TE Bvwg Erkenntnis 2021/6/11 W163 2176678-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 11.06.2021
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Entscheidungsdatum

11.06.2021

Norm

AsylG 2005 §10 Abs1 Z3
AsylG 2005 §3 Abs1
AsylG 2005 §57
AsylG 2005 §8 Abs1
BFA-VG §9
B-VG Art133 Abs4
FPG §52
FPG §55

Spruch


W163 2176678-1/11E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch den Richter Mag. Daniel Leitner als Einzelrichter über die Beschwerde des Herrn XXXX , geboren am XXXX , Staatsangehörigkeit Nepal, vertreten durch die BBU GmbH in 1020 Wien, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 24.10.2017, Zahl XXXX , nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung zu Recht:

A) Die Beschwerde wird gemäß §§ 3 Abs. 1, 8 Abs. 1 Z 1, 10 Abs. 1 Z 3, 57 Asylgesetz 2005 idgF., § 9 BFA-Verfahrensgesetz idgF. und §§ 52, 55 Fremdenpolizeigesetz idgF. als unbegründet abgewiesen.

B) Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.


Text


Entscheidungsgründe:

I. Verfahrensgang und Sachverhalt

I.1. Verfahrensgang

1. Der Beschwerdeführer (im Folgenden: BF) reiste am 18.09.2017 unrechtmäßig und schlepperunterstützt in das österreichische Bundesgebiet ein und stellte am selben Tag einen Antrag auf internationalen Schutz gemäß § 2 Abs. 1 Z 13 des Asylgesetzes 2005 (AsylG 2005), BGBl. I Nr. 100/2005 idgF.

2.       Am 19.09.2017 fand die Erstbefragung des BF vor Organen des öffentlichen Sicherheitsdienstes statt.

3.       Am 03.10.2017 wurde der BF vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl niederschriftlich einvernommen.

4.       Mit im Spruch angeführten Bescheid des BFA vom 24.10.2017 wurde der Antrag des BF auf internationalen Schutz gemäß § 3 Abs 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten (Spruchpunkt I.) und gemäß § 8 Abs 1 iVm § 2 Abs 1 Z 13 AsylG bezüglich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Nepal (Spruchpunkt II.) abgewiesen. Dem BF wurde gemäß § 57 AsylG ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen nicht erteilt. Gemäß § 10 Abs 1 Z 3 AsylG iVm § 9 BFA-VG wurde gegen ihn eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs 2 Z 2 FPG erlassen und weiters gemäß § 52 Abs 9 FPG festgestellt, dass die Abschiebung des BF gemäß § 46 FPG nach Nepal zulässig sei (Spruchpunkt III.). Gemäß § 55 Abs 1 bis 3 FPG wurde als Frist für seine freiwillige Ausreise 14 Tage ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung festgelegt (Spruchpunkt IV.).

5.       Gegen diesen rechtswirksam zugestellten Bescheid erhob der BF fristgerecht Beschwerde, welche am 14.11.2017 beim BFA einlangte.

6.       Das BFA legte die Beschwerde sowie die bezughabenden Verwaltungsakten dem Bundesverwaltungsgericht (im Folgenden: BVwG) am 16.11.2017 vor.

8.       Das BVwG führte in der gegenständlichen Rechtssache am 05.05.2021 eine öffentliche mündliche Verhandlung durch, an der der BF in Anwesenheit seines Rechtsvertreters teilnahm. Die belangte Behörde nahm an der Verhandlung nicht teil.

9.       Der BF erstattete am 18.05.2021 eine schriftliche Stellungnahme zu den in der Verhandlung am 05.05.2021 eingebrachten Länderberichten, in der er auf die aktuelle COVID-19 Pandemie in Nepal verwies und beantragte, für den Fall der Abweisung der Beschwerde, eine Frist für die freiwillige Ausreise aufgrund der COVID-19-Pandemie mit einer längeren Dauer festzusetzen.

I.2. Ergebnisse des Ermittlungsverfahrens (Sachverhalt)

Das BVwG geht auf Grund des durchgeführten Ermittlungsverfahrens von folgendem für die Entscheidung maßgebenden Sachverhalt aus:

a) Zur Person der beschwerdeführenden Partei

1. Zur Person des Beschwerdeführers

Der BF führt den Namen XXXX und ist am XXXX im Distrikt XXXX in der Zone Janakpur (Nepal) geboren. Er ist nepalesischer Staatsangehöriger, gehört der Volksgruppe der Newar an und bekennt sich zur Religionsgemeinschaft der Hinduisten.

Der BF spricht Nepali, Hindi und ein wenig Englisch, jedoch kein Deutsch.

Der BF ist kinderlos und lebte bis zu seiner Flucht mit seiner Gattin in einer Mietwohnung in Kathmandu. Bevor er im September 2017 in Österreich einreiste, reiste er über Janakpur, Surkhet und Biratnagar nach Indien. Wie lange sich der BF in Indien aufhielt, konnte nicht festgestellt werden.

Der BF besuchte acht Jahre lang die Schule und arbeitete dann als Taxifahrer bzw. Chauffeur.

Die Gattin des BF lebt zwischenzeitlich mit einem anderen Mann in Nepal. Der BF gilt rechtlich noch als verheiratet. Sein Bruder und seine zwei Schwestern leben nach wie vor in Nepal. Zu diesen hat er keinen Kontakt mehr, wobei nicht festgestellt werden kann, wann der letzte Kontakt stattfand. Ob sein Bruder und seine Eltern umgebracht wurden, konnte nicht festgestellt werden. In Österreich hat er keine Familienangehörigen oder Verwandten und verfügt auch sonst über keine nennenswerten sozialen Bindungen.

Der BF ist gesund und arbeitsfähig.

Der BF verließ seinen Herkunftsstaat etwa 2016/2017 und begab sich am 05.08.2017 auf den Weg nach Europa, wo er am 18.09.2017 unrechtmäßig in das österreichische Bundesgebiet einreiste und am selben Tag den verfahrensgegenständlichen Antrag stellte.

2. Zur Rückkehrmöglichkeit nach Nepal

Festgestellt wird, dass der BF in seinem Herkunftsstaat weder vorbestraft ist noch jemals inhaftiert wurde und auch mit den Behörden des Herkunftsstaates weder auf Grund seines Religionsbekenntnisses, seiner Volksgruppenzugehörigkeit oder aus politischen Gründen noch sonst irgendwelche Probleme hatte.

Der BF ist in Nepal keiner konkreten individuellen Verfolgung ausgesetzt. Gründe, die eine Verfolgung oder sonstige Gefährdung des BF im Fall der Rückkehr in den Herkunftsstaat Nepal aus Gründen der Rasse, der Religion, der Nationalität, der Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder der politischen Gesinnung maßgeblich wahrscheinlich erscheinen lassen, wurden vom BF nicht glaubhaft gemacht.

Das Vorbringen des BF zu den Gründen für seine Ausreise aus Nepal ist nicht glaubhaft. Der BF konnte nicht glaubwürdig darstellen, einer Verfolgung durch die Polizei und einer Bande namens Lama Ganesh ausgesetzt gewesen und im Falle der Rückführung ausgesetzt zu sein.

Der BF hat nicht glaubhaft gemacht, zum Christentum konvertiert zu sein.

Es kann zudem nicht festgestellt werden, dass der BF im Falle einer Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung nach Nepal in seinem Recht auf Leben gefährdet wird, der Folter oder unmenschlicher oder erniedrigender Strafe oder Behandlung unterworfen oder von der Todesstrafe bedroht wird oder eine Rückkehr für den BF als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konflikts mit sich bringen würde.

Festgestellt wird, dass die aktuell vorherrschende – Nepal, mit Stand 21.05.2021, 480.418 Erkrankungen, 5.657 Todesfällen und 2.528.984 verabreichten Impfdosen – COVID-19-Pandemie kein Rückkehrhindernis darstellt. Der BF ist grundsätzlich gesund und gehört mit Blick auf sein Alter und das Fehlen physischer (chronischer) Vorerkrankungen keiner spezifischen Risikogruppe betreffend COVID-19 an. Es besteht keine hinreichende Wahrscheinlichkeit, dass der BF bei einer Rückkehr nach Nepal, sollte er überhaupt an COVID-19 erkranken, eine Infektion mit schwerwiegendem oder tödlichem Verlauf bzw. mit dem Bedarf einer intensivmedizinischen Behandlung bzw. einer Behandlung in einem Krankenhaus erleiden würde.

3. Zur Situation des Beschwerdeführers in Österreich

Der BF befindet sich seit seiner unrechtmäßigen Einreise am 18.09.2017 durchgehend in Österreich.

Der BF ist Mitglied des nepalesischen Vereins „ XXXX “, von dem er eine Bestätigung vorlegte, derzufolge er als Mitglied immer fleißig und hilfsbereit sei (Anhang ./B der Verhandlungsschrift.

Er ist derzeit in Österreich als Zeitungszusteller tätig, wobei er diesbezüglich auch einen Verteil- und einen Distributionsvertrag vorlegte (Anhang ./A der Verhandlungsschrift). Er verdient monatlich etwas 400,-- Euro und bezieht keine Leistungen aus der Grundversorgung.

Er spricht kein Deutsch und es konnten auch sonst keine maßgebliche Anhaltspunkte für die Annahme einer hinreichenden Integration des BF in Österreich in wirtschaftlicher und gesellschaftlicher Hinsicht festgestellt werden.

Der BF ist in Österreich strafgerichtlich unbescholten.

b) Zur Lage im Herkunftsstaat

Länderinformationsblatt der Staatendokumentation, Nepal, Gesamtaktualisierung am 10.02.2021:

Länderspezifische Anmerkungen

Politische Lage

Nach der neuen Verfassung von 2015 ist Nepal in sieben?Bundesstaaten gegliedert, die wiederum in insgesamt 75 Distrikte aufgeteilt sind (GIZ 1.2021). Die Hauptlandessprache ist Nepalesisch (CIA 5.2.2021). Regierungsform ist eine parlamentarische Mehrparteien-Demokratie (USDOS 11.3.2020; vgl. AA 24.9.2020a), die nach dem zehnjährigen Bürgerkrieg (1996–2006) entstand (GIZ 1.2021). Staatsoberhaupt ist seit 28.10.2015 die Präsidentin Bidya Devi Bhandari (AA 24.9.2020a).

Nepal war 240 Jahre lang eine hinduistische Monarchie (GIZ 1.2021). Die heutige Verfassung Nepals sowie die innenpolitische Agenda sind Ergebnis des konfliktreichen Übergangs zur Republik in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts. 1991 sah sich die monarchische Regierung auf Druck der politischen Parteien gezwungen, eine Reform der Verfassung in Angriff zu nehmen und ein Mehrparteienparlament zu etablieren (GIZ 1.2021). Zwischen 1996 und 2006 gab es einen Bürgerkrieg, der von maoistischen Rebellen gegen die Sicherheitskräfte des Landes geführt wurde (CIA 5.2.2021). Er forderte im Verlauf von zehn Jahren rund 13.500 Todesopfer (LMD 9.3.2012). Mehr als 1.300 Menschen gelten noch immer als vermisst (IKRK 31.8.2018). Die Anfang April 2008 gewählte erste verfassungsgebende Versammlung erklärte in ihrer konstituierenden Sitzung Nepal zur Demokratischen Bundesrepublik, setzte den König ab und wählte den ersten Präsidenten des Landes (CIA 5.2.2021). Die zweite verfassungsgebende Versammlung wurde in allgemeinen Wahlen am 19. November 2013 gewählt (GIZ 1.2021). Instabile Koalitionsregierungen kamen und gingen und elf Premiers lösten einander seit dem Ende des Bürgerkrieges bis 2018 ab. Das verheerende Erdbeben von 2015 destabilisierte das Land, das ärmer ist als die in der Region liegenden Staaten Bhutan, Pakistan und Bangladesch, zusätzlich (DW 4.4.2018).

In den im November und Dezember 2017 abgehaltenen Parlaments- und Provinzwahlen erhielten die Vereinte Marxistisch-Leninistische Kommunistische Partei (CPN-UML) und ihr Bündnispartner, die Kommunistisch-Maoistische Zentrumspartei (CPN-MC), 121 bzw. 53 Sitze im Unterhaus, welches über 275 Sitze verfügt. Bei der bislang stärksten Partei Nepali Congress (NC) verfehlten dagegen viele Politiker den Wiedereinzug ins Parlament. In der südlichen Provinz Nr. 2 erhielten zwei Parteien, welche die Minderheit der Madhesi vertreten, eine parlamentarische Mehrheit. Das linke Bündnis der Kommunisten verstärkte seine Position noch, indem es eine Zwei-Drittel-Mehrheit im Senat erhielt. Nach dem überwältigenden Wahlsieg des linken Bündnisses hat der Führer der CPN-UML Khadga Prasad Sharma Oli das Amt des Premierministers Nepals als Nachfolger von Sher Bahadur Deuba angetreten (GIZ 1.2021; vgl. DS 14.2.2018).

Auf nationaler Ebene wird Nepal ein Bestehen von demokratischen Institutionen attestiert. Obwohl die Legitimität der allgemeinen Souveränität des Staates und die territorialen Ansprüche innerhalb seiner internationalen Grenzen prinzipiell unbestritten sind, steht die Beschaffenheit der internen Machtstrukturen des Staates - sowohl geografisch als auch politisch - zur Diskussion. Dies wurde durch die enge Beziehung zwischen Nepals ziviler Regierung und seinen Streitkräften verkompliziert, die sich mit der maoistischen politischen Partei (CPN-M und jetzt NCP) an der Macht und mit der Integration einer beträchtlichen Anzahl ehemaliger maoistischer Kämpfer in die nepalesische Armee (NA) von 2012 bis 2014 noch verstärkt hat (BS 29.4.2020). Geleitet wird die NCP vom langjährigen Führungspersonal der beiden Vorgängerparteien, das bestrebt ist, den eigenen Einfluss nicht zu verlieren (BS 18.1.2021).

Der seit 2006 andauernde, langsame und fragile Friedensprozess hat dazu beigetragen, dass das Gewaltmonopol des Staates in vielen Teilen des Landes gestärkt wurde (BS 29.4.2020). Eine Reihe von kompetitiven Wahlen wurde abgehalten und eine dauerhafte Verfassung verabschiedet (FH 4.3.2020).

Doch wurde Ende Dezember 2020 als Folge eines schwelenden Machtkampfes innerhalb der regierenden NCP durch Premierminister Oli überraschend das Parlament aufgelöst (BS 18.1.2021). Vorgezogene Neuwahlen sollen in zwei Wahlgängen Ende April und im Mai 2021 stattfinden und damit mehr als ein Jahr vor dem regulären Termin (BAMF 11.1.2021).

Gerüchte um eine Spaltung der 2018 geschlossenen Allianz der von Oli geführten CPN-UML und dem CPN-MC unter Pushpa Kamal Dahal haben schon länger bestanden. Als Gründe wurden wiederholt die Unzufriedenheit mit der Arbeit des Premiers in der COVID-Pandemie aufgeführt. Auch seine Annäherung an China, die zu Spannungen mit dem traditionellen nepalesischen Partner Indien geführt haben, werden kritisiert (BS 18.1.2021; vgl. BAMF 11.1.2021).

Sicherheitslage

Die Sicherheitslage bleibt vor allem in urbanen Zentren wie Kathmandu und Pokhara angespannt (BMEIA 22.1.2021). Nach der erfolgreichen Durchführung der Parlaments- und Lokalwahlen sowie der Arbeitsaufnahme der neuen Amtsträger im Frühling 2018 befindet sich Nepal in einer Konsolidierungsphase. Die politische Lage bleibt fragil. Im ganzen Land, einschließlich Kathmandu, werden sporadisch Anschläge mit kleineren Sprengsätzen verübt. Sie verursachen vereinzelt Todesopfer und Verletzte sowie Sachschaden (EDA 21.12.2020). Es kommt vereinzelt zu kurzfristig ausgerufenen „Bandhs“ [Generalstreiks, welche von kommunalen Akteuren oder politische Parteien ausgerufen werden können]. Diese Protestaktionen können das öffentliche Leben empfindlich stören. Besonders in Terai ist mit Protestaktionen und gewaltsamen, unter Umständen gefährlichen Auseinandersetzungen zu rechnen (AA 12.1.2021).

Kriminelle Organisationen und andere Gruppierungen erpressen in vielen Landesteilen nationale und internationale Organisationen, Geschäftsleute und Einzelpersonen und setzen Forderungen teilweise mit Gewalt durch (AA 12.1.2021).

Das South Asia Terrorism Portal verzeichnet in einer Aufstellung für das Jahr 2019 insgesamt 13 Todesopfer durch terrorismusrelevante Gewalt. Im Jahr 2020 wurde eine Person durch terroristische Gewalt getötet. Im Jahr 2021 wurden bis zum zum 24.1.2021 keine Opfer durch terroristische Gewaltanwendungen registriert [Anmerkung: die angeführten Zahlen beinhalten Zivilisten, Sicherheitskräfte und Terroristen] (SATP 24.1.2021).

Während es in der Vergangenheit Anlass zur Besorgnis über Maßnahmen der Indischen Grenzsicherheitskräfte im unmittelbaren Grenzgebiet gegeben hat, haben sich diese vereinzelten Vorfälle in letzter Zeit nicht intensiviert. Jedoch haben die offensiven Tätigkeiten durch chinesische Grenztruppen entlang der nördlichen Grenze zur autonomen tibetischen Region Chinas zugenommen. Berichten zu Folge fanden grenzüberschreitende Aktionen durch chinesische militärische Kräfte statt (BS 29.4.2020).

Nepal und Indien:

Der Nachbar Indien spielt durch die geographische und kulturelle Nähe für Nepal traditionell eine große Rolle. Neu-Delhi unterstützte das Land auf dem Weg zur Mehrparteien-Demokratie und sendete 2015 als erstes große Mengen Hilfsgüter in die Erdbebenregion. Die Hilfe ist dabei nicht ganz selbstlos (DW 4.4.2018). Nepal ist mit seinem „großer Bruder“ sehr eng verbunden (GIZ 1.2021), auch wenn seit 2015 eine stetige Schwächung der Beziehungen zwischen Indien und Nepal stattfindet (GW 2021).

Nepal beansprucht strategisch wichtiges Terrain im Himalaya, das auch von Indien beansprucht wird. In dem betroffenen Gebiet sind seit Jahrzehnten indische Truppen stationiert. Nepal veröffentlichte 2020 eine neue Landkarte, die das beanspruchte Gebier Nepal zuordnet, nachdem Indien begonnen hatte, eine neue Straße durch das umstrittene Gebiet zu bauen. Einen Grenzvertrag, den das Land mit dem damaligen britischen Kolonialreich Indien 1816 geschlossen hatte, interpretieren beide Länder zu ihrem Vorteil. Indien ist auch mit China in Grenzstreitigkeiten verwickelt (DS 18.6.2020)

Nepal und China:

Die Beziehungen zwischen China und Nepal haben sich in den letzten Jahren intensiviert (BS 29.4.2020). Nepal wendet sich zunehmend an China als Partner und verstärkt die Investitions- und Handelsbeziehungen, einschließlich der Einbindung an Chinas „Belt and Road“-Initiative (HRW 13.1.2021).

Ein gemeinsames Projekt zwischen China und Nepal sieht derzeit den Bau einer Eisenbahnlinie vor, die die westliche Region Tibets mit Nepal verbinden soll. Dieses Projekt war eines von mehreren bilateralen Abkommen, die während des Besuchs des nepalesischen Premierministers Khadga Prasad Sharma Oli in Peking im Juni 2018 unterzeichnet wurden (BS 29.4.2020). Darüber hinaus wird kolportiert dass im Oktober 2019 Abkommen über ein „System zum Grenzmanagement“ und einem Abkommen zur „Gegenseitigen juristischen Hilfe bei Kriminalfällen“ zwischen den beiden Staaten ausgehandelt wurden (GSTF 21.2.2020; vgkl. HRW 13.1.2021). Andere Quellen berichten, dass zwischen Nepal und China kein solches Auslieferungsabkommen besteht, aber seit Oktober 2019 eine gemeinsame Erklärung zur Bekämpfung von Kriminalität existent ist (BAMF 13.1.2021; vgl. BW 16.10.2019).

Die geografische Lage Nepals erfordert eine Politik der guten Nachbarschaft und einen entsprechenden Ausgleich der Interessen des Binnenstaates gegenüber den beiden Großmächten (GIZ 21.2021b; vgl. ORF 31.7.2020).

Rechtsschutz / Justizwesen

Die Verfassung von 2015 garantiert eine unabhängige Justiz (GIZ 1.2021; vgl. FH 4.3.2020). Jedoch bleibt das Justizwesen anfällig für politischen Druck, Bestechung und Drohungen. Das Gerichtswesen ist dreistufig: an der Spitze steht der Oberste Gerichtshof, darunter rangieren Berufungs- und Distriktsgerichte (GIZ 1.2021; vgl. USDOS 11.3.2020, FH 4.3.2020).

Durch Militärgerichte wird über all jene Fälle geurteilt, welche militärisches Personal nach dem Militärgesetz betreffen. Das Militärgesetz räumt dabei dem Militärpersonal die gleichen Grundrechte wie der Zivilbevölkerung ein. Bis auf Soldaten, die wegen Vergewaltigung oder Mordes angeklagt sind und zur Strafverfolgung an zivile Behörden übergeben werden, verfolgt die Armee alle anderen Strafverfahren, die gegen Soldaten im Rahmen der Militärgerichtsbarkeit eingeleitet werden (USDOS 11.3.2020).

Es gibt weiterhin im gesamten politischen Spektrum eine umfassende Akzeptanz für die Verschleppung einer Strafverfolgung von mehr als 63.000 Anklagen mit Bezug auf erfolgte Menschenrechtsverletzungen und Kriegsverbrechen. Die Konfliktparteien haben bei ihrem Friedensschluss 2006 und in der Interimsverfassung von 2007 das Einsetzen einer Übergangsgerichtsbarkeit versprochen. Doch sind bis 2014, als die Kommission zur Untersuchung von Verschwundenen (COIDP) und die Wahrheits- und Versöhnungskommission (TRC) geschaffen wurden, keine Einrichtungen für eine Übergangsgerichtsbarkeit eingerichtet worden. Die Ermächtigungsgesetze, die mit diesen beiden Gremien verbunden sind, enthalten Amnestiebestimmungen, die praktisch sicherstellen, dass es zu keiner Strafverfolgung auf hoher oder breiter Ebene kommt. Ein daraufhin erfolgter Entscheid des Obersten Gerichtshofes hat entschieden, dass alle Bestimmungen, die Amnestien gewähren und solche Fälle von den Gerichten fernhalten, verfassungswidrig sind. Doch wird die Entscheidung des Gerichts von der Regierung ignoriert (BS 29.4.2020; vgl. AI 10.2020). Das Militär und die ehemaligen Rebellen schützen die Täter in ihren Reihen. Es herrscht ein Klima der Straflosigkeit (GIZ 1.2021).

Ein akuter Mangel an Ressourcen und Kapazitäten sowie politische Einflussnahmen bei Besetzungen von Posten, haben die Arbeit der Gremien und ihre Fähigkeit, das Vertrauen von Opfergruppen und der Zivilgesellschaft zu gewinnen, negativ beeinflusst (AI 10.2020). Der Respekt für die Einhaltung rechtsstaatlicher Normen und das Vertrauen in die bestehenden Rechtsorgane sind erodiert. Die formelle Justiz ist in Nepal für Konfliktparteien oft kaum erreichbar, unzuverlässig und zu teuer. Die weit verbreitete Korruption der Polizeibehörden und der Staatsverwaltung trägt dazu bei, dass die Bevölkerung kein Vertrauen in die bestehenden Rechtsorgane setzt (GIZ 1.2021; vgl. USDOS 11.3.2020).

Die NA [Nepal Army] hat sich bereiterklärt, mit der Wahrheits- und Versöhnungskommission (TRC) und der Commission for the Investigation of Enforced Disappeared Persons CIEDP zusammenzuarbeiten (USDOS 11.3.2020).

Unsichere Eigentumsrechte stellen für Einkommensschwache ein besonderes Problem dar, da es diesem Personenkreis oft an einer geeigneten Dokumentation mangelt, um einen Anspruch auf Grund und Boden bei der Verwaltung und bei örtlichen Gerichten durchzusetzen (BS 29.4.2020).

Die Behörden setzen Gerichtsbeschlüsse, einschließlich Entscheidungen des Obersten Gerichtshofs, nicht konsequent um (USDOS 11.3.2020).

Durch den Obersten Gerichtshof wurden mehrere politische Führer wegen Korruption anklagt und mutige Entscheidungen mit Bezug auf Übergangsjustiz, Staatsbürgerschaft und Quoten getroffen (BS 29.4.2020).

Sicherheitsbehörden

Die Armee (einschließlich Luftgeschwader) wird für die Verteidigung des Landes gegen einen Angriff von außen eingesetzt. Die dem Innenministerium unterstehende der Nepal Police (NP) ist die Durchsetzung von Recht und Ordnung eingesetzt, während die Armed Police Force (APF) für die Terrorismusbekämpfung, die Gewährleistung der Sicherheit während Ausschreitungen und öffentlichen Unruhen, Unterstützungsleistungen bei Naturkatastrophen und für den Schutz wichtiger Infrastruktur zuständig ist. NP und APF verfügen jeweils über eine Menschenrechtsabteilung (HRS), die National Army (NA) über eine Menschenrechtsdirektion (HRD). Die Untersuchungen der NA waren nach Ansicht von Menschenrechts-NGOs nicht vollständig transparent (USDOS 11.3.2020; vgl. CIA 5.2.2021).

Von den Polizeikräften werden schwere Formen von Misshandlungen eingesetzt, um Geständnisse zu erzwingen (USDOS 11.3.2020; vgl. AI 10.2020). Im Zeitraum von Juni 2015 bis September 2020 wurden in den nepalesischen Massenmedien von mindestens 20 Todesfällen in Polizeigewahrsam berichtet (TW 22.6.2020; vgl. TH 14.9.2020). Eine genaue Anzahl der in Polizeigewahrsam verstorbenen Personen ist nicht verfügbar, da vom Department of Prison Management und dem nepalesischen Polizeipräsidium keine Aufzeichnungen über solche Vorfälle geführt werden (TKP 3.7.2020).

Zwar werden Vorwürfe gegen die Sicherheitskräfte untersucht, jedoch werden die Verantwortlichen nicht systematisch zur Verantwortung gezogen (USDOS 11.3.2020; vgl. FH 4.3.2020). Sicherheitskräften, welchen vorgeworfen wird, in den letzten Jahren exzessive Gewalt angewendet zu haben, sehen sich, ebenso wenig wie die meisten Täter aus der Zeit des Bürgerkrieges [1996-2006], keiner nennenswerten Rechenschaftspflicht ausgesetzt (USDOS 11.3.2020; vgl. AI 10.2020). Es gibt keine Anzeichen einer Abkehr von der Praxis polizeilicher Misshandlungen (USDOS 11.3.2020).

Folter und unmenschliche Behandlung

Die Verfassung verbietet Folter (USDOS 11.3.2020). Das neue Strafgesetz, welches durch das Parlament im August 2017 verabschiedet wurde, enthält Bestimmungen, welche Folter und andere Misshandlungen unter Strafe stellen und Verstöße dagegen, mit einer Höchststrafe von fünf Jahren ahnden (AI 10.2020; vgl. USDOS 11.3.2020). Ein eigenständiges Anti-Folter-Gesetz, welches im Parlament seit 2014 anhängig bleibt, entspricht bei weitem nicht den völkerrechtlichen Anforderungen (AI 10.2020).

Nach Angaben von Menschenrechtsaktivisten und Rechtsexperten nutzt die Polizei dennoch schwerste Formen des Missbrauchs sowie Misshandlungen, um Geständnisse zu erzwingen (USDOS 11.3.2020; vgl. AI 10.2020, DFAT 1.3.2019).

Die lokale Menschenrechts-NGO Advocacy-Forum (AF) berichtet, dass tendenziell keine Anzeichen für größere Veränderungen des polizeilichen Missbrauchs im ganzen Land bestehen, weist aber darauf hin, dass die Polizei zunehmend der Forderung der Gerichte nach einer medizinischen Voruntersuchung der Häftlinge nachkommt. Die Terai Human Rights Defenders Alliance (THRDA), eine weitere lokale NGO, erklärt, dass Folteropfer oftmals aus Angst vor Vergeltungsmaßnahmen zögern, Beschwerden wegen polizeilicher oder anderer offizieller Einschüchterungen einzureichen. Laut THRDA haben die Gerichte viele Fälle von angeblicher Folter mangels glaubwürdiger Beweise, insbesondere medizinischer Unterlagen, abgewiesen. In Fällen, in denen Gerichte Entschädigung gewährten oder Disziplinarmaßnahmen gegen die Polizei anordneten, werden die Entscheidungen laut THRDA und anderen NGOs selten umgesetzt (USDOS 11.3.2020). Von Einsatz von Folter gegen Frauen und Kinder wird berichtet (DFAT 1.3.2021; vgl. HRCH 2019).

THRDA berichtet, dass 2017 34 Prozent der Häftlinge in Polizei-Haftanstalten im südlichen Terai-Gürtel des Landes körperlichem und/oder psychischem Missbrauch ausgesetzt waren. Nach Angaben der Nepal Police Human Rights Section (HRS) wurden viele dieser mutmaßliche Vorfälle von keiner Polizeibehörde offiziell gemeldet oder untersucht (USDOS 11.3.2020).

Es wurden keine Fälle von Foltervorwürfen in der Zeit des Bürgerkrieges an die Strafjustiz herangetragen (USDOS 11.3.2020).

Korruption

Das Verwaltungssystem ist marode, voller Korruption und dringend reformbedürftig (BS 29.4.2020). Zwar sieht das Gesetz strafrechtliche Sanktionen für Korruption durch Beamte vor, jedoch werden die Gesetze dafür durch die Regierung nicht konsequent umgesetzt. Auch wird über Korruption innerhalb der Regierung berichtet (USDOS 11.3.2020).

Die Korruption innerhalb der Nepal Police [NP] und der APF [Armed Police Force] bleibt problematisch (USDOS 11.3.2020).

Nepal lag im 2018 Corruption Perceptions Index von Transparency International mit einer Bewertung von 31 (von 100) (0=highly corrupt, 100=very clean) auf Platz 124 (von 180) (TI 29.1.2019). Im Jahre 2019 erreichte Nepal eine Bewertung von 34 und belegte den 113. Rang (von 180) (TI 24.1.2020). 2020 lag das Land mit Bewertung 33 auf Platz 117 (von 180) (TI 28.1.2021).

Allgemeine Menschenrechtslage

Der ohnehin schwache Staatsapparat und die geringe Leistungsfähigkeit der Justiz sorgen dafür, dass Rechtsstaatlichkeit und Menschenrechtsschutz auch weiterhin nicht verwirklicht werden. Aspekte der Verfassung von 2015 wie etwa ein uneingeschränktes Begnadigungsrecht des Präsidenten tragen dazu bei, dass die politische Elite nur selten mit Konsequenzen für illegale Handlungen rechnen muss (BS 29.4.2020). Es wurde versäumt, gut dokumentierte Fälle von Menschenrechtsverletzungen aus der Zeit des Bürgerkrieges strafrechtlich zu verfolgen (BS 29.4.2020; vgl. HRW 20.11.2020). Menschenrechtsorganisationen in Nepal fordern von der Regierung das Schicksal der im Bürgerkrieg verschwundenen, verschleppten und ermordeten Menschen aufzuklären (GIZ 1.2021b). Die beiden Übergangsjustizbehörden, die Wahrheits- und Versöhnungskommission (TRC) und die Commission of Investigation on Enforced Disappeared Persons (CIEDP), haben über 60.000 Beschwerden erhalten, aber keine der beiden Kommissionen hat irgendwelche der vorgebrachten Fälle abgeschlossen. Die Regierung hat es verabsäumt, auf Bedenken einzugehen, wonach es den beiden Kommissionen an Unabhängigkeit mangle. Im Januar [2021] wurden neue Kommissare für beide Gremien ernannt (HRW 13.1.2021).

Zu weiteren Menschenrechtsproblemen gehören unrechtmäßige oder willkürliche Tötungen, Folter, willkürliche Inhaftierung, Blockaden von Internet-Seiten, Verleumdung, Eingriffe in das Recht auf friedliche Versammlung und Vereinigung, übermäßig restriktive Gesetze gegenüber Nichtregierungsorganisationen (NGO), Korruption, Menschenhandel, frühe und erzwungene Heirat, Einschränkungen der Bewegungsfreiheit von Flüchtlingen, insbesondere von gebietsansässigen Tibetern, sowie der Einsatz von Zwangs-, Pflicht- und Kinderarbeit (USDOS 11.3.2020; vgl. AI 10.2020).

Jegliche Diskriminierung auf der Basis der Kastenzugehörigkeit ist von der nepalesischen Verfassung verboten. Trotzdem werden Angehörige „unberührbarer Kasten“ (Dalits) vielfach ausgegrenzt (GIZ 1.2021; vgl. AI 10.2020). Diskriminierung aufgrund des Geschlechts, der Kaste, der sozialen Klasse, der Ethnie, der sexuellen Orientierung oder der Religion sind weit verbreitet (USDOS 11.3.2020; vgl. IHR 17.8.2019). Zuverlässige Daten über die Diskriminierung von sexuellen Minderheiten liegen nicht vor, doch wird über Benachteiligungen Angehöriger sexueller Minderheiten berichtet (USDOS 11.3.2020). Nepal hat es verabsäumt, wichtige Verpflichtungen zum Schutz der Menschenrechte und der Bekämpfung anhaltender Diskriminierung umzusetzen (AI 10.2020).

Die Durchsetzung der geltenden Gesetze gegen Zwangsarbeit ist uneinheitlich und die soziale Wiedereingliederung der Opfer bleibt schwierig. Die Ressourcen, Inspektionen und Abhilfemaßnahmen stellen sich ungenügend dar und die Strafen bei Rechtsverletzungen sind nicht ausreichend, um Verstößen vorzubeugen (USDOS 11.3.2020).

Hunderttausende Menschen, fast 70 Prozent der Betroffenen des Erdbebens von 2015, leben noch immer in Notunterkünften. Die Regierung hat einen Nachweis des Grundbesitzes als Bedingung für den Erhalt einer Wiederaufbauförderung festgelegt. Da jedoch bis zu 25 Prozent der Bevölkerung dieses Kriterium nicht erfüllt haben, sind zehntausende Betroffene nicht förderfähig. Die Situation betrifft vor allem marginalisierte und benachteiligte Gruppen, darunter Frauen, Dalits, wie auch andere ethnische Minderheiten und Kasten (AI 22.2.2018).

Haftbedingungen

Die Überbelegung in den Haftanstalten bleibt ein ernsthaftes Problem (USDOS 13.3.2019). Nepal verfügt über 74 Haftanstalten, die eine Gesamtkapazität von 15.466 Plätzen aufweisen. Insgesamt sind die angeführten Haftanstalten mit 25.685 Personen [Untersuchungshäftlinge und Verurteilte] belegt (WPB 11.2020; vgl. USDOS 11.3.2020).

Nepals Gesetze sehen medizinische Untersuchungen von Häftlingen nach der Verhaftung, eine Separierung von Schwerkriminellen und minderschweren Straftätern sowie die Trennung von jugendlichen und erwachsenen Häftlingen vor. Das Mindestalter für die Strafmündigkeit ist mit dem zehnten Lebensjahr festgesetzt. Gefangene und Inhaftierte dürfen Besuch empfangen und ihre religiösen Praktiken ausüben (DFAT 1.3.2019).

Medizinische Untersuchungen für Häftlinge sind im Allgemeinen oberflächlich und die medizinische Versorgung für Häftlinge mit schweren Erkrankungen ist auf niedrigem Niveau. Gefangenen und Häftlingen werden regelmäßige medizinische Untersuchungen und Behandlungen vorenthalten. Den meisten Gefängnissen fehlen separate Einrichtungen für Frauen, Kinder und Menschen mit Behinderungen. Einige Häftlinge schlafen aufgrund des Mangels an Betten auf dem Boden und haben nur Zugang zu ungefiltertem, schmutzigem Wasser und unzureichender Nahrung. Viele Haftanstalten verfügen über schlechte Belüftung, Beleuchtung, Heizung und Bettwäsche. Einige Hafteinrichtungen halten Untersuchungshäftlinge zusammen mit verurteilten Gefangenen fest. Aufgrund des Fehlens angemessener Jugendstrafanstalten inhaftieren Behörden manchmal Kinder in Untersuchungshaft mit Erwachsenen oder erlauben Kindern, mit ihren inhaftierten Eltern in Haft zu bleiben (USDOS 11.3.2020).

Allgemein gestattet die Regierung in Gefängnis- und Untersuchungshaftzentren Monitoringbesuche durch die OAG, die Nationale Menschenrechtskommission (NHRC), die Nationale Frauenkommission und die Nationale Dalit-Kommission, sowie durch Anwälte der Angeklagten. THRDA und AF berichten jedoch, dass sie und einige andere NGOs oft daran gehindert werden, sich mit Gefangenen zu treffen oder Zugang zu Haftanstalten zu erhalten, obwohl einigen unabhängigen Menschenrechtsbeobachtern, einschließlich der Vereinten Nationen und internationaler Organisationen, ein solcher Zugang gewährt wird (USDOS 11.3.2020; vgl. DFAT 1.3.2019).

Zwar werden durch das Gesetz willkürliche Verhaftungen und Inhaftierungen verboten, doch sollen Sicherheitskräfte im Laufe des Jahres 2020 willkürliche Verhaftungen durchgeführt haben. Leitenden Bezirksbeamten wird vom Gesetz dazu ein großen Spielraum für Verhaftungen gewährt. Menschenrechtsgruppen geben an, dass die Polizei ihre 24-Stunden-Haftvollmacht missbraucht, indem sie Personen rechtswidrig, in einigen Fällen ohne angemessenen Zugang zu Rechtsbeistand, Verpflegung und medizinische Versorgung oder in unzureichenden Einrichtungen festhalte (USDOS 11.3.2020; vgl. DFAT 1.3.2019).

Todesstrafe

Nepal gehört zu jenen Staaten, deren Gesetzgebung die Todesstrafe nicht vorsieht (AI 10.4.2019; vgl. DFAT 1.3.2020, TKP 4.5.2018)

Religionsfreiheit

Die Verfassung legt das Land als „säkularen Staat“ fest (USDOS 10.6.2020; vgl. GIZ 1.2021b), definiert aber Säkularismus als „Schutz der uralten Religion und Kultur und religiöse und kulturelle Freiheit" (USDOS 10.6.2020). Die Verfassung bezieht sich dabei auf die besondere Schutzwürdigkeit von „Sanatana" (einem Sanskrit-Ausdruck), der den Hinduismus bezeichnet (BS 29.4.2019).

Die Religion ist Grundlage der traditionellen Kultur in Nepal. Nicht nur religiöse Praktiken, sondern auch Feste und Feiern, Literatur, Kunst und Architektur, Sitten und Bräuche, oder auch der Ablauf des täglichen Lebens, sind von der Religion geprägt. Die wechselvolle Geschichte des Landes hat entscheidend auch die Religion beeinflusst und die besondere Beziehung zwischen Hinduismus und Buddhismus in Nepal bewirkt (GIZ 1.2021b). Hinduismus und Buddhismus sind mit dem Tantrismus, sowie Resten animistischer Urreligionen, welche sämtliche Dinge mit einer Vielzahl von guten und bösen Geistern als beseelt betrachten, miteinander verwoben. Viele Feste werden gemeinsam, teils mit unterschiedlichen Inhalten, gefeiert. Buddhistische und hinduistische Kultstätten stehen nebeneinander oder werden auch gemeinsam genutzt (GIZ 1.2021b; vgl. DFAT 1.3.2019).

Das religiöse Weltbild besteht aus einem Nebeneinander religiöser Richtungen, Schulen und Theorien. Diese Art von Synkretismus macht die Einteilung in Religionsgruppen nur bedingt möglich: Dem letzten Zensus (2011) nach bekennen sich rund 80 Prozent der Gesamtbevölkerung zur ehemaligen Staatsreligion, dem Hinduismus, rund ein Zehntel sind Anhänger des Buddhismus, Muslime bilden vier Prozent und Kirati drei Prozent der Bevölkerung. Christen, Sikhs, Jainas und Bön bilden kleine religiöse Minderheiten mit etwa 0,4 Prozent (GIZ 1.2021b).

Die Verfassung legt fest, dass jede Person das Recht hat, ihre Religion zu bekennen, auszuüben und zu schützen. Während der Ausübung dieses Rechts verbietet die Verfassung Einzelpersonen, sich an Handlungen zu beteiligen, die „gegen die öffentliche Gesundheit, den Anstand und die Moral“ verstoßen oder die „die öffentliche Rechts- und Ordnungslage beeinträchtigen.“ Es ist verboten, andere Personen von einer Religion zu einer anderen zu bekehren oder die Religiosität anderer zu stören. Zuwiderhandlungen stehen unter Strafe (USDOS 10.6.2020; vgl. DFAT 1.3.2019).

Von lokalen Vorfällen zwischen religiösen Gruppen und Diskriminierungen wird berichtet (DFAT 1.3.2019).

Christen

1,4 Prozent der Bevölkerung Nepals sind Christen. Die überwiegende Mehrheit davon Protestanten (USDOS 10.6.2020). In Nepal gibt es Dutzende von christlichen Missionskrankenhäusern, Wohlfahrtsorganisationen und Schulen. Im Allgemeinen berichten Christen, dass sie bei der Arbeit in diesen Einrichtungen keine Einschränkungen durch die Regierung erfahren. Einige christliche Gruppen berichten jedoch, dass sie ihre Aktivitäten diskret halten. Insbesondere christliche Gruppen, die nicht gut etabliert sind, können Schwierigkeiten bei der Registrierung ihrer Glaubensgemeinschaft erwachsen. Darüber hinaus stellt es sich für Angehörige des christlichen Glaubens schwierig dar, Land für Friedhöfe erwerben zu können (DFAT 1.3.2021; vgl. USDOS 10.6.2020).

Wegen öffentlichem Missionieren wurden gegen Christen mehrere Anklagen erhoben (USDOS 10.6.2020; vgl. DFAT 1.3.2019). Christen waren 2015 im Zusammenhang mit Protesten gegen die neue Verfassung von mehreren kleineren terroristischen Anschlägen betroffen. Die Verantwortung zu den erfolgten Anschlägen wurde von Hindu-Nationalisten übernommen (DFAT 1.3.2021).

Die Zahl der Konversionen zum Christentum hat seit den 1950er Jahren zugenommen. 90 Prozent der nepalesischen Christen gehören zu Randgruppen wie indigenen Gemeinschaften (z. B. Chepangs und Santal) oder Dalits, für die das Christentum einen Ausweg aus dem Kastensystem darstellt (DFAT 1.3.2021).

Bewegungsfreiheit

Das Gesetz sieht Bewegungs- und Reisefreiheit, aber auch das Recht auf Emigration und Rückkehr vor. Eine Ausnahme bilden Flüchtlinge; diese müssen bezüglich ihrer Bewegungsfreiheit oft gesetzlich geregelte Einschränkungen hinnehmen, die aber nicht einheitlich durchgesetzt werden. Die Regierung stellt seit 20 Jahren keine Ausweisdokumente für tibetische Flüchtlinge mehr aus. Es gibt Berichte über Vertriebene aus Tibet, die aufgrund fehlender Personaldokumente an Kontrollpunkten von der Polizei schikaniert oder zurückgeschickt werden (USDOS 11.3.2020). Es gibt zehn formale Ein- und Ausreisepunkte, von denen der Flughafen Kathmandu der einzige internationale Flughafen ist (DFAT 1.3.2019).

In Folge der schweren Erdbeben im Jahr 2015 gibt es im ganzen Land weiterhin Schäden an der Infrastruktur und unpassierbare Straßen. In Nepal kommt es vereinzelt zu kurzfristig ausgerufenen „Bandhs“ (Zwangsstreiks), mit Blockaden bzw. Straßensperren (AA 12.1.2021).

Grundversorgung und Wirtschaft

Mit einem Pro-Kopf-Einkommen von 1.034 US-Dollar pro Jahr ist Nepal eines der ärmsten Länder der Welt. Die instabile politische Situation, der Mangel an ausgebildeten Arbeitskräften und die schwache Infrastruktur behindern die wirtschaftliche Entwicklung des Landes. Eine anhaltend hohe Inflation vermindert die Kaufkraft der Bevölkerung. Im Index of Economic Freedom 2020 nimmt Nepal den 139. Platz unter 180 Ländern ein (GIZ 1.2021c).

Mit dem 2006 eingeleiteten Friedensprozess haben sich die Rahmenbedingungen für die Wirtschaft Nepals zwar insgesamt verbessert, das Investitionsklima leidet aber unter gesetzlicher Überregulierung. Der defizitäre Staatshaushalt und der steigende Schuldendienst geben weiter Anlass zur Sorge. Das gesamtwirtschaftliche Wachstum bewegte sich in den letzten Jahren zwischen zwei und vier Prozent und war damit zu niedrig, um die Armut substanziell zu reduzieren. Wirtschaftliche Reformagenda und Armutsbekämpfung stellen große Herausforderungen an die junge Republik. Die instabile politische Lage hemmt wichtige Investitionen der öffentlichen Hand und wirkt sich negativ auf das Geschäftsklima aus. Die Entwicklung Nepals wird durch immer Naturkatastrophen - wie Überschwemmungen und Erdrutsche - gebremst. Das Erdbeben vom April 2015 hat die Infrastruktur im Kathmandu-Tal und anderen betroffenen Landesteilen schwer beschädigt (GIZ 1.2021c). Etwa 20 Prozent aller Gebäude, die 2015 beschädigt wurden, sind der Hilfsorganisation Plan International zufolge bis heute nicht repariert. Geldmangel und administrative Hürden erschweren den Wiederaufbau (SZ 24.4.2020).

Neben den Folgen des verheerenden Erdbebens brachten Blockaden wichtiger Handelsrouten die Wirtschaft zum Erliegen. Die Parteien und politische Gruppierungen unterschiedlichster Ausrichtung rufen immer wieder zu Streiks auf. Diese wirken sich negativ auf alle wirtschaftlichen Sektoren aus, von der Großindustrie bis hin zu kleinen und mittelständischen Unternehmen. Bürokratie und unzureichende Infrastruktur beeinträchtigen das Investitionsklima und damit die wirtschaftliche Entwicklung (GIZ 1.2021c).

Die wirtschaftliche Entwicklung Nepals ist schwer von der Coronakrise getroffen. Eine strenge Ausgangssperre hat vier Monate lang das öffentliche Leben in Nepal weitgehend lahmgelegt. Zahlreiche Menschen kamen in eine finanzielle Notlage. Zwei wichtige Einnahmequellen brechen dem Staat weg: Die Überweisungen nepalesischer Arbeitsmigranten, die geschätzt zwischen 26 und 30 Prozent des BIP ausmachen, und die Einnahmen aus dem Tourismussektor (GIZ 1.2021c).

Es existieren keine zuverlässigen Erhebungen zur Arbeitslosigkeit. Die offizielle Erwerbslosenquote ist relativ niedrig (2019: 1,4 Prozent) (WKO 10.2020). Die politische Instabilität und die schwere wirtschaftliche Krise treiben weiterhin Massen von jungen Nepalesen ins Ausland. Wegen der offenen Grenzen ist die Migration ins Ausland nicht dokumentiert. Schätzungen gehen davon aus, dass heute vier bis fünf Millionen Nepalesen im Ausland arbeiten. Rund die Hälfte davon dürfte sich in Indien aufhalten. Der Rest vor allem in Malaysia und den Golfstaaten (GIZ 1.2021c). Mit der zunehmenden Emigration ist die Rekrutierung von Arbeitskräften zu einem lukrativen Geschäft geworden. Über 800 sogenannte „Manpower Companies“ werben über lokale Agenten Arbeitswillige in den Dörfern an und organisieren Reise, Ausreisepapiere und Verträge mit den Arbeitgebern in den Zielländern. Die große Mehrheit der Arbeitsmigranten sind junge Männer. Der Anteil der Frauen hat mit der steigenden Nachfrage nach Hausangestellten in den Golfstaaten im letzten Jahrzehnt zwar zugenommen, Frauen machen aber erst etwa 10 Prozent der Arbeitskräfte im Ausland aus (GIZ 1.2021b).

Nepal verfügt außer den familiären sozialen Netzwerken über kein Wohlfahrtssystem. In bestimmten Fällen sind NGOs bemüht, diese Lücke zu füllen, aber deren Tätigkeit ist sehr stark vom jeweiligen Standort und von internationalen Spenden abhängig, somit können nicht die gleichen Leistungen im ganzen Land angeboten werden. Es gibt nur vereinzelt Privatinitiativen; die öffentlichen Sozialdienste sind rückständig und unzureichend (BS 29.4.2020).

Kinderarbeit ist nach wie vor ein weit verbreitetes Problem in Nepal (UNHRC 4.1.2021).

Rückkehr

Das Gesetz gewährt nepalesischen Staatsbürgern Reisefreiheit im Inland, Auslandsreisen, Auswanderung und Rückkehr (USDOS 11.3.2020).

Ausgenommen von diesen Rechten sind die meisten Flüchtlinge, deren Bewegungsfreiheit innerhalb des Landes durch entsprechende Gesetze eingeschränkt ist. Die Beschränkungen der Bewegungsfreiheit von Flüchtlingen im Land werden nicht einheitlich durchgesetzt. Die Regierung arbeitete mit dem Amt des Hohen Flüchtlingskommissars der Vereinten Nationen (UNHCR) und anderen humanitären Organisationen zusammen (USDOS 11.3.2020).

Zur COVID-19 Pandemie

Nepal ist von COVID-19 besonders stark betroffen und das nepalesische Gesundheitssystem ist überlastet. Es wurden zudem neue, ansteckendere Varianten von COVID-19 festgestellt, weshalb Nepal als Gebiet mit besonders hohem Infektionsrisiko eingestuft ist. Aufgrund der stark steigenden Infektionszahlen ist nahezu das gesamte Land im Lockdown mit strengen, von der Polizei überwachten Ausgangssperren und Restriktionen. Weiters wurden die örtlichen Abstands- und Hygieneregeln verschärft und es gilt Mundschutzpflicht im öffentlichen Raum. Mit Ablauf des 6. Mai 2021 ist der internationale Linienflugverkehr in Nepal bis auf weiteres eingestellt. Landgrenzübergänge können immer noch für die Einreise von Ausländern geschlossen sein.

II. Beweiswürdigung

Der Beweiswürdigung liegen folgende maßgebende Erwägungen zugrunde:

II.1. Zum Verfahrensgang

Der oben angeführte Verfahrensgang ergibt sich aus dem unbedenklichen und unzweifelhaften Akteninhalt des vorgelegten Verwaltungsaktes des BFA und des Gerichtsaktes des BVwG.

II.2. Zur Person und zum Vorbringen des Beschwerdeführers

1.       Zur Person des Beschwerdeführers

Soweit in der gegenständlichen Rechtssache Feststellungen zur Identität und zum Personenstand des BF getroffen wurden, beruhen diese auf den Angaben des BF vor der belangten Behörde und vor dem BVwG (vgl. zuletzt Protokoll der mV. S. 4).

Der BF hat im Verfahren keine unbedenklichen Dokumente zu seiner Identität vorgelegt, weshalb die Feststellungen ausschließlich für die Identifizierung seiner Person im Asylverfahren gelten.

Die Feststellung, dass der BF am XXXX geboren ist war daher zu treffen, weil er dies im Verfahren stets übereinstimmend und daher glaubhaft behauptete (vgl. zuletzt Protokoll der mV. S. 4).

Dass der BF vor seiner Flucht nach Österreich über Janakpur, Surkhet und Biratnagar nach Indien reiste, war seinen glaubhaften Aussagen zu entnehmen. Wie lange er sich jeweils in diesen Städten bzw. in Indien aufhielt, konnte nicht festgestellt werden, da der BF hierzu nichts Genaueres aussagte.

Die Feststellung, dass er Nepali spricht, beruht auf seinen eigenen Angaben sowie auf der Tatsache, dass er vor dem BVwG im Beisein eines Dolmetschers der Sprache Nepali befragt wurde. Er gab auch glaubhaft an, Hindi und ein wenig Englisch zu sprechen.

Dass der BF keine Kinder und er rechtlich als verheiratet gilt, war seinen glaubwürdigen Angaben im Verfahren zu entnehmen (vgl. Protokoll der mV. S. 7). Wann der BF das letzte Mal Kontakt zu seinen noch lebenden Familienangehörigen in Nepal hatte, konnte nicht festgestellt werden, zumal er dazu widersprüchliche Angaben machte. In seiner Einvernahme vor dem BFA am 03.10.2017 behauptete er, seit 2015/2016 keinen Kontakt mehr zu seiner Familie zu haben, hingegen gab er in der Verhandlung vor dem BVwG an, dass er, bis seine Eltern im Jahr 2019 verstorben seien, regelmäßigen Kontakt zu seiner Schwester gehabt habe. Demnach konnten seine Aussagen hierzu nicht den Feststellungen zugrunde gelegt werden.

Die Feststellung, dass der BF keine Verwandten in Österreich hat und keine besonderen sozialen Kontakte pflegt, stützt sich auf die Angaben des BF vor dem BFA und vor dem BVwG in der mündlichen Beschwerdeverhandlung.

Wie in II.2. erläutert konnte nicht festgestellt werden, ob der Bruder und die Eltern des BF aufgrund dessen Zugehörigkeit zur Bande des Kumar Ghaite getötet worden sind.

Die Feststellungen zur Staatsangehörigkeit, zur Volksgruppenzugehörigkeit, zum Glauben und zum Heimatort stützen sich auf die glaubwürdigen Aussagen des BF im Verfahren (vgl. zuletzt Protokoll der mV. S. 4).

Dass der BF gesund ist, war seinen unbedenklichen Aussagen zu entnehmen. Da der BF gesund ist und an keinen lebensbedrohlichen Krankheiten leidet, war die Feststellung zu treffen, dass er arbeitsfähig ist. Darüber hinaus gab dies der BF in der mündlichen Beschwerdeverhandlung auch an (vgl. Protokoll der mV. S. 3). Der BF sagte glaubwürdig aus, dass er in Nepal als Taxifahrer bzw. Chauffeur arbeitete. Ob er tatsächlich als Chauffeur des Kriminellen XXXX arbeitete, konnte wie in II.2.2. näher ausgeführt, nicht festgestellt werden.

Der BF ist wie konstatiert unrechtmäßig nach Österreich eingereist, was sich aus seinen eigenen Angaben im Verfahren sowie der Tatsache ergibt, dass er ohne die erforderlichen Dokumente in Österreich einreiste.

2.       Zur Rückkehrmöglichkeit des Beschwerdeführers

Die Feststellung, dass der BF im Fall der Rückkehr in seinen Herkunftsstaat keiner Verfolgung ausgesetzt ist und dass der BF sein Fluchtvorbringen nicht glaubhaft gemacht hat, ergibt sich aus seinen Angaben in der Erstbefragung, in der Einvernahme vor dem BFA sowie in der mündlichen Beschwerdeverhandlung vor dem BVwG, dies aus folgenden Erwägungen:

Wie sich aus der Erstbefragung, der Einvernahme im Verfahren vor der belangten Behörde und der mündlichen Verhandlung vor dem BVwG ergibt, hatte der BF ausreichend Zeit und Gelegenheit, seine Fluchtgründe umfassend und im Detail darzulegen sowie allfällige Beweismittel vorzulegen. Im Übrigen wurde der BF von der belangten Behörde sowie vom BVwG auch zur umfassenden und detaillierten Angabe von Fluchtgründen und zur Vorlage allfälliger Beweismittel aufgefordert sowie über die Folgen unrichtiger Angaben belehrt.

Dabei ist festzuhalten, dass auf Grund der allgemeinen Lebenserfahrung davon ausgegangen werden kann, dass der BF grundsätzlich in der Lage sein muss, umfassende und inhaltlich übereinstimmende Angaben zu den konkreten Umständen und dem Grund der Ausreise aus dem Herkunftsstaat zu machen, zumal eine Person, die aus Furcht vor Verfolgung ihren Herkunftsstaat verlassen hat auf konkrete Befragung zu ihrer Flucht die ihr gebotene Möglichkeit wohl kaum ungenützt lassen wird, die Umstände und Gründe ihrer Flucht in umfassender und in sich konsistenter Weise darzulegen, um den beantragen Schutz vor Verfolgung auch möglichst rasch erhalten zu können. Es entspricht auch der allgemeinen Lebenserfahrung, dass eine mit Vernunft begabte Person, die behauptet, aus Furcht vor Verfolgung aus ihrem Herkunftsstaat geflüchtet zu sein, über wesentliche Ereignisse im Zusammenhang mit ihrer Flucht, die sich im Bewusstsein dieser Person einprägen, selbst nach einem längeren Zeitraum noch ausreichend konkrete, widerspruchfreie und nachvollziehbare Angaben machen kann.

Wie die belangte Behörde zu Recht festgestellt hat, ist es dem BF nicht gelungen, eine konkrete gegen seine Person gerichtete aktuelle Verfolgungsgefahr im gesamten Staatsgebiet aus einem der in der GFK abschließend genannten Verfolgungsgründen glaubhaft zu machen. Vielmehr war dem Vorbringen den Gründen für das Verlassen des Herkunftsstaates und zur Furcht vor Verfolgung im Fall der Rückkehr in den Herkunftsstaat auf Grund der teils vagen und widersprüchlichen Aussagen sowie der persönlichen Unglaubwürdigkeit des BF die Glaubhaftigkeit zu versagen.

In der Erstbefragung am 19.09.2017 gab der BF als Fluchtgrund an, dass er mit dem PKW eines nepalesischen Bandenchefs gefahren, dieser jedoch von der Polizei erschossen worden sei, und die Bande ihn daraufhin bedroht und verfolgt habe, da sie geglaubt hätte, er gebe Informationen an die Polizei weiter. Der BF sei deshalb von Kathmandu in ein Nachbardorf geflohen, weshalb ihn die Bandenmitglieder gesucht und seinen Bruder erschossen hätten, nachdem dieser ihnen keine Informationen darüber gab, wo sich der BF aufhielt. Er habe Angst um sein Leben, da er befürchte, dass die Bandenmitglieder auch ihn umbringen würden.

Der BF bestätigte dies im Wesentlichen in seiner Einvernahme vor dem BFA am 03.10.2017 und führte dazu aus, dass er vor seiner Flucht mit seiner Frau in einer Mietwohnung in Kathmandu gelebt und als Taxifahrer und Chauffeur gearbeitet habe. Nachdem er etwa 30 Jahre als Taxifahrer gearbeitet habe, habe er sieben bis acht Jahre als Chauffeur für einen Bandenchef namens XXXX mit dem Spitznamen Ghaite Don gearbeitet. Bei der Bande habe es sich um eine der Mafia ähnliche kriminelle Gruppe gehandelt. Der Bandenchef sei am 19.08.2015 in Samakhusi, Kapurdhara, von der Polizei erschossen worden. Obwohl der BF nicht Mitglied der Gruppe, sondern nur der Chauffeur gewesen sei, habe er viele Informationen über seinen Chef gehabt, da er immer bei diesem gewesen sei, und sei deshalb nach dessen Tod von der Polizei gesucht worden. Auch eine rivalisierende Bande namens Lama Ganesh, die seinen Chef verfolgt habe, habe den BF gesucht und, da sein Bruder nicht seinen Aufenthaltsort habe verraten wollen, diesen am 26.01.2016 umgebracht. Daraufhin habe der BF Nepal verlassen müssen und sei nach Indien geflohen, wo er ein einem Hotel gearbeitet habe. Auch von dort habe er am 05.08.2017 ausreisen müssen, da er von der Bande Lama Ganesh bis dorthin verfolgt worden sei. Dass die Bande ihn bis nach Indien verfolgt habe, habe er von Jemandem aus dem Hotel erfahren, in dem er gearbeitete habe.

Die Bedrohung durch die Gruppe Lama Ganesh habe er nicht der Polizei melden können, da die Polizei in Nepal in die Machenschaften der Mafia involviert sei und hohe Mitglieder der Banden auch Polizeioffiziere seien.

In der Beschwerdeverhandlung bestätigte der BF im Wesentlichen seine bisherigen Angaben zu seinen Fluchtgründen. Über den Bandenchef erzählte er näher, dass dieser ein sehr einflussreicher Krimineller gewesen sei und zwar sein Hauptgeschäft in Kathmandu gehabt, aber auch etwa Sachen von China nach Indien geschmuggelt habe.

Zu den Aufgaben des BF als Chauffeur berichtete er, dass er 24 Stunden für seinen Chef verfügbar habe sein müssen, stets mit dessen PKW gefahren und mit dem Chef überall hin mitgekommen sei. Er sei daher auch beim Abholen von Geld anwesend gewesen und habe alle Adressen gekannt. Der BF habe sogar im selben Haus wie der Bandenchef gewohnt. Er habe für seine Tätigkeit als Chauffeur zwar ein monatliches Gehalt bekommen, sei aber kein Mitglied der Bande gewesen. Der BF habe deswegen für den Bandenchef als Chauffeur gearbeitet, weil er dadurch ein höheres Einkommen als das eines Taxifahrers erzielen habe können.

Obwohl der BF seinen Chef überall hinbegleiten habe müssen, sei er bei dessen Tod nicht anwesend gewesen, da er zu diesem Zeitpunkt in der Nähe Tee getrunken habe. Als er dann zurück zu seinem Chef gekommen sei, und diesen in seinem Blut am Boden liegen gesehen habe, sei er von dort geflohen.

Bevor der BF nach Indien geflohen sei, habe er noch ein Jahr in Nepal, nämlich in den Städten Kapurdhara, Janakpur, Surkhet und Biratnagar gelebt. Er sei in diesem Jahr stets versteckt gewesen. Als er sich in Surkhet aufgehalten habe, sei sein Bruder im Heimatdorf Ramechap von der Bande Lama Ganesh umgebracht worden, weshalb er über Biratnagar nach Indien geflohen sei. Vom Tod seines Bruders habe er von Verwandten in Surkhet erfahren. Das genaue Datum, an dem sein Bruder umgebracht worden sei, konnte er in der Beschwerdeverhandlung nicht mehr sagen. Auch seine Eltern seien von der Gruppe Lama Ganesh im Heimatdorf Ramechap umgebracht worden, dies jedoch erst im Jahr 2019. Die Bande habe seine Eltern umgebracht, damit er zur Einäscherung zurück nach Nepal kommen und in weiterer Folge mit ihnen arbeiten müsse. Der BF könne dies jedoch nicht mit Unterlagen belegen, da das Heimatdorf Ramechap derart entlegen sei, dass dorthin keine Polizisten kämen, um in Kriminalfällen zu ermitteln. Da die Polizei auch aus Angst nichts mit der Bande zu tun haben wolle, gebe es keine Beweise.

Er habe, obwohl er ja kein Mitglied der Bande gewesen sei, deswegen nicht mit den Sicherheits- und Justizbehörden zusammengearbeitet, weil unter den Polizisten einige korrupt gewesen seien und mit der Bande gearbeitet hätten. Aus Angst, dass ihre eigenen Verbrechen ans Tageslicht kämen, hätten sie dem BF etwas antun können. Der BF wäre auch bei einer Rückkehr noch in Gefahr, da die korrupten Polizisten dann nach ihm suchen und ihn umbringen würden, damit die Wahrheit nicht ans Licht komme. Auch die Spezialeinheit zur Strafverfolgung könne ihn nicht retten. Dass viele Polizisten in Nepal korrupt seien, wisse er deswegen, weil er diese bei den Geldübergaben gesehen habe. Es seien dabei 20 bis 30 Millionen Rupien an Polizisten und Politiker geflossen. Nach mehreren Nachfragen in der Beschwerdeverhandlung, bei denen der BF keine konkreten Angaben machen wollte, behauptete er, dass zu den korrupten Politikern etwa der Ex-Premierminister Sher Bahadur Deupa gehöre. Dieser habe vor 12 bis 13 Jahren, bzw. sogar schon vor 20 Jahren Geld von der Mafia erhalten. Die Geldübergaben seien um etwa 22 Uhr erfolgt, und es seien der Premierminister, sein Sekretär, der BF selbst und etwa sechs Leute von der Mafia anwesend gewesen. Von der Polizei sei etwa der Polizeibeamte D.I.G. Umkatha Aryal korrupt gewesen. Diesem sei Geld übergeben worden, damit er bestimmte Schmuggelwaren nicht kontrollieren würde. Der BF sei bei Geldübergaben, die etwa ein bis zweimal im Monat erfolgt seien, stets anwesend gewesen, bei wichtigen Besprechungen habe er sich zum Teil in einem anderen Raum aufgehalten.

Der BF sei deswegen bei den Geldübergaben anwesend gewesen, weil der Bandenchef immer Angst gehabt habe, dass der BF ansonsten jemanden informieren könne. Auf Nachfrage, warum er ihn dann hätte überall mitnehmen sollen, antwortete der BF, dass er ohnehin mit diesem Job aufhören habe wollen, jedoch vom Bandenchef dazu gezwungen worden sei. Als der erkennende Richter den BF darauf aufmerksam machte, dass dies seiner zuvor getätigten Aussage, er würde dies für das Geld machen, widersprechen würde, meinte der BF, dass er den Job anfangs wegen dem Geld, und dann aus Zwang gemacht habe.

Aus offenen Quellen ergibt sich, dass am 19.08.2015 einer der meistgesuchtesten Kriminellen in Nepal namens Kumar Ghaite in Kapurdhara, Kathmandu, von der Polizei erschossen wurde (siehe u.a. Nepali Times | The Brief » Blog Archive » Ghaite killed; https://kathmandupost.com/miscellaneous/2015/08/20/don-kumar-ghaite-shot-by-police-in-critical-condition). Der BF bezog sich in seinem Vorbringen zwar auf dieses historisch belegbare Ereignis, vermochte aber nicht eine Zugehörigkeit zur Bande von Kumar Ghaite und eine daraus resultierende Verfolgung durch eine rivalisierende Gruppe bzw. die nepalesische Polizei glaubhaft zu machen, da er zum Teil sehr vage, zum Teil auch widersprüchliche Aussagen tätigte.

Während er in seiner Erstbefragung angab, vor seiner Flucht in einer Mietwohnung mit seiner Gattin gewohnt zu haben, behauptete er vor der belangten Behörde und dem BVwG, seit seiner Tätigkeit als Chauffeur, also seit sieben bis acht Jahren, im Haus des Bandenchefs gelebt zu haben. Ein weiteres Mal widersprach er sich, als er zuerst im Verfahren behauptete, wegen eines besseren Verdienstes als Chauffeur für Kumar Gha

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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