TE Bvwg Erkenntnis 2021/5/12 W159 2242283-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 12.05.2021
beobachten
merken

Entscheidungsdatum

12.05.2021

Norm

AsylG 2005 §10
BFA-VG §18
B-VG Art133 Abs4
VwGVG §28 Abs5

Spruch


W159 2242283-1/4E

TEILERKENNTNIS

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Dr. Clemens KUZMINKSI als Einzelrichter nach Beschwerdevorentscheidung des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 20.04.2021, IFA Zahl XXXX aufgrund des Vorlageantrages des XXXX , geboren XXXX , Staatsangehöriger von Bosnien Herzegowina über die Beschwerde gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl, vom 12.03.2021, Zl. IFA Zahl XXXX , zu Recht erkannt: 

A)                     Spruchpunkt V. wird ersatzlos behoben.

B)              Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.


Text


Entscheidungsgründe:

I. Verfahrensgang:

Der Beschwerdeführer, ein Staatsangehöriger von Bosnien und Herzegowina, gelangte bereits Anfang der 90-er Jahre des vorigen Jahrhunderts nach Österreich. Er heiratete am 30.06.1993 die österreichische Staatsbürgerin XXXX und erhielt in der Folge eine Niederlassungsbewilligung wegen „Familiengemeinschaft Österreicher“. Aus dieser Ehe entstammt die am XXXX geborene Tochter XXXX . Der Beschwerdeführer war unselbständig und auch selbständig als Kraftfahrer tätig und ist seinerzeit mehrfach strafrechtlich in Erscheinung getreten, sämtliche Verurteilungen wurden jedoch zwischenzeitig getilgt. Der Beschwerdeführer heiratete nach seiner Scheidung Frau XXXX . Dieser Beziehung sind drei Kinder XXXX , geb. XXXX , XXXX , geb. XXXX und XXXX , geb XXXX entsprungen.

Am 14.12.2017 erfolgte eine niederschriftliche Einvernahme des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl, Regionaldirektion Wien zur Erlassung aufenthaltsbeendender Maßnahmen. Der Beschwerdeführer gab zu, dass er nur bis zum 27.01.2014 im Bundesgebiet gemeldet gewesen sei und nach Ablauf der Niederlassungsbewilligung illegal in Österreich aufhältig sei. Der Beschwerdeführer gab an, dass er vergessen habe, seine Aufenthaltsbewilligung zu verlängern. Er könne jedoch bei seinem Cousin XXXX jederzeit Unterkunft nehmen. Über den Beschwerdeführer wurde zunächst die Schubhaft und anschließend im Verfahren zur Sicherung der Erlassung einer Rückkehrentscheidung und der Abschiebung das gelindere Mittel bescheidmäßig aufgetragen.

Mit Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl, Regionaldirektion Wien vom 03.02.2018, Zahl XXXX wurde unter Spruchteil I. ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen nicht erteilt, eine Rückkehrentscheidung erlassen und festgestellt, dass die Abschiebung nach Bosnien und Herzegowina zulässig sei sowie unter Spruchteil II die aufschiebende Wirkung einer Beschwerde aberkannt. In der Folge wurde mit Mandatsbescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl, Regionaldirektion Niederösterreich vom 23.08.2019 die Schubhaft zum Zwecke der Sicherung der Abschiebung angeordnet und ist der Beschwerdeführer am 13.09.2019 im Rahmen der unterstützten freiwilligen Rückkehr nach Bosnien und Herzegowina ausgereist. Der Beschwerdeführer gelangte zwischenzeitig wieder nach Österreich und sagte gegenüber der Polizeiinspektion Atzenbrugg am 30.01.2021 aus, dass er wohl einen gültigen bosnischen Reisepass habe, aber über keinen Aufenthaltstitel in Österreich verfüge. Er sei von seiner zweiten Frau seit 2014 geschieden und lebe seit zwei Jahren in einer Beziehung mit der rumänischen Staatsbürgerin XXXX in ihrem Haus in Atzenbrugg. Die Hochzeit sei bereits in Planung.

Mit Schreiben vom 09.02.2021 wurde dem Beschwerdeführer im schriftlichen Wege das Parteiengehör in einem Verfahren zur Erlassung einer Rückkehrentscheidung, in eventu eines Einreiseverbotes eingeräumt, konkrete Fragen gestellt und auszugsweise das Länderinformationsblatt zu Bosnien und Herzegowina vorgehalten. Eine Äußerung des Beschwerdeführers ist nicht eingelangt.

Mit Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl, Regionaldirektion Niederösterreich vom 12.03.2021, Zahl XXXX wurde unter Spruchteil I. ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen nicht erteilt, unter Spruchteil II. eine Rückkehrentscheidung erlassen, unter Spruchpunkt III. festgestellt, dass die Abschiebung nach „Bosnien“ zulässig sei, unter Spruchpunkt IV. eine Frist für die freiwillige Ausreise nicht gewährt und unter Spruchpunkt V. einer Beschwerde die aufschiebende Wirkung aberkannt. Nach kursorischer Darstellung des Verfahrensganges und der Beweismittel wurde zur Person des Beschwerdeführers festgestellt, dass er wohl über einen gültigen bosnischen Reisepass verfüge, aber sich illegal im Bundesgebiet aufhalte, zumindest seit 12.02.2020. Er sei geschieden, habe keine Sorgepflichten. Die Familie lebe in Bosnien. Mit den Kindern aus früherer Beziehung bestehe kein Kontakt und habe er hier eine Lebensgefährtin. Ein schützenswertes Privat- oder Familienleben sei nicht festgestellt worden.

Zu Spruchpunkt I. wurde ausgeführt, dass die Voraussetzungen des § 57 AsylG nicht vorlägen. Zu Spruchpunkt II. wurde zunächst wiederholt, dass kein Familienleben in Österreich vorliege und, dass es rein im Verschulden des Beschwerdeführers liege, dass sein Aufenthalt bisher nicht legalisiert worden sei. Er könne nach Österreich wieder einreisen, um ein etwaiges Familienleben mit seiner Lebensgefährtin fortzusetzen. Außerdem sei diese Beziehung im Bewusstsein seines unsicheren Aufenthaltsstatus entstanden und daher weniger schutzwürdig. Zum Privatleben wurde dargelegt, dass der Beschwerdeführer keiner Beschäftigung in Österreich nachgehe und keine Integrationsbemühungen aufweise. Es bestehe daher auch kein schützenswertes Privatleben. Er habe auch weiterhin Bindungen zum Heimatsstaat und würden insgesamt die Voraussetzungen für die Erteilung eines Aufenthaltstitels nicht vorliegen und sei eine Rückkehrentscheidung zulässig. Zu Spruchteil III. wurde ausgeführt, dass der Beschwerdeführer keinen Antrag auf internationalen Schutz gestellt habe und auch keine Bedrohungssituation im Sinne des § 50 FPG dargelegt habe. Einer Abschiebung nach „Bosnien“ stehe auch keine Empfehlung des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte entgegen, sodass die Abschiebung nach „Bosnien“ zulässig sei. Zu Spruchpunkt V. wurde dargelegt, dass die sofortige Ausreise im Interesse der öffentlichen Ordnung und Sicherheit erforderlich sei. Daher sei auch keine Frist für die freiwillige Ausreise zu gewähren gewesen (Spruchpunkt IV).

Die Behörde unternahm bereits konkrete Vorbereitungen zur Abschiebung des Beschwerdeführers. Diese erfolgte am 06.04.2021 und zwar im Luftwege nach XXXX .

Mit Beschwerde vom 09.04.2021 wurden die Spruchteil II. bis V. bekämpft und die Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung beantragt. Kritisiert wurde, dass das Vorgehen der Behörde rechtswidrig gewesen sei. Der Beschwerdeführer sei unvertreten und rechtsunkundig gewesen. Die Bedeutung des Schreibens des Bundesamtes sei ihm nicht klar gewesen und sei er auch nicht in der Lage gewesen, zum Ergebnis der Beweisaufnahme etwas vorzubringen. Der Beschwerdeführer hätte daher niederschriftlich einvernommen werden müssen. Dabei hätte er auch angeben können, dass er mit einer in Österreich aufenthaltsberechtigten rumänischen Staatsbürgerin eine Lebensgemeinschaft führe und mit seinen teilweise noch minderjährigen Kindern ein Familienleben habe. Durch den Brand im Hause seiner Lebensgefährtin seien auch Dokumente vernichtet worden und habe er sich diese erst aus Bosnien Herzegowina zusenden und beglaubigt übersetzen lassen müssen. Dadurch sei es zu einer Verzögerung bei den Hochzeitsvorbereitungen gekommen. Der Beschwerdeführer möchte aber seine Lebensgefährtin unbedingt ehelichen und sei er schon jetzt ein Lebenspartner eines Unionsbürgers. Er könne in Österreich aufgrund seiner zahlreichen Kontakte und seiner Berufserfahrung sofort wieder eine Beschäftigung antreten, er spreche auch hervorragend Deutsch und sei strafrechtlich nicht auffällig. In Bosnien Herzegowina lebten lediglich seine Schwester, zumal sein Bruder bereits verstorben sei. Seine Schwester sei für drei Kinder, davon sei eines blind, sorgepflichtig und lebe lediglich von der Kriegsveteranenpension ihres Mannes und vom Kindergeld und könne den Beschwerdeführer bei einer Rückkehr nach Bosnien nicht unterstützen. Schließlich sei die Abschiebung nach „Bosnien“ rechtswidrig, da es sich dabei um keinen Staat handelt. Auch sei die Aberkennung der aufschiebenden Wirkung unzulässig. Die Behörde habe gar nicht darlegen können, in welcher Weise von dem Beschwerdeführer eine gegenwärtige erhebliche Gefahr für die öffentliche Ordnung und Sicherheit ausgehe. Er sei strafrechtlich unauffällig. Es sei daher auch die Nichtgewährung einer Frist für die freiwillige Ausreise unrechtmäßig. In der Folge wurde ausgiebig unter Bezugnahme auf die diesbezügliche Judikatur des VwGH und des VfGH die Anberaumung einer mündlichen Beschwerdeverhandlung durch das Bundesverwaltungsgericht beantragt, wobei dies insbesondere zur Erlangung eines persönlichen Eindruckes bei aufenthaltsbeendenden Maßnahmen sowie der Frage der Intensität der privaten und familiären Bindungen des Beschwerdeführers in Österreich unbedingt erforderlich sei. Angeschlossen wurden die Geburtskurkunden seiner Kinder aus zweiter Ehe.

Mit Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl, Regionaldirektion Niederösterreich vom 20.04.2021 erfolgte eine Beschwerdevorentscheidung, in welcher die Beschwerde als unbegründet abgewiesen wurde. Im Verfahrensgang wurde nunmehr hervorgehoben, dass der Beschwerdeführer 1998, 2004 und 2009 strafrechtlich verurteilt worden sei und dass sein Melderegister mehrere Lücken aufweise. Er sei nach der freiwilligen Ausreise am 13.09.2019 schon wieder am 14.11.2019 in den Schengenraum eingereist und sei diese Einreise unrechtmäßig, weil er keine 90 Tage zugewartet habe, um legal einzureisen. Seither sei er unrechtmäßig im Bundesgebiet aufhältig. Auf eine schriftliche Einvernahme habe verzichtet werden können, da er bereits 2017 und 2019 einvernommen worden sei und der Sachverhalt klar sei und weiters Entscheidungsreife vorliege und eine schriftliche Stellungnahme insofern ausreiche, da der Beschwerdeführer zumindest in Teilbereichen der deutschen Sprache mächtig sei und die Untätigkeit der Partei daher zu ihren Lasten bestehe. Es bestehe vielmehr kein Anspruch auf persönliche Vernehmung und persönliche Anwesenheit bei der Beweisaufnahme. Die Erlassung einer Rückkehrentscheidung sei aufgrund des illegalen Aufenthaltes erforderlich. Der Beschwerdeführer sei (noch) kein Angehöriger eines EWR-Bürgers und komme ihm daher auch kein unionsrechtliches Aufenthaltsrecht zu. Der Beschwerdeführer sei weiters für seine Kinder nicht obsorgeberechtigt und sei auch seiner Verpflichtung zur Unterhaltsleistung nicht nachgekommen und sei auch eine Anklage nach § 223/224 StGB erhoben worden. Zum Vorwurf der mangelnden Konkretisierung des Abschiebungsstaates wurde ausgeführt, dass mit „Bosnien“ „in aller Munde der Staat Bosnien und Herzegowina“ bezeichnet werde. Es sei klar gewesen, in welches Land er abgeschoben werde. Das beharrliche unrechtmäßige Verbleiben eines Fremden im Bundesgebiet sei eine gewichtige Gefährdung der öffentlichen Ordnung und Sicherheit und lasse aufenthaltsbeendende Maßnahmen dringend geboten erscheinen, sodass vom Beschwerdeführer eine gegenwärtige erhebliche Gefahr für die öffentliche Ordnung und Sicherheit ausgehe. Es sei daher seine sofortige Ausreise erforderlich gewesen. Mit der Ausreise vom 06.40.2021 sei jedoch die Rückkehrentscheidung als konsumiert anzusehen und stehe es dem Beschwerdeführer frei, nach 90 Tagen Aufenthalt außerhalb des Schengenraumes wieder in das Bundesgebiet einzureisen.

Mit Eingabe vom 04.05.2021 stellte der Beschwerdeführer, vertreten durch die XXXX , einen Vorlageantrag gemäß § 15 Abs. 1 VwGVG und wurde hinsichtlich der Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides auf die Beschwerde verwiesen und nochmals die Verletzung des Parteiengehörs gerügt und der Antrag auf Durchführung einer mündlichen Verhandlung wiederholt.

Im aktuellen Strafregister des Beschwerdeführers scheint keine Verurteilung auf, der Beschwerdeführer ist seit 20.04.2021 nicht mehr im Bundesgebiet gemeldet.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

Die obigen Darlegungen im Verfahrensgang werden zu Feststellungen erhoben.

Der Verfahrensgang und damit die Feststellungen ergeben sich aus dem unbedenklichen und unzweifelhaften Akteninhalt der belangten Behörde sowie aus dem eingeholten aktuellen Strafregisterauszug und aus der aktuellen Meldeauskunft aus dem Zentralen Melderegister.

Die gesetzlichen Bestimmungen im BFA-VG zu Aberkennung der aufschiebenden Wirkung einer Beschwerde lauten wie folgt:

Aberkennung der aufschiebenden Wirkung einer Beschwerde

§ 18. (1) Einer Beschwerde gegen eine abweisende Entscheidung über einen Antrag auf internationalen Schutz kann das Bundesamt die aufschiebende Wirkung aberkennen, wenn
1.         der Asylwerber aus einem sicheren Herkunftsstaat (§ 19) stammt,
2.         schwerwiegende Gründe die Annahme rechtfertigen, dass der Asylwerber eine Gefahr für die öffentliche Sicherheit oder Ordnung darstellt,
3.         der Asylwerber das Bundesamt über seine wahre Identität, seine Staatsangehörigkeit oder die Echtheit seiner Dokumente trotz Belehrung über die Folgen zu täuschen versucht hat,
4.         der Asylwerber Verfolgungsgründe nicht vorgebracht hat,
5.         das Vorbringen des Asylwerbers zu seiner Bedrohungssituation offensichtlich nicht den Tatsachen entspricht,
6.         gegen den Asylwerber vor Stellung des Antrags auf internationalen Schutz eine durchsetzbare Rückkehrentscheidung, eine durchsetzbare Ausweisung oder ein durchsetzbares Aufenthaltsverbot erlassen worden ist, oder
7.         der Asylwerber sich weigert, trotz Verpflichtung seine Fingerabdrücke abnehmen zu lassen.

Hat das Bundesamt die aufschiebende Wirkung nicht aberkannt, so ist Abs. 2 auf diese Fälle nicht anwendbar. Hat das Bundesamt die aufschiebende Wirkung aberkannt, gilt dies als Aberkennung der aufschiebenden Wirkung einer Beschwerde gegen eine mit der abweisenden Entscheidung über einen Antrag auf internationalen Schutz verbundenen Rückkehrentscheidung.

(2) Die aufschiebende Wirkung einer Beschwerde gegen eine Rückkehrentscheidung ist vom Bundesamt abzuerkennen, wenn
1.         die sofortige Ausreise des Drittstaatsangehörigen im Interesse der öffentlichen Ordnung oder Sicherheit erforderlich ist,
2.         der Drittstaatsangehörige einem Einreiseverbot zuwider in das Bundesgebiet zurückgekehrt ist oder
3.         Fluchtgefahr besteht.

(3) Bei EWR-Bürgern, Schweizer Bürgern und begünstigten Drittstaatsangehörigen kann die aufschiebende Wirkung einer Beschwerde gegen ein Aufenthaltsverbot aberkannt werden, wenn deren sofortige Ausreise oder die sofortige Durchsetzbarkeit im Interesse der öffentlichen Ordnung oder Sicherheit erforderlich ist.

(4) Der Beschwerde gegen eine Ausweisung gemäß § 66 FPG darf die aufschiebende Wirkung nicht aberkannt werden.

(5) Das Bundesverwaltungsgericht hat der Beschwerde, der die aufschiebende Wirkung vom Bundesamt aberkannt wurde, binnen einer Woche ab Vorlage der Beschwerde von Amts wegen die aufschiebende Wirkung zuzuerkennen, wenn anzunehmen ist, dass eine Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Fremden in seinen Herkunftsstaat eine reale Gefahr einer Verletzung von Art. 2 EMRK, Art. 3 EMRK, Art. 8 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention bedeuten würde oder für ihn als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes mit sich bringen würde. In der Beschwerde gegen den in der Hauptsache ergangenen Bescheid sind die Gründe, auf die sich die Behauptung des Vorliegens einer realen Gefahr oder einer ernsthaften Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit gemäß Satz 1 stützt, genau zu bezeichnen. § 38 VwGG gilt.

(6) Ein Ablauf der Frist nach Abs. 5 steht der Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung nicht entgegen.

(7) Die §§ 13 Abs. 2 bis 5 und 22 VwGVG sind in den Fällen der Abs. 1 bis 6 nicht anwendbar.“

Der VwGH hat zu § 18 Abs. 5 BFA-VG in der Fassung vor dem FrÄG 2017 in ständiger Rechtsprechung entschieden, dass dieser das BVwG dazu verpflichtet, über eine Beschwerde gegen die Aberkennung der aufschiebenden Wirkung bzw. gegen einen derartigen trennbaren Spruchteil eines Bescheides des BFA binnen einer Woche ab Vorlage der Beschwerde mit (Teil) Erkenntnis zu entscheiden und zwar sowohl über die Zuerkennung als auch die Nichtzuerkennung der aufschiebenden Wirkung (VwGH 13.09.2016, Fr 2016/01/0014; 19.06.2017, Fr 2017/19/0023; 30.06.2917, Fr 2017/18/0026; 20.09.2017, Ra 2017/19/0284; 19.10.2017, Ra 2017/18/0278; 29.11.2017, Ro 2017/18/0002; 13.12.2017, Ro 2017/19/0003).

Das Bundesverwaltungsgericht deutet § 18 Abs. 5 BFA-VG in der Fassung des FrÄG 2017 so, dass es bei Vorliegen einer Beschwerde in der Hauptsache auch von einer Beschwerde gegen den Spruchpunkt über die Aberkennung der aufschiebenden Wirkung auszugehen hat und dass es (im Sinne der vorzitierten Judikatur des VwGH) diese – sowohl im Fall der Bestätigung dieser Aberkennung als auch im Fall einer Abänderung iSd. Zuerkennung aufschiebender Wirkung – innerhalb der einwöchigen Entscheidungsfrist mit Erkenntnis zu erledigen hat (vgl. dazu näher BVwG 10.04.2018, W230 2190973-1, mwN).

Die Entscheidung über die Aberkennung der aufschiebenden Wirkung ist nicht als Entscheidung in der Sache selbst zu werten; vielmehr handelt es sich dabei um eine der Sachentscheidung vorgelagerte (einstweilige) Verfügung, die nicht geeignet ist, den Ausgang des Verfahrens vorwegzunehmen. Es ist in diesem Zusammenhang daher lediglich darauf abzustellen, ob es - im Sinne einer Grobprüfung - von vornherein ausgeschlossen erscheint, dass die Angaben der beschwerdeführenden Parteien als "vertretbare Behauptungen" zu qualifizieren sind, die in den Schutzbereich der hier relevanten Bestimmungen der EMRK reichen.

Der Beschwerdeführer macht ein reales Risiko einer Verletzung der zu berücksichtigenden Konventionsbestimmungen, insbesondere des Art. 8 EMRK geltend, bei einer Grobprüfung dieses Vorbringens kann nicht ausgeschlossen werden, dass es sich dabei um „vertretbare Behauptungen“ handelt.

Der VwGH führt hinsichtlich der Verhandlungspflicht nach § 21 Abs. 7 BVA-VG in ständiger Judikatur dazu wie folgt aus:

Der für die rechtliche Beurteilung entscheidungswesentliche Sachverhalt muss von der Verwaltungsbehörde vollständig in einem ordnungsgemäßen Ermittlungsverfahren erhoben worden sein und bezogen auf den Zeitpunkt der Entscheidung des BVwG immer noch die gesetzlich gebotene Aktualität und Vollständigkeit aufweisen. Die Verwaltungsbehörde muss die die entscheidungsmaßgeblichen Feststellungen tragende Beweiswürdigung in ihrer Entscheidung in gesetzmäßiger Weise offen gelegt haben und das BVwG die tragenden Erwägungen der verwaltungsbehördlichen Beweiswürdigung teilen. In der Beschwerde darf kein dem Ergebnis des behördlichen Ermittlungsverfahrens entgegenstehender oder darüber hinausgehender für die Beurteilung relevanter Sachverhalt behauptet werden, wobei bloß unsubstantiiertes Bestreiten des von der Verwaltungsbehörde festgestellten Sachverhaltes eben außer Betracht bleiben kann wie ein Vorbringen, das gegen das in § 20 BFA-VG festgelegte Neuerungsverbot verstößt. Auf verfahrensrechtlich festgelegte Besonderheiten ist bei der Beurteilung Bedacht zu nehmen (vgl. etwa das Erkenntnis vom 08. September 2015, Ra 2014/01/022, mwN und viele andere mehr).

Der Verwaltungsgerichtshof hat mehrfach betont, dass gerade bei aufenthaltsbeendenden Maßnahmen die Verschaffung eines persönlichen Eindruckes im Rahmen einer Beschwerdeverhandlung besonders wichtig ist (z.B. VwGH vom 23.03.2020, Ra2019/14/0334, VwGH vom 25.05.2020, Ra2019/19/0116, jüngst VwGH vom 29.03.2021, Ra2021/18/0071, wobei insbesondere auch auf die Frage des Familienlebens bei einer nichtehelichen Gemeinschaft Bezug genommen wurde).

Darüber hinaus hat der Beschwerdeführer der Beschwerde bzw. dem Vorlageantrag den Sachverhalt (und die Beweiswürdigung) nicht bloß unsubstantiiert bestritten, sondern diesbezüglich ein konkretes und substantiiertes Vorbringen erstattet und wurde diesbezüglich auch (nochmals) im Vorlageauftrag auf die Notwendigkeit der Abhaltung einer mündlichen Beschwerdeverhandlung unter persönlicher Befragung des Beschwerdeführers (und allfälliger Einvernahme von Zeugen) hingewiesen.

Nach jüngster Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes (VwGH vom 05.03.2021, Ra 2020/21/0175) hat die Behörde auch in Fällen von Beschwerden gegen Rückkehrentscheidungen außerhalb des asylrechtlichen Kontextes aufgrund des Unionsrechtes vor Durchführung der Rückkehrentscheidung – gegebenenfalls auch über die Wochenfrist des § 16 Abs. 4 und 18 Abs. 5 BFA-VG hinaus - die gerichtliche Entscheidung über die aufschiebende Wirkung abzuwarten (VwGH vom 05.03.2021, Ra 2020/21/0175).

Der Beschwerde war daher Folge zu geben und Spruchpunkt V. ersatzlos zu beheben.

Durch die Behebung des angefochtenen Spruchteils V. kommt der Beschwerde somit aufschiebende Wirkung zu. Somit war es nicht mehr erforderlich ausdrücklich der Beschwerde aufschiebende Wirkung zuzuerkennen. Im Übrigen ist ein derartiger Antrag gar nicht zulässig (VwGH vom 13.12.2017, Ra 2017/19/003).

Eine mündliche Verhandlung entfiel, weil über eine Beschwerde gegen die Aberkennung der aufschiebenden Wirkung ohne weiteres Verfahren und unverzüglich zu entscheiden ist (VwGH 09.06.2015, Ra 2015/08/0049).

Zu B) Unzulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen. Nach Art. 133 Abs. 4 erster Satz B-VG idF BGBl. I 51/2012 ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Im vorliegenden Fall ist die ordentliche Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung abhängt. Das Bundesverwaltungsgericht konnte sich bei allen erheblichen Rechtsfragen auf eine ständige Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes bzw. auf eine ohnehin klare Rechtslage stützen.

Schlagworte

aufschiebende Wirkung aufschiebende Wirkung - Entfall Behebung der Entscheidung ersatzlose Teilbehebung Spruchpunktbehebung Teilerkenntnis

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2021:W159.2242283.1.00

Im RIS seit

23.08.2021

Zuletzt aktualisiert am

23.08.2021
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
Zurück Haftungsausschluss Vernetzungsmöglichkeiten

Sofortabfrage ohne Anmeldung!

Jetzt Abfrage starten