TE Vwgh Beschluss 2017/1/26 Ra 2015/15/0019

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Veröffentlicht am 26.01.2017
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Index

E3L E09301000
E3R E09301000
32/04 Steuern vom Umsatz

Norm

UStG 1994 §6 Abs1 Z11 lita
32005R1777 MehrwertsteuerDV Art14
32006L0112 Mehrwertsteuersystem-RL Art132 Abs1 liti
32011R0282 MehrwertsteuerDV Art44

Beachte


Serie (erledigt im gleichen Sinn):
Ra 2015/13/0006 B 27.06.2017
Ra 2015/13/0045 B 27.06.2017
Ra 2015/16/0067 B 21.11.2017

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Zorn, die Hofrätin Dr. Büsser sowie die Hofräte MMag. Maislinger, Mag. Novak und Dr. Sutter als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. Bamminger, über die Revision des Finanzamts Hollabrunn Korneuburg Tulln in 2100 Korneuburg, Laaerstraße 13, gegen das Erkenntnis des Bundesfinanzgerichts vom 14. Jänner 2015, Zl. RV/7102641/2013, betreffend Umsatzsteuer 2012 (mitbeteiligte Partei: Q GmbH in W, vertreten durch die AAC Wirtschaftsprüfungs- und Steuerberatungs Ges.m.b.H in 1010 Wien, Gluckgasse 1), den Beschluss gefasst:

Spruch

Die Revision wird zurückgewiesen.

Begründung

1        Die Mitbeteiligte ist im Bereich der Erwachsenenbildung mit Schwerpunkt im Gesundheitswesen tätig. Sie nahm ihre Tätigkeit am 1. Februar 2006 auf und erklärte ihren Verzicht gemäß § 6 Abs. 3 UStG 1994 auf die Steuerbefreiung für Kleinunternehmer ab 2006.

2        Im September 2012 ersuchte sie das zuständige Finanzamt um Auskunft, ob das von ihr in Zusammenarbeit mit einer (ausländischen) Universität ab dem Wintersemester 2012/2013 angebotene berufsbegleitende zweisemestrige Doktoratsstudium unter die Befreiung des § 6 Abs. 1 Z 11 UStG 1994 falle. Die Mitbeteiligte teilte mit, dass der Abschluss dieses Studiums zu dem in Österreich anerkannten akademischen Grad PhDr. (Doktor der Philosophie in Gesundheitswissenschaften und Public Health), welcher von der Universität verliehen werde, führe. Ergänzend wurde ausgeführt, dass die Lehrveranstaltungen, welche Voraussetzung für den Abschluss des Studiums seien, von der Mitbeteiligten abgehalten würden und in deren Räumlichkeiten stattfänden. Für weitere Informationen verwies die Mitbeteiligte auf ihre Homepage. Sie schließe die Ausbildungsverträge mit den Studierenden ab und stelle diesen Rechnungen über die Teilnahmegebühr in Höhe von jeweils 13.000 € aus.

3        Die Mitbeteiligte verwies darauf, dass sie ihrer Ansicht nach als berufsbildende Einrichtung anzusehen sei, weil sie auf eigene Rechnung und in eigener Verantwortung Hochschulunterricht erteile und daher „Privatlehrer“ im Sinn der Mehrwertsteuerrichtlinie sei. Sie stehe auch in direkter Vertragsbeziehung zu den Studierenden, verfüge über entsprechende Räume, in denen die Seminare abgehalten würden, organisiere und koordiniere diese Seminare und verfüge über Vortragende, welche die erforderlichen beruflichen und persönlichen Befähigungen für die Ausübung der unterrichtenden Tätigkeit aufwiesen. Der Lehrstoff des fraglichen Doktoratsstudiums vermittle Kenntnisse allgemeinbildender und/oder berufsbildender Art und führe daher zu einer Lehrstoffvergleichbarkeit mit öffentlichen Einrichtungen. Da sich die Ausbildung an bereits im Berufsleben stehende Personen richte, welche als in Gesundheitsberufen in Dienstverhältnissen stehend nicht vorsteuerabzugsberechtigt seien, würde die Belastung derselben mit Umsatzsteuer einen zusätzlichen Kostenfaktor darstellen und damit im Verhältnis zu anderen öffentlichen Postgraduate-Ausbildungen wettbewerbsverzerrend wirken. Als vergleichbare Ausbildungslehrgänge führte die Mitbeteiligte vier österreichische Lehrgänge (unter Beteiligung österreichischer Universitäten) an, die auf ihren Internetseiten auf eine Steuerfreiheit ihrer Leistungen gemäß § 6 Abs. 1 Z 11 lit. a UStG 1994 hinwiesen.

4        Nach Erteilung einer negativen Auskunft des Finanzamts reichte die Mitbeteiligte im Juni 2013 die Körperschaft- und Umsatzsteuererklärung für das Jahr 2012 ein, wobei sie die Erlöse aus den Leistungen in Zusammenhang mit dem strittigen Lehrgang als gemäß § 6 Abs. 1 Z 11 lit. a UStG 1994 umsatzsteuerbefreit angab.

5        Am 15. Juli 2013 wurden vom Finanzamt der Umsatzsteuerbescheid für das Jahr 2012 erlassen und die Umsätze aus dem Lehrgang der Umsatzsteuer unterzogen, wogegen die Mitbeteiligte Beschwerde erhob.

6        Mit dem angefochtenen Erkenntnis gab das Bundesfinanzgericht der Beschwerde Folge und änderte den Umsatzsteuerbescheid 2012 ab. Begründend führte es aus, die innerstaatliche Regelung des § 6 Abs. 1 Z 11 lit. a UStG 1994 sei unionsrechtskonform zu interpretieren. Daraus ergäben sich als Voraussetzungen für eine Steuerbefreiung im Wesentlichen das Vorliegen von Umsätzen einer allgemein bildenden oder berufsbildenden (privaten) Einrichtung, die Vermittlung von Kenntnissen allgemeinbildender oder berufsbildender Art, das Bestehen eines entsprechenden organisatorischen Rahmens sowie der Nachweis, dass eine den öffentlichen Einrichtungen vergleichbare Tätigkeit ausgeübt wird, wobei die Dauer der Aus- oder Fortbildung entgegen der Ansicht des Finanzamtes nach Art. 14 der VO 1777/2005 bzw. Art. 44 der VO 282/2011 unerheblich sei.

7        Im Revisionsfall handle es sich aufgrund des erhobenen Sachverhaltes unstrittigerweise um Umsätze aus einer beruflichen Fortbildung im Bereich des Gesundheitswesens durch einen privaten Anbieter, wobei Kenntnisse berufsbildender Art vermittelt würden. Hinsichtlich der Punkte Vergleichbarkeit mit öffentlichen Einrichtungen bzw. Vergleichbarkeit der Zielsetzung, welche der Vermeidung von Wettbewerbsverzerrungen zwischen öffentlichen und privaten Anbietern dienten, sei auszuführen, dass die Mitbeteiligte organisatorisch über die Voraussetzungen verfüge, laufend gegenüber einer Anzahl von Interessenten eine schulähnliche unterrichtende Tätigkeit auszuüben, diese auch von geeigneten Vortragenden ausgeübt werde und Kenntnisse berufsbildender Art vermittelt würden. Der Abschluss des Studiums erfolge durch Erstellung einer schriftlichen Arbeit, welche im Rahmen einer Rigorosumsprüfung an der Universität beurteilt werde, und der Lehrgang ende mit der Verleihung eines aufgrund eines zwischenstaatlichen Memorandums in Österreich anerkannten akademischen Grades. Die wesentlichen Voraussetzungen des § 6 Abs. 1 Z 11 lit. a UStG 1994 seien erfüllt. Da es nach Unionsrecht nicht auf die Dauer der Ausbildung ankomme, schade der vom Finanzamt gerügte geringere Lehrstoffumfang (angesichts einer bloß auf zwei Semester angelegten Studiendauer) nicht.

8        Die Vergleichbarkeit der Zielsetzung des von der Mitbeteiligten angebotenen Lehrganges iSd Art. 132 Abs. 1 lit. i der MwStSystRL sei mit den vom Finanzamt als Vergleichsmaßstab angesehenen Lehrgängen gegeben. Daran könne auch die im Vergleich zu diesen Lehrgängen gegebene kürzere Dauer nichts ändern, zumal hinsichtlich der organisatorischen Rahmenvoraussetzungen eine Vergleichbarkeit mit den Lehrgängen der öffentlichen Einrichtungen bestehe. Der von der Mitbeteiligten angebotene Lehrgang habe eine mit den öffentlichen Schulen bzw. Anbietern vergleichbare Zielsetzung, nämlich eine berufsbegleitende Fortbildung für Absolventen eines Studiums im Gesundheitswesen zwecks Erlangung eines Doktortitels und Heranbildung zur Führungskraft. Die von der Mitbeteiligten im Jahr 2012 aus diesem Lehrgang erzielten Umsätze seien daher - in Erfüllung des Zweckes der Regelung des Art. 132 Abs. 1 lit. i MwStSystRL, Wettbewerbsverzerrungen zwischen dem Hoheitsbereich zuordenbaren öffentlichen Anbietern und privaten Bildungseinrichtungen zu vermeiden - von der Umsatzsteuer befreit.

9        Gegen dieses Erkenntnis wendet sich die außerordentliche Revision des Finanzamts. Deren Zulässigkeit begründet das Finanzamt insbesondere damit, dass die Frage der mit öffentlichen Schulen vergleichbaren Zielsetzung (Tätigkeit), der hierfür maßgeblichen Vergleichsmaßstäbe sowie der Form der Anerkennung durch den Mitgliedsstaat von der bisherigen Rechtsprechung noch nicht abschließend geklärt sei.

10       Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

11       Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen.

12       Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.

13       Wie der Verwaltungsgerichtshof in seinem Erkenntnis vom 21. November 2013, 2011/15/0109, bereits ausgeführt hat, ist aufgrund des Unionsrechts in Bezug auf § 6 Abs. 1 Z 11 lit. a UStG 1994 davon auszugehen, dass es für dessen Anwendbarkeit im Falle berufsbezogener Bildungsmaßnahmen nicht auf das Vorliegen einer „vergleichbaren Tätigkeit“ der privaten Bildungseinrichtungen ankommt (vgl. Zorn, RdW 2016, 718 ff).

14       Seit Inkrafttreten der Verordnung (EG) Nr. 1777/2005 mit 1. Juli 2006 bzw. deren Nachfolgeverordnung (EU) Nr. 282/2011 ist nämlich für den Tätigkeitsbereich, der von der Befreiungsbestimmung des Art. 132 Abs. 1 lit. i MwStSystRL erfasst wird, ein Mindestumfang verbindlich festgelegt („Schulungsmaßnahmen mit direktem Bezug zu einem Gewerbe oder einem Beruf sowie jegliche Schulungsmaßnahme, die dem Erwerb oder der Erhaltung beruflicher Kenntnisse dient. Die Dauer der Ausbildung, Fortbildung oder beruflichen Umschulung ist hierfür unerheblich.“). Die in Art. 14 der Verordnung (EG) Nr. 1777/2005 bzw. Art. 44 der Verordnung (EU) Nr. 282/2011 angeführten Schulungsmaßnahmen sind daher von der Befreiungsbestimmung erfasst, unabhängig davon, ob sie sich in einem Mitgliedstaat als eine den öffentlichen Schulen vergleichbare Tätigkeit darstellen (vgl. auch Ruppe/Achatz, UStG4, § 6 Tz 310).

15       Nun sind zwar nach Art. 132 Abs. 1 lit. i MwStSystRL u.a. die Aus- und Fortbildung sowie berufliche Umschulung durch Einrichtungen des öffentlichen Rechts, die mit solchen Aufgaben betraut sind, und daneben „andere Einrichtungen mit von dem betreffenden Mitgliedstaat anerkannter vergleichbarer Zielsetzung“ von der Umsatzsteuer befreit.

16       Für die Prüfung einer „vergleichbaren Zielsetzung“ der Einrichtung als weitere Voraussetzung für die Steuerbefreiung, wie sie Art. 132 Abs. 1 lit. i MwStSystRL vorsieht, besteht aber mangels Übernahme dieser Voraussetzung in das österreichische UStG 1994 kein Raum. Auf die unmittelbare Anwendung der Richtlinie beruft sich die mitbeteiligte Partei im vorliegenden Fall nicht.

17       In der Revision werden somit keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher in einem gemäß § 12 Abs. 2 VwGG gebildeten Senat zurückzuweisen.

Wien, am 26. Jänner 2017

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2017:RA2015150019.L00

Im RIS seit

23.08.2021

Zuletzt aktualisiert am

24.08.2021
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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