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001 Verwaltungsrecht allgemeinNorm
ASchG 1994 §130 Abs1 Z6Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Beck sowie die Hofräte Dr. Lehofer und Dr. N. Bachler als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Dr. Gruber, über die Revision des Bundesministers für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz, gegen das Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichts Steiermark vom 3. August 2016, Zl. LVwG 30.15-526/2016-25, betreffend Übertretung arbeitnehmerschutzrechtlicher Vorschriften (Partei gemäß § 21 Abs. 1 Z 2 VwGG: Bezirkshauptmannschaft Graz-Umgebung; mitbeteiligte Partei: Ing. M G in D, vertreten durch MMag. Michael Krenn, Rechtsanwalt in 1070 Wien, Museumstraße 5/19), zu Recht erkannt:
Spruch
Das angefochtene Erkenntnis wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Begründung
1 Mit Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Graz-Umgebung vom 15. Jänner 2016 wurde der Mitbeteiligte als verantwortlicher Beauftragter der G. GmbH schuldig erkannt, er habe zu verantworten, dass ein namentlich angeführter Arbeitnehmer der W. GmbH auf einer näher bezeichneten Baustelle am 10. September 2014 einen beladenen LKW (Betonmischwagen) bis an den Rand der Baugrube im Bereich der Abfahrtsrampe in die Baugrube gelenkt und dadurch den 50 cm breiten Schutzstreifen belastet habe, obwohl unter Punkt 4.4.2. des Sicherheits- und Gesundheitsschutzplanes angeordnet worden sei, dass zusätzlich an jedem Böschungs- oder Grabenrand ein Schutzstreifen mit einer Breite von mindestens 50 cm von Aushub, Material und Geräten freizuhalten sei.
Über den Mitbeteiligten wurde daher wegen Übertretung des § 130 Abs. 1 Z 6 ArbeitnehmerInnenschutzgesetz (ASchG) i.V.m. § 7 Abs. 1 Bauarbeitenkoordinationsgesetz (BauKG) und § 8 Abs. 4 ASchG eine Geldstrafe von € 830,-- (Ersatzfreiheitsstrafe 1 Tag) verhängt.
2 Mit dem - als Beschluss bezeichneten - angefochtenen Erkenntnis gab das Verwaltungsgericht der gegen das Straferkenntnis des Bezirkshauptmannschaft Graz-Umgebung erhobenen Beschwerde des Mitbeteiligten statt, behob das angefochtene Straferkenntnis und stellte das Verwaltungsstrafverfahren gemäß § 45 Abs. 1 Z 2 VStG ein. Die ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof erklärte das Verwaltungsgericht für unzulässig.
3 Das Verwaltungsgericht stellte unter anderem fest, dass der Mitbeteiligte für das verfahrensgegenständliche Bauvorhaben zum verantwortlichen Beauftragten der G. GmbH bestellt worden sei; die G. GmbH habe für dieses Bauvorhaben den Auftrag für die gesamten Baumeisterarbeiten und Außenanlagen übernommen. Der Sicherheits- und Gesundheitsschutzplan (im Folgenden: SiGe-Plan) habe in seinem Punkt 4.4.2 für die Absturzsicherung der in ca. 4 m Tiefe befindlichen Baugrube (unter anderem) folgende Vorgaben enthalten:
Betroffene Gewerke
§
Zuständig für die Umsetzung
Zeitplan
Belastung des Baugrubenrands:
Zusätzlich ist an jedem Böschungs- oder Grabenrand ein Schutzstreifen mit einer Breite von mindestens 50,0 cm von Aushub, Material und Geräten freizuhalten - dieser Bereich darf nicht belastet werden (besonders beim Anlegen von Fahrwegen oder Lagerungen darauf achten).
BM
BauV § 48 ff.
BM
Zuständig für die Umsetzung dieser Maßnahmen sei die G. GmbH.
Als Zufahrt zur Baugrube habe eine ca. 8 m breite, 40 bis 50 m lange Rampe mit einer Neigung von etwa 10 Grad gedient. Diese Rampe sei täglich von dutzenden LKW, unter anderem Betonmischwägen benutzt worden, wobei die LKW diese Rampe auf einer Fahrspur befahren hätten, die gut einen Meter von der Außenkante der Rampe entfernt gewesen sei. Der laut SiGe-Plan geforderte Schutzstreifen entlang der Absturzkante sei bis zum Vorfall vom 10. September 2014 nicht durch Abschrankungen gesichert und auch nicht durch optische Hinweise markiert gewesen. Als Zulieferer des Fertigbetons habe unter anderem die W. GmbH fungiert, bei der der Unfalllenker - ein erfahrener Berufskraftfahrer mit 23 Jahren Berufserfahrung - beschäftigt gewesen sei.
Im Folgenden traf das Verwaltungsgericht nähere Feststellungen zum Unfallhergang und gab wesentliche Teile eines im Auftrag der Staatsanwaltschaft Wiener Neustadt erstellten Sachverständigengutachtens wieder. Schließlich stellte das Verwaltungsgericht fest, dass das gegen den Mitbeteiligten eingeleitete Gerichtsverfahren gemäß § 190 Z 1 StPO „aus dem Grund des § 88 Abs. 2 Z 2 StGB eingestellt“ worden sei, weil sich aus dem medizinischen Sachverständigengutachten ergeben habe, dass der Unfall keine Gesundheitsschädigung oder Berufsunfähigkeit von mehr als 14-tägiger Dauer nach sich gezogen habe.
4 In rechtlicher Hinsicht führte das Verwaltungsgericht mit näherer Begründung aus, der spruchgegenständliche Tatvorwurf sei in objektiver Hinsicht als erfüllt anzusehen. So sei es als erwiesen anzunehmen, dass der entlang der Außenkante der gegenständlichen Zufahrtsrampe in mehr als ausreichender Breite vorhanden gewesene Schutzstreifen am Tattag in jenen wenigen Minuten, als der vom im Spruch genannten Arbeitnehmer gelenkte LKW mit den hinteren Rädern auf den Schutzstreifen gelangt sei, nicht im Sinne von Punkt 4.4.2. SiGe-Plan „freigehalten“ worden sei. Das Verfahren sei jedoch aus nachstehenden Gründen mangels Erfüllung der subjektiven Tatseite einzustellen:
Aus den angeführten Rechtsgrundlagen ergebe sich in Verbindung mit dem Sachverständigengutachten keine Verpflichtung, den unstrittig vorhandenen Schutzstreifen an der Außenkante der Rampe von mindestens 50 cm durch bauliche Maßnahmen abzugrenzen oder durch optische Hinweise zumindest ersichtlich zu machen. Eine derartige Verpflichtung ergebe sich weder aus den oben angeführten Bestimmungen, noch aus der der Anzeige zugrunde gelegten Bestimmung in 4.4.2. des SiGe-Planes, welche sich offensichtlich an der Bestimmung des § 48 Abs. 4 Bauarbeiterschutzverordnung (BauV) orientiere.
Die im Nachhinein vom zuständigen Arbeitsinspektor aufgetragenen zusätzlichen Sicherungsmaßnahmen, welche sich wohl an § 7 Abs. 7 Tagbauarbeitenverordnung (TAV) orientieren, zeigten jedoch, dass derartige bauliche Maßnahmen zur Sicherung der Rampenkante offenbar das einzig effiziente Mittel seien, um zu gewährleisten, dass der Schutzstreifen nicht versehentlich durch ein Fahrzeug oder andere schwere Gegenstände belastet werde, zumal die Rampe täglich von dutzenden Personen und Fahrzeugen benutzt worden sei, welche großteils gar nicht Arbeitnehmer der G. GmbH gewesen seien und sofern es sich, wie im vorliegenden Fall, um einen bloßen Zulieferer handle, gar nicht den Weisungen des Mitbeteiligten bzw. dessen vor Ort tätigen Mitarbeitern unterstanden seien. Dass eine ständige „Bewachung“ des Schutzstreifens durch eine oder mehrere Aufsichtspersonen der G. GmbH unrealistisch und unzweckmäßig wäre, stehe wohl außer Zweifel, weshalb als einzig taugliche Absicherung nur technische Maßnahmen in Betracht kämen.
Der Standpunkt des Arbeitsinspektorates in der Verhandlung („Wie das zu gewährleisten ist, ist Sache des jeweiligen Adressaten dieser Vorgabe, somit der Fa. G.“) laufe im Ergebnis auf den Vorwurf hinaus, der Mitbeteiligte habe es schuldhaft zu verantworten, dass er vor dem Unfall nicht von alleine auf den Gedanken gekommen sei, dass derartige Sicherungsmaßnahmen nötig seien, obwohl diese Notwendigkeit in den Wochen davor mehreren anderen fachkundigen Personen, darunter dem Mitarbeiter des Baustellenkoordinators und dem zuständigen Arbeitsinspektor selbst, ebenfalls nicht aufgefallen sei.
Dass ein Berufskraftfahrer mit jahrzehntelanger Berufserfahrung aus eigenem Antrieb ohne zwingende Notwendigkeit mit einem Lkw, dessen Überladung ihm nachweislich bekannt gewesen sei, ein waghalsiges Rückfahrtsmanöver starte und dann auf den letzten Metern der Rampe aus nicht mehr genau zu ermittelnder Ursache über den Rampenrand hinausfahre, nachdem zuvor wochenlang hunderte andere Baufahrzeuge die gegenständliche Rampe problemlos auf- und abgefahren seien, sei offensichtlich für alle vor Ort tätigen einschlägig fachkundigen Personen nicht vorhersehbar gewesen.
Die durchaus zweckmäßige und für die Absicherung von derartigen Rampen perfekt geeignete Regelung in § 7 Abs. 7 TAV gehöre augenscheinlich nicht zur Standardabsicherung von Baustellenrampen außerhalb des Tagbaus. Andernfalls hätte sich wohl eine derartige Festlegung im gegenständlichen SiGe-Plan gefunden.
Aus den dargestellten Gründen sei daher das Verfahren mangels Verschulden einzustellen gewesen, weil es sich beim gegenständlichen Unfall einerseits um ein nicht vorhersehbares Verhalten des betroffenen Unfalllenkers gehandelt habe und andererseits die Notwendigkeit einer Abschrankung oder zumindest optischen Ersichtlichmachung des Schutzstreifens dem Mitbeteiligten nicht vorwerfbar sei, da der SiGe-Plan keine derartigen Vorgaben enthalten habe und die Notwendigkeit zusätzlicher technischer Absicherungen auch von anderen einschlägig fachkundigen Personen, allen voran dem zuständigen Baustellenkoordinator, nicht erkannt worden sei.
5 Gegen diese Entscheidung des Verwaltungsgerichts richtet sich die vorliegende außerordentliche Revision des Bundesministers für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz mit dem Antrag, der Verwaltungsgerichtshof möge die Entscheidung wegen inhaltlicher Rechtswidrigkeit aufheben, in eventu sie dahingehend abändern, dass die Beschwerde des Mitbeteiligten abgewiesen und das Straferkenntnis bestätigt werde. Die belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht brachte eine Äußerung ein, wonach sie sich den Ausführungen des Verwaltungsgerichtes im angefochtenen Erkenntnis „vollinhaltlich anschließt“. Der Mitbeteiligte erstattete eine Revisionsbeantwortung mit dem Antrag, die Revision kostenpflichtig zurückzuweisen, in eventu abzuweisen.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
6 § 7 Abs. 1 Bauarbeitenkoordinationsgesetz, BGBl. I Nr. 37/1999 i.d.F. BGBl. I Nr. 159/2001 (BauKG), lautet wie folgt:
„Sicherheits- und Gesundheitsschutzplan
§ 7. (1) Der Bauherr hat dafür zu sorgen, daß vor Eröffnung der Baustelle ein Sicherheits- und Gesundheitsschutzplan erstellt wird für Baustellen, für die eine Vorankündigung gemäß § 6 erforderlich ist und für Baustellen, auf denen Arbeiten zu verrichten sind, die mit besonderen Gefahren für Sicherheit und Gesundheit der Arbeitnehmer verbunden sind.“
7 § 8 ArbeitnehmerInnenschutzgesetz, BGBl. Nr. 450/1994 i.d.F. BGBl. I Nr. 159/2001 (ASchG), lautet auszugsweise wie folgt:
„Koordination
§ 8. (1) Werden in einer Arbeitsstätte, auf einer Baustelle oder einer auswärtigen Arbeitsstelle Arbeitnehmer mehrerer Arbeitgeber beschäftigt, so haben die betroffenen Arbeitgeber bei der Durchführung der Sicherheits- und Gesundheitsschutzbestimmungen zusammenzuarbeiten. [...]
(2) [...]
(3) [...]
(4) Sind für eine solche Baustelle Personen mit Koordinationsaufgaben auf dem Gebiet des Arbeitnehmerschutzes beauftragt, so haben die Arbeitgeber bei der Umsetzung der Grundsätze der Gefahrenverhütung die Anordnungen und Hinweise dieser Personen zu berücksichtigen. Soweit dies zur Vermeidung von Gefahren für Sicherheit oder Gesundheit der Arbeitnehmer erforderlich ist, ist bei der Koordination, der Information und der Durchführung der Sicherheits- und Gesundheitsschutzbestimmungen auch auf jene auf einer Baustelle tätigen Personen Bedacht zu nehmen, die keine Arbeitnehmer sind.
(5) [...]
(6) [...]“
8 § 130 Abs.1 Z 6 ASchG lautet wie folgt:
„Strafbestimmungen
§ 130. (1) Eine Verwaltungsübertretung, die mit Geldstrafe von 166 bis 8 324 €, im Wiederholungsfall mit Geldstrafe von 333 bis 16 659 € zu bestrafen ist, begeht, wer als Arbeitgeber entgegen diesem Bundesgesetz oder den dazu erlassenen Verordnungen
[...]
6. die durchzuführenden Schutzmaßnahmen nicht festlegt oder nicht für deren Einhaltung sorgt,
[...]„
9 Der Revisionswerber führt zur Zulässigkeit unter anderem aus, die angefochtene Entscheidung weiche von der hg. Rechtsprechung ab, insbesondere vom Erkenntnis vom 24. September 2010, 2009/02/0097. Darin habe sich der Verwaltungsgerichtshof mit den Verpflichtungen des Arbeitgebers gemäß § 8 Abs. 4 ASchG in Zusammenhang mit dem Sicherheits- und Gesundheitsschutzplan gemäß § 7 BauKG befasst und ausgesprochen, dass der Arbeitgeber verpflichtet sei, für die Einhaltung des Sicherheits- und Gesundheitsschutzplanes zu sorgen. Es liege in einem Verwaltungsstrafverfahren am Arbeitgeber, das Vorliegen eines - sein Verschulden ausschließenden - Kontrollsystems darzulegen, das gerade auch für den Fall eigenmächtiger Handlungen Platz zu greifen habe. Der Mitbeteiligte habe ein sein Verschulden ausschließendes Kontrollsystem nicht dargelegt, sondern dieses nicht einmal behauptet.
10 Die Revision ist zulässig und berechtigt, da das Verwaltungsgericht unter Abweichung von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes das Verschulden des Mitbeteiligten verneint hat.
11 Vorweg ist festzuhalten, dass dem Mitbeteiligten von der Verwaltungsstrafbehörde als verwaltungsstrafrechtlich Verantwortlichem der G. GmbH vorgeworfen wurde, nicht für die Einhaltung der in Punkt 4.4.2 des SiGe-Plans festgelegten Schutzmaßnahmen - nach denen der Schutzstreifen insbesondere nicht belastet werden darf - gesorgt und damit § 130 Abs. 1 Z 6 ASchG übertreten zu haben. Es wurde dem Mitbeteiligten nicht angelastet, eine über den SiGe-Plan hinausgehende Absturzsicherung oder eine Kennzeichnung des Randes der Rampe nicht vorgenommen zu haben, sodass die diesbezüglichen Feststellungen und auch rechtlichen Ausführungen im angefochtenen Erkenntnis ins Leere gehen. Auch die Übernahme des im Auftrag der Staatsanwaltschaft eingeholten Sachverständigengutachtens, das sich im Wesentlichen damit befasste, ob eine Absicherung der Böschungsrampen vorgeschrieben sei bzw ob es sich bei der Unfallörtlichkeit um eine Baugrube im Sinne des BauV handle (und damit Rechtsfragen behandelte), tragen zu den vom Verwaltungsgericht zu klärenden Sach- und Rechtsfragen nichts bei.
12 Das Verwaltungsgericht ist - in vom Verwaltungsgerichtshof nicht zu beanstandender Weise - zum Ergebnis gekommen, dass das objektive Tatbild verwirklicht wurde, weil nicht dafür gesorgt wurde, dass der Schutzstreifen, wie dies in Punkt 4.4.2 des SiGe-Plan - in Anlehnung an § 48 Abs. 4 BauV - vorgesehen ist, von „Geräten“ freigehalten und nicht belastet wurde.
13 Darauf aufbauend hätte das Verwaltungsgericht zu prüfen gehabt, ob der Mitbeteiligte ein sein Verschulden ausschließendes wirksames Kontrollsystem dargelegt hat. Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes hätte der Mitbeteiligte dazu unter anderem aufzuzeigen gehabt, welche Maßnahmen im Einzelnen der unmittelbar Übergeordnete im Rahmen des Kontrollsystems zu ergreifen verpflichtet war, um durchzusetzen, dass jeder in dieses Kontrollsystem eingebundene Mitarbeiter die arbeitnehmerschutzrechtlichen Vorschriften auch tatsächlich befolgt und welche Maßnahmen schließlich der an der Spitze der Unternehmenshierarchie stehende Anordnungsbefugte vorgesehen hat, um das Funktionieren des Kontrollsystems insgesamt zu gewährleisten, das heißt sicherzustellen, dass die auf der jeweils übergeordneten Ebene erteilten Anordnungen (Weisungen) zur Einhaltung arbeitnehmerschutzrechtlicher Vorschriften auch an die jeweils untergeordnete, zuletzt also an die unterste Hierarchie-Ebene gelangen und dort auch tatsächlich befolgt werden. Wurde ein wirksames Kontrollsystem nicht eingerichtet, so vermag auch das Hinzutreten eines - allenfalls auch krassen - Fehlverhaltens eines Arbeitnehmers, das in der Folge zu einem Arbeitsunfall geführt hat, am Verschulden des Arbeitgebers nichts zu ändern (vgl. zu all dem u.v.a. VwGH vom 9. September 2016, Ra 2016/02/0137).
14 Der Mitbeteiligte macht in seiner Revisionsbeantwortung - unter Bezugnahme auf das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 29. Mai 2015, 2012/02/0238 - geltend, seine Bestrafung würde gegen das Doppelbestrafungsverbot verstoßen.
15 Dazu ist festzuhalten, dass nach dem angefochtenen Erkenntnis das gegen den Mitbeteiligten eingeleitete gerichtliche Strafverfahren eingestellt wurde, weil aus der Tat keine Gesundheitsschädigung oder Berufsunfähigkeit einer anderen Person von mehr als vierzehntägiger Dauer erfolgt ist (§ 88 Abs. 2 Z 2 StGB). Sollte die Einstellung des gerichtlichen Strafverfahrens allein darauf beruhen, dass die für die gerichtliche Strafbarkeit erforderliche Schwere der Gesundheitsschädigung nicht erreicht wurde, würde dies der verwaltungsstrafrechtlichen Verfolgung des Mitbeteiligten nicht entgegenstehen (vgl. dazu VwGH vom 10. Jänner 2017, Ra 2016/02/0230). Das Verwaltungsgericht wird sich im fortgesetzten Verfahren daher mit der Frage der Sperrwirkung der Einstellung des Strafverfahrens nach § 190 StPO im konkreten Fall anhand der in den zitierten Erkenntnissen des Verwaltungsgerichtshofes vom 29. Mai 2015 und vom 10. Jänner 2017 enthaltenen Leitlinien auseinanderzusetzen haben.
16 Das angefochtene Erkenntnis war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG wegen inhaltlicher Rechtswidrigkeit aufzuheben.
Wien, am 7. April 2017
Schlagworte
Besondere Rechtsgebiete Individuelle Normen und Parteienrechte Rechtswirkungen von Bescheiden Rechtskraft VwRallg9/3 Rechtskraft Umfang der Rechtskraftwirkung Allgemein Bindung der BehördeEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2017:RA2016020236.L00Im RIS seit
24.08.2021Zuletzt aktualisiert am
25.08.2021