TE Vwgh Erkenntnis 1997/2/20 96/07/0118

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Veröffentlicht am 20.02.1997
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Index

001 Verwaltungsrecht allgemein;
40/01 Verwaltungsverfahren;

Norm

AVG §58 Abs2;
AVG §59 Abs1;
VwRallg;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Fürnsinn und die Hofräte Dr. Hargassner, Dr. Bumberger, Dr. Pallitsch und Dr. Beck, im Beisein des Schriftführers Mag. Suda, über die Beschwerde der Pensionsversicherungsanstalt der Angestellten, vertreten durch Dr. H, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid des Landeshauptmannes von Steiermark vom 24. April 1996, Zl. 3-30.40-130/96-1, betreffend wasserrechtliche Bewilligung (mitbeteiligte Partei: Gemeinde St, vertreten durch den Bürgermeister), zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Der Bund hat der beschwerdeführenen Partei Aufwendungen in der Höhe von S 12.950,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit Bescheid vom 9. November 1995 erteilte die Bezirkshauptmannschaft Bruck an der Mur (BH) insbesondere gestützt auf § 38 WRG sowie auf § 3 der Verordnung des Bundesministers für Land- und Forstwirtschaft zum Schutze der Wasservorkommen im Hochschwabgebiet, BGBl. Nr. 345/1973, der mitbeteiligten Partei über deren Ansuchen vom 26. Juni 1995 die wasserrechtliche Bewilligung "für die Errichtung von Verbauungsmaßnahmen am K-Bach in der KG. St" mit der Maßgabe der Einhaltung oder Erfüllung von sieben näher genannten "Vorschreibungen". Punkt 1 dieser "Vorschreibungen" lautet:

"Die ggst. Baumaßnahmen sind an das Projekt K (bewilligter Abbauzustand) anzupassen. Darstellungen im Befund sind zu berücksichtigen. Die an der Abflußschwelle vorgesehene Mauer ist gegebenenfalls auch größenmäßig anzugleichen. Desgleichen der Grundablaß und der Längsverbau. Grundablaß drucksicher zu gestalten."

Gegen diesen Bescheid erhob die beschwerdeführende Partei Berufung. Sie machte u.a. geltend, es sei kein durch Pläne und nachvollziehbare technische Fixierung und Anbindung an das Projekt K (fallweise auch "Projekt K" genannt) "gemäß den rechtskräftigen Bescheiden des Jahres 1979" dargestelltes Projekt erstellt und vorgelegt worden. Insbesondere liege eine lagemäßige Fixierung der Bauwerke, die nachvollziehbar an das Projekt K anschließe, nicht vor. Die beschwerdeführende Partei sei daher nicht in der Lage, eine "Verletzung der wasserrechtlichen Bewilligung in der vorliegenden Form bei Beeinträchtigung ihrer Rechte nachzuweisen". Sie habe jedoch Anspruch darauf, daß ein Projekt vorliege, aus dem überprüfbar abgeleitet werden könne, daß ihr Eigentum durch das gegenständliche Projekt nicht betroffen sei und die bestehenden Rechte "gemäß dem letzten wasserrechtlichen Rechtsbestand nicht verletzt werden".

Insbesondere wurde seitens der beschwerdeführenden Partei auch eingewendet, daß die im Bescheid erteilten Auflagen nicht vor den vom wasserrechtlich unzureichend determinierten Bauwerk ausgehenden Gefahren der quer zur Stromachse wirkenden Erosionen in Grund und Boden der beschwerdeführenden Partei schützen würden. Die beschwerdeführende Partei habe bereits im erstinstanzlichen Verfahren dargestellt, daß ein Verfahren nach § 138 WRG zur Beseitigung von eigenmächtig vorgenommenen Neuerungen (offenbar gemeint: im Zusammenhang mit dem zuletzt von J durchgeführten Schotterabbau im Bereich des Flußbetts) gegenüber dem Rechtsbestand - wie er im Projekt K dargestellt sei - anhängig und nach einer Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofes (offenbar gemeint: das hg. Erkenntnis vom 28. März 1995, Zl. 94/07/0074) von der Behörde vollzogen werden müsse. Das gegenständliche Projekt habe im Rechtsbestand keinen Platz, weil "bei der Wiederherstellung des Rechtsbestandes durch Beseitigung der unerlaubten Neuerung die gegenständliche Verbauungsmaßnahme nicht mehr erforderlich sei. Insbesondere forderte die beschwerdeführende Partei für die aus ihrer Sicht nur als "vorübergehende Maßnahme" angesehene Verbauung, daß diese nur dann verwirklicht werden dürfe, wenn die daraus resultierenden Gefahren für das Eigentum der beschwerdeführenden Partei (offenbar gemeint: die von der beschwerdeführenden Partei behaupteten Erosionserscheinungen infolge nicht konsensgemäßer Schotterentnahme aus dem Flußbett) durch entsprechende Hangsicherungen und "Ausbildung der Zufahrtsstraße" beseitigt werden würden. Ferner rügte die beschwerdeführende Partei, daß auch der Bereich des Einlaufwerkes nicht ausreichend beschrieben sei und entgegen der Vorschrift des § 103 WRG ein nachprüfbares Projekt nicht vorliege.

Mit dem angefochtenen Bescheid vom 24. April 1996 gab die belangte Behörde der Berufung der beschwerdeführenden Partei teilweise Folge und ergänzte den Bescheid um folgende Auflage:

"8. Der vorhandene Weg bachaufwärts der geplanten Sohlschwelle ist voll und ganz zu erhalten. Bei den Baumaßnahmen linksufrig des Gerinnes bachabwärts ist zu trachten, daß unmittelbar oberhalb der Steinschlichtung eine mindestens 2 m breite Berme mit vorhandenem Schottermaterial geschaffen wird. Dabei ist darauf zu achten, daß keinerlei Einschnitte im linksufrigen Hang notwendig werden. Diese Berme ist für die Ausgestaltung zum Zwecke der Holzabfuhr der Pensionsversicherungsanstalt der Angestellten zur Verfügung zu stellen;"

Ferner änderte die belangte Behörde den Spruch des angefochtenen Bescheides dahingehend ab, daß die erteilte wasserrechtliche Bewilligung anstelle des § 38 WRG dem § 41 Abs. 2 WRG unterstellt wurde. Im übrigen wurde die Berufung der beschwerdeführenden Partei abgewiesen.

In der Begründung führte die belangte Behörde u.a. aus, daß laut den von der Wildbach- und Lawinenverbauung erstellten Projektsunterlagen einschließlich der im erstinstanzlichen Bescheid angeführten Änderungen sowie der im Spruch des erstinstanzlichen Bescheides enthaltenen Vorschreibungen (Auflagen) beabsichtigt sei, "ein vorhandenes Retentionsbecken" dahingehend unter Berücksichtigung wasserbautechnischer Grundsätze auszugestalten, daß die Hochwassergefahr für die Gemeinde St verringert werde. Die Tiefe dieses "vorhandenen Retentionsbeckens dürfte nicht dem Projekt K entsprechen". Zu dieser Frage sei auch im Zusammenhang mit der über das Projekt K hinaus durchgeführten Schotterentnahme ein Verfahren nach § 138 WRG bei der Obersten Wasserrechtsbehörde anhängig.

Da das Vorhaben die Herstellung von Vorrichtungen und Bauten gegen die schädlichen Einwirkungen des Wassers vorsehe, unterliege es nicht einer Bewilligungspflicht nach § 38 WRG, sondern nach § 41 Abs. 2 leg. cit. Der beschwerdeführenden Partei komme "unter dem Titel des Grundeigentums (§ 12 Abs. 2 WRG)" Parteistellung zu. Der Berufung komme mit Ausnahme der im Zusammenhang mit der Zufahrtsstraße vorgebrachten Rüge, auf Grund deren ein weiterer Punkt in die Auflage des Bewilligungsbescheides zu ergänzen gewesen sei, keine Berechtigung zu. Die Behörde erster Instanz habe die beantragte Hochwasserschutzmaßnahme einer ausführlichen Beurteilung und Überprüfung durch einen wasserbautechnischen Amtssachverständigen unterzogen. Die beschwerdeführende Partei habe auf gleicher fachlicher Ebene keine Einwendungen - weder in der mündlichen Verhandlung am 25. Juli 1995, noch in der Berufungsschrift selbst - vorgetragen. Die ergänzende Befassung eines (weiteren) von der belangten Behörde im Zuge des Berufungsverfahrens beigezogenen wasserbautechnischen Amtssachverständigen, der mit den örtlichen Gegebenheiten jedenfalls vertraut sei, habe ergeben, daß "keinerlei Mängel in der erstinstanzlichen Beurteilung und Begutachtung" aufgetreten seien. Der im erstinstanzlichen Verfahren beigezogene Amtssachverständige habe klar erkannt, daß in Anbetracht des bei der Obersten Wasserrechtsbehörde noch anhängig gewesenen Verfahrens nach § 138 WRG das vorgelegte Projekt zur Sicherung eines vorhandenen Rückhaltebeckens mit dem Ziel einer Gefährdungsminderung für die Gemeinde St im Hochwasserfall auch vom "rechtlich abgedeckten Projekt K" auszugehen sei. Dieser Umstand finde in den Auflagen des Bewilligungsbescheides seinen Niederschlag. Nicht Projektsgegenstand sei die dauerhafte Beibehaltung des aktuell vorhandenen Retentionsbeckens mittels ständiger Räumung, das - gegebenenfalls bei einem wasserpolizeilichen Auftrag auf Anhebung der Sohle im Retentionsbereich auf das Projekt K - "verringert werden könnte". Durch das vorgelegte Projekt werde kein Zustand geschaffen, der das anhängige Verfahren nach § 138 WRG beeinflusse. Ungeachtet der projektsgegenständlichen Maßnahmen, die weder auf Grundstücken der beschwerdeführenden Partei gesetzt würden, noch "substantielle Auswirkungen" auf diese verursachten, sei die Fortsetzung des anderen wasserrechtlichen Verfahrens, gleichgültig mit welchem Ergebnis, möglich.

Hinsichtlich der Rüge des Fehlens eines ausreichend determinierten, nachprüfbaren Projektes führte die belangte Behörde aus, daß die von der Wildbach- und Lawinenverbauung eingereichten Planunterlagen "für die Beurteilungen durch einen Sachkundigen ausreichend" seien. Die beschwerdeführende Partei habe von ihren Rechten im Verfahren vor der Behörde erster Instanz durch umfangreiche Fragestellung ausreichend Gebrauch gemacht. Es sei aus den "unbedenklichen und schlüssigen Gutachten" ersichtlich, daß eine Beeinträchtigung von Grundeigentumsrechten der beschwerdeführenden Partei durch das beabsichtigte Projekt nicht eintrete.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, in der Rechtswidrigkeit des Inhalts und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend gemacht werden.

Die beschwerdeführende Partei wendet u.a. ein, daß das Projekt der mP nicht den sich insbesondere aus § 103 WRG ergebenden formalen Erfordernissen entspreche, sondern es erst so adaptiert werden müsse, daß es dem Projekt K entspreche. So sei es etwa die Lage der Sohlsicherungen zur Liegenschaft der beschwerdeführenden Partei weder der Höhe noch der Entfernung nach fixiert.

Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsverfahrens vorgelegt und in der Gegenschrift die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt. Auch die mP erstattete eine Gegenschrift, in der sie die Abweisung der Beschwerde beantragte.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Zutreffend ist - was durch entsprechende Änderung der Rechtsgrundlage durch die belangte Behörde im Rahmen der Berufungsentscheidung berücksichtigt wurde -, daß das gegenständliche Projekt der mP unter die Bestimmungen des § 41 WRG fällt.

Gemäß § 41 Abs. 4 WRG sind Schutz- und Regulierungswasserbauten einschließlich größerer Räumungsarbeiten so auszuführen, daß öffentliche Interessen nicht verletzt werden und eine Beeinträchtigung fremder Rechte vermieden wird. Die Bestimmungen des § 12 Abs. 3 und 4 finden sinngemäß Anwendung.

Die belangte Behörde gestand der beschwerdeführenden Partei im angefochtenen Bescheid ausdrücklich im Hinblick auf ihr Grundeigentum (vgl. § 12 Abs. 2 WRG) Parteistellung im Berufungsverfahren zu, weil eine potentielle Berührung dieses wasserrechtlich geschützten Rechtes nicht von vornherein ausgeschlossen werden konnte. Allerdings vertrat sie die Ansicht, daß den meisten Einwendungen der beschwerdeführenden Partei keine Berechtigung zukomme, weshalb sie "im übrigen" die Berufung abwies. Nicht jedoch wurde der beschwerdeführenden Partei - entgegen den diesbezüglichen Behauptungen in der Beschwerde - "zu einigen ihrer Berufungsausführungen" die Parteieigenschaft abgesprochen.

Dennoch haftet der erteilten wasserrechtlichen Bewilligung ein wesentlicher Verfahrensmangel an. Gemäß § 59 Abs. 1 erster Satz AVG hat der Spruch die in Verhandlung stehende Angelegenheit und alle die Hauptfrage betreffenden Parteianträge, ferner die allfällige Kostenfrage in möglichst gedrängter, deutlicher Fassung und unter Anführung der angewendeten Gesetzesbestimmungen, und zwar in der Regel zur Gänze, zu erledigen.

Auf Grund der hg. Judikatur sind zwar Spruch und Begründung eines Bescheides als Einheit anzusehen, doch hat dieser Umstand nicht zur Folge, daß die Begründung eines Bescheides zur Ergänzung eines Spruches herangezogen werden darf, sondern bedeutet nur, daß die Begründung zur Auslegung eines unklaren Spruches heranzuziehen ist (vgl. die bei Hauer-Leukauf, Handbuch des Österreichischen Verwaltungsverfahrens,

5. Auflage, S. 445 unter E 9d zu § 59 Abs. 1 AVG angeführte hg. Judikatur).

Wie bereits dargestellt, wurde die wasserrechtliche Bewilligung "für die Errichtung von Verbauungsmaßnahmen am K-Bach in der KG. St" mit der Maßgabe der Erfüllung von insgesamt acht weiteren "Vorschreibungen" (Auflagen) erteilt. Schon der Einleitungssatz des Spruches des Bewilligungsbescheides läßt offen, wo und in welchem Umfang die bewilligte Verbauungsmaßnahme durchzuführen ist. Selbst wenn sich infolge des Verweises auf das von der mP eingereichte und dem wasserrechtlichen Bewilligungsverfahren zugrundegelegte Projekt (laut Einleitungssatz des Spruches des Bewilligungsbescheides) die Lage und der Umfang des bewilligten Projektes allenfalls noch feststellen ließe, kommt noch dazu, daß unter Punkt 1 der "Vorschreibungen" zwar generell eine Anpassung an das Projekt K angeordnet wurde, ohne diese jedoch näher zu determinieren. Es bleibt daher offen, mit welchen konkreten Anpassungen (Modifikationen) das Verbauungsprojekt tatsächlich bewilligt wurde. Ähnlich unbestimmt ist etwa auch die Anordnung, daß die an der Abflußschwelle vorgesehene Mauer gegebenenfalls auch größenmäßig anzugleichen sei.

Auf diesen Umstand wurde von der beschwerdeführenden Partei auch schon im Rahmen ihrer Berufung gegenüber der belangten Behörde hingewiesen, jedoch unterblieb - abgesehen von der Aufnahme eines ergänzenden Punktes 8 in den Vorschreibungen - im Spruch des Bescheides eine nähere Festlegung des bewilligten Projektes durch die belangte Behörde.

Der dargestellte Mangel der Bestimmbarkeit der erteilten wasserrechtlichen Bewilligung auf Grund des ausgeführten Bescheidspruches ist jedoch für die Beurteilung einer möglichen Verletzung subjektiv-öffentlicher Rechte der beschwerdeführenden Partei - etwa im Hinblick auf die allenfalls notwendige Ausgestaltung eines "Verbindungsweges" - wesentlich. Es erübrigt sich auch ein näheres Eingehen betreffend die sonstigen Rügen der beschwerdeführenden Partei, weil auch für deren Beurteilung eine Konkretisierung der erteilten wasserrechtlichen Bewilligung wesentlich ist.

Da sich der angefochtene Bescheid schon aus dem dargestellten Grund als rechtswidrig infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften erweist, war dieser gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. b und c VwGG aufzuheben.

Der Ausspruch über den Kostenersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung

BGBl. Nr. 416/1994.

Schlagworte

Individuelle Normen und Parteienrechte Auslegung von Bescheiden und von Parteierklärungen VwRallg9/1 Spruch und Begründung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1997:1996070118.X00

Im RIS seit

11.07.2001
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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