Entscheidungsdatum
19.05.2021Norm
B-VG Art133 Abs4Spruch
L511 2204991 1/6E
L511 2204991-2/2E
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch die Richterin Mag.a Sandra Tatjana JICHA als Einzelrichterin über die Beschwerde von XXXX , vertreten durch Alfred FENZL Wirtschaftstreuhänder, gegen den Versicherungspflichtbescheid vom 19.07.2018, Zahl: XXXX , und den Beitragspflichtbescheid vom 20.07.2018, Zahlen: XXXX , der Sozialversicherungs-anstalt der gewerblichen Wirtschaft (nunmehr Sozialversicherungsanstalt der Selbständigen), Landesstelle Oberösterreich, zu Recht:
A)
I. Die Beschwerde gegen den Versicherungspflichtbescheid vom 19.07.2018, Zahl: XXXX , wird gemäß § 2 Abs. 1 Z 4 iVm § 4 Abs. 1 Z 5 Gewerbliches Sozialversicherungsgesetz (GSVG) als unbegründet abgewiesen.
II. Die Beschwerde gegen den Beitragspflichtbescheid vom 20.07.2018, Zahl: XXXX , wird gemäß §§ 25, 26, 35a, 35b, 27 GSVG und § 52 BMSVG und § 35 Abs. 6 GSVG als unbegründet abgewiesen.
B)
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Text
Entscheidungsgründe:
I. Verfahrensgang und Verfahrensinhalt
1. Verfahren vor der Sozialversicherungsanstalt der gewerblichen Wirtschaft [SVA]
1.1. Mit Versicherungspflichtbescheid vom 19.07.2018, Zahl: XXXX , stellte die SVA fest, dass die Beschwerdeführerin aufgrund einer selbständigen Erwerbstätigkeit im Zeitraum von 01.01.2016 bis 31.12.2016 der Pflichtversicherung in der Pensions- und Krankenversicherung nach dem GSVG unterlegen sei (Aktenzahl der elektronisch übermittelten Aktenteile [im Folgenden: AZ] 47-60).
Begründend führte die SVA aus, die Beschwerdeführerin habe mit der Versicherungserklärung vom 18.06.2011 die Ausübung ihrer selbständigen betrieblichen Erwerbstätigkeit (Ergotherapeutin) ab 01.07.2011 angezeigt. Ab 2015 sei die Beschwerdeführerin von der Versicherungspflicht wegen des Nichtüberschreitens der Versicherungsgrenze vorläufig ausgenommen gewesen. In dem im Zuge des Datenaustausches gemäß § 229a GSVG der SVA übermittelten Einkommensteuerbescheid 2016 vom 09.02.2018 seien Einkünfte aus selbständiger Arbeit in Höhe von EUR 5.389,58 festgestellt worden, welche die für das Jahr 2016 maßgebliche Versicherungsgrenze (EUR 4.988,64) überschritten hätten. Zudem seien der Beschwerdeführerin im Jahr 2016 Sozialversicherungsbeiträge in Höhe von EUR 823,08 gemäß § 25 Abs. 2 Z 2 GSVG gutgeschrieben worden, welche seit 01.01.2016 aufgrund der gesetzlichen Änderung des § 4 Abs. 1 Z 5 GSVG (SRÄG 2015) hinsichtlich des Überschreitens der Versicherungsgrenze nicht mehr berücksichtigt werden könnten. Da auch ansonsten keine andere Pflichtversicherung für die betriebliche Tätigkeit der Beschwerdeführerin bestünde, sei die Beschwerdeführerin rückwirkend in die Pflichtversicherung der Pensions- und Krankenversicherung einzubeziehen gewesen.
1.2. Mit Beitragspflichtbescheid vom 20.07.2018, Zahl: XXXX , (AZ 64-82), stellte die SVA in Spruchpunkt 1 gemäß §§ 25, 26, 35a, 35b GSVG die monatliche Beitragsgrundlage in der Pensions- und Krankenversicherung nach dem GSVG im Zeitraum von 01.01.2016 bis 31.12.2016 iHv EUR 380,54 fest. In Spruchpunkt 2. verpflichtete die SVA die Beschwerdeführerin gemäß § 27 GSVG und § 52 BMSVG zur Entrichtung von monatlichen Beiträgen im Zeitraum von 01.01.2016 bis 31.12.2016 in der in der Pensionsversicherung iHv EUR 70,40, in der Krankenversicherung iHv EUR 29,11 sowie in der betrieblichen Selbständigenvorsorge nach dem BMSVG iHv EUR 5,82. Weiters wurde sie gemäß § 35 Abs. 6 GSVG zur Entrichtung eines Beitragszuschlages für das Kalenderjahr 2016 in der Höhe von EUR 111,12 verpflichtet.
1.3. Gegen die am 25.07.2018 zugestellten Bescheide erhob die steuerliche Vertretung mit Schriftsatz vom 06.08.2018 fristgerecht Beschwerde (AZ 85-88).
Die Beschwerdeführerin tritt weder der festgestellten Versicherungspflicht, noch der festgestellten Höhe der Beitragsgrundlagen und dem verhängten Beitragszuschlag entgegen, sondern äußert ausschließlich verfassungsrechtliche Bedenken im Hinblick auf die Änderung des § 4 Abs. 1 Z 5 GSVG im Zuge des Steuerreformgesetzes 2015/2016 (BGBl I Nr. 118/2015) und des Sozialrechts-Änderungsgesetzes 2015 (BGBl I Nr. 162/2015). Die mit 01.01.2016 geänderte Rechtsnorm stelle nicht mehr auf die Beitragsgrundlagen, sondern nur mehr auf die im betreffenden Kalenderjahr erzielten Einkünfte ab. Die in diesem Jahr (positiv oder negativ) vorgeschriebenen Sozialversicherungsbeiträge (Nachzahlung oder Gutschrift) würden im Gegensatz zu früher nicht mehr zu den Einkünften bei der Ermittlung der Versicherungsgrenze hinzugerechnet werden. Folglich könnten Versicherte mit steigenden Gewinnen (Einkünften) die Versicherungsgrenze im Falle von gewinnmindernden Beitragsnachzahlungen unterschreiten, während Versicherte mit sinkenden Gewinnen (Einkünften) die Versicherungsgrenze im Falle von gewinnerhöhenden Beitragsgutschriften überschreiten könnten, was nicht nur im Falle der Beschwerdeführerin, sondern bei allen Versicherten mit Einkünften knapp an der Geringfügigkeitsgrenze zu extremen Ungleichbehandlungen führen würde.
2. Die belangte Behörde legte dem Bundesverwaltungsgericht [BVwG] am 05.09.2018 die Beschwerde samt Auszügen aus dem Verwaltungsakt und eine Stellungnahme zur Beschwerde in gescannter Form (Ordnungszahl des hg Gerichtsaktes [im Folgenden:] OZ 1-4 [AZ 1-88]) vor.
2.1. Am 12.04.2021 nahm das BVwG Einsicht in den Sozialversicherungsdatenauszug der Beschwerdeführerin (OZ 5).
I. ad A) Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1. entscheidungswesentliche Feststellungen
1.1. Die Beschwerdeführerin ist seit 01.07.2011 als Ergotherapeutin selbständig erwerbstätig (AZ 8, OZ 5). Seit 01.09.2011 ist sie darüber hinaus bei XXXX Oberösterreich unselbständig beschäftigt (OZ 5).
1.2. Die Beschwerdeführerin übermittelte der SVA am 16.06.2011 eine Versicherungs-erklärung gemäß § 2 Abs. 1 Z 4 GSVG. Darin gab sie an, ab 01.07.2011 als Ergotherapeutin selbständig erwerbstätig zu sein und die jeweils maßgebende Versicherungsgrenze für das Kalenderjahr 2011 und Folgejahre zu überschreiten (AZ 6, 8, 10).
1.3. Mit Erklärung vom 28.05.2015 teilte die Beschwerdeführerin der SVA mit, dass sie die maßgebende Versicherungsgrenze ab dem Kalenderjahr 2015 und Folgejahre unterschreiten werde (AZ 12, 14).
1.4. Am 09.04.2018 wurden der SVA im Wege des Datenaustauschs gemäß § 229a GSVG die Daten aus dem rechtskräftigem Einkommensteuerbescheid 2016 vom 08.02.2018 auf elektronischem Weg übermittelt, wonach im Jahr 2016 Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit in Höhe von [iHv] EUR 15.541,29 sowie Einkünfte aus selbständiger Arbeit iHv EUR 5.389,58 vorlagen. Der Hinzurechnungsbetrag GSVG betrug EUR -823,08 (AZ 20).
1.5. Für das Jahr 2016 liegt keine Anzeige betreffend die Überschreitung der Versicherungsgrenze durch die Beschwerdeführerin vor. Die SVA teilte der Beschwerdeführerin die Einbeziehung in die Pflichtversicherung nach dem GSVG für das Kalenderjahr 2016 mit Schreiben vom 10.04.2018 mit (AZ 22-24).
1.6. Die Beitragsgrundlage nach dem ASVG für die Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit der Beschwerdeführerin betrug im Jahr 2016 EUR 23.843,91 (OZ 5).
1.7. Die Mindestbeitragsgrundlage gemäß § 25 Abs. 4 GSVG iVm § 5 ASVG jeweils idF BGBl. II Nr. 417/2015 betrug im Jahr 2016 EUR 415,72; die Höchstbeitragsgrundlage gemäß § 48 GSVG idF BGBl. II Nr. 417/2015 EUR 5.670.00. Die Versicherungsgrenze gemäß § 4 Abs. 1 Z 5 GSVG betrug im Jahr 2016 EUR 4.988,64 (EUR 415,72*12).
2. Beweisaufnahme und Beweiswürdigung
2.1. Die getroffenen Feststellungen ergeben sich unmittelbar aus den jeweils zitierten Aktenteilen und sind zwischen den Parteien unstrittig geblieben.
2.2. Die Mindest- und Höchstbeitragsgrundlagen sowie die Versicherungsgrenze ergeben sich unmittelbar aus den zitierten gesetzlichen Bestimmungen.
2.3. Strittig blieb im Verfahren einzig die Frage der Verfassungskonformität des mit SRÄG 2015 ab 01.01.2016 geänderten § 4 Abs. 1 Z 5 GSVG, der für das Bestehen einer Versicherungspflicht nicht mehr auf die Beitragsgrundlagen, sondern auf die erzielten steuerpflichtigen Einkünfte im Kalenderjahr abstellt und folglich eine Hinzurechnung von vorgeschriebenen Gutschriften oder Nachzahlungen aus Sozialversicherungsbeiträgen nicht mehr erlaubt (AZ 44, AZ 86, 88; siehe dazu unter Rechtliche Beurteilung).
3. Entfall der mündlichen Verhandlung
3.1. Der Anspruch einer Partei auf Durchführung einer mündlichen Verhandlung ist kein absoluter (§ 24 VwGVG unter Hinweis auf Art. 6 Abs. 1 der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten, BGBl. Nr. 210/1958, [EMRK] noch Art. 47 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union, ABl. Nr. C 83 vom 30.03.2010 S. 389 [GRC]). Nach der Rechtsprechung des EGMR und ihm folgend des Verfassungsgerichtshofes und des Verwaltungsgerichtshofes kann eine mündliche Verhandlung unterbleiben, wenn der Sachverhalt unumstritten und nur eine Rechtsfrage zu entscheiden ist oder wenn die Sache keine besondere Komplexität aufweist (vgl. dazu für viele EGMR 12.11.2002, Döry / S, Rn37; VfGH 20.02.2015, B1534; sowie jüngst VwGH 18.12.2018, Ra 2018/03/0132, jeweils mwN).
3.2. Im gegenständlichen Fall ergab sich klar aus der Aktenlage, dass von einer mündlichen Erörterung keine weitere Klärung der Rechtssache zu erwarten war, da der zu Grunde liegende Sachverhalt im Verwaltungsverfahren unstrittig blieb und weder ergänzungsbedürftig war, noch in entscheidenden Punkten als nicht richtig erschien.
4. Rechtliche Beurteilung
4.1.1. Die Zuständigkeit des Bundesverwaltungsgerichts und die Entscheidung durch Einzelrichterin ergeben sich aus § 6 Bundesgesetz über die Organisation des Bundesverwaltungsgerichtes [BVwGG] iVm § 194 Gewerbliches Sozialversicherungsgesetz [GSVG] und § 414 Abs. 1 und Abs. 2 Allgemeines Sozialversicherungsgesetz [ASVG]. Das Verfahren des Bundesverwaltungsgerichts ist durch das Verwaltungsgerichtsverfahrens-gesetz (VwGVG) geregelt. Verfahrensgegenständlich sind demnach neben dem VwGVG auch die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles, sowie jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen sinngemäß anzuwenden, die die SVA im erstinstanzlichen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte (§ 17 VwGVG).
4.1.2. Die Beschwerde ist rechtzeitig und auch sonst zulässig (§§ 7, 9 VwGVG).
4.1.3. Das Bestehen oder Nichtbestehen der Sozialversicherungspflicht ist nicht nur hinsichtlich der maßgeblichen Sachlage, sondern auch hinsichtlich der Rechtslage zeitraumbezogen zu beurteilen (VwGH 20.12.2001, 98/08/0062 mwN). Verfahrens-gegenständlich kommt daher sowohl für die Beurteilung der Versicherungspflicht, die Feststellung der Beitragsgrundlagen, die Vorschreibung der Sozialversicherungsbeiträge als auch für die Verhängung des Beitragszuschlages das GSVG in der Fassung für 2016, BGBl. I Nr. 162/2015, zur Anwendung.
4.2. Spruchpunkt I – Versicherungspflicht
4.2.1. Verfahrensgegenständlich ist auf Grund der im Jahr 2011 abgegebenen Versicherungserklärung nicht strittig, dass die Tätigkeit bei Überschreiten der Versicherungsgrenze grundsätzlich der Versicherungspflicht gemäß § 2 Abs. 1 Z 4 GSVG unterliegt. Verfahrensgegenständlich wird auch das Überschreiten der in § 4 Abs. 1 Z 5 GSVG festgelegten Versicherungsgrenze nicht bestritten, jedoch die Verfassungskonformität der mit Sozialrechts-Änderungsgesetzes 2015 (SRÄG 2015), BGBl I Nr. 162/2015, neu gefassten Regelung in § 4 Abs. 1 Z 5 GSVG angezweifelt.
4.2.2. Gemäß § 4 Abs. 1 Z 5 GSVG sind Personen hinsichtlich ihrer selbständigen Erwerbstätigkeit im Sinne des § 2 Abs. 1 Z 4 von der Pflichtversicherung in der Kranken- und Pensionsversicherung ausgenommen, deren Einkünfte (§ 25) aus sämtlichen der Pflichtversicherung nach diesem Bundesgesetz unterliegenden Tätigkeiten im Kalenderjahr das Zwölffache des Betrages nach § 25 Abs. 4 nicht übersteigen. Dies gilt nicht für Personen, die eine Erklärung nach § 2 Abs. 1 Z 4 zweiter Satz abgegeben haben.
Gemäß § 25 Abs. 1 GSVG gelten als Einkünfte die Einkünfte im Sinne des Einkommensteuergesetzes 1988. Als Einkünfte aus einer die Pflichtversicherung begründenden Erwerbstätigkeit gelten auch die Einkünfte als Geschäftsführer und die Einkünfte des zu einem Geschäftsführer bestellten Gesellschafters der Gesellschaft mit beschränkter Haftung. Die sich aus § 25 Abs. 4 GSVG iVm § 5 Abs. 2 Z 2 ASVG idF BGBl II Nr. 417/2015 ergebende Versicherungsgrenze beträgt für das Jahr 2016 EUR 4.988,64 (EUR 415,72x12).
4.2.2.1. Die Einkünfte der Beschwerdeführerin betrugen im Jahr 2016 EUR 5.389,58 und lagen daher über der Versicherungsgrenze von EUR 4.988,64 (EUR 415,72*12).
4.2.3. Fallbezogen moniert die Beschwerdeführerin, dass der mit dem SRÄG 2015 ab dem 01.01.2016 neu gefasste § 4 Abs. 1 Z 5 GSVG für das Über- oder Unterschreiten der Versicherungsgrenze erstmalig nicht mehr auf die Beitragsgrundlagen – und damit die Hinzurechnung der im Jahr 2016 vorgeschriebenen Sozialversicherungsbeiträge bzw. des Abzuges der erfolgten Beitragsgutschriften –, sondern (nur mehr) auf die steuerpflichtigen Einkünfte im betreffenden Kalenderjahr abstellt. In ihrem Fall führe diese Umstellung nun zur Überschreitung der Versicherungsgrenze, da ihre Einkünfte bei Berücksichtigung des negativen Hinzurechnungsbetrages (der gewinnerhöhenden Beitragsgutschrift von 2016) von EUR -823,08 bei EUR 4.566,50 (und somit unter der Versicherungsgrenze) lägen.
Durch die Neuregelung des § 4 Abs. 1 Z 5 GSVG seit 01.01.2016 könne es somit zu extremen Ungleichbehandlungen zwischen Versicherten mit sinkenden Gewinnen (Einkünften) im Falle von gewinnerhöhenden Beitragsgutschriften und Versicherten mit steigenden Gewinnen (Einkünften) im Falle von gewinnmindernden Beitragsnachzahlungen kommen.
4.2.4. Dem ist entgegenzuhalten, dass bereits das bisherige Abstellen auf die Beitragsgrundlage, welche die vorgeschriebenen Sozialversicherungsbeiträge und Beitragsgutschriften berücksichtigte, zu Inkongruenzen aufgrund von nicht im Jahr der Vorschreibung, sondern in Folgejahren bezahlten Sozialversicherungsbeträgen kommen konnte, insbesondere etwa dann, wenn aufgrund einer annähernd gleichzeitigen Übermittlung von Einkommensteuerbescheiden aus vergangenen Jahren in einem Kalenderjahr eine Beitragsnachbelastung für mehrere Jahre erfolgte (vgl. dazu Pflug in Sonntag, GSVG (2020) §25 Rz13).
4.2.4.1. Der Verwaltungsgerichtshof hat dazu in ständiger Rechtsprechung wiederholt festgestellt, dass es hinsichtlich der gemäß § 25 Abs. 2 Z 2 GSVG hinzuzurechnenden Kranken- und Pensionsversicherungsbeiträge nur darauf ankommt, ob die Beiträge im betreffenden Jahr vorgeschrieben wurden, nicht aber darauf, für welche Kalenderjahre sie vorgeschrieben wurden, oder ob die vorgeschriebenen Beiträge auch bezahlt worden sind. Das Abstellen auf die Vorschreibungen führe zu sachgerechten Ergebnissen, weil sich die sich daraus ergebenden Inkongruenzen in der Regel über einen längeren Zeitraum hinweg ausglichen. Dass dies in Einzelfällen mitunter nicht zutreffen wird, gab nicht zu verfassungsrechtlichen Bedenken gegen den Inhalt der Regelung Anlass (jüngst VwGH 09.06.2020, Ra2020/08/0074 mwN; 02.05.2012, 2009/08/0006; sowie insbesondere VwGH 08.09.2010, 2010/08/0032 uHa VfSlg 11260/1987; 24.01.2006, 2005/08/0208).
4.2.4.2. Nach Ansicht des BVwG gilt dies auch für die mit 01.01.2016 geänderte Regelung, aus welcher sich Inkongruenzen in Bezug auf das Über- oder Unterschreiten der Versicherungsgrenze nur mehr aus der buchhalterischen Berücksichtigung bzw. dem Zahlungszeitpunkt der vorgeschriebenen Sozialversicherungsbeträge (und nicht mehr aus der Vorschreibung) ergeben können. Auch bei dieser Regelung erfolgt über längere Zeiträume ein Ausgleich und die Höhe der Einkünfte unterliegt darüber hinaus in weitaus größerem Umfang der Disposition der Betroffenen.
4.2.4.3. Das BVwG sieht daher keinen Anlass das Abstellen auf die Einkünfte in der Neuregelung des § 4 Abs. 1 Z 5 GSVG einer anderen Beurteilung im Hinblick auf die Verfassungskonformität zu unterziehen, als das bisherige Abstellen auf die (Einkünfte und vor- bzw. gutgeschriebene Versicherungsbeiträge enthaltende) Beitragsgrundlage.
4.2.5. Zusammenfassend erfolgte die Einbeziehung der Beschwerdeführerin in die bestehende nicht bestrittene Versicherungspflicht gemäß § 2 Abs. 1 Z4 GSVG auf Grund der über der Versicherungsgrenze von EUR 4.988,64 liegenden Einkünfte iHv EUR 5.389,58 somit zurecht, und die Beschwerde gegen den Versicherungspflichtbescheid ist spruchgemäß abzuweisen.
4.3. Spruchpunkt II – Beitragspflicht und Beitragszuschlag
4.3.1. Die Beschwerdeführerin ist weder der Berechnung und der Höhe der Beitragsgrundlage iHv EUR 380,54 (Spruchpunkt 1. des Beitragspflichtbescheides) noch den festgestellten monatlichen Beiträgen in der Pensionsversicherung iHv EUR 70,40, in der Krankenversicherung iHv EUR 29,11 sowie nach dem BMSVG iHv EUR 5,82 (Spruchpunkt 2. des Beitragspflichtbescheides) entgegengetreten und es ergeben sich auch keine Anhaltspunkte aus dem Verwaltungsakt, dass diese nicht richtig wären.
4.3.2. Mit Spruchpunkt 2 des Beitragspflichtbescheides wurde die Beschwerdeführerin zur Entrichtung eines Beitragszuschlages gemäß § 35 Abs. 6 GSVG verpflichtet.
4.3.2.1. Zumal die Beschwerdeführerin für 2016 weder vor Rechtskraft des Einkommensteuerbescheides eine Überschreitungserklärung abgegeben hat, noch den Eintritt der Versicherung binnen 8 Wochen ab Ausstellung der Einkommensteuerbescheide gemeldet hatte (vgl. dazu Taudes in Sonntag, GSVG(2020) §35 Rz28-32), erfolgte die Vorschreibung des Beitragszuschlages dem Grund nach zu Recht.
4.3.2.2. Auch die Festsetzung der Höhe des Beitragszuschlages erfolgte gesetzeskonform (9,3% von 12*(EUR 70,04+EUR 29,11)).
4.3.3. Zusammenfassend erweisen sich daher Spruchpunkt 1. und 2. des Beitragspflichtbescheides der belangten Behörde als korrekt, und die Beschwerde gegen den Beitragspflichtbescheid ist spruchgemäß abzuweisen.
II. ad B) Unzulässigkeit der Revision
Die gegenständliche Beurteilung erfolgte im Einklang mit der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes zu § 2 Abs. 1 Z 4 GSVG. Zu den vorgebrachten Inkongruenzen VwGH 09.06.2020, Ra 2020/08/0074; 02.05.2012, 2009/08/0006; 08.09.2010, 2010/08/0032.
Der Entfall der mündlichen Verhandlung steht weder mit der Judikatur der Höchstgerichte noch mit der Judikatur des EGMR in Widerspruch, siehe dazu insbesondere VwGH 26.01.2017, Ra2016/07/0061 mwN, und es ergeben sich auch keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage, so dass insgesamt die Voraussetzungen für die Zulässigkeit einer Revision gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht vorliegen.
Schlagworte
Beitragsgrundlagen Beitragspflicht Beitragszuschlag Einkommenssteuerbescheid Einkünfte Pflichtversicherung verfassungskonforme Interpretation Versicherungsgrenze VersicherungspflichtEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:BVWG:2021:L511.2204991.2.00Im RIS seit
24.08.2021Zuletzt aktualisiert am
24.08.2021