Index
DienstrechtNorm
BDG 1979 §100Beachte
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Vizepräsident Dr. Zach und die Hofräte Dr. Kirschner, Dr. Griesmacher, Mag. Meinl und Dr. Germ als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Gyenge, über die Beschwerde des Dr. KG in W, vertreten durch Dr. Johann Subarsky, Rechtsanwalt in Wien I, Tuchlauben 14, gegen die Bescheide des Bundesministers für Justiz vom 18. April 1985, Zl. 463.10/2-III 3/85, betreffend Enthebung von der Funktion als Disziplinaranwalt bei der Disziplinarkommission beim Bundesministerium für Justiz, und vom 18. April 1985, Zl. 464.10/2-III 3/85, betreffend Enthebung von der Funktion als Disziplinaranwalt bei der Disziplinaroberkommission, zu Recht erkannt:
Spruch
Die angefochtenen Bescheide werden wegen Rechtswidrigkeit ihres Inhaltes aufgehoben.
Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 19.380,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu bezahlen.
Begründung
Der Beschwerdeführer steht als Ministerialrat im Bundesministerium für Justiz in einem öffentlich-rechtlichen Dientsverhältnis zum Bund. Mit Datum vom 21. März 1984 waren die beiden, an den Beschwerdeführer gerichteten nachstehend wiedergegebenen Erledigungen des Bundesministers für Justiz ergangen:
1. „Gemäß § 103 Abs. 1 Beamten-Dienstrechtsgesetz 1979 bestelle ich Sie ab 1. April 1984 für den Rest der bis 31. Dezember 1987 währenden Funktionsperiode zum Disziplinaranwalt bei der Disziplinarkommission beim Bundesministerium für Justiz.
21. März 1984
Der Bundesminister:
XY
Für die Richtigkeit
der Ausfertigung:
(Unterschrift unleserlich)“
2. „Gemäß § 103 Abs. 1 Beamten-Dienstrechtsgesetz 1979 bestelle ich Sie für Rest der bis 31. Dezember 1987 währenden Funktionsperiode zum Disziplinaranwalt bei der Disziplinaroberkommission.
21. März 1984
Der Bundesminister für Justiz:
XY
Für die Richtigkeit
der Ausfertigung:“
Mit dem an das Bundesministerium für Justiz als Dienstbehörde gerichteten Schreiben vom 26. März 1985 beantragte der Beschwerdeführer, ihm zur Abgeltung der seit der Erlassung des Bescheides des Bundesministeriums für Justiz vom 25. Februar 1974, Präs 898/73, eingetretenen Mehrbelastungen zu der ihm in der Höhe von drei Vorrückungsbeträgen gewährten Verwendungszulage einen weiteren halben Vorrückungsbetrag zu bewilligen, also die Verwendungszulage auf insgesamt 3 1/2 Vorrückungsbeträge zu erhöhen.
Zur Begründung für diesen Antrag führte der Beschwerdeführer folgende Mehrbelastungen an:
1. Seit 1. Jänner 1977 Vertretung des Sektionsleiters, neben den Aufgaben als Abteilungsleiter.
2. Seit fast zwei Jahren stehe ihm ein Mitarbeiter, der Sekretär des Bundesministers für Justiz geworden sei, nur noch sporadisch zur Verfügung.
3. Bestellung zum Disziplinaranwalt bei der Disziplinarkommission beim Bundesministerium für Justiz und bei der Disziplinaroberkommission. Diese weitere Mehrbelastung sei nicht an der Zahl der Disziplinarakten zu messen, sondern an der Unzahl der Einsichtsakten, die dem Beschwerdeführer von den Personalabteilungen, insbesondere von der Abteilung III 8, noch vor der Erstattung einer Disziplinaranzeige oder vor der Einleitung eines Disziplinarverfahrens zur Einsicht vorgeschrieben würden, um den Beschwerdeführer Gelegenheit zur Äußerung bzw. Stellungnahme zu geben. Diese Tätigkeit übe der Beschwerdeführer im Interesse einer einheitlichen Praxis allein aus; die Disziplinaranwalt-Stellvertreter absolvierten nur Verhandlungsbesuche.
Mit Datum vom 18. April 1985 ergingen an den Beschwerdeführer die beiden nachstehend wiedergegebenen Erledigungen des Bundesministers für Justiz:
1. „Aufgrund Ihrer derzeitigen Arbeitsüberlastung enthebe ich Sie mit Ablauf des 30. April 1984 von ihrer Funktion als Disziplinaranwalt bei der Disziplinarkommission beim Bundesministerium für Justiz.“
2. „Infolge Ihrer derzeitigen Arbeitsüberlastung enthebe ich Sie mit Ablauf des 30. April 1985 von Ihrer Funktion als Disziplinaranwalt bei der Disziplinaroberkommission.“
Der Beschwerdeführer erhob gegen jede dieser Erledigungen die wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes und wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften erhobene Verwaltungsgerichtshof-Beschwerde.
Der Verwaltungsgerichtshof hat über die beiden wegen des Zusammenhanges zur gemeinsamen Entscheidung verbundenen Beschwerden und über die von der belangten Behörde erstatteten Gegenschriften erwogen:
1. Zulässigkeit der Beschwerde:
Die Zulässigkeit der Beschwerde (Art. 131 Abs. 1 Z. 1 B-VG) hängt davon ab, ob die Erledigungen als Bescheide zu werten sind und ob der Beschwerdeführer durch sie in seinen Rechten verletzt sein kann.
Folgende Bestimmungen des Beamten-Dienstrechtsgesetzes 1979 sind in diesem Zusammenhang von rechtlicher Bedeutung:
Gemäß § 103 Abs. 1 sind zur Vertretung der dienstlichen Interessen im Disziplinarverfahren von den Leitern der Zentralstellen Disziplinaranwälte und die erforderliche Anzahl von Stellvertretern zu bestellen. Auf den Disziplinaranwalt ist § 100 sinngemäß anzuwenden (Abs. 2). Der Disziplinaranwalt bei der Disziplinaroberkommission hat rechtskundig zu sein (Abs. 3).
Der § 100 regelt die Mitgliedschaft zu den Disziplinarkommissionen und der Disziplinaroberkommission und lautet:
„§ 100 (1) Zu Mitgliedern der Disziplinarkommissionen und der Disziplinaroberkommissionen dürfen nur Beamte des Dienststandes bestellt werden, gegen die kein Disziplinarverfahren anhängig ist.
(2) Der Beamte hat der Bestellung zum Mitglied einer Disziplinarkommission oder der Disziplinaroberkommission Folge zu leisten.
(3) Die Mitgliedschaft zu den Disziplinarkommissionen und der Disziplinaroberkommission ruht vom Zeitpunkt der Einleitung eines Disziplinarverfahrens bis zu dessen rechtskräftigem Abschluß, während der Zeit der (vorläufigen) Suspendierung, der Außerdienststellung, der Erteilung eines Urlaubes von mehr als drei Monate und der Ableistung des Präsenzdienstes oder des Zivildienstes.
(4) Die Mitgliedschaft zu den Disziplinarkommissionen oder der Disziplinaroberkommission endet mit dem Ablauf der Bestellungsdauer, mit der rechtskräftigen Verhängung einer Disziplinarstrafe, mit der Versetzung ins Ausland sowie mit dem Ausscheiden aus dem Dienststand.
(5) Im Bedarfsfalle sind die Kommissionen durch Neubestellung von Kommissionsmitgliedern für den Rest der Funktionsdauer zu ergänzen.“
§ 106 BDG 1979 bestimmt, daß Parteien im Disziplinarverfahren der Beschuldigte und der Disziplinaranwalt sind.
Wenn § 103 Abs. 2 BDG 1979 anordnet, daß § 100 auf den Disziplinaranwalt sinngemäß anzuwenden ist, dann folgt daraus, daß jene Bestimmungen des § 100, die im Bereich der verweisenden Norm auch anwendbar sind, Geltung besitzen sollen. Da der § 100 BDG 1979 insbesondere die Bestellung von Beamten des Dienststandes zu Mitgliedern der Disziplinarkommissionen und der Disziplinaroberkommission, die Verpflichtung des Beamten, der Bestellung zum Mitglied Folge zu leisten, sowie das Ruhen und die Endigung der Mitgliedschaft regelt, sind alle diese Bestimmungen auch auf den Disziplinaranwalt anzuwenden. Der in der Gegenschrift vertretenen Auffassung, daß § 102 Abs. 2 BDG 1979 - nach dieser Verfassungsbestimmung sind die Mitglieder der Disziplinarkommission und der Disziplinaroberkommission in Ausübung dieses Amtes selbständig und unabhängig - eine vollständige Anwendung des § 100 auf die Disziplinaranwälte ausschließe, die sinngemäße Anwendung also mit gewissen Einschränkungen zu verstehen sei, daß die „Endigungsgründe“ nur für die gemäß § 102 Abs. 2 BDG 1979 in Ausübung ihres Amtes unabhängigen Mitglieder der Disziplinarkommissionen und der Disziplinaroberkommission gelten und daß schließlich § 100 Abs. 4 BDG 1979 ausdrücklich die „Mitgliedschaft“ zu den Disziplinarkommissionen und der Disziplinaroberkommission anführe, die Funktion des Disziplinaranwaltes aber Funktion einer Einzelperson sei und nicht im Zusammenhang mit dieser Gesetzesbestimmung und mit § 102 Abs. 2 BDG 1979 gesehen werden könne, vermag der Verwaltungsgerichtshof nicht zu folgen.
Aus der sinngemäßen Anwendbarkeit des § 100 BDG 1979 auf den Disziplinaranwalt folgt somit, daß der Beamte des Dienststandes der Bestellung zum Disziplinaranwalt Folge zu leisten hat, daß die Funktion des Disziplinaranwaltes unter den Voraussetzungen des § 100 Abs. 3 ruht und daß die Funktion des Disziplinaranwaltes unter den Voraussetzungen des § 100 Abs. 4 BDG 1979 endet.
Unabhängig von der rechtlichen Einordnung des Bestellungsaktes sind mit dem Bestellungsakt für den zum Disziplinaranwalt bestellten Beamten die im Gesetz vorgesehenen Rechtsfolgewirkungen verbunden, welche die Ausübung der dem Beamten übertragenen Funktion des Disziplinaranwaltes als subjektives öffentliches Recht erscheinen lassen. Werden die mit der Bestellung verbundenen Rechtsfolgewirkungen durch einen Verwaltungsakt beseitigt, so ist dieser geeignet, in ein subjektiv-öffentliches Recht des Disziplinaranwaltes einzugreifen.
Was den Bescheidcharakter der angefochtenen Erledigungen anlangt, so ist zunächst davon auszugehen, daß im Anwendungsbereich des Allgemeinen Verwaltungsverfahrensgesetzes 1950 ebenso wie im Anwendungsbereich des Dienstrechtsverfahrensgesetzes das Fehlen der ausdrücklichen Bezeichnung einer behördlichen Erledigung als Bescheid (vgl. dazu im übrigen auch § 10 DVG) allein noch nicht das Vorliegen eines rechtsverbindlichen Abspruches mit Bescheidcharakter ausschließt. Dennoch erfordert die Annahme des Bescheidcharakters einer solchen Erledigung, daß nach ihrem Inhalt der normative Charakter und die Absicht der Behörde, in der Sache verbindlich abzusprechen, eindeutig und für jedermann erkennbar sind (vgl. dazu insbesondere die Beschlüsse des Verwaltungsgerichtshofes vom 23. Oktober 1975, Zl. 1597/75, Slg. N. F. Nr. 8908/A, und vom 15. Dezember 1977, Zlen. 934, 1223/73, Slg. N. F. Nr. 9458/A).
Die beiden vor dem Verwaltungsgerichtshof angefochtenen Erledigungen enthalten jedenfalls die Bezeichnung der Behörde und die Fertigungsklausel als wesentliche Bescheidelemente. Es ist daher einzig und allein die für den Bescheidcharakter rechtserhebliche Frage zu beantworten, ob diese Erledigungen einen Spruch im Sinne des § 59 AVG 1950 - diese Bestimmung gilt auch im Anwendungsbereich des Dienstrechtsverfahrensgesetzes - enthalten oder nicht.
Inhalt der beiden vor dem Verwaltungsgerichtshof angefochtenen Erledigungen ist die Enthebung des Beschwerdeführers von der Funktion des Disziplinaranwaltes. Aus den weiter oben angestellten Erwägungen ist dieser normative Inhalt der beiden Erledigungen als Spruch im Sinne des § 59 AVG 1950 zu werten, wobei es unerheblich ist, ob der Abspruch eine gesetzliche Grundlage im BDG 1979 hat oder nicht.
Aus diesen Erwägungen ergibt sich, daß die beiden angefochtenen Erledigungen Bescheidqualität haben und daß der Beschwerdeführer im Hinblick auf die oben dargestellten Rechtsfolgen in seiner Bestellung zum Disziplinaranwalt in seinen Rechten durch die angefochtenen Bescheide verletzt sein kann.
2. Zur geltend gemachten Rechtverletzung:
Eine Enthebung des Disziplinaranwaltes ist im Beamten-Dienstrechtsgesetz 1979 nicht vorgesehen. In diesem Punkt unterscheiden sich die Bestimmungen des BDG 1979 über den Disziplinaranwalt und über die Mitglieder der Disziplinarkommissionen und der Disziplinaroberkommission von jenen Bestimmungen dieses Bundesgesetzes, die die Mitgliedschaft zur Prüfungskommission regeln. Im § 29 BDG 1979 ist nicht nur das Ruhen und das Erlöschen der Mitgliedschaft zur Prüfungskommission vorgesehen, sondern auch die Abberufung der Mitglieder der Prüfungskommission vor Ablauf ihrer Bestellungsperiode (vgl. § 29 Abs. 3 Z. 1 bis 5).
Die Frage, ob außer dem ausdrücklich geregelten Ruhen der Funktion des Disziplinaranwaltes und der ebenfalls ausdrücklich geregelten Endigung dieser Funktion kraft Gesetzes (im Beschwerdefall wäre nach dem Inhalt der Bestellungsakte jedenfalls auch der Endigungsgrund des Ablaufes der Bestellungsdauer in Betracht gekommen) auch noch die bescheidmäßige „Enthebung“ zulässig ist, ist zu verneinen. Das BDG 1979 enthält keine Bestimmung, die den Leiter der Zentralstelle ermächtigen würde, einen zum Disziplinaranwalt bestellten Beamten von seiner Funktion als Disziplinaranwalt zu entheben. Die angefochtenen Bescheide vermögen auch keine gesetzliche Grundlage für die Enthebung des Beschwerdeführers von seinen Funktionen als Disziplinaranwalt bei der Disziplinarkommission beim Bundesministerium für Justiz und als Disziplinaranwalt bei der Disziplinaroberkommission anzuführen.
Die Beschwerden erweisen sich daher als berechtigt.
Die angefochtenen Bescheide sind daher gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit ihres Inhaltes aufzuheben.
Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung des Bundeskanzlers BGBl. Nr. 243/1985, die gemäß ihrem Art. III Abs. 2 im Beschwerdefall anzuwenden ist.
Wien, am 17. Dezember 1986
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1986:1985090106.X00Im RIS seit
23.08.2021Zuletzt aktualisiert am
23.08.2021