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L82307 Abwasser Kanalisation Tirol;Norm
AVG §8;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Vizepräsident Dr. W. Pesendorfer und die Hofräte Dr. Giendl, Dr. Bernegger, Dr. Waldstätten und Dr. Köhler als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. König, über die Beschwerden der G und des C, beide in I, beide vertreten durch Dr. H, Rechtsanwalt in I, gegen den Bescheid der Berufungskommission in Bausachen der Landeshauptstadt Innsbruck vom 15. Oktober 1996, Zl. I-5966/1996, betreffend Anschlußbescheid (mitbeteiligte Partei: A in S, vertreten durch Dr. P, Rechtsanwalt in I), zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes aufgehoben.
Die Landeshauptstadt Innsbruck hat den Beschwerdeführern insgesamt Aufwendungen in der Höhe von S 12.980,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen. Das Mehrbegehren wird abgewiesen.
Begründung
Mit dem am 7. Mai 1996 beim Magistrat der Landeshauptstadt Innsbruck eingelangten Antrag wurden namens der mitbeteiligten Partei Unterlagen für den Anschluß einer Entwässerungsanlage auf den Gp NN7/2 und Gp NN0, KG A, vorgelegt. Die den Unterlagen angeschlossenen Pläne lassen eine beabsichtigte Einleitung der Abwässer über den Privatkanal der Beschwerdeführer erkennen.
Mit Schreiben vom 4. Juli 1996 teilte der Magistrat der Landeshauptstadt Innsbruck den Beschwerdeführern mit, daß die Mitbeteiligte Unterlagen für den Anschluß der im Betreff bezeichneten Anlage an die öffentliche Abwasserbeseitigungsanlage vorgelegt habe, woraus hervorgehe, daß die Abwässer des geplanten Wohnhauses in den bestehenden Privatkanal (genehmigt mit Bescheid vom 21. Jänner 1975), der über das Grundstück der Beschwerdeführer verlaufe, abgeleitet werden solle. Zwecks Wahrung des Parteiengehörs werde den Beschwerdeführern die Möglichkeit eingeräumt, hiezu binnen längstens drei Wochen in den Akt Einsicht zu nehmen und eine allfällige schriftliche Stellungnahme einzubringen. Die Beschwerdeführer brachten dazu vor, daß eine Einigung hinsichtlich des Kanalanschlusses nicht erfolgt sei, es seien jedoch Verhandlungen im Gange und es dürfte eine Entscheidung in welcher Form immer, im Herbst getroffen werden.
Mit Bescheid vom 19. August 1996 legte der Stadtmagistrat der Landeshauptstadt Innsbruck nach §§ 11 und 25 Abs. 3 des Tiroler Kanalisationsgesetzes die näheren Bestimmungen und Auflagen für den Anschluß wie folgt fest: 1. das Anschlußrecht erstrecke sich auf die Abwassermenge von ca. 2 l pro Sekunde häusliche Abwässer; 2. die Einleitung der Abwässer erfolge über die Anschlußstelle des privaten Sammelkanales, bewilligt mit Bescheid vom 21. Jänner 1975. Zusätzlich wurde ausgesprochen, daß die gemäß den Planunterlagen beabsichtigte teilweise Versickerung von Niederschlagswässern gemäß § 10 Abs. 3 und 4 des Tiroler Kanalisationsgesetzes bis auf Widerruf bewilligt werde. Dem einen Bestandteil dieses Bescheides bildenden Plan ist zu entnehmen, daß die Einleitung in den von den Beschwerdeführern hergestellten Privatkanal auf dem Grundstück Nr. 140 erfolgt. In einem Hinweis nach der Rechtsmittelbelehrung ist ausgeführt, daß dieser Bescheid nicht die erforderliche Zustimmung der Beschwerdeführer zur Mitbenützung des Entwässerungskanales ersetze.
In der gegen diesen Bescheid erhobenen Berufung führten die Beschwerdeführer aus, die "Mitbenützung des Kanales durch einen beachtlichen Wohnblock" sei unzumutbar. Es bestehe die Gefahr, daß der gegenständliche Kanal im Falle des Anschlusses des Hauses der Mitbeteiligten überlastet werde. Für die Erlassung des gegenständlichen Bescheides sei keine rechtliche Grundlage gegeben. Die Beschwerdeführer seien nicht verpflichtet, Grabungen in der Länge von 38 m in ihrem Grund, der ein bepflanzter Garten sei, zu dulden. Bei Durchführung der Anschlußarbeiten würden an zwei Stellen hohe Hecken vernichtet werden, ebenso wie die Stützmauer an zwei Stellen. Zudem müßten, wenn die Genehmigung der teilweisen Versickerung von Niederschlagswässern widerrufen würde, auch diese Abwässer in den Kanal geleitet werden. Damit wäre die Überbelastung mit allen Konsequenzen perfekt.
Mit Bescheid vom 15. Oktober 1996 hat die belangte Behörde die Berufung der Beschwerdeführer gegen den Bescheid vom 19. August 1996 abgewiesen. Zur Begründung wurde nach Darstellung des Verwaltungsgeschehens ausgesprochen, Inhalt des Anschlußbescheides sei die Ausformulierung abwassertechnischer Bedingungen, unter welchen an die öffentliche Abwasserbeseitigungsanlage angeschlossen werden dürfe. Demgegenüber werde im 5. Abschnitt in den §§ 21 bis inklusive 24 des Tiroler Kanalisationsgesetzes normiert, unter welchen Bedingungen eine allenfalls erforderliche Enteignung zum Zwecke der Erstellung anschlußpflichtiger Anlagen zulässig sei, sodaß das im Berufungsverfahren vorgebrachte Berufungsvorbringen nicht zu einer Behebung des erstinstanzlichen Bescheides führen habe können und die in der Berufungsschrift aufgeworfenen Bedenken im nachfolgenden Enteignungsverfahren zu behandeln sein würden.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften.
Die belangte Behörde hat die Verwaltungsakten vorgelegt und ebenso wie die Mitbeiligte in der Gegenschrift die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Gemäß § 9 Abs. 4 des Tiroler Kanalisationsgesetzes, LGBl. Nr. 40/1985 in der Fassung LGBl. Nr. 50/1986, ist der Bauwerber einer anschlußpflichtigen baulichen Anlage aufzufordern, innerhalb einer angemessenen, sechs Monate nicht übersteigenden Frist der Behörde jene Unterlagen vorzulegen, die zur Beurteilung der Beschaffenheit und der Menge der bei der Anlage anfallenden Abwässer erforderlich sind. Bei bestimmten anschlußpflichtigen Anlagen ist überdies ein Lageplan vorzulegen, aus dem die genaue Lage der vorgesehenen Trennstelle hervorgeht. § 11 Abs. 1 und 2 lauten wie folgt:
"§ 11
Anschlußbescheid
(1) Die Behörde hat innerhalb von sechs Monaten nach der Vorlage der nach § 9 Abs. 4 erforderlichen Unterlagen die näheren Bestimmungen für den Anschluß der betreffenden Anlage an die öffentliche Abwasserbeseitigungsanlage mit schriftlichem Bescheid festzulegen (Anschlußbescheid).
(2) Im Anschlußbescheid sind jedenfalls festzulegen:
a) die Art, die Beschaffenheit und die Menge der Abwässer, die von der Anlage abgeleitet werden dürfen,
b)
die allenfalls erforderlichen Vorreinigungsanlagen,
c)
im Falle des Anschlusses einer Anlage im Sinne des § 9 Abs. 1 lit. a bis c die genaue Lage der Trennstelle, im Falle des Anschlusses eines Sammelkanals einer privaten Abwasserbeseitigungsanlage die genaue Lage der Anschlußstelle an den Sammelkanal der öffentlichen Abwasserbeseitigungsanlage,
d) im Falle des Anschlusses einer bereits bestehenden Anlage im Sinne des § 9 Abs. 1 lit. a bis c eine angemessene, ein Jahr nicht übersteigende Frist für die Herstellung der Grundleitungen einschließlich der allenfalls erforderlichen Vorreinigungsanlagen, im Falle des Anschlusses eines Sammelkanals einer privaten Abwasserbeseitigungsanlage eine angemessene Frist für die Herstellung des Anschlusses an den Sammelkanal der öffentlichen Abwasserbeseitigungsanlage,
e) im Falle des Anschlusses einer bereits bestehenden Anlage im Sinne des § 9 Abs. 1 lit. a bis c eine angemessene Frist für die Auflassung der durch den Anschluß der Anlage an die öffentliche Abwasserbeseitigungsanlage entbehrlich werdenden Teile der bisherigen Entwässerungsanlage und
f) im Falle des Anschlusses einer Anlage im Sinne des § 9 Abs. 1 lit. a bis c den Zeitpunkt, ab dem das bei der Anlage anfallende Schmutzwasser und, sofern die öffentliche Abwasserbeseitigungsanlage auch zur Beseitigung von Niederschlagswässern bestimmt ist, Niederschlagswasser ausschließlich in die öffentliche Abwasserbeseitigungsanlage abgeleitet werden muß."
Abs. 3 dieser Bestimmung regelt die Anlage gewerblicher oder industrieller Abwässer, Abs. 4 Fälle des Ausbaues oder der Änderung einer öffentlichen Abwasserbeseitigungsanlage.
Nach § 21 Abs. 1 leg. cit. hat die Behörde, wenn die Ableitung der bei einer anschlußpflichtigen Anlage anfallenden Abwässer auf andere Weise nicht oder nur mit einem im Verhältnis zum erzielbaren Erfolg unvertretbar hohen Aufwand durchgeführt werden kann, durch Enteignung
a) die Dienstbarkeit der Errichtung, des Betriebes und der Instandhaltung einer Entwässerungsanlage oder eines Anschlußkanales auf einem fremden Grundstück,
b) die Dienstbarkeit der Ableitung der bei einer Anlage anfallenden Abwässer in eine fremde Entwässerungsanlage oder
c) das Recht zum Begehen und Befahren eines fremden Grundstückes sowie zum Ablagern von Baustoffen und anderem Material im Zuge der Errichtung einer Entwässerungsanlage oder eines Anschlußkanales und der notwendigen Instandhaltungsarbeiten an einer solchen Anlage auf einem fremden Grundstück einräumen.
Nach § 22 leg. cit. ist ein Antrag auf Enteignung schriftlich einzubringen, diesem Antrag ist eine mit der Rechtskraftklausel versehene Ausfertigung eines Bescheid nach § 9 Abs. 3 (Anschlußpflicht) und des Anschlußbescheides (§ 11) anzuschließen.
Der Begründung ihres Bescheides und den Ausführungen in der Gegenschrift zufolge geht die belangte Behörde davon aus, daß der Eigentümer eines privaten Wasserkanales im Verfahren nach § 11 des Kanalisationsgesetzes zwar Partei ist, aber in diesem Verfahren weder geltend machen könne, daß eine Anlage zur Aufnahme fremder Abwässer nicht geeignet sei, noch daß eine andere Weise der Ableitung von Abwässern möglich wäre.
Diese Ansicht vermag der Verwaltungsgerichtshof in bezug auf die Frage der Eignung eines Privatkanales zur Aufnahme zusätzlicher Abwässer nicht zu teilen:
Nach § 11 Abs. 2 lit. a leg. cit. ist im Anschlußbescheid die Art, die Beschaffenheit und die Menge der Abwässer, die von der Anlage abgeleitet werden dürfen, festzulegen. Eine derartige Festlegung ist im Enteignungsverfahren nicht mehr vorzunehmen. Vielmehr ist im Enteignungsverfahren nach § 22 Abs. 1 lit. a leg. cit. eine mit der Rechtskraftklausel versehene Ausfertigung des Anschlußbescheides vorzulegen. Im Enteignungsverfahren ist sodann nur mehr zu prüfen, ob die Ableitung der bei einer anschlußpflichtigen Anlage anfallenden Abwässer auf andere Weise nicht oder nur mit einem im Verhältnis zum erzielbaren Erfolg unvertretbar hohen Aufwand durchgeführt werden kann.
Da dem Eigentümer eines Privatkanales im Verfahren gemäß § 11 des Kanalisationsgesetzes - auch nach Ansicht der belangten Behörde - Parteistellung zukommt, im Enteignungsverfahren aber schon ein mit der Rechtskraftklausel versehener Anschlußbescheid vorgelegt werden muß, ist dem Eigentümer eines Privatkanales im Verfahren gemäß § 11 des Kanalisationsgesetzes jedenfalls ein Mitspracherecht dahingehend eingeräumt, ob sein Kanal für die Aufnahme der Art, Beschaffenheit und der Menge der Abwässer, die von der fremden Anlage abgeleitet werden sollen, geeignet ist.
Schon dadurch, daß die belangte Behörde verkannte, daß die Beschwerdeführer hinsichtlich der Art, Beschaffenheit und der Menge der Abwässer ein Mitspracherecht hatten, das sie auch in der Berufung in bezug auf die Menge der Abwässer geltend gemacht haben, belastete sie ihren Bescheid mit Rechtswidrigkeit des Inhaltes. Soweit mit den, von der Mitbeteiligten vorgelegten Plänen, die einen Bestandteil des Bescheides bilden und mit der Vidende versehen sind, auch eine Trasse bindend über das Grundstück des Beschwerdeführers vorgesehen wäre, wäre eine derartige Festlegung im Bescheid gemäß § 11 des Kanalisationsgesetzes rechtswidrig, weil § 11 bezogen auf § 21 leg. cit. keine Rechtsgrundlage für eine derartige Festlegung bietet.
Es trifft die Beurteilung der belangten Behörde zu, wonach die Frage, ob die Ableitung der bei einer anschlußpflichtigen Anlage anfallenden Abwässer nicht auf andere Weise oder nur mit einem im Verhältnis zum erzielbaren Erfolg unvertretbar hohen Aufwand durchgeführt werden könnte, erst im Enteignungsverfahren zu beurteilen ist (vgl. § 21 Abs. 1 leg. cit.).
Aus den oben angeführten Gründen war der Bescheid wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben.
Mit der Erledigung der Beschwerde ist der Antrag, dieser die aufschiebende Wirkung zuzuerkennen, gegenstandslos geworden.
Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung
BGBl. Nr. 416/1994. Das Mehrbegehren war abzuweisen, da in der zitierten Verordnung Umsatzsteuer im Pauschalsatz bereits inbegriffen und weder eine Verbindungsgebühr noch ein Streitgenossenzuschlag vorgesehen ist.
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1997:1996060261.X00Im RIS seit
09.10.2001