TE Bvwg Erkenntnis 2021/4/30 W211 2182225-2

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Veröffentlicht am 30.04.2021
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Entscheidungsdatum

30.04.2021

Norm

AsylG 2005 §3 Abs1
AsylG 2005 §57
AsylG 2005 §8 Abs1
AVG §68 Abs1
BFA-VG §17 Abs1
B-VG Art133 Abs4
VwGVG §28 Abs1
VwGVG §28 Abs2

Spruch


W211 2182225-2/7E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch die Richterin Mag.a SIMMA als Einzelrichterin über die Beschwerde von XXXX alias XXXX , geboren am XXXX alias XXXX , StA. Iran, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom XXXX , Zl. XXXX , zu Recht:

A)

I. Der Antrag auf Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung wird zurückgewiesen.

II. Die Beschwerde wird gemäß § 28 Abs. 1 und 2 VwGVG als unbegründet abgewiesen.

B)

Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.


Text


Entscheidungsgründe:

I. Verfahrensgang:

1. Der Beschwerdeführer, ein Staatsangehöriger des Iran, stellte am XXXX .2015 seinen ersten Antrag auf internationalen Schutz in Österreich. Im Rahmen seiner Erstbefragung gab er gegenüber den Organen des öffentlichen Sicherheitsdienstes an, er sei vor einem Jahr zum Christentum konvertiert, wovon die Regierung erfahren habe.

Bei seiner Einvernahme durch die belangte Behörde wiederholte der Beschwerdeführer im Wesentlichen sein Vorbringen. Er gab weiter an, demnächst eine Lymphknotenoperation zu haben, die er im Iran aus Kostengründen nicht durchgeführt habe. Zwischenzeitlich sei er von der XXXX Gemeinde protestantisch getauft. Als Kurde habe er im Iran viele Problemen gehabt, man habe ihn zwei Monate ins Gefängnis gesteckt und gefoltert. Danach habe man ihn gehen lassen. Nunmehr würde im Iran nach ihm gesucht werden.

Mit Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom XXXX 2017 wurde der Antrag auf internationalen Schutz bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG abgewiesen und der Antrag auf internationalen Schutz hinsichtlich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Iran gemäß § 8 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG abgewiesen. Ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigenden Gründen wurde nicht erteilt. Gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG iVm § 9 BFA-VG wurde gegen den Beschwerdeführer eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG erlassen. Es wurde gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass die Abschiebung des Beschwerdeführers gemäß § 46 FPG nach Iran zulässig ist. Die Frist für die freiwillige Ausreise wurde gemäß § 55 Abs. 1 - 3 FPG mit 14 Tagen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung festgesetzt.

Gegen diesen Bescheid wurde eine Beschwerde eingebracht.

Das Bundesverwaltungsgericht (BVwG) führte am XXXX 2018 eine mündliche Beschwerdeverhandlung durch.

Mit am XXXX .2018 schriftlich ausgefertigtem Erkenntnis zur GZ L519 2182225-1/11E wurde die Beschwerde gegen den Bescheid vom XXXX .2017 als unbegründet abgewiesen. Das BVwG führte soweit wesentlich aus, dass nicht festgestellt werden könne, dass der Beschwerdeführer tatsächlich aus innerer Überzeugung zum Christentum konvertiert sei. Der Beschwerdeführer sei am XXXX .2015 von den Baptisten getauft worden. Er sei ein lediger, junger, gesunder, arbeitsfähiger Mann mit einer im Iran, wenn auch auf niedrigerem Niveau als in Österreich, gesicherten Existenzgrundlage. Er stamme aus der Region XXXX , habe acht Jahre die Grundschule besucht und zuletzt als Taxifahrer gearbeitet. Er spreche kurdisch und farsi. Im Iran würden noch seine Mutter, drei Geschwister sowie Onkel und Tanten leben. Der Beschwerdeführer habe in Österreich keine familiären oder relevanten privaten Anknüpfungspunkte; er beziehe Leistungen aus der Grundversorgung und sei strafgerichtlich unbescholten.

Beweiswürdigend führte das BVwG zusammengefasst aus, dass sich im Verfahren hinsichtlich des Vorbringens des Beschwerdeführers Widersprüche ergeben hätten, insbesondere zu seinem Aufenthalt im Iran kurz vor seiner Ausreise und zu seinem Reisepass. Zu seinen Fluchtgründen habe der Beschwerdeführer nur vage und nicht nachvollziehbare Vorbringen erstattet, insbesondere dadurch, dass er angeführt habe, von einem Taxikunden, den er nur ein oder zweimal chauffiert habe, über das Christentum erfahren zu haben. Er habe auch die Filme, die sein Interesse am Christentum geweckt haben sollen, kaum beschreiben können. Den Fragen nach einem Schlüsselerlebnis für die Konversion und nach dem Ursprung seines Interesses am Christentum sei er ausgewichen. Auch seine Hinwendung in Österreich sei nur oberflächlich gewesen, wenn der Beschwerdeführer zB keine Angaben darüber hätte machen können, warum er sich seine nunmehrige Glaubensgemeinschaft ausgesucht habe und was Inhalt eines Kurses über die Glaubenslehre gewesen sein soll. Bei den Wissensfragen zu seiner Religion habe der Beschwerdeführer gröbste Lücken aufgewiesen.

2. Mit Bescheid vom XXXX .2018 erteilte das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl einen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen nicht und erließ eine Rückkehrentscheidung gemäß § 10 Abs. 2 AsylG iVm § 9 BFA-VG und § 52 Abs. 1 Z 1 FPG. Es wurde festgestellt, dass gemäß § 52 Abs. 9 FPG eine Abschiebung in den Iran zulässig ist. Gemäß § 53 Abs. 1 iVm Abs. 2 FPG wurde gegen den Beschwerdeführer ein auf die Dauer von vier Jahren befristetes Einreiseverbot erlassen, und schließlich eine Frist für die freiwillige Ausreise von 14 Tagen ab Rechtskraft festgelegt.

3. Der Beschwerdeführer stellte am XXXX .2018 einen neuerlichen – den gegenständlichen - Antrag auf internationalen Schutz in Österreich. Bei seiner Erstbefragung am selben Tag gab er zusammengefasst an, dass er sich vom XXXX .10. bis XXXX .11. in der Schweiz aufgehalten habe. Nachgefragt nach den Gründen für seine neuerliche Antragstellung gab der Beschwerdeführer an, dass seine Gründe aus dem Jahr 2015 nach wie vor aufrecht seien. Er sei in Österreich zum Christentum konvertiert. Die österreichischen Behörden hätten ihn aber in den Iran zurückbringen wollen. Er sei daraufhin in die Schweiz gereist und wieder zurückgebracht worden. Andere Gründe habe er nicht. Diese Gründe seien ihm seit seiner Flucht bekannt.

Am XXXX .2019 fand eine Einvernahme bei der belangten Behörde statt, in deren Rahmen der Beschwerdeführer soweit wesentlich angab, Kurde zu sein und aus XXXX zu stammen. Er sei ledig und habe keine Kinder. Er sei im Iran selbständig gewesen, habe am Markt gearbeitet und auch bei einem Zustelldienst. Er habe neun Jahre die Schule besucht und einen Hauptschulabschluss. In Österreich habe er keine Verwandten; im Iran würden noch seine Mutter und ein Bruder leben. Seit zwei Monaten habe er keinen Kontakt mehr zu seinen Familienangehörigen, weil er ihre Nummer nicht mehr habe. Auf die Frage, warum ein zweiter Antrag gestellt wurde, gab er an, dass ihm nach der zweiten negativen Entscheidung die Verfahrenskarte entzogen und er aus der Grundversorgung abgemeldet worden sei. Er sei dann auf der Straße gewesen, weswegen er in die Schweiz gegangen sei. Er sei rücküberstellt worden. Er könne nicht zurück in den Iran, weil dort sein Leben in Gefahr sei. Die alten Fluchtgründe seien noch immer aufrecht: Er sei einmal von zwei Personen in Teheran aufgehalten worden. Er habe nach ihren Dienstausweisen gefragt, worauf die beiden Personen aggressiv geworden seien und ihn mitgenommen hätten. Er sei auf eine Polizeidienststelle gebracht und geschlagen worden. Er sei daraufhin zwei Monate im Gefängnis gewesen. Er habe nicht herausfinden können, wieso er eingesperrt worden sei. Dieser Vorfall habe sich ca. sieben oder acht Monate vor seiner Einreise in Österreich ereignet. Es habe auch andere Zwischenfälle mit der Polizei gegeben, bei denen er Bestechungsgelder bezahlt habe. Diese seien aber kein Grund für die Ausreise gewesen. Außerdem hasse er den muslimischen Glauben und wolle nicht in einem muslimischen Land leben. Er sei Christ. Der christliche Glaube müsse vom Herzen kommen. Im Iran habe er Filme gesehen, die ihn bewogen hätten, Christ zu werden. Jeden Sonntag besuche er eine Kirche und bete zu Gott. Jesus Christus habe ihm immer geholfen. Er besuche die XXXX -Kirche, eine protestantische Kirche in Wien. Seit der rechtskräftigen Entscheidung im Vorverfahren habe sich nichts Wesentliches geändert. Im Falle einer Rückkehr fürchte der Beschwerdeführer, vernichtet zu werden. Seine vier Cousins, die beim Militär seien, wüssten, dass er konvertiert sei. Die Familie wisse von der Konversion seit 2016. Seine Mutter und sein Bruder hätten mit seiner Konversion kein Problem gehabt.

Mit dem angefochtenen Bescheid wurde der Antrag auf internationalen Schutz vom XXXX .2018 hinsichtlich des Status des Asylberechtigten (Spruchpunkt I.) und hinsichtlich des Status des subsidiär Schutzberechtigten (Spruchpunkt II.) gemäß § 68 Abs. 1 AVG wegen entschiedener Sache zurückgewiesen. Ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigenden Gründen wurde nicht erteilt (Spruchpunkt III.).

Die Behörde stellte zusammengefasst fest, dass der Beschwerdeführer im neuerlichen Asylverfahren keine entscheidungsrelevanten Gründe vorgebracht habe bzw. sich kein neuer objektiver Sachverhalt ergeben habe. Beweiswürdigend führte die belangte Behörde soweit wesentlich aus, dass sich der Beschwerdeführer bei den Gründen für die neuerliche Antragstellung auf die alten Gründe aus 2015 bezogen habe.

Am XXXX .2019 wurde eine Beschwerde gegen den Bescheid eingebracht und zusammengefasst vorgebracht, dass eine Rückkehr in den Iran aufgrund der vorgebrachten Gründe nicht möglich sei. Die belangte Behörde habe den Fluchtgrund des Beschwerdeführers mit dem Argument, darüber sei schon entschieden worden, abgetan und es unterlassen zu begründen, warum derselbe Sachverhalt wie im Vorverfahren vorliegen solle. Im Iran herrsche eine stark eingeschränkte Religionsfreiheit; Missionierung sei mit der Todesstrafe bedroht. Die Behörde sei zu Unrecht davon ausgegangen, dass es sich beim Vorbringen des Beschwerdeführers um eine entschiedene Sache handle. Es werde außerdem die Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung beantragt.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

1.1. Der Beschwerdeführer stellte am XXXX .2015 einen ersten Antrag auf internationalen Schutz, wobei eine Beschwerde gegen einen abweisenden Bescheid der belangten Behörde vom BVwG mit Erkenntnis vom XXXX .2018 (schriftliche Ausfertigung) abgewiesen wurde. Am XXXX 2018 stellte der Beschwerdeführer einen neuerlichen, den gegenständlichen, Antrag auf internationalen Schutz.

1.2. Der Beschwerdeführer stammt aus XXXX im Iran, besuchte dort neun Jahre lang die Schule und arbeitete unter anderem am Markt und bei einem Zustelldienst. Im Iran leben seine Mutter und ein Bruder des Beschwerdeführers, sowie weitere Verwandte. Der Beschwerdeführer verlor den Kontakt zu seinen Verwandten, weil er zwischendurch kein Handy hatte und daher auch keine Nummer von ihnen. Der Kontakt brach aus keinem anderen Grund ab.

Der Beschwerdeführer genoss damit im Iran eine Grundschulbildung, sammelte bereits Arbeitserfahrung und ist grundsätzlich in der Lage, sich seinen Lebensunterhalt durch Arbeit selbst zu erwirtschaften.

1.3. Der Beschwerdeführer ist gesund.

1.4. Der Beschwerdeführer spricht und versteht etwas Deutsch; er besuchte in Österreich eine christliche Gemeinde in Wien. Entsprechende Integrationserfolge seinerseits lagen bereits dem Erkenntnis des BVwG vom XXXX .2018 zugrunde.

Der Beschwerdeführer reiste im XXXX 2018 in die Schweiz und wurde von dort im XXXX 2018 nach Österreich rücküberstellt. Am XXXX .2019 wurde er aus den Niederlanden rücküberstellt. Seit XXXX .2020 ist der Beschwerdeführer in Österreich nicht mehr gemeldet und bezieht auch keine Leistungen aus der Grundversorgung.

Der Beschwerdeführer ist strafgerichtlich unbescholten.

1.5. Die Beschwerde gegen die Abweisung des ersten Antrags des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz in Österreich wurde mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom XXXX .2018 (schriftliche Ausfertigung) abgewiesen. Das Ermittlungsverfahren aufgrund des Folgeantrags vom XXXX .2018 ergab, dass keine neuen Fluchtgründe vorgebracht wurden, und sich die individuelle Situation für den Beschwerdeführer hinsichtlich des Herkunftsstaates Iran nicht in einem Umfang verändert hat, dass von einer wesentlichen Änderung des Sachverhalts, der einer Anwendung des § 68 AVG entgegenstünde, auszugehen ist. Mit Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom XXXX .2019 wurde der Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz daher zu Recht gemäß § 68 Abs. 1 AVG wegen entschiedener Sache zurückgewiesen.

1.6. Die Situation im Iran hat sich seit dem Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom XXXX .2018 nicht wesentlich geändert und wird dazu festgestellt wie folgt (vgl. die Feststellungen dazu im angefochtenen Bescheid):

Religionsfreiheit: In Iran leben ca. 82 Millionen Menschen, von denen ungefähr 99% dem Islam angehören. Etwa 90% der Bevölkerung sind Schiiten, ca. 9% sind Sunniten und der Rest verteilt sich auf Christen, Juden, Zoroastrier, Baha‘i, Sufis, Ahl-e Haqq und nicht weiter spezifizierte religiöse Gruppierungen (BFA Analyse 23.5.2018). Der Islam schiitischer Prägung ist im Iran Staatsreligion. Gleichwohl dürfen die in Art. 13 der iranischen Verfassung anerkannten „Buchreligionen“ (Christen, Juden, Zoroastrier) ihren Glauben im Land relativ frei ausüben. In Fragen des Ehe- und Familienrechts genießen sie verfassungsrechtlich Autonomie. Jegliche Missionstätigkeit kann jedoch als „mohareb“ (Krieg gegen Gott) verfolgt und mit dem Tod bestraft werden. Auch unterliegen Vertreter religiöser Minderheiten Beschränkungen beim Zugang zu höheren Staatsämtern. Nichtmuslime sehen sich darüber hinaus im Familien- und Erbrecht nachteiliger Behandlung ausgesetzt, sobald ein Muslim Teil der relevanten Personengruppe ist (AA 2.3.2018, vgl. ÖB Teheran 9.2017).

Anerkannte religiöse Minderheiten – Zoroastrier, Juden, (v.a. armenische und assyrische) Christen – werden diskriminiert, nicht anerkannte nicht-schiitische Gruppen – Bahá‘í, konvertierte evangelikale Christen, Sufi (Derwisch-Orden), Atheisten – werden in unterschiedlichem Grad verfolgt. Sunniten werden v.a. beim beruflichen Aufstieg im öffentlichen Dienst diskriminiert. Vertreter von anerkannten religiösen Minderheiten betonen immer wieder, wenig oder kaum Repressalien ausgesetzt zu sein. Sie sind in ihrer Religionsausübung – im Vergleich mit anderen Ländern der Region – nur relativ geringen Einschränkungen unterworfen (religiöse Aktivitäten sind nur in den jeweiligen Gotteshäusern und Gemeindezentren erlaubt; christliche Gottesdienste in Farsi sowie missionarische Tätigkeiten sind generell verboten). Darüber hinaus haben sie gewisse anerkannte Minderheitenrechte, etwa – unabhängig von ihrer zahlenmäßigen Stärke – eigene Vertreter im Parlament sowie das Recht auf Alkoholkonsum bei religiösen Riten und im Privatbereich, wenn keine Moslems anwesend sind. Es gibt Berichte von gesellschaftlicher Diskriminierung von Bahai aufgrund ihrer Religion. Dennoch geht die Verfolgung hauptsächlich von staatlichen Akteuren aus. Der Auswanderungsdruck ist auf Grund der für alle Iraner geringeren wirtschaftlichen Perspektiven auch bei den Angehörigen der anerkannten religiösen Minderheiten weiterhin groß (ÖB Teheran 9.2017).

Das Recht auf Religions- und Glaubensfreiheit wird sowohl durch Gesetze als auch im täglichen Leben systematisch verletzt. Die Behörden zwangen weiterhin Personen aller Glaubensrichtungen einen Kodex für Verhalten in der Öffentlichkeit auf, der auf einer strikten Auslegung des schiitischen Islams gründete. Muslime, die keine Schiiten waren, durften weder für das Amt des Präsidenten kandidieren noch andere hochrangige politische Ämter bekleiden. Das Recht, eine Religion zu wechseln oder aufzugeben, wurde weiterhin verletzt. Personen, die zum Christentum übergetreten waren, erhielten hohe Gefängnisstrafen, die in einigen Fällen von zehn bis 15 Jahren reichten. Es gab weiterhin Razzien in Hauskirchen. Personen, die sich zum Atheismus bekannten, konnten jederzeit willkürlich festgenommen, inhaftiert, gefoltert und anderweitig misshandelt werden. Sie liefen Gefahr, wegen "Apostasie" (Abfall vom Glauben) zum Tode verurteilt zu werden (AI 22.2.2018).

Anerkannten ethnischen Gemeinden ist es verboten, Christen mit muslimischem Hintergrund zu unterstützen. Gottesdienste in der Landessprache Persisch sind in Iran verboten, ebenso die Verbreitung christlicher Schriften. Teilweise werden einzelne Gemeindemitglieder vorgeladen und befragt. Unter besonderer Beobachtung stehen insbesondere auch hauskirchliche Vereinigungen, deren Versammlungen regelmäßig aufgelöst und deren Angehörige gelegentlich festgenommen werden. Muslimische Konvertiten und Mitglieder protestantischer Freikirchen sind demgegenüber willkürlichen Verhaftungen und Schikanen ausgesetzt (AA 2.3.2018).

Auch die Aussagen und Ansichten von schiitischen Geistlichen werden beobachtet. Schiitische Religionsführer, die die Politik der Regierung oder des Obersten Führers Khamenei nicht unterstützen, können sich auch Einschüchterungen und Repressionen bis hin zu Haftstrafen gegenübersehen (US DOS 15.8.2018).

Laut der in den USA ansässigen NGO „United for Iran“ waren 2016 198 Gefangene wegen „Feindschaft gegen Gott“, 31 wegen „Beleidigung des Islam“ und 12 wegen „Korruption auf Erden“ inhaftiert (US DOS 15.8.2017).

Quellen:

- AA – Auswärtiges Amt (2.3.2018): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der

Islamischen Republik Iran

- AI – Amnesty International (22.2.2018): Amnesty International Report 2017/18 - The State of the World's Human Rights – Iran, https://www.ecoi.net/de/dokument/1425078.html, Zugriff 21.3.2018

- BFA Analyse (23.5.2018): Iran – Situation armenischer Christen, https://www.ecoi.net/en/file/local/1431384/5818_1525418941_iran-analyse-situation-armenischer-christen-2018-05-03-ke.pdf, Zugriff 29.5.2018

- ÖB Teheran (9.2017): Asylländerbericht

- US DOS - US Department of State (15.8.2017): 2016 Report on International Religious Freedom – Iran, https://www.ecoi.net/de/dokument/1406998.html, Zugriff 28.5.2018

Christen: Glaubwürdige Schätzungen sprechen von 100.000 bis 300.000 Christen in Iran, von denen der Großteil den armenischen Christen angehört. Diese leben hauptsächlich in Teheran und Isfahan. Die armenischen Christen gehören zu den anerkannten religiösen Minderheiten, die in der Verfassung genannt werden. Ihnen stehen zwei der 290 Sitze im iranischen Parlament zu. Laut den konsultierten Quellen können armenische Christen – solange sie sich an die Gesetze der Islamischen Republik Iran halten – ihren Glauben relativ frei ausüben. Es gibt Kirchen, die auch von außen als solche erkennbar sind. Sie haben das Recht, religiöse Riten und Zeremonien abzuhalten, Ehen nach den eigenen religiösen Gesetzen zu schließen und auch Privatschulen zu betreiben. Persönliche Angelegenheiten und religiöse Erziehung können dem eigenen religiösen Kanon nach geregelt werden. Es gibt aber auch Einschränkungen, mit denen auch anerkannte religiöse Minderheiten zu leben haben, beispielsweise Nachteile bei der Arbeitssuche, islamische Bekleidungsvorschriften und Benachteiligungen insbesondere im Familien- und Erbrecht. Eine wichtige Einschränkung ist das Proselytismusverbot, das für alle religiösen Minderheiten gilt. Missionierung kann im Extremfall mit dem Tod bestraft werden (BFA Analyse 23.5.2018). Nicht einmal Zeugen Jehovas missionieren in Iran (DIS/DRC 23.2.2018).

Das Christentum in Iran kann in ethnische und nicht-ethnische Christen unterteilt werden. Die Mehrheit der iranischen Christen ist den ethnischen Christen zuzuordnen und bezieht sich auf armenische und assyrische (oder auch chaldäische) Christen, die eine lange Geschichte in Iran vorweisen können und ihre eigenen linguistischen und kulturellen Traditionen besitzen. Die nicht-ethnischen Christen gehören hauptsächlich der katholischen und protestantischen Kirche an und haben ihren Ursprung in der Zeit des Schah-Regimes. Grundrechtlich besteht „Kultusfreiheit“ innerhalb der Mauern der Gemeindezentren und der – auch von außen als solche klar erkennbaren – Kirchen. Jedoch haben Nichtmuslime keine Religionsfreiheit in der Öffentlichkeit, weder Freiheit der Meinungsäußerung noch Versammlungsfreiheit (Proselytismusverbot). Jegliche missionarische Tätigkeit inklusive des öffentlichen Verkaufs von werbenden Publikationen und der Anwerbung Andersgläubiger ist verboten und wird streng bestraft. Das Strafgesetz sieht für Proselytismus die Todesstrafe vor. Infolge des Proselytismusverbots wird gegen evangelikale Gruppen („Hauskirchen“) oft hart vorgegangen (Verhaftungen, Beschlagnahmungen, vor ein paar Jahren auch angeblich vollstreckte Todesurteile). Autochthone Kirchen halten sich aus unterschiedlichen Gründen penibel an das Verbot. Mitglieder mancher Glaubensgemeinschaften sind angewiesen, Mitgliedskarten mit sich zu tragen, die von Behördenvertretern außerhalb von Gottesdiensten kontrolliert werden (ÖB Teheran 9.2017).

Da Konversion vom Islam zu einer anderen Religion verboten ist, erkennt die Regierung nur armenische oder assyrische Christen an [abgesehen von Juden und Zoroastriern], da diese Gruppen schon vor dem Islam im Land waren, bzw. es sich um Staatsbürger handelt, die beweisen können, dass ihre Familien schon vor 1979 [Islamische Revolution] Christen waren. Sabäer-Mandäer werden auch als Christen geführt, obwohl sie sich selbst nicht als Christen bezeichnen. Staatsbürger, die nicht den Armeniern, Assyrern oder Sabäer-Mandäern angehören, oder den Juden oder Zoroastriern, oder die beweisen können, dass ihre Familien schon vor der Islamischen Revolution Christen waren, werden als Muslime angesehen. Mitglieder der anerkannten Minderheiten müssen sich registrieren lassen (US DOS 15.8.2017).

Laut der Gefangenenliste von Open Doors mit Stand September 2017 befanden sich 56 Christen in Haft, fünf wurden freigelassen, 13 wurden auf Kaution freigelassen und zehn mit dem Verbot das Land zu verlassen freigelassen (Open Doors 2017).

Quellen:

- BFA Analyse (23.5.2018): Iran – Situation armenischer Christen, https://www.ecoi.net/en/file/local/1431384/5818_1525418941_iran-analyse-situation-armenischer-christen-2018-05-03-ke.pdf, Zugriff 29.5.2018

- DIS/DRC – Danish Immigration Service/Danish Refugee Council (23.2.2018): IRAN - House Churches and Converts. Joint report from the Danish Immigration Service and the Danish Refugee Council based on interviews in Tehran, Iran, Ankara, Turkey and London, United Kingdom, 9 September to 16 September 2017 and 2 October to 3 October 2017, https://www.ecoi.net/en/file/local/1426255/1788_1520517773_house-churches-and-converts.pdf, Zugriff 5.6.2018

- ÖB Teheran (9.2017): Asylländerbericht

- Open Doors (9.2017): Gefangenenliste 2017, https://www.opendoors.at/sites/default/files/gefangenenliste_september_2017.pdf, Zugriff 29.5.2018

- US DOS - US Department of State (15.8.2017): 2016 Report on International Religious Freedom Iran, https://www.ecoi.net/de/dokument/1406998.html, Zugriff 28.5.2018

Apostasie, Konversion zum Christentum, Proselytismus, Hauskirchen: Apostasie (d.h. Abtrünnigkeit vom Islam) ist in Iran verboten und mit langen Haftstrafen (bis hin zur Todesstrafe) bedroht. Im iranischen Strafgesetzbuch ist der Tatbestand zwar nicht definiert, die Verfassung sieht aber vor, dass die Gerichte in Abwesenheit einer definitiven Regelung entsprechend der islamischen Jurisprudenz zu entscheiden haben. Dabei folgen die Richter im Regelfall einer sehr strengen Auslegung auf Basis der Ansicht von konservativen Geistlichen wie Staatsgründer Ayatollah Khomenei, der für die Abkehr vom Islam die Todesstrafe verlangte. Konvertierte werden jedoch zumeist nicht wegen Apostasie bestraft, sondern aufgrund anderer Delikte, wie zum Beispiel „moharebeh“ („Waffenaufnahme gegen Gott“), „mofsid-fil-arz/fisad-al-arz“ („Verdorbenheit auf Erden“), oder „Handlungen gegen die nationale Sicherheit“. In der Praxis sind Verurteilungen wegen Apostasie selten, bei keiner der Hinrichtungen in den letzten Jahren gibt es Hinweise darauf, dass Apostasie einer bzw. der eigentliche Verurteilungsgrund war. Hingegen wurden im Jahr 2016 25 Sunniten (davon 22 Kurden) u.a. wegen „moharebeh“ exekutiert (ÖB Teheran 9.2017). Christliche Konvertiten werden normalerweise nicht wegen Apostasie bestraft, sondern Fälle von Konversion werden als Angelegenheiten der nationalen Sicherheit angesehen und diese werden vor den Revolutionsgerichten verhandelt. Konversion wird als politische Aktivität angesehen. Die Todesstrafe ist bei Fällen, die mit Konversion zusammenhängen keine geläufige Bestrafung. Die Todesstrafe wird hauptsächlich bei Drogendelikten und Morden angewandt und seltener bei politischen „high-profile“ Fällen. Für Konversion wurde in den letzten zehn Jahren keine Todesstrafe ausgesprochen. Allein wegen Konversion werden keine Gerichtsverfahren geführt (DIS/DRC 23.2.2018). Nach anderen Quellen wurden im Jahr 2017 gegen mehrere christliche Konvertiten hohe Haftstrafen verhängt [Anmerkung der Staatendokumentation: Verurteilungsgrund unklar] (AA 2.3.2018, vgl. AI 22.2.2018).

Missionstätigkeit unter Muslimen kann eine Anklage wegen Apostasie und Sanktionen bis zur Todesstrafe nach sich ziehen. Muslime dürfen daher nicht an Gottesdiensten anderer Religionen teilnehmen. Oftmals lautet die Anklage jedoch auf „Gefährdung der nationalen Sicherheit“, „Organisation von Hauskirchen“ und „Beleidigung des Heiligen“, um die Anwendung des Scharia-Rechts und damit die Todesstrafe wegen Apostasie zu vermeiden. Trotz des Verbots nimmt die Konversion zum sunnitischen Islam und zum Christentum weiter zu. Unter den Christen in Iran stellen Konvertiten aus dem Islam mit schätzungsweise mehreren Hunderttausend inzwischen die größte Gruppe dar, noch vor den Angehörigen traditioneller Kirchen (AA 2.3.2018). Die Regierung schränkt die Veröffentlichung von religiösem Material ein, und christliche Bibeln werden häufig konfisziert. Verlage werden unter Druck gesetzt, Bibeln oder nicht genehmigtes nicht-muslimisches Material nicht zu drucken (US DOS 15.8.2018).

In Iran Konvertierte nehmen von öffentlichen Bezeugungen ihrer Konversion naturgemäß Abstand, behalten ihren muslimischen Namen und treten in Schulen, Universitäten und am Arbeitsplatz als Muslime auf. Wer zum Islam zurückkehrt, tut dies ohne besondere religiöse Zeremonie, um Aufsehen zu vermeiden. Es genügt, wenn die betreffende Person glaubhaft versichert, weiterhin oder wieder dem islamischen Glauben zu folgen. Es gibt hier für den Rückkehrer bestimmte religiöse Formeln, die dem Beitritt zum Islam ähneln bzw. nahezu identisch sind (ÖB Teheran 9.2017).

Kirchenvertreter sind angehalten, die Behörden zu informieren, bevor sie neue Mitglieder in ihre Glaubensgemeinschaft aufnehmen. Es kann zumindest nicht ausgeschlossen werden, dass auch ein im Ausland Konvertierter in Iran wegen Apostasie verfolgt wird. Einige Geistliche, die in der Vergangenheit in Iran verfolgt oder ermordet wurden, waren im Ausland zum Christentum konvertiert. Die Tragweite der Konsequenzen für jene Christen, die im Ausland konvertiert sind und nach Iran zurückkehren, hängt von der religiösen und konservativen Einstellung ihres Umfeldes ab (ÖB Teheran 9.2017). Jedoch wird von familiärer Ausgrenzung berichtet, sowie von Problemen, sich in der islamischen Struktur des Staates zurechtzufinden (z.B. Eheschließung, soziales Leben). In Familien eines öffentlich Bediensteten oder eines Polizisten wird die Konversion eines Familienmitgliedes jedoch als heikler eingeschätzt, wobei es sein kann, dass der oder die Konvertierte aus der Familie verbannt oder sogar den Behörden gemeldet wird, um die Arbeit des Amtsträgers nicht zu beeinträchtigen (ÖB Teheran 9.2017, vgl. DIS/DRC 23.2.2018).

Keine besonderen Bestimmungen gibt es zur Konversion von einer nicht-islamischen zu einer anderen nicht-islamischen Religion, da diese nicht als Apostasie gilt (ÖB Teheran 9.2017).

Die Schließungen der „Assembly of God“ Kirchen im Jahr 2013 führten zu einer Ausbreitung der Hauskirchen. Es gibt viele Hauskirchen in Iran und ihre Anzahl steigt. Dieser Anstieg an Hauskirchen zeigt, dass sie – obwohl sie verboten sind – trotzdem die Möglichkeit haben, zu agieren. Obwohl die Behörden die Ausbreitung der Hauskirchen fürchten, ist es schwierig, diese zu kontrollieren, da sie verstreut, unstrukturiert und ihre Örtlichkeiten meist nicht bekannt sind. Nichtsdestotrotz werden sie teils überwacht. Die Behörden nutzen Informanten, die die Hauskirchen infiltrieren, deshalb organisieren sich die Hauskirchen in kleinen und mobilen Gruppen. Wenn Behörden Informationen bezüglich einer Hauskirche bekommen, wird ein Überwachungsprozess in Gang gesetzt. Es ist eher unwahrscheinlich, dass die Behörden sofort reagieren, da man zuerst Informationen über die Mitglieder sammeln und wissen will, wer was in der Gemeinschaft macht. Ob die Behörden eingreifen, hängt von den Aktivitäten und der Größe der Hauskirche ab. Die Überwachung von Telekommunikation, Social Media und Online-Aktivitäten ist weit verbreitet. Es kann jedoch nicht klargestellt werden, wie hoch die Kapazitäten zur Überwachung sind. Die Behörden können nicht jeden zu jeder Zeit überwachen, haben aber eine Atmosphäre geschaffen, in der die Bürger von einer ständigen Beobachtung ausgehen (DIS/DRC 23.2.2018). In den letzten Jahren gab es mehrere Razzien in Hauskirchen und Anführer und Mitglieder wurden verhaftet (FH 1.2018). Eine Hauskirche kann beispielsweise durch Nachbarn aufgedeckt werden, die abnormale Aktivitäten um ein Haus bemerken und dies den Behörden melden. Ansonsten haben die Behörden eigentlich keine Möglichkeit eine Hauskirche zu entdecken, da die Mitglieder in der Regel sehr diskret sind (DIS/DRC 23.2.2018).

Organisatoren von Hauskirchen können sich dem Risiko ausgesetzt sehen, wegen „Verbrechen gegen Gott“ angeklagt zu werden, worauf die Todesstrafe steht. Es ist aber kein Fall bekannt, bei dem diese Beschuldigung auch tatsächlich zu einer Exekution geführt hätte. In Bezug auf die Strafverfolgung von Mitgliedern von Hauskirchen besagte eine Quelle, dass eher nur die Anführer von Hauskirchen gerichtlich verfolgt würden, während eine andere Quelle meint, dass auch „low-profile“ Mitglieder davon betroffen sein können. Manchmal werden inhaftierte Anführer von Hauskirchen oder Mitglieder auf Kaution entlassen, und wenn es ein prominenter Fall ist, werden diese Personen von den Behörden gedrängt, das Land zu verlassen. Primär zielen die Behörden auf Anführer der Hauskirchen ab, dann erst auf Mitglieder. Es gibt aber auch Quellen, die besagen, dass auch auf Mitglieder abgezielt wird. Ein Hauskirchenmitglied, das zum ersten Mal festgenommen wird, wird aber normalerweise nach 24 Stunden wieder freigelassen. Die typische Vorgehensweise gegen eine Hauskirche ist, dass der Anführer der Hauskirche verhaftet und wieder freigelassen wird, um die Gemeinschaft anzugreifen und zu schwächen. Es gibt auch für normale Mitglieder das Risiko verhaftet zu werden, allerdings werden diese wieder freigelassen mit der Bedingung, dass sie sich vom Missionieren fernhalten. Wenn sie das Missionieren stoppen, werden die Behörden i.d.R. aufhören, Informationen über sie zu sammeln. Es soll auch die Möglichkeit geben, sich den Weg aus der Haft zu erkaufen. Ob ein Mitglied einer Hauskirche im Visier der Behörden ist, hängt auch von seinen durchgeführten Aktivitäten und ob er/sie auch im Ausland bekannt ist, ab. Normale Mitglieder von Hauskirchen riskieren, zu regelmäßigen Befragungen vorgeladen zu werden, da die Behörden diese Personen schikanieren und einschüchtern wollen. Eine Konversion und ein anonymes Leben als konvertierter Christ allein führen nicht zu einer Verhaftung, wenn der Konversion aber andere Aktivitäten nachfolgen, wie zum Beispiel Missionierung oder andere Personen im Glauben zu unterrichten, dann kann dies zu einem Problem werden. Wenn ein Konvertit nicht missioniert oder eine Hauskirche bewirbt, werden die Behörden i.d.R. nicht über ihn Bescheid wissen (DIS/DRC 23.2.2018).

Konvertierte Rückkehrer, die keine Aktivitäten in Bezug auf das Christentum setzen, werden für die Behörden nicht von Interesse sein. Wenn ein Konvertit schon vor seiner Ausreise den Behörden bekannt war, könnte dies anders sein. Wenn er den Behörden nicht bekannt war, dann wäre eine Rückkehr nach Iran kein Problem. Konvertiten, die ihre Konversion aber öffentlich machen, können sich Problemen gegenübersehen. Wenn ein zurückgekehrter Konvertit sehr freimütig über seine Konversion in den Social Media-Kanälen, einschließlich Facebook berichtet, können die Behörden auf ihn aufmerksam werden und ihn bei der Rückkehr verhaften und befragen. Der weitere Vorgang würde davon abhängen, was der Konvertit den Behörden erzählt. Wenn der Konvertit kein „high-profile“-Fall ist und nicht missionarisch tätig ist bzw. keine anderen Aktivitäten setzt, die als Bedrohung der nationalen Sicherheit angesehen werden, wird der Konvertit wohl keine harsche Strafe bekommen. Eine Bekanntgabe der Konversion auf Facebook allein, würde nicht zu einer Verfolgung führen, aber es kann durchaus dazu führen, dass man beobachtet wird. Ein gepostetes Foto im Internet kann von den Behörden ausgewertet werden, gemeinsam mit einem Profil und den Aktivitäten der konvertierten Person. Wenn die Person vor dem Verlassen des Landes keine Verbindung mit dem Christentum hatte, würde er/sie nicht verfolgt werden. Wenn eine konvertierte Person die Religion in politischer Weise heranzieht, um zum Beispiel Nachteile des Islam mit Vorteilen des Christentums auf sozialen Netzwerken zu vergleichen, kann das zu einem Problem werden (DIS/DRC 23.2.2018).

Ob eine Taufe für die iranischen Behörden Bedeutung hat, kann nicht zweifelsfrei gesagt werden. Während Amnesty International und eine anonyme Quelle vor Ort aussagen, dass eine Taufe keine Bedeutung habe, ist sich ein Ausländer mit Kontakt zu Christen in Iran unsicher, ob eine Taufe Auswirkungen hat; Middle East Concern, eine Organisation, die sich um die Bedürfnisse von Christen im Mittleren Osten und Nordafrika kümmert, ist der Meinung, dass eine dokumentierte Taufe die Behörden alarmieren und problematisch sein könnte (DIS/DRC 23.2.2018).

Quellen:

- AA – Auswärtiges Amt (2.3.2018): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der

Islamischen Republik Iran

- AI – Amnesty International (22.2.2018): Amnesty International Report 2017/18 - The State of the World's Human Rights – Iran, https://www.ecoi.net/de/dokument/1425078.html, Zugriff 5.6.2018

- DIS/DRC - The Danish Immigration Service/Danish Refugee Councile (23.2.2018): IRAN - House Churches and Converts. Joint report from the Danish Immigration Service and the Danish Refugee Council based on interviews in Tehran, Iran, Ankara, Turkey and London, United Kingdom, 9 September to 16 September 2017 and 2 October to 3 October 2017, https://www.ecoi.net/en/file/local/1426255/1788_1520517773_house-churches-and-converts.pdf, Zugriff 5.6.2018

- ÖB Teheran (9.2017): Asylländerbericht

- US DOS - US Department of State (15.8.2017): 2016 Report on International Religious Freedom Iran, https://www.ecoi.net/de/dokument/1406998.html, Zugriff 28.5.2018

Kurden: Die Kurden (überwiegend Sunniten) sind hinsichtlich ihrer kulturellen Eigenständigkeit staatlicher Diskriminierung ausgesetzt. Dennoch werden sie in größerer Zahl in hohe Ämter der Provinzverwaltungen und zunehmend auch in der Ministerialbürokratie berufen (so wurde 2018 erstmals eine kurdischstämmige Frau Vize-Innenministerin). In der Verfassung vorgesehener Schulunterricht sowie Studiengänge in kurdischer Sprache sind seit dem Erlass von Rohani im Jahr 2016 rechtlich möglich. Es ist jedoch nicht nachprüfbar, in welchem Umfang Unterricht an Schulen und Universitäten tatsächlich angeboten wird, da er nicht aktiv vom iranischen Staat gefördert wird. Der iranische Staatsrundfunk sendet stundenweise kurdischsprachige Sendungen auf dem Regionalsender IRIB Kurdistan (AA 2.3.2018). Die Regierung schränkte kulturelle und politische Aktivitäten der Kurden ein (HRW 18.1.2018). Problematisch sind vor allem kulturelle Aktivitäten, die politisch werden (DIS/DRC 23.2.2018).

Seit dem Unabhängigkeitsreferendum der irakischen Kurden im September 2017 wurde die Präsenz von Militär und Revolutionsgarden deutlich erhöht (AA 2.3.2018, vgl. DIS/DRC 23.2.2018). Das Erdbeben von Kermanshah im November 2017, dessen Auswirkungen fast ausschließlich in den von Kurden bewohnten Gebieten zu spüren sind, hat die Präsenz der Sicherheitskräfte noch verfestigt, ca. 5.800 Freiwillige der Revolutionsgarden sollen bis zum Ende der Aufräumarbeiten vor Ort bleiben (AA 2.3.2018). Im September 2017 war die Polizei in der gesamten Provinz Kurdistan sehr stark präsent, als Angehörige der kurdischen Minderheit Kundgebungen abhielten, um das Unabhängigkeitsreferendum der Kurden im Nordirak zu unterstützen. Dabei wurden Berichten zufolge über ein Dutzend Personen festgenommen (AI 22.2.2018). In der iranischen Provinz Kurdistan gibt es auch militärische und geheimdienstliche Präsenz, die nicht immer sichtbar ist. Die Überwachung in diesem Gebiet ist nicht systematisch, aber strukturiert und auch nicht zufällig, sondern gezielt (DIS/DRC 23.2.2018).

Kurdischen Aktivisten werden in vielen Fällen von der Zentralregierung separatistische Tendenzen vorgeworfen und diese entsprechend geahndet (AA 2.3.2018). Unter den politisch Verfolgten sind daher verhältnismäßig viele Kurden. Auffallend sind die häufigen Verurteilungen im Zusammenhang mit Terrorvorwürfen – insbesondere die Unterstützung der als Terrororganisation geltenden PJAK (partiya jiyana azad a kurdistane, „Partei für ein freies Leben in Kurdistan“, Schwesterorganisation der PKK in Iran) – und die oftmals unverhältnismäßig hohen Strafausmaße. Zusammenstöße zwischen Kurden und iranischen Sicherheitskräften, welche insbesondere im zweiten Quartal 2016 zunahmen und, neben hunderten Festnahmen, auch zu Toten und Verletzten führten, nähren Befürchtungen, dass Kurden zukünftig vermehrt Repressalien ausgesetzt sein könnten, nicht zuletzt um Sympathiebekundungen mit den Unabhängigkeitsbestrebungen der irakischen Kurden hinten anzuhalten. Hier gilt es jedoch anzumerken, dass von kurdischer Seite Gewalttätigkeiten gegen iranische Sicherheitskräfte zunehmen. So bestätigte etwa die Demokratische Partei Kurdistans in Iran [KDPI] im September 2016, dass die Peschmerga, Streitkräfte der Autonomen Region Kurdistan, einen bewaffneten Konflikt mit iranischen Regierungstruppen in den kurdischen Gebieten Irans begonnen hätten (ÖB Teheran 9.2017, vgl. DIS/DRC 23.2.2018). KDPI, Komala und PJAK sind im Untergrund aktiv. Dies sind politische Gruppierungen, aber vor allem PJAK und Komala erscheinen momentan weniger aktiv (DIS/DRC 23.2.2018).

Quellen:

- AA – Auswärtiges Amt (2.3.2018): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der

Islamischen Republik Iran

- AI – Amnesty International (22.2.2018): Amnesty International Report 2017/18 - The State of the World's Human Rights – Iran, https://www.ecoi.net/de/dokument/1425078.html, Zugriff 6.6.2018

- DIS/DRC - The Danish Immigration Service/Danish Refugee Council (23.2.2018): Iran: Issues concerning persons of ethnic minorities, including Kurds and Ahwazi Arabs, https://www.ecoi.net/en/file/local/1426253/1788_1520517984_issues-concerning-persons-of-ethnic-minorities-including-kurds-and-ahwazi-arabs.pdf, Zugriff 15.6.2018

- HRW – Human Rights Watch (18.1.2018): World Report 2018 – Iran, https://www.ecoi.net/de/dokument/1424270.html, Zugriff 6.6.2018

- ÖB Teheran (9.2017): Asylländerbericht

Grundversorgung: Die Grundversorgung ist in Iran gesichert, wozu neben staatlichen Hilfen auch das islamische Spendensystem beiträgt. Der Mindestlohn liegt bei ca. 9,3 Mio. IRR im Monat (ca. 200 Euro). Das durchschnittliche Monatseinkommen pro Kopf liegt bei ca. 400 Euro (AA 2.3.2018).

Seit dem Amtsantritt der Regierung Rohani 2013 konnte sich die iranische Wirtschaft etwas erholen. Der Abschwung der Wirtschaft (-6,6 % im Jahr 2012; -1,9 % im Jahr 2013) konnte 2014 gestoppt werden. Im Jahre 2016 konnte die Regierung schon ein Wirtschaftswachstum von 4,6% verzeichnen. Das weitere Wachstum ist wesentlich von den Sanktionserleichterungen abhängig und ohne einen stark zunehmenden Außenhandel nicht realistisch. Seit Anfang 2014 ist es der iranischen Regierung gelungen, den Abwärtstrend des Rial zu stoppen. Im iranischen Jahr 1394 (2014/2015) betrug die durchschnittliche Inflation 14,7%; derzeit liegt sie bei ca. 10%. Es ist abzusehen, dass sich die Währung durch die positiven Impulse des Atomabkommens auf die iranische Wirtschaft auch zukünftig stabil halten wird. Die Aufhebung der Sanktionen hat nur sehr langsam Konsequenzen für den Durchschnittsiraner. Kritiker warten ungeduldig auf die Schaffung von Arbeitsplätzen und ein Wirtschaftswachstum, das nicht nur in der Ölwirtschaft, sondern auch in der Privatwirtschaft, etc, zu spüren ist. In seiner zweiten Amtszeit setzt Präsident Rohani daher verstärkt auf den weiteren Ausbau der Wirtschaft. Ausländische Investoren sollen für den iranischen Markt gewonnen werden, um Arbeitsplätze zu schaffen. Eine nachhaltige Erholung der iranischen Wirtschaft wird nämlich auch davon abhängen, ob es der Regierung gelingt, die Devisenknappheit und das Inflationsproblem langfristig unter Kontrolle zu bringen. Devisenreserven befinden sich Großteils im Ausland und können von der iranischen Regierung nur eingeschränkt verwendet werden. Beide Problembereiche sind eng mit dem Zugang zu ausländischen Devisenquellen und Investitionen aus dem Ausland verbunden. Gegenwärtig halten sich sowohl einheimische als auch ausländische Investoren aufgrund der derzeit noch nicht absehbaren politischen Risiken mit Investitionen zurück (ÖB Teheran 9.2017).

Aufgrund der im Vergleich zu Europa extrem jungen Bevölkerung strömen jedes Jahr viele Berufseinsteiger auf den Arbeitsmarkt. Um diesen Menschen Arbeit zu geben, wäre die Schaffung von rund 1 Mio. Arbeitsplätzen pro Jahr erforderlich. Die Arbeitslosenrate in Iran betrug im Juni 2016 nach offiziellen Statistiken 10,7% mit Tendenz nach oben. Inoffiziellen Zahlen zufolge ist der Wert jedoch fast doppelt so hoch. Neben Arbeitslosigkeit spielt in Iran auch Unterbeschäftigung eine Rolle. Ausgebildete Arbeitskräfte (Facharbeiter, Uni-Absolventen) finden oft keine ihrer Ausbildung entsprechenden Jobs. Daraus folgen soziale Spannungen aber auch ein gewaltiger „brain drain“, der die iranische Gesellschaft und Wirtschaft nachhaltig beeinträchtigen wird (ÖB Teheran 9.2017). Ende Dezember 2017 entstanden Proteste aufgrund der schlechten ökonomischen Lage in einigen Städten (FH 1.2018).

Die iranische Wirtschaft ist weitestgehend zentralisiert und steht fast komplett unter staatlicher Kontrolle. So haben viele iranische Unternehmen neben wirtschaftlichen, auch politische Ziele zu erfüllen. Durch regelmäßige staatliche Eingriffe über Preisregulierungen und Subventionen, die in aller Regel politische Ursachen haben, konnte sich bisher kaum eine eigenständige Wirtschaft entwickeln. Privatwirtschaft gibt es vor allem auf dem Basar, in der Landwirtschaft und im Dienstleistungsgewerbe. Erst in den letzten Jahren wurden, vor allem durch die 2001 gegründete Iranian Privatization Organization, vermehrt Anstrengungen zur Privatisierung weiterer Teile der Wirtschaft unternommen. Der wichtigste Sektor der iranischen Wirtschaft ist die Erdöl- und Erdgasproduktion. Die Ölförderung ist durch die National Iranian Oil Company monopolisiert, 80-85% der staatlichen Einnahmen stammen aus dem Ölverkauf. Da zudem etwa 60% dieses Budgets in die Finanzierung staatlicher Unternehmen und Institutionen fließen, ist Iran nahezu komplett von den Einnahmen aus dem Ölexport abhängig. Nicht nur die Wirtschaft, auch der Lebensstandard vieler Iraner hängt vom Ölpreis ab. Hindernisse bei der Modernisierung iranischer Förderanlagen und Raffinerien führten nicht zuletzt dazu, dass in den letzten Jahren immer wieder große Mengen an Benzin importiert werden mussten, um den heimischen Bedarf zu decken. Da Benzin staatlich subventioniert ist, kostete dies den Staat in den letzten Jahren etwa 11% des BIP. Hob er den Benzinpreis an oder begrenzte die ausgegebenen Rationen, führte das immer wieder zu teils gewaltsamen Ausschreitungen. Vor diesem Hintergrund darf man davon ausgehen, dass der Modernisierung der Infrastruktur des Erdölsektors nach dem Ende der Sanktionen eine hohe Priorität eingeräumt werden wird (GIZ 3.2018b).

Ein wichtiger, in nicht wenigen Bereichen sogar zentraler Faktor der iranischen Wirtschaft sind die halbstaatlichen religiösen Stiftungen, die Bonyads. Heute gibt es etwa 120 davon. Hier verschmelzen Religion, Politik und Wirtschaft am deutlichsten. Entsprechend islamischer Grundsätze ist die Hauptaufgabe einer religiösen Stiftung die öffentliche Wohlfahrt, etwa in Form des Erhalts von Straßen oder der Pflege eines Pilgerzentrums. Daneben sind viele der Stiftungen heute jedoch international agierende Großkonzerne. Die größte Stiftung des Landes ist die Ostan-e Qods-e Rezavi, die Imam Reza Stiftung, die sich der Instandhaltung des religiösen Zentrums in Maschhad widmet. Daneben ist die Stiftung jedoch im (Teil-)Besitz zahlreicher Industrieunternehmen, wie etwa der Teheraner Busgesellschaft, und setzt jährlich geschätzte 14 Milliarden Dollar um. Zudem ist sie der größte Grundbesitzer des Landes. Die Bonyad-e Mostazafan wa Dschanbazan, die Stiftung der Unterdrückten und Kriegsveteranen, offiziell zuständig für die Versorgung der Kriegsversehrten und Armen, steht hingegen hinter der National Iranian Oil Company (GIZ 3.2018b).

Quellen:

- AA – Auswärtiges Amt (2.3.2018): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der

Islamischen Republik Iran

- FH – Freedom House (1.2018): Freedom in the World 2018 – Iran, https://www.ecoi.net/de/dokument/1426304.html, Zugriff 18.6.2018

- GIZ – Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (3.2018b): Wirtschaft und Entwicklung, https://www.liportal.de/iran/wirtschaft-entwicklung/#c4412, Zugriff 26.4.2018

- ÖB Teheran (9.2017): Asylländerbericht

Sozialbeihilfen: Alle angestellten Arbeitnehmer unterliegen einer Sozialversicherungspflicht, die die Bereiche Rente, Unfall und Krankheit umfasst. Der Rentenanspruch entsteht in voller Höhe nach 30 Einzahlungsjahren. Nachdem in die Sozialversicherungskasse zwei Jahre eingezahlt wurde, entsteht für Angestellte ein monatlicher Kindergeldanspruch i.H.v. 800.000 IRR (ca. 20 Euro) pro Kind. Ebenfalls besteht ab diesem Zeitpunkt ein Anspruch auf Arbeitslosengeld i.H.v. 70-80% des Gehaltes, das für mindestens ein Jahr gezahlt wird. Schließlich erhält ein geringer Teil der nicht oder gering verdienenden iranischen Bevölkerung zur Sicherung der Grundversorgung monatlich 450.000 IRR (ca. 11 Euro, sog. Yarane). Dabei handelt es sich jedoch um ein auslaufendes System, das keine Neuaufnahmen zulässt. Aufnahmeeinrichtungen für Rückkehrer und ihre Familien sind nicht bekannt. Im Übrigen gibt es soziale Absicherungsmechanismen, wie z.B. Armenstiftungen, Kinder-, Alten-, Frauen- und Behindertenheime. Hilfe an Bedürftige wird durch den Staat, die Moscheen, religiöse Stiftungen, Armenstiftungen und oft auch durch NGOs oder privat organisiert (z.B. Frauengruppen) (AA 2.3.2018).

Kostenfreie Bildung und Gesundheitsversorgung sind als Teil des Sozialwesens für alle iranischen Bürger gewährleistet. Weitere Leistungen können vom Arbeitgeber angeboten werden (IOM 2017).

Eine staatliche Arbeitslosenhilfe gibt es nicht, es sei denn der Rückkehrer oder dessen Arbeitgeber haben monatliche Beiträge an eine entsprechende Versicherungsfirma gezahlt. Die Mitgliedschaft in der Sozialversicherung ist für alle Arbeitnehmer verpflichtend. Die Sozialversicherung sichert allen Arbeitnehmern einen Schutz bei Arbeitslosigkeit, Krankheit, Alter und Berufsunfällen zu. Von 15.000 Obdachlosen in Iran im Jahr 2015 waren 5.000 Frauen. Arbeitnehmer im Alter von 18 bis 65 Jahren werden vom Sozialversicherungssystem erfasst. Die Finanzierung ist zwischen Arbeitnehmer (7% des Lohns), Arbeitgeber (20–23%) und dem Staat, welcher den Beitrag des Arbeitnehmers um weitere 3% erhöht, aufgeteilt. Das Sozialversicherungssystem ist für Selbständige zugänglich, sofern diese zwischen 12% und 18% ihres Einkommens freiwillig zahlen. Beamte, Soldaten, Polizisten und die Revolutionsgarden (IRGC) haben ihre eigenen Rentensysteme (IOM 2017).

Es gibt einige NGOs, die gezielt in Not geratene Personen unterstützen. Dazu zählt zum Beispiel BEHZISTI, welche beispielsweise Drogensüchtigen, alleinerziehenden Müttern, Personen mit Einschränkungen etc. hilft. Zu den Dienstleistungen zählen unter anderem Sozial-psychologische Betreuung, Beratungsgespräche, Unterkünfte, Rehabilitationsleistungen etc. Der Zugang ist für alle Bürger gleich, dennoch gibt es zusätzliche Unterstützungen, die von den Communities/Organisationen getragen werden: Z.B. The Imam Khomeini Relief Foundation eine gemeinnützige Organisation, die im März 1979 gegründet wurde und ärmliche Familien unterstützt (IOM 2017).

Der Kampf gegen die Armut wird vor allem unter religiösen Vorzeichen geführt. Die großen religiösen Stiftungen haben hier theoretisch ihren Hauptaufgabenbereich. Außerdem liegt die Versorgung der Armen in der Verantwortung der Gesellschaft, das Almosengeben ist eine der Säulen des Islam. Die blauen Spendenbehälter, vom Staat aufgestellt um die sadeqe, die Almosen, zu sammeln, finden sich in jeder Straße. Ein Ansatz, gerade der Armut auf dem Land entgegenzuwirken, ist Bildung. Der Staat schickt beispielsweise Studenten, die als Pflichtteil des Studiums in Dörfern abgelegener Regionen unterrichten müssen. Viele weitere staatliche Anstrengungen zur Bekämpfung der Armut werden jedoch dadurch behindert, das der Staat selbst aufgrund des Verfalls des Ölpreises in finanziellen Schwierigkeiten steckt (GIZ 3.2018b).

Quellen:

- AA – Auswärtiges Amt (2.3.2018): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Islamischen Republik Iran

- IOM – International Organization for Migration (2017): Länderinformationsblatt Iran

- GIZ – Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit(3.2018b): Wirtschaft und Entwicklung, https://www.liportal.de/iran/wirtschaft-entwicklung/#c4412, Zugriff 26.4.2018

2. Beweiswürdigung:

Die erkennende Einzelrichterin des Bundesverwaltungsgerichtes hat nach dem Grundsatz der freien Beweiswürdigung über die Beschwerde folgende Erwägungen getroffen:

2.1. Zum Verfahrensgang:

Der oben unter Punkt I. angeführte Verfahrensgang ergibt sich aus dem unzweifelhaften und unbestrittenen Akteninhalt des vorgelegten Verwaltungsakts der belangten Behörde und dem vorliegenden Gerichtsakt des Bundesverwaltungsgerichtes.

2.2. Zum Beschwerdeführer:

Die getroffenen Feststellungen zum Beschwerdeführer selbst, seinem Leben im Iran und seinen Familienangehörigen dort beruhen auf seinen Angaben im Laufe der beiden Verfahren in Österreich; der Beschwerdeführer brachte weder im zweiten Verfahren noch in der gegenständlichen Beschwerde vor, dass die getroffenen Feststellungen nicht den Tatsachen entsprechen würden. Dass der Beschwerdeführer gesund ist, ergibt sich aus dem Fehlen anderslautender Vorbringen.

2.3. Zum Privatleben in Österreich bzw. zum Fehlen eines Familienlebens:

Die getroffenen Feststellungen zum Leben des Beschwerdeführers in Österreich bzw. zu seiner aktuellen Abwesenheit beruhen auf seinen eigenen Angaben in den Verfahren und den eingeholten Auszügen aus dem Zentralen Melderegister, dem Betreuungsinformationssystem und dem Strafregister. Dieser Sachverhalt wurde weiter nicht bestritten. Dass der Beschwerdeführer in Österreich über keine Familienangehörigen verfügt, bzw. dass sich bei seinem Familienleben in Österreich nichts geändert hat, gab er selbst erneut in der Einvernahme vom XXXX .2019 so an (vgl. AS 73). Dass entsprechende Integrationsfaktoren aus seinem Aufenthalt in Österreich seit 2015 bereits zum Zeitpunkt des ersten Verfahrens (und des ersten Beschwerdeverfahrens) vorlagen, ergibt sich aus dem Erkenntnis des BVwG vom XXXX .2018 sowie aus dem Faktum, dass weitere Informationen zu Integrationserfolgen im gegenständlichen Verfahren nicht vorgebracht wurden.

Die Angaben zu den Aufenthalten des Beschwerdeführers in der Schweiz, in den Niederlanden sowie dazu, dass der Beschwerdeführer seit XXXX .2020 in Österreich nicht mehr gemeldet ist und auch keine Leistungen aus der Grundversorgung mehr bezieht, ergeben sich aus seinen eigenen Angaben zum Aufenthalt in der Schweiz sowie aus den Auszügen aus dem ZMR und dem Betreuungsinformationssystem vom XXXX .2021.

2.4. Zum Vorbringen des Beschwerdeführers/Änderung des Sachverhalts:

Vom Bundesverwaltungsgericht ist im gegenständlichen Verfahren zu prüfen, ob zwischen der Rechtskraft des ersten abweisenden Erkenntnisses und der Zurückweisung des gegenständlichen Antrags wegen entschiedener Sache eine wesentliche Änderung der Sach- oder Rechtslage eingetreten ist.

Zuerst ist anzuführen, dass der Beschwerdeführer selbst keine neuen oder geänderten Umstände geltend macht, die seine neuerliche Antragstellung begründen sollen.

Er gibt im Rahmen seiner Erstbefragung am XXXX 2018 an, dass die alten Gründe, die er bereits 2015 genannt habe, noch aufrecht seien. Andere Gründe habe er nicht; diese kenne er seit seiner Flucht aus dem Iran (AS 16f).

Am XXXX .2019 wurde der Beschwerdeführer erneut einvernommen, diesmal nach einem Rechtsberatungsgespräch, und brachte im Wesentlichen vor, dass er einen neuen Asylantrag stelle, weil er nicht mehr in den Iran zurück könne. Nach dem letzten Verfahren habe man ihm die Verfahrenskarte weggenommen und ihn nach seiner Reise in die Schweiz von dort rücküberstellt (AS 81). Aus diesem Vorbringen leitet sich ein neuer zu prüfender Sachverhalt nicht ab.

Im Iran sei er ca. 7 – 8 Monate vor seiner Ausreise für zwei Monate festgehalten, festgenommen und gefoltert worden; er habe nicht in Erfahrung bringen können, warum er eingesperrt worden sei (AS 83). Auch dieses Vorbringen zeigt keinen neuen Sachverhalt auf, da eine zweimonatige Haft im Iran bereits Thema im ersten Verfahren auf Zuerkennung von internationalem Schutz gewesen ist, wie sich aus der schriftlichen Ausfertigung des Erkenntnisses des BVwG vom XXXX .2018 ergibt.

Er hasse die muslimische Religion und wolle nicht in einem muslimischen Land leben. Er sei seit fünf Jahren Christ. Er besuche jeden Sonntag die Kirche; er folge nun dem richtigen Weg. Er habe im Iran Filme angeschaut, die ihn dem Christentum näher gebracht hätten. Er sei im Jahr 2016 vor Weihnachten getauft worden (AS 83ff). Das Vorbringen einer Konversion zum Christentum war bereits Bestandteil der Prüfung des ersten Antrags des Beschwerdeführers und wurde zuletzt vom BVwG ausführlich im Rahmen einer mündlichen Verhandlung und im Rahmen der Verkündung sowie der schriftlichen Ausfertigung des Erkenntnisses vom XXXX .2018 geprüft. Der Beschwerdeführer bringt dazu im gegenständlichen Verfahren keine ergänzenden Informationen oder Unterlagen vor, die eine geänderte Einschätzung der Konversion ins Christentum erlauben würden und wahrscheinlich machen. Da sich der Beschwerdeführer auch in seiner Einvernahme am XXXX .2019 als konvertierte Christ bezeichnet, muss von einer reinen Apostasie – als gegebenenfalls neues Vorbringen - nicht ausgegangen werden.

Schließlich erwähnt der Beschwerdeführer, dass seine vier Cousins, die beim Militär seien, wüssten, dass er konvertiert sei, und ihn Verräter nennen würden (AS 87ff). Da aber bereits für die Annahme einer Konversion ins Christentum, wie vom BVwG mit Erkenntnis vom XXXX .2018 festgestellt, keinerlei Anhaltspunkte bestehen, kann im – als gesteigert anzusehenden – Vorbringen einer möglichen Bedrohung durch vier Cousins wegen einer solchen Konversion kein glaubhafter Kern gesehen werden. Eine solche Bedrohung ist nicht wahrscheinlich, da es bereits keine entsprechende Konversion gegeben hat. Damit handelt es sich auch bei diesem Vorbringen um keines, dass geeignet wäre, einen hier näher zu prüfenden neuen Sachverhalt darzustellen.

Auch die Beschwerde zeigt keine neuen oder geänderten Gründe für eine Antragstellung auf, sondern beruft sich auf die schwierige Lage konvertierte Christen im Iran, was jedoch bereits Gegenstand des ersten Verfahrens war.

Damit bezieht sich der Beschwerdeführer jedoch ausschließlich auf Gründe für seine Antragstellung (auf einen Religionswechsel und damit verbundene Repressalien), die bereits Gegenstand des ersten Asylverfahrens in Österreich gewesen sind.

Unter diesen Umständen ist eine wesentliche Änderung der Sach- oder Rechtslage nicht erkennbar: neue Befürchtungen in Bezug auf das Heimatland wurden nicht vorgebracht; die Rechtslage hat sich nicht geändert.

Bei Folgeanträgen sind die Asylbehörden auch dafür zuständig, mögliche Sachverhaltsänderungen in Bezug auf den subsidiären Schutzstatus der Antragsteller_innen einer Prüfung zu unterziehen (vgl. VwGH 15.05.2012, 2012/18/0041). Während die Länderinformation im Vergleich zum Erkenntnis des BVwG vom XXXX .2018 aktualisiert wurde, finden sich darin keine wesentlichen Änderungen, die an dieser Stelle zu berücksichtigen wären. Die sonstigen Feststellungen zur Person des Beschwerdeführers (Herkunft, Bildung, Familie im Iran) fußen auf den diesbezüglich gleichbleibenden bzw. bereits rechtskräftig festgestellten Angaben im Verfahren.

Es sind schließlich keine sonstigen wesentlichen in der Person des Beschwerdeführers liegenden neuen Sachverhaltselemente bekannt geworden, welche eine neuerliche umfassende Refoulementprüfung notwendig erscheinen ließe.

2.6. Zur Situation im Iran:

Die dazu getroffenen Feststellungen beruhen auf dem Länderinformationsblatt der Staatendokumentation zum Iran, die bereits dem angefochtenen Bescheid zugrunde gelegen sind. Zu den Berichten bzw. behördlichen Feststellungen wurden auch in der Beschwerde keine Zweifel vorgebracht. Das Bundesverwaltungsgericht hat von sich aus keinen Grund, an der (ausreichenden) Aktualität, Relevanz und Verlässlichkeit dieser Berichte zu zweifeln.

Zu den in der Beschwerde angeführten weiteren Berichten ist zu sagen, dass sich diese auf die Verfolgung von Christinnen und Christen im Iran beziehen, die aber im gegenständlichen Verfahren deswegen keine Relevanz haben, weil beim Beschwerdeführer gemäß dem Erkenntnis des BVwG vom XXXX .2018 und mangels substantiierter neuer entsprechender Vorbringen nicht von einer auf einer inneren Überzeugung beruhenden Konversion ausgegangen werden kann.

3. Rechtliche Beurteilung:

Zu A)

3.1. Zu Spruchpunkt I.:

3.1.1. Gemäß § 16 Abs. 2 BFA-Verfahrensgesetz (BFA-VG) kommt einer Beschwerde gegen eine Entscheidung, mit der ein Antrag auf internationalen Schutz zurückgewiesen wird und diese mit einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme verbunden ist (Z 1), ein Antrag auf internationalen Schutz zurückgewiesen wird und eine durchsetzbare Rückkehrentscheidung bereits besteht (Z 2) oder eine Anordnung zur Außerlandesbringung gemäß § 61 Abs. 1 Z 2 FPG erlassen wird (Z 3), sowie einem diesbezüglichen Vorlageantrag die aufschiebende Wirkung nicht zu, es sei denn, sie wird vom Bundesverwaltungsgericht zuerkannt.

Gemäß § 16 Abs. 4 BFA-VG ist eine Beschwerde gegen eine Entscheidung, mit der ein Antrag auf internationalen Schutz zurückgewiesen oder abgewiesen wurde, oder mit der eine Anordnung zur Außerlandesbringung gemäß § 61 Abs. 1 Z 2 FPG erlassen wurde, der die aufschiebende Wirkung nicht zukommt, durchsetzbar. Mit der Durchführung der mit einer solchen Entscheidung verbundenen aufenthaltsbeendenden Maßnahme oder der die bereits bestehende Rückkehrentscheidung umsetzenden Abschiebung ist bis zum Ende der Rechtsmittelfrist, wird ein Rechtsmittel ergriffen bis zum Ablauf des siebenten Tages ab Einlangen der Beschwerdevorlage, zuzuwarten. Das Bundesverwaltungsgericht hat das Bundesamt unverzüglich vom Einlangen der Beschwerdevorlage und von der Gewährung der aufschiebenden Wirkung in Kenntnis zu setzen.

Gemäß § 17 Abs. 1 BFA-VG hat das Bundesverwaltungsgericht der Beschwerde gegen eine Entscheidung, mit der ein Antrag auf internationalen Schutz zurückgewiesen wird und diese Zurückweisung mit einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme verbunden ist (Z 1) oder eine durchsetzbare Rückkehrentscheidung be

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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