TE Bvwg Erkenntnis 2021/7/6 W128 2243870-1

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Veröffentlicht am 06.07.2021
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Entscheidungsdatum

06.07.2021

Norm

AVG §13 Abs3
B-VG Art133 Abs4
SchPflG 1985 §11

Spruch


W128 2243870-1/2E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch den Richter Mag. Michael FUCHS-ROBETIN über die Beschwerde von XXXX , Erziehungsberechtigter der mj. XXXX , vertreten durch Dr. ZSIZSIK & Dr. PRATTES Rechtsanwälte OG, Hauptplatz 23, 86 Bruck an der Mur, gegen den Bescheid der Bildungsdirektion für Steiermark vom 11.06.2021, Zl. 621231/31-2021, zu Recht:

A)

Der angefochtene Bescheid wird ersatzlos behoben

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig.



Text


Entscheidungsgründe

I. Verfahrensgang

1. Am 03.03.2021 zeigte der erziehungsberechtigte Beschwerdeführer mittels Formularblatt die Teilnahme seiner am XXXX geborenen Tochter XXXX (Kind) am häuslichen Unterricht für das Schuljahr 2021/2022 an.

2. Mit Schreiben vom 25.03.2021 forderte die belangte Behörde den Beschwerdeführer auf, seine Anzeige vom 03.03.2021 zu verbessern, indem er das Ergebnis einer MIKA-D-Testung vorlege. Dazu wurde ihm eine Frist von zwei Wochen ab Zustellung eingeräumt.

3. Diesem Verbesserungsauftrag kam der Beschwerdeführer nicht nach.

4. Mit dem angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde die gegenständliche Anzeige zur Teilnahme am häuslichen Unterricht gemäß § 13 Abs. 3 AVG i.V.m. § 11 Abs. 2a Schulpflichtgesetz (SchPflG) zurück (Spruchteil 1.), ordnete an, dass das Kind seine Schulplicht im Schuljahr 2021/2022 an einer öffentlichen oder mit dem Öffentlichkeitsrecht ausgestatteten Schule mit gesetzlich geregelter Schulartbezeichnung zu erfüllen habe (Spruchteil 2.) und schloss die aufschiebende Wirkung einer rechtzeitig eingebrachten und zulässigen Beschwerde aus (Spruchteil 3.).

Begründend wird im Wesentlichen ausgeführt, dass aus dem Wortlaut des § 11 Abs. 2a SchPflG hervorgehe, dass Schüler, die einen Deutschförderkurs gemäß § 8h Abs. 3 SchOG zu besuchen haben, ihre Schulpflicht jedenfalls für die Dauer des Bedarfs dieser besonderen Sprachförderung in einer öffentlichen oder mit dem Öffentlichkeitsrecht ausgestatteten Schule mit gesetzlich geregelter Schulartbezeichnung zu erfüllen haben.

Da zum Zeitpunkt der gegenständlichen Anzeige keine Testung vorgelegen sei und dieser Mangel auch auf Aufforderung nicht fristgerecht behoben worden sei, sei die Anzeige nach fruchtlosem Ablauf dieser Frist zurückzuweisen gewesen.

Da ein großes öffentliches Interesse an einer ausreichenden Beschulung entsprechend dem österreichischen Schulpflichtgesetz von Kindern mit dauerndem Aufenthalt in Österreich bestehe, sei die aufschiebende Wirkung einer Beschwerde auszuschließen gewesen.

5. Der angefochtene Bescheid wurde dem Beschwerdeführer am 16.06.2021 zugestellt.

6. Am 21.06.2021 erhob der Beschwerdeführer durch seine rechtsfreundliche Vertretung die vorliegende Beschwerde. In der Begründung wird zusammengefasst vorgebracht, dass die Defizite des schulpflichtigen, jedoch nicht schulreifen Kindes nicht alleine durch den Besuch eines Deutschförderkurses zu beseitigen seien, und im Rahmen des häuslichen Unterrichts eine integrative Zusatzbetreuung in einem heilpädagogischen Kindergarten vorgesehen sei.

7. Einlangend mit 29.06.2021 legte die belangte Behörde die Beschwerde dem Bundesverwaltungsgericht zur Entscheidung vor, ohne von der Möglichkeit einer Beschwerdevorentscheidung Gebrauch zu machen.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen

Der Beschwerdeführer zeigte am 03.03.2021 die Teilnahme seiner am XXXX geborenen Tochter XXXX (Kind) am häuslichen Unterricht für das Schuljahr 2021/2022 an.

Mit als „Verbesserungsauftrag“ bezeichnetem Schreiben vom 25.03.2021 forderte die belangte Behörde den Beschwerdeführer auf, zur Mängelbehebung eine MIKA-D-Testung vorzulegen. Dieser Aufforderung ist der Beschwerdeführer nicht nachgekommen.

2. Beweiswürdigung

Die Feststellungen zum verfahrensmaßgeblichen Sachverhalt ergeben sich aus dem Verwaltungsakt, dem Verfahren vor der belangten Behörde und der Beschwerde. Der Sachverhalt ist aktenkundig, unstrittig und deshalb erwiesen.

3. Rechtliche Beurteilung

3.1. Gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 3 B-VG erkennen die Verwaltungsgerichte über Beschwerden wegen Verletzung der Entscheidungspflicht durch eine Verwaltungsbehörde.

Gemäß § 6 BVwGG entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist. Eine derartige Regelung wird in den einschlägigen Bundesgesetzen nicht getroffen und es liegt somit Einzelrichterzuständigkeit vor.

Gemäß § 17 VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles, die Bestimmungen der Bundesabgabenordnung - BAO, BGBl. Nr. 194/1961, des Agrarverfahrensgesetzes - AgrVG, BGBl. Nr. 173/1950, und des Dienstrechtsverfahrensgesetzes 1984 - DVG, BGBl. Nr. 29/1984, und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.

3.2. Zur Behebung des Bescheides (Spruchpunkt A)

3.2.1. Gemäß § 11 Abs. 2 Schulpflichtgesetz 1985 (SchPflG), BGBl. Nr. 76/1985, idgF, kann die allgemeine Schulpflicht auch durch die Teilnahme an häuslichem Unterricht erfüllt werden, sofern der Unterricht jenem an einer im § 5 genannten Schule – ausgenommen die Polytechnische Schule – mindestens gleichwertig ist.

Gemäß Abs. 2a leg. cit. gelten die Abs. 1 und 2 nicht für Schülerinnen und Schüler, die eine Deutschförderklasse gemäß § 8h Abs. 2 oder einen Deutschförderkurs gemäß § 8h Abs. 3 des Schulorganisationsgesetzes zu besuchen haben. Diese Schülerinnen und Schüler haben ihre allgemeine Schulpflicht jedenfalls für die Dauer des Bedarfes einer dieser besonderen Sprachförderungen in öffentlichen Schulen oder in mit dem Öffentlichkeitsrecht ausgestatteten Schulen mit gesetzlich geregelter Schulartbezeichnung zu erfüllen.

Gemäß Abs. 3 leg. cit. haben die Eltern oder sonstigen Erziehungsberechtigten die Teilnahme ihres Kindes am häuslichen Unterricht der Bildungsdirektion jeweils vor Beginn des Schuljahres anzuzeigen. Die Bildungsdirektion kann die Teilnahme an einem solchen Unterricht untersagen, wenn mit großer Wahrscheinlichkeit anzunehmen ist, dass die geforderte Gleichwertigkeit des Unterrichtes nicht gegeben ist oder wenn gemäß Abs. 2a eine öffentliche Schule oder eine mit dem Öffentlichkeitsrecht ausgestattete Schule mit gesetzlich geregelter Schulartbezeichnung zu besuchen ist.

Gemäß § 13 Abs. 1 erster Satz AVG können, soweit in den Verwaltungsvorschriften nicht anderes bestimmt ist, Anträge, Gesuche, Anzeigen, Beschwerden und sonstige Mitteilungen bei der Behörde schriftlich, mündlich oder telefonisch eingebracht werde.

Gemäß Abs. 3 leg. cit. ermächtigen Mängel schriftlicher Anbringen die Behörde nicht zur Zurückweisung. Die Behörde hat vielmehr von Amts wegen unverzüglich deren Behebung zu veranlassen und kann dem Einschreiter die Behebung des Mangels innerhalb einer angemessenen Frist mit der Wirkung auftragen, dass das Anbringen nach fruchtlosem Ablauf dieser Frist zurückgewiesen wird. Wird der Mangel rechtzeitig behoben, so gilt das Anbringen als ursprünglich richtig eingebracht.

3.2.2. Vorab ist festzuhalten, dass aufgrund der Zurückweisung der Anzeige gemäß § 13 Abs. 3 AVG durch die belangte Behörde „Sache“ des vorliegenden Beschwerdeverfahrens lediglich die Rechtmäßigkeit dieser Zurückweisung ist (vgl. VwGH 24.02.2021, Ra 2020/15/0129).

Ein Vorgehen gemäß § 13 Abs. 3 AVG setzt zunächst voraus, dass ein „Anbringen“ im Sinne dieser Bestimmung vorliegt. Es ist daher zu prüfen, ob die Anzeige der Teilnahme eines Kindes am häuslichen Unterricht im Sinne des § 11 Abs. 3 SchPflG ein derartiges „Anbringen“ darstellt.

Diese Frage stellt sich schon deshalb, weil das verfahrensgegenständlich einschlägige Materiengesetz selbst, nämlich das Schulpflichtgesetz, unterschiedliche Formen des Einschreitens vorsieht. So ist z.B. für den Schulbesuch bei sonderpädagogischem Förderbedarf ebenso ein „Antrag“ der Eltern (oder des Schulleiters) vorgesehen wie für die Befreiung vom Besuch der Berufsschule (vgl. §§ 8 und 23 SchPflG), während der Besuch von im Ausland gelegenen Schulen eines „Ansuchens um Bewilligung“ bedarf (vgl. § 13 Abs. 1 SchPflG) oder eben die Teilnahme am häuslichen Unterricht (bloß) anzuzeigen ist (vgl. § 11 Abs. 3 SchPflG). Während ein „Antrag“ jedenfalls ein Tätigwerden der Behörde auslöst, dient eine (bloße) Anzeige dem gegenüber nach allgemeinem Sprachgebrauch vor allem Informationszwecken.

In diesem Zusammenhang ist anzumerken, dass der Begriff „Anbringen“ in § 13 Abs. 3 AVG wohl grundsätzlich im weiten Sinn des § 13 Abs. 1 AVG zu verstehen ist, d.h., dass in Ermangelung gegenteiliger Anordnungen z.B. auch Anzeigen darunterfallen, für die das anzuwendende Materiengesetz keine Zurückweisung vorsieht (vgl. Hengstschläger/Leeb, AVG, I [2. Ausgabe 2014] § 13 Rz 26). Auch der Umstand, dass § 13 Abs. 1 AVG zunächst explizit „Anträge, Gesuche, Anzeigen, Beschwerden und sonstige Mitteilungen“ nennt, und in den folgenden Absätzen dieser Bestimmung von „Anbringen“ die Rede ist, lässt darauf schließen, dass der Gesetzgeber – um Wiederholungen zu vermeiden – mit diesem Begriff sämtliche in Abs. 1 aufgezählte Begriffe zusammengefasst umschrieben und verstanden wissen wollte.

Es ist daher im Sinne einer weiten Auslegung des in § 13 Abs. 3 AVG verwendeten Begriffs „Anbringen“ davon auszugehen, dass davon auch eine Anzeige im Sinne des § 11 Abs. 3 SchPflG umfasst ist, die somit auch einem Verbesserungsverfahren gemäß dieser Bestimmung grundsätzlich zugänglich ist.

Ein Vorgehen gemäß § 13 Abs. 3 AVG setzt weiters voraus, dass das Anbringen einen Mangel aufweist. Dazu ist Folgendes festzuhalten:

Ein „Mangel“ liegt dann vor, wenn ein Anbringen von für die Partei erkennbaren Anforderungen des Materiengesetzes oder des AVG an ein vollständiges, fehlerfreies Anbringen abweicht. Fehlt es hingegen an einer derartigen hinreichend deutlichen Anordnung, so kommt dementsprechend bei deren Nichtvorlage weder der Erteilung eines Verbesserungsauftrages noch – nach fruchtlosem Verstreichen der zu Unrecht gesetzten Frist – die Zurückweisung des Anbringens in Frage. Vielmehr kann die unterlassene Beibringung von Unterlagen, welche die Behörde benötigt und die sie sich nicht selbst beschaffen kann, allenfalls – als Verletzung der „Mitwirkungspflicht“ – bei der Sachentscheidung Berücksichtigung finden (Hengstschläger/Leeb, AVG I [2. Ausgabe 2014] § 13 Rz 27).

3.2.3. Weder dem Schulpflichtgesetz als dem hier einschlägigen Materiengesetz noch dem AVG ist eine für den Einschreiter erkennbare Anordnung zu entnehmen, dass der verfahrensgegenständlichen Anzeige ein Ergebnis einer MIKA-D-Testung beizulegen wäre.

Es ist auch zu beachten, dass § 11 Abs. 3 SchPflG selbst anordnet, dass der häusliche Unterricht zu untersagen – somit inhaltlich zu entscheiden – ist, wenn gemäß Abs. 2a eine öffentliche Schule oder eine mit dem Öffentlichkeitsrecht ausgestattete Schule mit gesetzlich geregelter Schulartbezeichnung zu besuchen ist.

Ob nun die Voraussetzungen gemäß Abs. 2a leg.cit. vorliegen oder nicht, hätte die Behörde daher als Vorfrage zu klären und zu würdigen gehabt und davor auch entsprechende Ermittlungen anzustellen gehabt. Demgegenüber hat die Behörde die Anzeige a limine zurückgewiesen, weil der Beschwerdeführer keine entsprechende Testung vorgelegt hat. Damit ist auch ausgeschlossen, dass sich die Behörde bloß in der Wortwahl vergriffen hat und in Wahrheit eine inhaltliche Entscheidung getroffen hätte.

Das Vorgehen der belangten Behörde hinsichtlich der Erteilung des Verbesserungsauftrages und Zurückweisung der Anzeige nach fruchtlosem Ablauf der Verbesserungsfrist war somit nicht zulässig (vgl. hgE vom 28.08.2018, W203 2202029-1).

In der Folge wird die belangte Behörde die Anzeige des häuslichen Unterrichts vom 03.03.2021 inhaltlich zu erledigen haben. Durch die ersatzlose Behebung ist es der belangten Behörde verwehrt, bei unveränderter Sach- und Rechtslage neuerlich eine zurückweisende Entscheidung zu treffen.

3.2.4. Von der Durchführung einer mündlichen Verhandlung konnte gemäß § 24 Abs. 4 VwGVG Abstand genommen werden, da der für die Entscheidung maßgebliche Sachverhalt aus der Aktenlage geklärt ist und eine mündliche Erörterung die weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten lässt. Abgesehen davon ist das Schulrecht nicht von Art. 6 EMRK und auch nicht von Art. 47 GRC erfasst (vgl. VfGH 10.03.2015, E 1993/2014, sowie VwGH 23.05.2017, Ra 2015/10/0127).

3.3. Zur Zulässigkeit der Revision (Spruchpunkt B)

3.3.1 Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

3.3.2. Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig, weil die Entscheidung von der Lösung von Rechtsfragen abhängt, denen grundsätzliche Bedeutung zukommt:

?        Handelt es sich bei einer Anzeige gemäß § 11 Abs. 3 SchPflG um ein Anbringen i.S.d. § 13 Abs. 3 AVG, das einem Verbesserungsverfahren zugänglich ist?

?        Behaftet die Nichtbeilage des Ergebnisses einer MIKA-D-Testung eine Anzeige gemäß § 11 Abs. 3 SchPflG mit Mangelhaftigkeit?

Eine entsprechende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes liegt nicht vor; es ist auch nicht davon auszugehen, dass die aus Anlass des hier zu beurteilenden Falles vorgenommenen Ableitungen zwingend sind.

Schlagworte

Anbringen Deutschförderkurs ersatzlose Behebung häuslicher Unterricht Revision zulässig Verbesserungsauftrag verbesserungsfähiger Mangel Vorfrage

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2021:W128.2243870.1.00

Im RIS seit

24.08.2021

Zuletzt aktualisiert am

24.08.2021
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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