TE Bvwg Beschluss 2021/5/27 W144 2235884-1

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Veröffentlicht am 27.05.2021
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Entscheidungsdatum

27.05.2021

Norm

AsylG 2005 §3
AVG §62 Abs4
B-VG Art133 Abs4
VwGVG §7 Abs4

Spruch


W144 2235886-1/10E

W144 2235880-1/10E

W144 2235881-1/7E

W144 2235884-1/7E

Beschluss

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. Andreas HUBER über die gemeinsame Beschwerde von 1.) XXXX , XXXX geb., 2.) XXXX , XXXX geb., 3.) XXXX , XXXX geb., und 4.) XXXX , XXXX geb., alle StA. von Afghanistan, gegen die Bescheide des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl jeweils vom 19.08.2020, Zlen. XXXX (ad 1.), XXXX (ad 2.), XXXX (ad 3.), und XXXX (ad 4.), beschlossen:

A)

Die Beschwerde wird gemäß § 7 Abs. 4 VwGVG als verspätet zurückgewiesen.

B)

Die ordentliche Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.


Text


Begründung:

I. Verfahrensgang:

Die 1.-Beschwerdeführerin (1.-BF) ist die Mutter und gesetzliche Vertreterin der minderjährigen (mj.) 2.- bis 4.-Beschwerdeführer (2.- bis 4.-BF), alle sind Staatsangehörige von Afghanistan.

Die (BF) stellten am 20.07.2020 die verfahrensgegenständlichen Anträge auf internationalen Schutz, welche mit den angefochtenen Bescheiden vom 19.08.2020 (im Hinblick auf den Status von Asylberechtigten) gem. § 3 AsylG abgewiesen wurden; unter einem wurde den BF jedoch gem. § 8 AsylG subsidiärer Schutz und eine befristete Aufenthaltsberechtigung zuerkannt, wobei jedoch irrtümlich unterlassen wurde, das Fristende mit einem Datum zu benennen.

In der Rechtsmittelbelehrung der angefochtenen Bescheide wurde ausgeführt, dass eine Beschwerde binnen einer Frist von 4 Wochen ab Zustellung schriftlich bei der den Bescheid erlassenden Behörde einzubringen sei.

Die Bescheide wurden der 1.-BF (in eigener Sache sowie als Vertreterin der 2.- bis 4.-BF) am 26.08.2020 durch tatsächliches Zukommen zugestellt.

Mit Bescheiden jeweils vom 02.09.2020 wurden die angefochtenen Bescheide dahingehend berichtigt, dass das Fristende der befristeten Aufenthaltsberechtigung mit 18.07.2021 normiert wurde.

Am 29.09.2020 erhoben die BF jeweils gegen den Spruchpunkt I. (i.e. Abweisung des Asylantrags im engeren Sinne gem. § 3 AsylG) der Bescheide des BFA vom 19.08.2020 Beschwerde an das BVwG.

Die verspätete Beschwerdeeinbringung wurde seitens des BVwG zunächst übersehen und wurde folglich am 30.03.2021 eine mündliche Verhandlung durchgeführt.

Mit ho. Schreiben/Verspätungsvorhalt an die 1.-BF vom 04.05.2021 wurde den BF, mit der Einladung allenfalls binnen 2 Wochen ab Zustellung Stellung zu nehmen, Parteiengehör wie folgt gewährt:

„… aus der Aktenlage ergibt sich, dass die angefochtenen Bescheide des BFA vom 19.08.2020 betreffend Sie und Ihre mj. Kinder laut Unterschriften auf den bezughabenden Rückscheinen am 26.08.2020 zugestellt worden sein sollen. Allerdings weichen die Unterschriften offensichtlich von Ihrer persönlichen Unterschrift (vgl. AS 21 des BFA-Aktes sowie BVwG-Verhandlungsprotokoll) ab, sodass naheliegend erscheint, dass diese Unterschriften nicht von Ihnen persönlich stammen.

Sie werden daher aufgefordert, bekanntzugeben,

1.       ob Sie die Bescheide des BFA vom 19.08.2020 tatsächlich persönlich vom Zusteller übernommen und persönlich unterschrieben haben,

2.       wann Ihnen diese Bescheide tatsächlich zugekommen sind, falls die Unterschriften auf den Rückscheinen nicht von Ihnen stammen.

Informationshalber wird Ihnen mitgeteilt, dass zur Beurteilung der Rechtzeitigkeit ihrer am 29.09.2020 eingebrachten Beschwerden rechtlich von Bedeutung ist, wann die Bescheide des BFA vom 19.08.2020 zugestellt worden sind, hingegen ist rechtlich unerheblich, dass ihnen die Berichtigungsbescheide vom 02.09.2020 erst am 03.09.2020 zugestellt worden sind:“

In der Folge wurde seitens der BF mit Schriftsatz vom 19.05.2021 eine Stellungnahme eingebracht, in welcher sie vorbrachten, dass die Unterschriften auf den postalischen RSa-Rückscheinen von ihrer (zum Zustellungszeitpunkt bei ihnen zu Hause anwesenden) Deutschlehrerin stammen, welche die Bescheide vom Zusteller übernommen und die Übernahme unterzeichnet habe. Die Bescheide seien der 1.-BF gleich darauf zugekommen, da sie zum Zeitpunkt der Zustellung zu Hause gewesen sei und die Deutschlehrerin die Bescheide an sie übergeben habe.

Im Übrigen wurde moniert, dass gegenständlicher Verspätungsvorhalt vor Durchführung der Beschwerdeverhandlung hätte erfolgen sollen und die BF aufgrund dieser „Einlassung im verwaltungsgerichtlichen Verfahren“ darauf vertraut hätten, dass inhaltlich entschieden werde.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

Der im Verfahrensgang dargestellte Sachverhalt wird festgestellt und der Entscheidung zu Grunde gelegt.

Insbesondere wird festgestellt, dass die angefochtenen Bescheide vom 19.08.2020 am 26.08.2020 rechtswirksam durch tatsächliches Zukommen zugestellt wurden, sowie dass die Beschwerdeeinbringung gegen diese Entscheidungen am 29.09.2020 erfolgt ist.

Weiters wird festgestellt, dass die in der Beschwerde behauptete Rechtsverletzung in Bezug auf die jeweiligen Spruchpunkte I. der Bescheide vom 19.08.2020 nicht erst durch die Berichtigungsbescheide vom 02.09.2020 erkennbar war, sowie, dass nicht erst in der berichtigten Fassung der Bescheide ein Eingriff in die Rechte der BF zum Ausdruck gekommen ist, da die Abweisung der Anträge gem. § 3 AsylG bereits in den unberichtigten Bescheidfassungen erfolgt ist und von den Berichtigungen nicht tangiert wurde.

II. Beweiswürdigung:

Die festgestellten Tatsachen ergeben sich aus dem Verwaltungsakt des Bundesamtes in Verbindung mit der Stellungnahme der BF vom 19.05.2021.

3. Rechtliche Beurteilung:

Zu A) Zurückweisung der Beschwerde:

Die Frist zur Erhebung einer Bescheidbeschwerde beträgt gemäß § 7 Abs. 4 VwGVG vier Wochen ab Zustellung des Bescheids; sie ist bei der Behörde, die den angefochtenen Bescheid erlassen hat, einzubringen.

In casu wurden die angefochtenen Bescheide des BFA vom 19.08.2020, zugestellt am 26.08.2020, mit Bescheiden vom 02.09.2020, frühestens zugestellt am 03.09.2020, berichtigt, sodass zum Beginn der Rechtsmittelfrist Folgendes auszuführen ist:

Nach der hg. Judikatur (Hinweis B vom 24. April 2003, 2003/07/0008, mwN) ist, wenn ein Bescheid gemäß § 62 Abs. 4 AVG berichtigt wird, die Rechtsmittelfrist (nur) dann von der Zustellung des Berichtigungsbescheides an zu berechnen, wenn erst in der berichtigten Fassung des Bescheides ein Eingriff in die Rechte des Rechtsmittelwerbers zum Ausdruck gekommen ist. Die Zustellung des Berichtigungsbescheides setzt daher die Rechtsmittelfrist hinsichtlich des berichtigten Bescheides nur dann von Neuem in Gang, wenn entweder erst durch den Berichtigungsbescheid die in dem nunmehrigen Rechtsmittel behauptete Rechtsverletzung in Betracht käme oder erstmals erkennbar geworden wäre, nicht aber bereits dann, wenn mit dem Spruch des auf § 62 Abs. 4 AVG gestützten Berichtigungsbescheides ein klar erkennbarer Schreibfehler richtiggestellt oder eine Auslassung behoben und solcherart der rechtsverbindliche (normative) Inhalt des verwaltungsbehördlichen Bescheides in keiner Weise geändert wird. In einem solchen Fall hat diese Maßnahme keinen Einfluss auf den Lauf der Rechtsmittelfrist im Hinblick auf den berichtigten Bescheid (Hinweis B vom 24. August 2004, 2004/01/0301, mwN). Diese Rechtsprechung kann auf Berichtigungen von Erkenntnissen (oder Beschlüssen) eines Verwaltungsgerichtes übertragen werden, weil gemäß § 17 VwGVG 2014 auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG die Bestimmung des § 62 AVG Anwendung findet (vgl. Rechtssatz VwGH 09.08.2017, Ra 2017/09/0028).

Dies bedeutet für den vorliegenden Fall, dass die 4-wöchige Beschwerdefrist gegen die angefochtenen und am Mittwoch, den 26.08.2020 zugestellten Bescheide am Mittwoch, den 23.09.2020 endete. Die erst am 29.09.2020 eingebrachte Beschwerde erweist sich damit als verspätet.

Zu der von den BF angesprochen „quasi“-Heilung der Verspätung durch „Einlassung in das verwaltungsgerichtliche Verfahren“ seitens des BVwG ist zu entgegnen, dass die Unzulässigkeit einer Beschwerde in jeder Lage des anhängigen Verfahrens aufzugreifen ist.

Somit war die Beschwerde als verspätet zurückzuweisen und beschlussgemäß zu entscheiden.

Zum Unterbleiben einer mündlichen Verhandlung in Bezug auf die Verspätung:

Im gegenständlichen Fall konnte gemäß § 21 Abs. 7 BFA-VG eine mündliche Verhandlung unterbleiben, weil der für die Entscheidung maßgebliche Sachverhalt bereits aus der Aktenlage geklärt erscheint. Zudem ist in § 24 Abs. 2 VwGVG explizit geregelt, dass eine Verhandlung entfallen kann, wenn - wie gegenständlich – die Beschwerde zurückzuweisen ist.

Zu B) Unzulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen. Nach Art. 133 Abs. 4 erster Satz B-VG idF BGBl. I Nr. 51/2012 ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Im vorliegenden Fall ist die ordentliche Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung abhängt. Denn das Bundesverwaltungsgericht konnte sich bei allen erheblichen Rechtsfragen auf eine ständige Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes bzw. auf eine ohnehin klare Rechtslage stützen.

Schlagworte

Berichtigung Fristbeginn Rechtsmittelfrist Verspätung Verspätungsvorhalt Zurückweisung Zustellung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2021:W144.2235884.1.00

Im RIS seit

23.08.2021

Zuletzt aktualisiert am

23.08.2021
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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