§ 52 Abs. 2 Z 2 und Abs. 9, 46, 55 Abs. 1, 2 und 3 FPG als unbegründet abgewiesen.
B) Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Text
Entscheidungsgründe:
I. Verfahrensgang:
1. Am 06.11.2017 stellte der damals minderjährige Beschwerdeführer, ein afghanischer Staatsangehöriger und Angehöriger der Volksgruppe der Paschtunen, nach Einreise unter Umgehung der Grenzkontrollen in die Republik Österreich erstmals im Bundesgebiet einen Antrag auf internationalen Schutz.
Am 06.11.2017 gab der Beschwerdeführer im Rahmen der Erstbefragung im Wesentlichen an, er sei afghanischer Staatsangehöriger, stamme aus Kapisa, habe nicht die Schule besucht und zuletzt als Hilfsarbeiter gearbeitet. Zum Fluchtgrund befragt führte er aus, in Afghanistan herrsche Krieg und Unsicherheit. Der Vater sei sowohl bei der Arbeit als auch im Kampf angeschossen worden. Die Taliban hätten den Beschwerdeführer und seinen älteren Bruder mitnehmen wollen, damit sie für sie kämpfen würden. Aus Angst vor den Taliban sei er drei Jahre zuvor in den Iran geflüchtet, die iranische Polizei haben ihn aufgegriffen und nach Afghanistan abschieben wollen. Da er minderjährig gewesen sei, sei er freigekommen und aus Angst vor einer Abschiebung nach Europa gereist.
Am 13.08.2018 führte der Beschwerdeführer in der niederschriftlichen Einvernahme vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl zu seinen Fluchtgründen auf das Wesentliche zusammengefasst aus, er habe in Afghanistan als Hirte gearbeitet und mit den Taliban Probleme bekommen. Sie hätten verlangt, er müsse ihnen helfen. Einmal habe er ihnen geholfen und habe Munition und Waffen für sie getragen. Dann habe er aufgehört, als Hirte zu arbeiten und seinem Onkel geholfen. Dieser habe gebrochene Gliedmaßen wieder eingerenkt. Die Taliban hätten den Onkel zwei oder drei Mal bedroht und gesagt, er solle dem Beschwerdeführer keine Arbeit geben. Der Onkel habe das nicht ernst genommen und sie hätten ihn erschossen. Dann habe der Vater zum Beschwerdeführer gesagt, sein Leben sei in Gefahr und er solle Afghanistan verlassen. Er sei in den Iran gegangen und habe dort gearbeitet. Eines Tages habe ihn die iranische Polizei bei der Arbeit festgenommen und ihn nach Afghanistan zurückschicken wollen. Der ältere Bruder habe das erfahren, vom Onkel Geld geborgt und den Beschwerdeführer befreit. Der Onkel habe gesagt, ein zweites Mal habe er keine Chance und habe den Beschwerdeführer unterstützt und nach Europa geschickt.
2. Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid vom 22.08.2018, zugestellt am 28.08.2018, wies die belangte Behörde den Antrag des Beschwerdeführers hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 AsylG 2005 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 (Spruchpunkt I.) sowie hinsichtlich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten § 8 Abs. 1 AsylG 2005 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 ab (Spruchpunkt II.), erteilte dem Beschwerdeführer keinen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG 2005 (Spruchpunkt III.), erließ gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG 2005 iVm § 9 BFA-VG eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG (Spruchpunkt IV.) und stellte gemäß § 52 Abs. 9 FPG fest, dass die Abschiebung des Beschwerdeführers gemäß § 46 FPG nach Afghanistan zulässig sei (Spruchpunkt V.). Die Frist für die freiwillige Ausreise gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG wurde mit zwei Wochen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung festgesetzt (Spruchpunkt VI.). Begründend führte die belangte Behörde aus, die Angaben zur behaupteten Verfolgung durch die Taliban seien widersprüchlich, nicht schlüssig und nicht nachvollziehbar. In der Erstbefragung habe der Beschwerdeführer andere Angaben gemacht, als in der Einvernahme. Es sei nicht glaubhaft, dass die Taliban den Beschwerdeführer über Jahre lediglich zur Mitarbeit aufgefordert hätten. Es sei auch nicht glaubhaft, dass ein zwölfjähriger Knabe wiederholt den Mut aufbringe, sich den Taliban zu widersetzen. Vater und Bruder würden unbehelligt im Herkunftsdorf leben. Wäre bereits der Onkel wegen dem Beschwerdeführer getötet worden, so hätten sich die Taliban mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit auch an Vater und Bruder gerächt. Eine Rückkehr nach Afghanistan sei zumutbar. Der Beschwerdeführer habe Angehörige in Afghanistan und könne auf deren Hilfe zurückgreifen.
3. Am 05.09.2018 langte die vollumfängliche Beschwerde des Beschwerdeführers gegen den oben dargestellten Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl bei der belangten Behörde ein in der im Wesentlichen ausgeführt wird, die Behörde habe es unterlassen, auf das individuelle Vorbringen einzugehen. Es liege asylrechtlich relevante Verfolgung vor. Die Berichte zur Provinz von den Jahren 2012 und 2013 würden mit den Angaben des Beschwerdeführers über eine Bedrohung der Taliban übereinstimmen. Kinder würden für Selbstmordanschläge eingesetzt und für Guerillakriege geschult, mittels Drohung oder durch Anwendung von List entführt, einer Gehirnwäsche unterzogen und in Stammesgebieten in Religionsschulen ausgebildet. Die Taliban und andere Terrorgruppen würden große Teile der Provinz Kapisa kontrollieren. Zwangsrekrutierung erfolge nicht nur, indem Taliban-Kämpfer die Kinder schnappen und mit vorgehaltener Waffe sagen, sie müssten für sie kämpfen. Die Akteure der Rekrutierung seien bereits präsent und würden die Minderjährigen überreden. Zuweilen würden Familien unter Druck gesetzt. Der Zwang bzw. Druck könne von einem Familienmitglied ausgehen, dass bereits bei den Taliban sei. Familien würden manchmal Geld erhalten, dass sich ihre Söhne den Taliban anschließen. Es gebe Druck und Zwang, die sei jedoch nicht immer mit Gewalt verbunden. Die Sicherheitslage sei schlecht, eine innerstaatliche Fluchtalternative sei nicht zumutbar, ein menschenwürdiges Leben nicht möglich. Ein Verfolgungsinteresse der Taliban bestehe landesweit. Rückkehrer aus dem westlichen Ausland seien besonders gefährdet, sie seien aufgrund fehlenden Ortskenntnissen und fehlender Vertrautheit mit den derzeitigen Lebensumständen in Afghanistan besonderer Gefahr ausgesetzt. Das Konzept einer „alleinstehenden Person“ sei nicht vorhanden.
Mit Ladung vom 15.10.2020 brachte das Bundesverwaltungsgericht aktuelle Länderberichte in das Verfahren ein.
Am 02.11.2020 führte das Bundesverwaltungsgericht zur Ermittlung des entscheidungswesentlichen Sachverhaltes eine öffentliche mündliche Verhandlung durch, an der der Beschwerdeführer, sein bevollmächtigter Rechtsvertreter und eine Dolmetscherin für die Sprache Paschtu teilnahmen. Die belangte Behörde verzichtete auf die Teilnahme.
In der mündlichen Verhandlung wurde der Beschwerdeführer zu seinen Fluchtgründen befragt und er hielt sein Vorbringen, er sei von den Taliban zur Zusammenarbeit aufgefordert und sein Onkel deshalb getötet worden, aufrecht.
Mit Schreiben vom 28.12.2020 und vom 12.02.2021 brachte das Bundesverwaltungsgericht nochmals aktuelle Länderberichte ein. Stellungnahmen des Beschwerdeführers hierzu langte am 19.01.2021 und am 26.02.2021 am Bundesverwaltungsgericht ein. Im Wesentlichen wird ausgeführt, der Beschwerdeführer werde verfolgt und sei ihm eine innerstaatliche Fluchtalternative aufgrund der derzeitigen Verschlechterungen im Zusammenhang mit der COVID-19-Pandemie nicht zumutbar.
Der Beschwerdeführer legte im Lauf des Verfahrens folgende Dokumente vor:
? Teilnahmebestätigungen für Deutschkurse und andere Bildungsangebote
? Empfehlungsschreiben
? Integrationsprüfungszeugnis A1
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1. Feststellungen:
1.1. Zu Person und Lebensumständen Beschwerdeführers
Der Beschwerdeführer trägt den im Spruch angeführten Namen, wurde spätestens am XXXX geboren und ist Staatsangehöriger der Islamischen Republik Afghanistan und Angehöriger der Volksgruppe der Paschtunen. Er bekennt sich zur sunnitischen Glaubensrichtung des Islam. Die Muttersprache des Beschwerdeführers ist Paschtu. Er spricht auch Deutsch auf dem Niveau A1 des gemeinsamen europäischen Referenzrahmens für Sprachen.
Der Beschwerdeführer ist gesund und in Österreich strafgerichtlich unbescholten.
Der Beschwerdeführer wurde in einem Dorf in der Provinz Kapisa, Distrikt Alasai geboren, wo er bis zu seiner Ausreise lebte. Der Beschwerdeführer hat keine Schule besucht und ab dem siebenten oder achten Lebensjahr als Hirte gearbeitet. Die Familie wurde vom Beschwerdeführer und seinem älteren Bruder versorgt. Die Familie verfügt auch über landwirtschaftliche Grundstücke.
Der Beschwerdeführer hat einen älteren und drei jüngere Brüder, sowie eine Halbschwester aus der ersten Ehe seines Vaters.
Im Jahr 2013 reiste der Beschwerdeführer mit seinem älteren Bruder in den Iran aus, wo er als Hilfsarbeiter auf Baustellen (Kranführer, Maurer) arbeitete. 2016 reiste der Beschwerdeführer nach Europa.
Der ältere Bruder des Beschwerdeführers und der älteste der jüngeren Brüder sind im Iran aufhältig, von wo aus sie die Familie unterstützen. Die übrige Familie des Beschwerdeführers ist im Herkunftsdorf aufhältig; es besteht Kontakt. Die Grundstücke der Familie werden von einem Bauern bewirtschaftet.
Auch ein Onkel mütterlicherseits ist im Iran aufhältig. Weitere Verwandte leben in der Provinz Kapisa.
Der Beschwerdeführer hält sich seit seiner Einreise im November 2017 durchgehend im Bundesgebiet auf. Er besucht seit 2018 regelmäßig Bildungsmaßnahmen im Rahmen von „ XXXX “ bei XXXX und hat die Integrationsprüfung für das Niveau A1 bestanden. Der Beschwerdeführer hat soziale Kontakte geknüpft und wird von seinen Kursleiterinnen als motivierter und respektvoller Schüler beschrieben. In seinem Grundversorgungsquartier bringt sich der Beschwerdeführer ehrenamtlich und sozial ein. In seiner Freizeit spielt er Fußball und Cricket und besucht ein Fitnessstudio. Der Beschwerdeführer bezieht Grundversorgung und ist nicht erwerbstätig.
1.2. Zu den Fluchtgründen des Beschwerdeführers
Dass die Taliban den Beschwerdeführer zur Mitarbeit zwingen wollten und seinen Onkel zunächst bedroht und schließlich ermordet haben, weil er eine Zusammenarbeit des Beschwerdeführers mit den Taliban nicht erlauben wollte, wird nicht festgestellt.
Der Beschwerdeführer wäre im Fall der Rückkehr in das Herkunftsdorf keinen Übergriffen durch die Taliban ausgesetzt, weil er sich der Zwangsrekrutierung entzogen hat.
Im Fall einer Rückkehr ist nicht zu erwarten, dass der Beschwerdeführer einer Zwangsrekrutierung durch die Taliban ausgesetzt wäre.
Männer, die aus westlichen Staaten zurückkehren, können mit Argwohn, Stigmatisierung oder Ablehnung konfrontiert werden. Teile der Gesellschaft, insbesondere in Städten wie beispielsweise Kabul, sind offen für westliche Sichtweisen, während andere Teile der Gesellschaft, insbesondere in ländlicher oder konservativer Umgebung, diese ablehnen.
Es kommt zu Angriffen Aufständischer auf Afghanen, die sich mit „westlichen“ Werten identifizieren, weil sie als unislamisch oder regierungsfreundlich wahrgenommen oder der Spionage bezichtigt werden könnten.
1. 3. Zur Rückkehr in den Herkunftsstaat
Afghanistan ist von einem innerstaatlichen bewaffneten Konflikt zwischen der afghanischen Regierung und Aufständischen betroffen. Die Betroffenheit von Kampfhandlungen sowie deren Auswirkungen für die Zivilbevölkerung sind regional unterschiedlich.
In der Provinz Kapisa sind die Taliban aktiv, es gibt Distrikte, die nicht vollständig unter der Kontrolle der Regierung stehen. Für die Provinz sind für das Jahr 2019 124 zivile Opfer (49 Tote und 75 Verletzte) verzeichnet, Hauptursachen dafür sind Kämpfe am Boden, gefolgt von improvisierten Sprengkörpern und Luftangriffen. Zuletzt kam es zu einer Zunahme ziviler Opfer. Die Taliban haben Sicherheitsposten der Regierung, Militärbasen und Dörfer sowie ein Distriktzentrum angegriffen. Es gab Luftangriffe und Drohnenschläge der US-amerikanische Streitkräfte. Außerdem sind am Straßenrand in der Provinz Sprengfallen explodiert.
Der Distrikt Alasai ist umkämpft. Im Distrikt Alasai kam es von 01.01. bis 30.09.2020 der Globalincidentmap zufolge zu vier sicherheitsrelevanten Vorfällen, nach ACLED kam es zu drei sicherheitsrelevanten Vorfällen mit mindestens einem Todesopfer, für das Jahr 2019 sind 13 Vorfälle nach der Glopalincidentmap und 9 nach ACLED verzeichnet.
Balkh zählte zuletzt zu den konfliktintensivsten Provinzen des Landes. Für die gesamte Provinz sind für das Jahr 2019 277 zivile Opfer (108 Tote und 169 Verletzte) verzeichnet, eine Steigerung von 22 % gegenüber 2018. Hauptursachen für die Opfer waren Bodenkämpfe, improvisierte Sprengkörper und gezielte Tötungen. Im Zeitraum 01.01. bis 30.09.2020 sind 553 zivile Opfer (198 Tote, 355 Verletzte) dokumentiert, was mehr als eine Verdopplung gegenüber derselben Periode im Vorjahr ist. Balkh ist ethnisch divers und wird unter anderem von Paschtunen bewohnt.
In Mazar-e Sharif kam es von 01.01. bis 30.09.2020 der Globalincidentmap zufolge zu einem sicherheitsrelevanten Vorfall, nach ACLED kam es zu neun sicherheitsrelevanten Vorfällen mit mindestens einem Todesopfer. Mazar-e Sharif gilt als vergleichsweise sicher und steht unter Regierungskontrolle. 2019 fanden beinahe monatlich kleinere Anschläge mit improvisierten Sprengkörpern statt. Deren Ziel waren oftmals Sicherheitskräfte, doch gab es auch zivile Opfer. Kriminalität stellt ein Problem dar, insbesondere bewaffnete Raubüberfälle. Im Dezember und März 2019 kam es in Mazar-e Sharif zudem zu Kämpfen zwischen Milizführern bzw. lokalen Machthabern und Regierungskräften. Mazar-e Sharif verfügt über einen internationalen Flughafen, für den keine Sicherheitsvorfälle verzeichnet sind.
Der durch die afghanische Regierung geleistete Menschenrechtsschutz ist trotz ihrer ausdrücklichen Verpflichtungen, nationale und internationale Menschenrechtsverpflichtungen einzuhalten, inkonsistent. Menschenrechtsverletzungen an der Zivilbevölkerung finden unabhängig von der tatsächlichen Kontrolle über das betreffende Gebiet durch den Staat und seine Vertreter, regierungsnahe Gruppen und regierungsfeindliche Gruppierungen statt. Straflosigkeit ist weit verbreitet. Besonders schwere Menschenrechtsverletzungen sind insbesondere in umkämpften Gebieten verbreitet. Das formale Justizsystem ist schwach ausgeprägt, Korruption, Drohungen, Befangenheit und politische Einflussnahme sind weit verbreitet, es mangelt an ausgebildetem Personal und Ressourcen. Die Sicherheitskräfte wenden unverhältnismäßige Gewalt an, Folter ist in Haftanstalten weit verbreitet.
Afghanistan ist eines der ärmsten Länder der Welt. Die Grundversorgung ist für große Teile der Bevölkerung eine tägliche Herausforderung, dies gilt in besonderem Maße für Rückkehrer. Diese bereits prekäre Lage hat sich seit März 2020 durch die Covid-19-Pandemie stetig weiter verschärft. In urbanen Gebieten leben rund 41,6 % unter der nationalen Armutsgrenze. Die afghanische Wirtschaft stützt sich hauptsächlich auf den informellen Sektor (einschließlich illegaler Aktivitäten), der 80 bis 90 % der gesamten Wirtschaftstätigkeit ausmacht und weitgehend das tatsächliche Einkommen der afghanischen Haushalte bestimmt. Das Wirtschaftswachstum konnte sich zuletzt aufgrund der besseren Witterungsbedingungen für die Landwirtschaft erholen und lag 2019 laut Weltbank-Schätzungen bei 2,9 %. Für 2020 geht die Weltbank Covid-19-bedingt von einer Rezession (bis zu – 8 % BIP) aus. 2016/2017 waren rund 45 % der Menschen von anhaltender oder vorrübergehender Lebensmittelunsicherheit betroffen.
Der Arbeitsmarkt ist durch eine niedrige Erwerbsquote, hohe Arbeitslosigkeit, sowie Unterbeschäftigung und prekäre Arbeitsverhältnisse charakterisiert. Die Arbeitslosenquote innerhalb der erwerbsfähigen Bevölkerung liegt auf hohem Niveau und dürfte wegen der Covid-19-Pandemie wieder steigen. Letzten Schätzungen zufolge sind 1,9 Millionen Afghan/innen arbeitslos. Bei der Arbeitssuche spielen persönliche Kontakte eine wichtige Rolle. Ohne Netzwerke, ist die Arbeitssuche schwierig. Arbeitgeber bewerten persönliche Beziehungen und Netzwerke höher als formelle Qualifikationen.
Finanzielle oder sonstige Unterstützung bei Arbeitslosigkeit existiert nicht. Ein Mangel an Bildung korreliert mit Armut, wobei ein niedriges Bildungsniveau und Analphabetismus immer noch weit verbreitet sind.
Mazar-e Sharif gilt als Industriezentrum mit großen Fertigungsbetrieben und einer Vielzahl von kleinen und mittleren Unternehmen, welche Kunsthandwerk und Teppiche anbieten. Die Arbeitsmarktsituation ist auch In Mazar-e Sharif eine der größten Herausforderungen. Auf Stellenausschreibungen melden sich innerhalb einer kurzen Zeitspanne sehr viele Bewerber und ohne Kontakte ist es schwer einen Arbeitsplatz zu finden. In den Distrikten ist die Anzahl der Arbeitslosen hoch. Die meisten Arbeitssuchenden begeben sich nach Mazar-e Sharif, um Arbeit zu finden. In Mazar-e Sharif stehen zahlreiche Wohnungen zur Verfügung. Auch eine Person, die in Mazar-e Sharif keine Familie hat, sollte in der Lage sein, dort Wohnraum zu finden. Des Weiteren gibt es in Mazar-e Sharif eine Anzahl von Hotels sowie Gast- oder Teehäusern, welche unter anderem von Tagelöhnern zur Übernachtung benutzt werden.
Die COVID-19-Krise führte in der ersten Hälfte des Jahres 2020 zu einem deutlichen Anstieg der Lebensmittelpreise. Die Preise scheinen seit April 2020, nach Verteilung von Weizen aus strategischen Getreidereserven, Durchsetzung von Anti-Preismanipulations-Regelungen und der Wiederöffnung der Grenzen für Lebensmittelimporte, wieder gesunken zu sein.
Der Finanzsektor in Afghanistan entwickelt sich, zur Eröffnung eines Bankkontos ist ein Ausweisdokument (Tazkira), zwei Passfotos und 1.000 bis 5.000 AFN als Mindestkapital erforderlich, zudem sind Überweisungen aus dem Ausland über das Hawala-System möglich.
Afghanistan ist von der COVID-Pandemie betroffen, die Zahl der Fälle geht seit Juni 2020 kontinuierlich zurück. Die Versorgung Erkrankter ist mangelhaft, es mangelt an Kapazitäten. Durch die COVID-19 Pandemie hat sich der allgemeine Zugang der Bevölkerung zu medizinischer Behandlung verringert.
Die Verfügbarkeit und Qualität der medizinischen Grundbehandlung ist durch Mangel an gut ausgebildeten Ärzten, Ärztinnen und Assistenzpersonal (v.a. Hebammen), mangelnde Verfügbarkeit von Medikamenten, schlechtes Management sowie schlechte Infrastruktur begrenzt. In großen Städten ist die medizinische Versorgung grundsätzlich sichergestellt.
Etwa 99% der afghanischen Bevölkerung sind Muslime. Die Sunniten werden auf 80 bis 89,7% der Gesamtbevölkerung geschätzt. Etwa 40 % der Gesamtbevölkerung sind Paschtunen, sie sind die größte Volksgruppe Afghanistans und sprechen Dari. Offizielle Landessprachen sind Dari und Paschtu.
Es gibt Unterstützung für Rückkehrer, etwa von UNHCR und IOM.
2. Beweiswürdigung:
2.1. Zu Person und Lebensumständen des Beschwerdeführers
Die Feststellungen zu Identität, Staatsangehörigkeit, Volksgruppen- und Religionszugehörigkeit und Muttersprache des Beschwerdeführers beruhen auf seine gleichbleibenden und plausiblen Angaben im Lauf des Verfahrens, die auch die belangte Behörde nicht substantiiert in Zweifel zog. Zu seinen Deutschkenntnissen hat der Beschwerdeführer sein Integrationsprüfungszeugnis für das Niveau A1 vorgelegt. Die Feststellung zum spätestmöglichen fiktiven Geburtsdatum beruht auf dem von der belangten Behörde in Auftrag gegebenen schlüssigen Sachverständigen Volljährigkeitsbeurteilung. Der Beschwerdeführer gab hierzu in der niederschriftlichen Einvernahme an, der Arzt habe festgestellt, dass er 17 sei und habe er auch angegeben, dass er 17 sei (AS 198). Dies scheint mit Blick darauf, dass der Beschwerdeführer in der Erstbefragung kaum den XXXX angegeben, sondern ein Alter genannt hat, aus dem das Geburtsjahr errechnet wurde, nachvollziehbar.
Dass der Beschwerdeführer gesund ist, beruht darauf, dass anderslautendes Vorbringen nicht erstattet und auch keine medizinischen Unterlagen vorgelegt wurden, die eine gesundheitliche Beeinträchtigung des Beschwerdeführers nachweisen würden. Dass der Beschwerdeführer unbescholten ist, beruht auf dem im Akt einliegenden aktuellen Auszug aus dem Strafregister.
Zu seinen Lebensverhältnissen und denen seiner Familie im Herkunftsstaat und im Iran hat der Beschwerdeführer gleichbleibende, plausible und konsistente Angaben gemacht. Angaben zum aktuellen Verbleib seiner Angehörigen hat der Beschwerdeführer in der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht am 05.11.2020 gemacht und auch bestätigt, dass Kontakt besteht (OZ 9, S. 5).
Das Antragsdatum ist aktenkundig, wobei Hinweise auf eine zwischenzeitige Ausreise nicht hervorgekommen sind. Zu den besuchten Bildungsmaßnahmen hat der Beschwerdeführer Bestätigungen vorgelegt (Beilagen zu OZ 9), ebenso sein Integrationsprüfungszeugnis. Seine sozialen Kontakte und Freizeitbeschäftigungen hat der Beschwerdeführer im Zuge der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht glaubhaft angegeben (OZ 9, S. 8 – 9). Von den Kursleiterinnen des Beschwerdeführers sind Empfehlungsschreiben aktenkundig, ebenso von der Leiterin seines Quartiers (Beilagen zu OZ 9). Dass der Beschwerdeführer Grundversorgung bezieht, beruht auf dem im Akt einliegenden aktuellen Speicherauszug aus Betreuungsinformationssystem. Erwerbstätigkeit wurde nicht behauptet.
2.2. Zu den Fluchtgründen des Beschwerdeführers
Das Bundesverwaltungsgericht teilt im Ergebnis die Einschätzung der belangten Behörde, der zufolge das Fluchtvorbringen nicht glaubhaft ist.
Zunächst ergibt sich zwar etwa aus den vom Bundesverwaltungsgericht mit Ladung vom 15.10.2020 (OZ 6) in das Verfahren eingebracht UNHCR Richtlinien zur Feststellung des internationalen Schutzbedarfs afghanischer Asylsuchender vom 30.08.2018 (in der Folge: UNHCR-Richtlinien), dass regierungsfeindliche Kräfte in Gebieten, in denen sie die tatsächliche Kontrolle über das Territorium und die Bevölkerung ausüben, verschiedene Methoden zur Rekrutierung von Kämpfern, einschließlich Maßnahmen unter Einsatz von Zwang nutzen. Personen, die sich der Rekrutierung widersetzen, seien ebenso wie ihre Familienmitglieder gefährdet, getötet oder bestraft zu werden. Auch Kinder würden rekrutiert (Abschnitt III. Internationaler Schutzbedarf, Kapitel A. Risikoprofile, Unterkapitel 3. Männer im wehrfähigen Alter und Kinder im Kontext der Minderjährigen- und Zwangsrekrutierung, Buchstabe a) Zwangsrekrutierung durch regierungsfeindliche Kräfte (AGEs), S. 59-60). Der in der Beschwerde zitierten ACCORD, Anfragebeantwortung zu Afghanistan: 1) Aktuelle Berichte über Zwangsrekrutierungen durch die Taliban in der Provinz Logar (Lugar); 2) Fälle von Zwangsrekrutierungen durch die Taliban in Afghanistan im Jahr 2014 [a-8939] von November 2014 lässt sich jedoch entnehmen, dass nach der Begriffsdefinition von UNHCR Zwangsrekrutierung nicht nur Situationen umfasst, in denen Einzelpersonen durch Androhung unmittelbarer Gewalt gezwungen werden, sich den Taliban anzuschließen, sondern UNHCR für eine weitere Definition der Zwangsrekrutierung im Sinne aller Fälle, in denen die Rekrutierung zumindest teilweise auf Angst, Einschüchterung, Stammesdruck oder anderen zwingenden Faktoren basieren, die es schwierig machen, klar zu unterscheiden, ob sich eine Person freiwillig den Taliban abgeschlossen hat oder zwangsrekrutiert worden ist. Zu den konkret angewandten Rekrutierungsmethoden enthalten die UNHCR-Richtlinien damit keine Aussage.
Der eben zitierten ACCORD-Anfragenbeantwortung lässt sich jedoch entnehmen, dass Aufständische den Jugendlichen verschiedene Anreize wie Autos, Geld und Waffen bieten und zunächst eine Beziehung zu den Jugendlichen aufbauen würde, die später ausgeweitet werde. Erst allmählich würden sie aufgefordert und motiviert, sich den Taliban anzuschließen. Auch berichtet wird, Kinder würden mit Versprechungen gelockt, etwa, dass ihre Familien Geld bekommen würden. Die ebenso in der Beschwerde zitierte ACCORD, Anfragebeantwortung zu Afghanistan: Provinz Kundus: In welcher Form wird von aktiven Taliban Druck auf Familienmitglieder ausgeübt, sich dem Kampf für die Sache der Taliban anzuschließen?; Gibt es Sanktionen gegen Personen, die sich weigern? [a-10242-3 (10244)] von 25.07.2017 berichtet, dass Zwangsrekrutierung nicht nur erfolge, indem Taliban-Kämpfer von auswärts zu einer Familie kämen, deren Kinder schnappen und ihnen mit vorgehaltener Waffe sagen würden, sie müssten für die Taliban kämpfen. Die Akteure der Rekrutierung seien vielmehr bereits präsent und den betreffenden Minderjährigen bekannt und sie würden sie dazu überreden, sich ihnen anzuschließen. Minderjährige würden allgemein nicht mittels Zwang rekrutiert, sondern ab einem frühen Alter indoktriniert und ließen sich leicht zum Kampf überreden. Damit lässt sich auf Grundlage der Länderberichte zwar nicht gänzlich ausschließen, dass der Beschwerdeführer – obgleich es sich hierbei nicht um die übliche Strategie der Taliban zur Rekrutierung Minderjähriger handelt – von den Taliban bedroht und in der Folge sein Onkel ermordet wurde, um den Beschwerdeführer zu zwingen, sich den Taliban anzuschließen. Es erscheint jedoch wenig wahrscheinlich und entspricht nicht den beschriebenen Methoden im Allgemeinen. Weiter führen die beiden zitierten Berichte konkret hinsichtlich der Herkunftsprovinz des Beschwerdeführers keine bekannten Fälle von Zwangsrekrutierung an.
Weiter geht aus den Länderberichten hervor, dass die Familienangehörigen des potentiellen Rekruten im Fall der Weigerung ebenso Übergriffen der Taliban ausgesetzt sind. Dies berichten sowohl die bereits zitierten UNHCR-Richtlinien, als auch die vom Bundesverwaltungsgericht mit Schreiben vom 12.02.2021 in das Verfahren eingebrachte EASO Country Guidance: Afghanistan von Dezember 2020 (in der Folge: EASO Country Guidance). Aus letzteren geht hervor, dass die Konsequenzen einer Weigerung generell ernst sind und Drohungen gegen die Familie, schwere Körperverletzung und Tötung umfassen (2.6 Persons fearing forced recruitment by armed groups, Buchstabe a. Forced recruitment by the Taliban, S. 64). Vor diesem Hintergrund scheint es wenig plausibel, dass die Taliban, nachdem sie ihrer Forderung einer Rekrutierung des Beschwerdeführers bereits durch die Ermordung des Onkels Nachdruck verliehen haben sollte, die Familie in der Folge im Wesentlichen unbehelligt gelassen haben sollen, obwohl der Beschwerdeführer auf die Ermordung des Onkels mit Flucht reagiert habe und sich der Zwangsrekrutierung damit weiterhin und endgültig entzogen haben soll. Der Beschwerdeführer gibt hierzu lediglich an, es gehe seinen Eltern gut, die Taliban würden immer wieder nach dem Beschwerdeführer Fragen, die Eltern hätten aber erzählt, der Beschwerdeführer sei seit dem Tod des Onkels unauffindbar. Dass sich die Taliban mit dieser Erklärung hinsichtlich des Verbleibes des damals erst zwölf- oder dreizehnjährigen Beschwerdeführers abspeisen und von weiterer Gewalt gegen die Familie abhalten lassen, aber drei Jahre später weiterhin wiederholt nach dem Beschwerdeführer fragen, erscheint vor dem Hintergrund der nach den Länderberichten zu erwartenden ernsten Konsequenzen unplausibel.
Weiter geht aus der vom Beschwerdeführer eingebrachten ACCORD, Anfragebeantwortung zu Afghanistan: Provinz Kundus: In welcher Form wird von aktiven Taliban Druck auf Familienmitglieder ausgeübt, sich dem Kampf für die Sache der Taliban anzuschließen?; Gibt es Sanktionen gegen Personen, die sich weigern? [a-10242-3 (10244)] vom 25.07.2017 hervor, dass die Entscheidung zur Mobilisierung von Kämpfern nicht von diesen selbst, sondern durch Familien- und Stammesoberhäupter, sowie Gemeindeführer getroffen würden, weswegen Afghanen nicht aus einem individuell-rechtlichen Denken heraus von „Zwangsrekrutierung“ sprechen würden. Auch das vom Bundesverwaltungsgericht mit Schreiben vom 28.12.2020 (OZ 11) in das Verfahren eingebrachte Länderinformationsblatt der Staatendokumentation: Afghanistan, Aktualisierung vom 16.12.2020 (in der Folge: Länderinformationsblatt) beschreibt die afghanische Gesellschaftsordnung als „patriachal“; die Entscheidungen würden von älteren Männern getroffen (Kapitel 19.2 Kinder). Dass die Taliban dem Vater des Beschwerdeführers als Familienoberhaupt glauben sollten, dass der zwölf- bis dreizehnjährige Beschwerdeführer entgegen jeder Tradition ohne Wissen und Unterstützung seines Vaters geflüchtet sei und der Vater nicht wissen soll, wo sich der Sohn aufhält, erscheint damit vor dem Hintergrund der gesellschaftlichen Gepflogenheiten ebenso nicht plausibel.
Das Bundesverwaltungsgericht übersieht auch nicht, dass der Beschwerdeführer im Zeitpunkt des behaupteten die Ausreise auslösenden Ereignisses erst zwölf oder 13 Jahre alt und damit minderjährig war. So bedarf es nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zur Berücksichtigung der Minderjährigkeit in der Beweiswürdigung einer besonders sorgfältigen Beurteilung der Art und Weise des erstatteten Vorbringens und ist die Dichte des Vorbringens nicht mit „normalen Maßstäben“ zu messen (VwGH 05.09.2018, Ra 2018/18/0150). Dass Bundesverwaltungsgericht kommt jedoch nicht aufgrund einer allenfalls mangelnden „Dichte“ des Vorbringens zu dem Schluss, dass die Schilderung des Beschwerdeführers nicht glaubhaft ist, sondern aufgrund deren Inkonsistenz vor dem Hintergrund der Länderberichte.
Weiter erweisen sich die Angaben des nunmehr volljährigen Beschwerdeführers, warum eine aktuelle Rückkehr nach Afghanistan nicht möglich sei, im Zuge der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht am 05.11.2020 als floskelhaft. So beschränkt er sich hinsichtlich seiner Person auf die allgemeinen, vagen Aussagen, es herrsche für ihn „Lebensgefahr“ und er habe „Angst um sein Leben“ und nimmt ansonsten lediglich nochmals Bezug darauf, dass seine Eltern behauptet hätten, sie wüssten nicht, wo er sei und würden als Lügner dastehen (OZ 9, S. 6). Dass dieser Aspekt des Fluchtvorbringens unter Berücksichtigung der gesellschaftlichen Gepflogenheiten in Afghanistan unplausibel ist, wurde bereits dargelegt. Insgesamt erweist sich das Fluchtvorbringen damit als nicht glaubhaft.
Im Hinblick auf eine allfällige Zwangsrekrutierung des Beschwerdeführers im Fall der Rückkehr ist auszuführen, dass sich aus der EASO Country Guidance für die aktuelle Vorgehensweise der Taliban ergibt, dass es diesen nicht an freiwilligen Kämpfern mangelt und sie lediglich in Ausnahmefällen, nämlich, wenn sie akut unter Druck stünden oder bei Personen mit militärischem „background“ auf Zwangsrekrutierung zurückgreifen würden (Kapitel 2.6 Persons fearing forced recruitment by armed groups, Buchstabe a., S. 64). Merkmale, die ihn für die Taliban besonders interessant machen würden, sind am Beschwerdeführer allerdings nicht ersichtlich, weswegen im Fall einer Rückkehr ins Herkunftsdorf nicht mit einer Zwangsrekrutierung seinerseits zu rechnen ist, obgleich die Präsenz der Taliban im Herkunftsdistrikt nach den Feststellungen unter 1.3. stark ist.
Die Feststellungen zur Situation von Rückkehrern aus westlichen Staaten beruhen auf der EASO Country Guidance, Abschnitt Common analysis: Afghanistan, Kapitel 2.13 Individuals perceived as ‘Westernised’, S. 80-82, die auch mit dem Länderinformationsblatt, Kapitel 24. Rückkehr, übereinstimmen und auch mit dem in der Beschwerde zitierten Gutachten, demzufolge Rückkehrer von sozialem Ausschluss betroffen sein können (AS 359-362).
2.3. Zur Rückkehr in den Herkunftsstaat
Die Feststellung zum innerstaatlichen bewaffneten Konflikt in Afghanistan beruht auf dem Länderinformationsblatt, der EASO Country Guidance und den UNHCR-Richtlinien.
Die Feststellungen zur Sicherheitslage in Kapisa (und Alasai) beruhen auf dem Länderinformationsblatt, Kapitel 5. Sicherheitslage, Unterkapitel 5.16 Kapisa, die sich mit den diesbezüglichen Informationen der EASO Country Guidance, Kapitel 3.3 Article 15(c) QD, Abschnitt Kapisa, S. 132-133, decken.
Die Feststellungen zur Sicherheitslage in Balkh und insbesondere Mazar-e Sharif beruhen auf dem Länderinformationsblatt, Kapitel 5. Sicherheitslage, Unterkapitel 5.5. Balkh. Die Feststellung zum Flughafen beruht ebenso auf dem Länderinformationsblatt, Kapitel 5. Sicherheitslage, Unterkapitel 5.35. Erreichbarkeit, Abschnitt Internationaler Flughafen Mazar-e Sharif. Die EASO Country Guidance bestätigt die Informationen des Länderinformationsblattes und berichtet hinsichtlich des Flughafens von Mazar-e Sharif, dass keine Sicherheitsvorfälle bekannt sind (Abschnitt Common analysis: Afghanistan, Kapitel 5. Internal protection, Abschnitt Safety, S. 164).
Die Feststellungen zur Menschenrechtslage beruhen auf den UNHCR-Richtlinien, Kapitel II. Überblick über die Situation in Afghanistan, Unterkapitel C. Die Menschenrechtssituation, S. 26 ff., sowie dem damit übereinstimmenden Länderinformationsblatt, Kapitel 6. Rechtsschutz/Justizwesen, 8. Folter und unmenschliche Behandlung und 12. Allgemeine Menschenrechtslage. Mangels konkreter Anhaltspunkte im Vorbringen des Beschwerdeführers wurden genauere Feststellungen zu den jeweiligen Themenkreisen nicht getroffen.
Die Feststellungen zur Wirtschaftslage beruhen auf dem Länderinformationsblatt, Kapitel 22. Grundversorgung. Dort finden sich auch Informationen zum Finanzsektor.
Die Feststellungen zur COVID-Pandemie beruhen auf dem Länderinformationsblatt, Kapitel 3. COVID-19, die Feststellungen zur medizinischen Grundversorgung beruhen auf dem Länderinformationsblatt, Kapitel 23 Medizinische Versorgung.
Die Feststellung zur Verbreitung der sunnitischen Glaubenszugehörigkeit in Afghanistan beruht auf dem Länderinformationsblatt, Kapitel 15. Religionsfreiheit. Die Feststellung zum Anteil der Paschtunen an der Gesamtbevölkerung beruhen auf dem Länderinformationsblatt, Kapitel 16.1. Paschtunen, zu den Landessprachen auf Kapitel 16. Relevante ethnische Minderheiten.
Die Feststellung zur Rückkehrunterstützung beruht auf dem Länderinformationsblatt, Kapitel 24. Rückkehr.
Zur Plausibilität und Seriosität der herangezogenen Länderinformationen zur Lage im Herkunftsstaat ist auszuführen, dass die im Länderinformationsblatt zitierten Unterlagen von angesehen Einrichtungen stammen. Es ist auch darauf hinzuweisen, dass die Staatendokumentation des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl nach § 5 Abs. 2 BFA-VG verpflichtet ist, gesammelte Tatsachen nach objektiven Kriterien wissenschaftlich aufzuarbeiten und in allgemeiner Form zu dokumentieren. Auch das European Asylum Support Office (EASO) ist nach Art. 4 lit. a Verordnung (EU) Nr. 439/2010 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 19. Mai 2010 zur Einrichtung eines Europäischen Unterstützungsbüros für Asylfragen bei seiner Berichterstattung über Herkunftsländer zur transparent und unparteiisch erfolgende Sammlung von relevanten, zuverlässigen, genauen und aktuellen Informationen verpflichtet. Damit durchlaufen die länderkundlichen Informationen, die diese Einrichtungen zur Verfügung stellen, einen qualitätssichernden Objektivierungsprozess für die Gewinnung von Informationen zur Lage im Herkunftsstaat. Den UNHCR-Richtlinien ist nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes besondere Beachtung zu schenken („Indizwirkung"), wobei diese Verpflichtung ihr Fundament auch im einschlägigen Unionsrecht findet (Art. 10 Abs. 3 lit. b der Richtlinie 2013/32/EU [Verfahrensrichtlinie] und Art. 8 Abs. 1 und 2 der Richtlinie 2011/95/EU [Statusrichtlinie]; VwGH 07.06.2019, Ra 2019/14/0114) und der Verwaltungsgerichtshof auch hinsichtlich der Einschätzung von EASO von einer besonderen Bedeutung ausgeht und eine Auseinandersetzung mit den „EASO-Richtlinien“ verlangt (VwGH 17.12.2019, Ra 2019/18/0405). Das Bundesverwaltungsgericht stützt sich daher auf die angeführten Länderberichte, wobei eine beweiswürdigende Auseinandersetzung im Detail oben erfolgt ist.
3. Rechtliche Beurteilung:
3.1. Zur Abweisung der Beschwerde hinsichtlich Spruchpunkt I. des angefochtenen Bescheides (Asyl)
Gemäß § 3 Abs. 1 Asylgesetz 2005 (in der Folge AsylG 2005) ist einem Fremden, der in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat der Status des Asylberechtigten zuzuerkennen, wenn glaubhaft ist, dass ihm im Herkunftsstaat Verfolgung im Sinne des Art. 1 Abschnitt A Z 2 Genfer Flüchtlingskonvention droht, dem Fremden keine innerstaatliche Fluchtalternative gemäß § 11 AsylG 2005 offen steht und dieser auch keinen Asylausschlussgrund gemäß § 6 AsylG 2005 gesetzt hat.
Verfolgung im Sinne des Art. 1 Abschnitt A Z 2 Genfer Flüchtlingskonvention droht einer Person, wenn sie sich aus wohlbegründeter Furcht, aus Gründen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder der politischen Gesinnung verfolgt zu werden, außerhalb des Herkunftsstaates befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, sich des Schutzes dieses Landes zu bedienen.
Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes kommt einer von Privatpersonen bzw. privaten Gruppierung ausgehenden, auf einem Konventionsgrund beruhenden Verfolgung Asylrelevanz zu, wenn der Staat nicht gewillt oder nicht in der Lage ist, diese Verfolgungshandlungen hintanzuhalten (VwGH 08.09.2015, Ra 2015/18/0010 mwN).
Nach der gefestigten Rechtsprechung des Verwaltungsgerichthofes reicht für die Annahme einer asylrechtlich relevanten Verfolgung aus Gründen der politischen Gesinnung aus, dass eine solche politische Gesinnung zumindest unterstellt wird (vgl. etwa VwGH 06.05.2004, 2002/20/0156).
3.1.1. Zur behaupteten Verfolgungsgefahr wegen Zwangsrekrutierung
Der Verwaltungsgerichtshof differenziert in ständiger Judikatur zwischen der per se nicht asylrelevanten Zwangsrekrutierung durch eine Bürgerkriegspartei von der Verfolgung, die an die tatsächliche oder unterstellte politische Gesinnung anknüpft, die in der Weigerung, sich den Rekrutierenden anzuschließen, gesehen wird. Auf das Auswahlkriterium für die Zwangsrekrutierung kommt es dabei nicht an. Entscheidend ist daher, mit welcher Reaktion durch die Milizen aufgrund einer Weigerung, sich dem Willen der Rekrutierenden zu beugen, gerechten werden muss und ob in ihrem Verhalten eine (unterstellte) politische oder religiöse oppositionelle Gesinnung erblickt wird (19.04.2016, VwGH Ra 2015/01/0079 mwN).
Wie festgestellt und beweiswürdigend ausgeführt konnte der Beschwerdeführer nicht glaubhaft machen, dass er bereits in der Vergangenheit von Zwangsrekrutierung betroffen war und ist nicht zu erwarten, dass ihm im Fall der Rückkehr ins Herkunftsdorf Übergriffe durch die Taliban drohen, weil er sich der Zwangsrekrutierung entzogen hat. Auch im Fall der Rückkehr ins Herkunftsdorf ist – wie festgestellt und beweiswürdigend ausgeführt – nicht zu erwarten, dass der Beschwerdeführer Zwangsrekrutierung durch die Taliban ausgesetzt wäre. Der Beschwerdeführer konnte daher nicht glaubhaft machen, dass ihm im Fall der Rückkehr Verfolgung im Sinne der oben zitierten Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes droht.
3.1.2. Zur Rückkehr aus dem westlichen Ausland
In der Beschwerde wird zudem unter Verweis auf Länderberichte vorgebracht, Rückkehrer aus dem westlichen Ausland seien eine besonders gefährdete Personengruppe und sei das Konzept der „alleinstehenden Person“ in der afghanischen Sozialordnung nicht vorgesehen (AS 359-361).
Dieses Vorbringen ist allerdings auf den Beschwerdeschriftsatz beschränkt, fand in den Angaben des Beschwerdeführers keinen Niederschlag und wird lediglich pauschal in Verweis auf diverse Länderberichte behauptet. Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes muss jedoch das Vorbringen des Asylwerbers, um eine maßgebliche Wahrscheinlichkeit und nicht nur eine entfernte Möglichkeit einer Verfolgung glaubhaft zu machen, eine entsprechende Konkretisierung aufweisen. Die allgemeine Behauptung von Verfolgungssituationen, wie sie in allgemein zugänglichen Quellen auffindbar sind, wird grundsätzlich zur Dartuung von selbst Erlebtem nicht genügen (VwGH 21.12.2020, Ra 2020/14/0445). Weiter ist gegenständlich nicht ersichtlich, dass der Beschwerdeführer nach dem Konzept der „alleinstehenden Person“ leben würde, nachdem er stets in Kontakt zu seiner Familie geblieben ist und diese auch vom Iran aus unterstützt hat.
EASO stellt für als „verwestlicht“ wahrgenommene Personen je nach Lage des Einzelfalles einen Konnex zu den GFK-Fluchtgründen der Religion, der (unterstellten) politischen Gesinnung, sowie der Zugehörigkeit zu einer sozialen Gruppe her und verneint ebenso eine generelle Verfolgungsgefahr für alle Rückkehrer aus dem westlichen Ausland (Abschnitt Common analysis: Afghanistan, Kapitel 2.13 Individuals perceived as ‘Westernised’, S. 81-82).
Allfällige risikobegründende individuelle Umstände waren gegenständlich nicht ersichtlich und wurden auch nicht konkret dargelegt. Ein Zutreffen der pauschalen Behauptungen der Beschwerde ist den Feststellungen jedoch nicht zu entnehmen.
So konnte lediglich festgestellt werden, dass Männer, die aus westlichen Staaten zurückkehren, mit Argwohn, Stigmatisierung oder Ablehnung konfrontiert werden können, wodurch die in der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes definierte Intensitätsschwelle (VwGH 14.08.2020, Ro 2020/14/0002) nicht erreicht wird. Im Hinblick auf Angriffe Aufständischer auf Afghanen, die sich mit „westlichen“ Werten identifizieren, ist anzumerken, dass sich Anhaltspunkte für eine Betroffenheit des Beschwerdeführers hiervon nicht ergeben haben. Auch hat der Beschwerdeführer eine Identifikation mit westlichen Werten im Zuge der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht nicht weiter konkretisiert.
Im Ergebnis war die Beschwerde hinsichtlich Spruchpunkt I. des angefochtenen Bescheides daher abzuweisen.
3.2. Zur Abweisung der Beschwerde hinsichtlich Spruchpunkt II. des angefochtenen Bescheides (Subsidiärer Schutz)
Gemäß § 8 Abs. 1 AsylG 2005 ist einem Fremden der Status des subsidiär Schutzberechtigten zuzuerkennen, wenn er in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, wenn dieser in Bezug auf die Zuerkennung des Status des Asylberechtigten abgewiesen wird, oder dem der Status des Asylberechtigten aberkannt worden ist, wenn eine Zurückweisung oder Zurückschiebung oder Abschiebung des Fremden in seinen Herkunftsstaat eine reale Gefahr einer Verletzung von Art. 2 EMRK, Art. 3 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention bedeuten würde oder für ihn als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes mit sich bringen würde.
Zwar widerspricht es nach der die Rechtsprechung des EuGH berücksichtigenden Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes der Statusrichtlinie, einem Fremden den Status des subsidiär Schutzberechtigten unabhängig von einer Verursachung durch Akteure oder eine Bedrohung in einem bewaffneten Konflikt im Herkunftsstaat zuzuerkennen (VwGH 06.11.2018, Ra 2018/01/0106). Nachdem aber eine mit der Statusrichtlinie im Einklang stehende Interpretation des § 8 Abs. 1 AsylG 2005 die Grenzen der Auslegung nach den innerstaatlichen Auslegungsregeln überschreiten und zu einer Auslegung contra legem führen würde, hielt der Verwaltungsgerichtshof an seiner Rechtsprechung fest, wonach eine reale Gefahr („real risk“) einer Verletzung von Art. 2 und 3 EMRK durch eine Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Fremden in seinen Herkunftsstaat – auch wenn diese Gefahr nicht durch das Verhalten eines Dritten (Akteurs) bzw. die Bedrohungen in einem bewaffneten Konflikt verursacht wird – die Zuerkennung subsidiären Schutzes nach § 8 Abs. 1 AsylG 2005 begründen kann (VwGH 21.05.2019, Ro 2019/19/0006).
Um von einer solchen realen Gefahr ausgehen zu können, reicht es nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht aus, wenn eine solche Gefahr bloß möglich ist. Es bedarf vielmehr einer darüberhinausgehenden Wahrscheinlichkeit, dass sich eine solche Gefahr verwirklichen wird (jüngst etwa VwGH 17.10.2019, Ra 2019/18/0372).
Im Hinblick auf das Vorliegen einer allgemein prekären Sicherheitslage ist nach der ständigen, auf die Rechtsprechung von EGMR und EuGH bezugnehmenden Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes, die Voraussetzung des „real risk“ iSd Art. 3 EMRK nur in sehr extremen Fällen erfüllt. In den übrigen Fällen bedarf es des Nachweises von besonderen Unterscheidungsmerkmalen, aufgrund derer sich die Situation des Betroffenen kritischer darstellt, als für die Bevölkerung im Herkunftsstaat im Allgemeinen (VwGH 12.12.2019, Ra 2019/01/0243).
3.2.1. Zu einer Rückkehr in die Herkunftsprovinz
Im Hinblick auf die Provinz Kapisa ist dem festgestellten Sachverhalt zu entnehmen, dass diese zwar von Sicherheitsvorfällen betroffen ist, sowie, dass es zuletzt zu einer Zunahme ziviler Opfer gekommen ist. Insbesondere gilt der Herkunftsdistrikt als umkämpft. Der Einschätzung der EASO Country Guidance zufolge ist das Gewaltniveau in der Provinz Kapisa nicht sehr hoch, weswegen höheres Augenmerk auf die individuellen Elemente zu richten ist und die bloße Anwesenheit in der Provinz noch nicht ausreicht, um vom reale Riko ernsthaften Schadens iSd Art. 15 lit. c Statusrichtlinie auszugehen (Abschnitt Common analysis: Afghanistan, 3.3 Article 15(c) QD, Abschnitt Kapisa, S. 133). Gegenständlich ist mit Blick auf die besondere Konfliktbetroffenheit des Herkunftsdistriktes, der als umkäpft gilt und damit in höherem Ausmaß von Sicherheitsvorfall betroffen ist, als die Provinz als Ganzes, davon auszugehen, dass dem Beschwerdeführer im Fall der Rückkehr in sein Herkunftsdorf die reale Gefahr einer Verletzung seiner durch Art. 2 oder 3 EMRK garantierten Rechte droht.
3.2.2. Zur Verfügbarkeit einer innerstaatlichen Fluchtalternative
Gemäß § 8 Abs. 3 AsylG 2005 sind Anträge auf internationalen Schutz bezüglich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten abzuweisen, wenn eine innerstaatliche Fluchtalternative offensteht.
Gemäß § 11 Abs. 1 AsylG 2005 ist der Antrag auf internationalen Schutz abzuweisen, wenn Asylwerbern in einem Teil ihres Herkunftsstaates vom Staat oder von sonstigen Akteuren, die den Herkunftsstaat oder einen wesentlichen Teil des Staatsgebietes beherrschen, Schutz gewährleistet werden und ihnen der Aufenthalt in diesem Teil des Staatsgebietes zugemutet werden kann.
Schutz ist gewährleistet, wenn in Bezug auf diesen Teil des Herkunftsstaates keine wohlbegründete Furcht nach Art. 1 Abschnitt A Z 2 Genfer Flüchtlingskonvention vorliegen kann und die Voraussetzungen zur Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten gemäß § 8 Abs. 1 AsylG in Bezug auf diesen Teil des Herkunftsstaates nicht gegeben sind.
Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes sind nach dem klaren Wortlaut des § 11 AsylG 2005 zwei getrennte und selbstständig zu prüfende Voraussetzungen der innerstaatlichen Fluchtalternative zu unterscheiden. Einerseits muss geprüft werden, ob in dem als innerstaatliche Fluchtalternative ins Auge gefasste Gebiet Schutz vor Bedingungen, die nach § 8 Abs. 1 AsylG 2005 die Gewährung von subsidiärem Schutz rechtfertigen würden, gegeben ist. Die zweite Voraussetzung für das Vorliegen einer innerstaatlichen Fluchtalternative bildet nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes die Frage, ob dem Asylwerber der Aufenthalt in diesem Gebiet zugemutet werden kann. Die Zumutbarkeit des Aufenthalts ist von der Frage der Schutzgewährung in diesem Gebiet zu trennen (VwGH 23.01.2018, Ra 2018/18/0001 mwN). Selbst wenn in dem betreffenden Gebiet also keine Verhältnisse herrschen, die die Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten rechtfertigen, wäre die innerstaatliche Fluchtalternative bei Unzumutbarkeit des Aufenthalts in diesem Gebiet zu verneinen.
Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes hat sich das Bundesverwaltungsgericht bei der Prüfung der Zumutbarkeit einer innerstaatlichen Fluchtalternative auch mit den UNHCR-Richtlinien und den Vorgaben der EASO Country Guidance Notes in adäquater Weise auseinanderzusetzen (VwGH 22.07.2020, Ra 2020/18/0090).
Wie festgestellt steht Mazar-e Sharif unter der Kontrolle der afghanischen Regierung und ist die Häufigkeit von Sicherheitsvorfällen relativ gering. Weiter ist die Stadt auch über ihren internationalen Flughafen erreichbar. Damit ist im Fall einer Niederlassung des Beschwerdeführers in Mazar-e Sharif ein aus der Sicherheitslage resultierende „reales risiko“ im Sinne der bereits oben zitierten Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes VwGH 23.01.2019, Ra 2018/14/0196). So geht auch EASO im Hinblick auf Mazar-e Sharif davon aus, dass das Gewaltniveau in Mazar-e Sharif so niedrig ist, dass ein „real risk“ für Zivilpersonen im Allgemeinen nicht besteht (EASO Country Guidance, Kapitel 3.3 Article 15(c) QD, Abschnitt Balkh, S. 119). Individuelle Elemente, die ein Abgehen von dieser generellen Einschätzung erforderlich machen würden, sind dagegen nicht ersichtlich und wurden auch nicht konkret dargelegt.
Auch bedarf es nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes im Zuge der Entscheidung über die Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten erforderlichen Beurteilung einer Auseinandersetzung mit der allgemeinen Menschenrechtslage im Zielstaat (VwGH 27.04.2020, Ra 2019/19/0455). Im Hinblick auf die Menschenrechtslage in Afghanistan ist auszuführen, dass der Beschwerdeführer keinerlei Vorbringen erstattete, dass seine konkrete und individuelle Betroffenheit wahrscheinlich erscheinen ließe.
Nach österreichischer Rechtslage (Vgl. nochmals VwGH 21.05.2019, Ro 2019/19/0006) ist zudem zu prüfen, ob dem Beschwerdeführer im Fall der Rückkehr unabhängig von Akteuren oder dem bewaffneten Konflikt eine reale Gefahr („real risk“) einer Verletzung von Art. 2 und 3 EMRK droht.
Nach der Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes, der auf die Entscheidungen des EGMR Bezug nimmt, hat ein Fremder im Allgemeinen kein Recht, in einem fremden Aufenthaltsstaat zu verbleiben, bloß um dort medizinisch behandelt zu werden, und zwar selbst dann nicht, wenn er an einer schweren Krankheit leidet oder selbstmordgefährdet ist. Dass die Behandlung im Zielland nicht gleichwertig, schwerer zugänglich oder kostenintensiver ist, ist unerheblich, solange es grundsätzlich Behandlungsmöglichkeiten im Zielstaat bzw. in einem bestimmten Teil des Zielstaates gibt. Nur bei Vorliegen außergewöhnlicher Umstände führt die Abschiebung zu einer Verletzung in Art. 3 EMRK. Solche liegen etwa vor, wenn ein lebensbedrohlich Erkrankter durch die Abschiebung einem realen Risiko ausgesetzt würde, unter qualvollen Umständen zu sterben (VfGH 06.03.2008, B2400/07 mwN).
Auch in der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist in Hinblick auf den anzuwendenden Prüfungsmaßstab des Art. 3 MRK anerkannt, dass es unter Berücksichtigung der Judikatur des EGMR Ausnahmefälle geben kann, in denen durch eine schwere Erkrankung bzw. einen fehlenden tatsächlichen Zugang zur erforderlichen Behandlung im Herkunftsstaat die Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten begründet wird (VwGH 21.05.2019, Ro 2019/19/0006).
Im Hinblick auf die Betroffenheit Afghanistans von der COVID-19-Pandemie ist anzumerken, dass der Beschwerdeführer gesund ist und konkrete Anhaltspunkte für eine zu erwartende Infektion des Beschwerdeführers mit einem in der Folge schweren Verlauf nicht ersichtlich sind. Dies liegt zwar im Bereich des Möglichen, nach der bereits oben zitierten Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes reicht die bloße Möglichkeit der Gefahr einer Verletzung der Art. 2 oder 3 EMRK garantierten Rechte jedoch nicht aus, es muss viel mehr eine darüberhinausgehende Wahrscheinlichkeit bestehen, dass sich eine solche Gefahr verwirklicht wird (VwGH 17.10.2019, Ra 2019/18/0372). Ansonsten ist im Hinblick auf den individuellen Gesundheitszustand des Beschwerdeführers spezifischer Behandlungsbedarf nicht ersichtlich und damit auch die reale Gefahr einer Verletzung des Art. 3 EMRK nicht zu erwarten.
Das Kriterium der Zumutbarkeit ist in unionsrechtskonformer Auslegung gleichbedeutend mit dem Erfordernis nach Art. 8 Abs. 1 Statusrichtlinie, nämlich, dass vom Asylwerber vernünftigerweise erwartet werden kann, sich im betreffenden Gebiet seines Herkunftslandes niederzulassen (VwGH 23.01.2018, Ra 2018/18/0001).
Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes muss es dem Asylwerber im Gebiet der innerstaatlichen Fluchtalternative nach allfälligen anfänglichen Schwierigkeiten möglich sein, Fuß zu fassen und dort ein Leben ohne unbillige Härten zu führen, wie es auch andere Landsleute führen können. Ob dies der Fall ist, erfordert eine Beurteilung der allgemeinen Gegebenheiten im Herkunftsstaat und der persönlichen Umstände des Asylwerbers. Es handelt sich letztlich um eine Entscheidung im Einzelfall, die auf der Grundlage ausreichender Feststellungen über die zu erwartende Lage des Asylwerbers in dem in Frage kommenden Gebiet sowie dessen sichere und legale Erreichbarkeit getroffen werden muss (Zuletzt VwGH 13.12.2018, Ra 2018/18/0533).
Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes reicht eine schwierige Lebenssituation bei der Arbeitsplatz- und Wohnraumsuche, sowie in wirtschaftlicher Hinsicht, die ein Fremder im Fall einer Rückkehr vorfinden würde, für sich betrachtet nicht aus, um die Verletzung des nach Art. 3 EMRK geschützten Rechts mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit annehmen zu können oder um die Zumutbarkeit der innerstaatlichen Fluchtalternative zu verneinen (VwGH 20.08.2020, Ra 2020/19/0239).
Maßgebliche Faktoren für die Zumutbarkeit der innerstaatlichen Fluchtalternative sind nach der Einschätzung von EASO und UNHCR im Hinblick auf die persönlichen Umstände Alter, Geschlecht, Gesundheitszustand, ethnischer und sprachlicher Hintergrund, Religion, das Vorhandensein von Identitätsdokumenten, Kenntnisse der lokalen Gegebenheiten, sozialer und ökonomischer Hintergrund, Bildungshintergrund, Zugang zu einem sozialen Unterstützungsnetzwerk und Religion (EASO Country Guidance, Abschnitt Common analysis: Afghanistan, Kapitel 5. Internal protection alternative, Abschnitt Reasonableness to settle, insbesondere S. 172 ff. und UNHCR-Richtlinien, Kapitel III. Internationaler Schutzbedarf, Unterkapitel C. Interne Flucht-, Neuansiedlungs- oder Schutzalternative, Unterkapitel 2. Analyse der Zumutbarkeit, Buchstabe a) Die persönlichen Umstände des Antragstellers, S. 122).
EASO führt zudem konkrete Personenprofile samt Schlussfolgerungen an, wobei gegenständlich das Profil des „Single able-bodied men“ (EASO Country Guidance, Abschnitt Common analysis: Afghanistan, Kapitel 5. Internal protection alternative, Abschnitt Reasonableness to settle, S. 135 ff., Unterabschnitt Conclusions on reasonableness: particular profiles encountered in practice, S. 174) in Betracht kommt. Diesem zufolge ist, auch wenn eine Ansiedelung in Mazar-e Sharif mit Schwierigkeiten verbunden ist, davon auszugehen, dass diese für alleinstehende, leistungsfähige Männer unter Berücksichtigung von deren individuellen Umständen im Allgemeinen zumutbar ist.
Beim Beschwerdeführer handelt es sich um einen arbeitsfähigen Mann, er ist nicht verheiratet und hat weder Kinder noch sonstige Sorgepflichten. Zudem ist der Beschwerdeführer gesund, war drei Jahre im Iran auf Baustellen tätig und hat im Bundesgebiet zwei Jahre lang Bildungsmaßnahmen wahrgenommen und hierdurch zweifellos nützliche Kompetenzen erlangt. Weiter hat der Beschwerdeführer die ersten 13 Jahre seines Lebens in Afghanistan verbracht, stand stets in Kontakt zu seinen dort verbliebenen Angehörigen und ist damit mit den Gepflogenheiten und Traditionen des Herkunftsstaates vertraut. Er spricht mit Paschtu eine im Herkunftsstaat verbreitete Sprache und gehört als Paschtune zur größten Volksgruppe, die auch in Balkh präsent ist, wobei der Einschätzung von EASO zufolge der sprachliche bzw. ethnische Hintergrund im Fall einer Niederlassung in Mazar-e Sharif keinen relevanten Faktor darstellt, solange der Betroffene Dari oder Pashtu spricht (EASO Country Guidance, Abschnitt Common analysis: Afghanistan, Kapitel V. Internal protection alternative, Abschnitt Reasonableness to settle, Unterabschnitt Individual circumstances, S. 135-136). Weiter gehört der Beschwerdeführer als sunnitischer Muslim zur im Herkunftsstaat größten Glaubensgemeinschaft. Der Beschwerdeführer verfügt mit seiner Kernfamilie, zu der er in Kontakt steht, auch über sozialen Rückhalt im Herkunftsstaat und kann auf die anfängliche finanzielle Unterstützung seiner beiden im Iran aufhältigen Brüder zurückgreifen, oder Rückkehrhilfe in Anspruch nehmen. Soweit in der Beschwerde vorgebracht wird, das Konzept der „alleinstehenden Person“ sei in Afghanistan nicht vorhanden und führe zu Hürden beim Zugang zu sozialen Netzwerken (AS 359-361), wird angemerkt, dass eine Identifikation des Beschwerdeführers mit dem Konzept der „alleinstehenden Person“ nicht behauptet wurde. Weiter hat der Beschwerdeführer selbst hierzu keinerlei Äußerungen getätigt, steht nach wie vor in Kontakt mit seiner Familie und hat diese auch vom Iran aus unterstützt. Inwiefern es ihm daher an genereller sozialer Einbettung in Afghanistan fehlt, sodass der Beschwerdeführer als „alleinstehend“ zu betrachten wäre, ist nicht ersichtlich. Dieses Netzwerk des Beschwerdeführers ist zwar nicht in Mazar-e Sharif verortet. UNHCR geht im allerdings einerseits davon aus, dass alleinstehende, leistungsfähige Männer die Ausnahme vom Erfordernis der externen Unterstützung ohne spezifische Gefährdungsfaktoren bilden und unter bestimmten Umständen ohne Unterstützung von Familie und Gemeinschaft in städtischen oder halbstädtischen Gebieten leben können, die die notwendige Infrastruktur, sowie Lebensgrundlage zur Sicherung der Grundversorgung bieten und unter der tatsächlichen Kontrolle des Staates stehen (UNHCR-Richtlinien, Abschnitt III. Internationaler Schutzbedarf, Kapitel C. Interne Flucht-, Neuansiedelungs- oder Schutzalternative, Unterkapitel 2. Analyse der Zumutbarkeit, S. 125). Diese Umstände liegen hinsichtlich Mazar-e Sharif grundsätzlich vor.
Im Hinblick auf die jüngste Verschlechterung der Situation infolge der COVID-19-Pandemie hat der Verwaltungsgerichtshof zudem jüngst wiederholt ausgesprochen, dass die infolge der zur Pandemiebekämpfung gesetzten Maßnahmen die Wiedereingliederung wegen schlechter wirtschaftliche Aussichten schwieriger als vor deren Beginn darstellen mögen. Hierauf komme es jedoch insofern nicht an, solange diese Maßnahmen nicht dazu führen, dass die Sicherung der existenziellen Grundbedürfnisse nicht mehr als gegen anzunehmen wären (jüngst etwa VwGH 09.11.2020, Ra 2020/20/0373). Anhaltspunkte für einen Zusammenbruch der Grundversorgung haben sich jedoch trotz einer Verschärfung der Arbeitsmarktsituation und einer Verschärfung der Armut im Allgemeinen nicht ergeben. Diese Umstände finden zudem auch in der aktuellen EASO Country Guidance bereits Berücksichtigung. Spezifische Vulnerabilitäten oder Gefährdungsfaktoren, die eine besondere Betroffenheit des Beschwerdeführers erwarten lassen, sind allerdings – wie bereits ausgeführt – nicht ersichtlich. Insgesamt erweist sich eine innerstaatliche Fluchtalternative in Mazar-e Sharif für den Beschwerdeführer als zumutba