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19/05 Menschenrechte;Norm
FrG 1993 §18 Abs2;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Wetzel und die Hofräte Dr. Zeizinger, Dr. Rigler, Dr. Handstanger und Dr. Bayjones als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Neumair, über die Beschwerde des D in W, vertreten durch Mag. E, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien vom 12. November 1996, Zl. SD 922/96, betreffend Erlassung eines befristeten Aufenthaltsverbotes, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Begründung
I.
1. Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien (der belangten Behörde) vom 12. November 1996 wurde gegen den Beschwerdeführer, einen Staatsangehörigen der Jugoslawischen Föderation, gemäß § 18 Abs. 1 iVm Abs. 2 Z. 1 Fremdengesetz - FrG, BGBl. Nr. 838/1992, ein Aufenthaltsverbot für die Dauer von zehn Jahren erlassen.
Der Beschwerdeführer, der sich seit 1989 ständig im Bundesgebiet aufhalte, sei am 5. Juni 1996 vom Jugendgerichtshof Wien wegen der Verbrechen des Raubes, des schweren gewerbsmäßigen Einbruches und der Hehlerei sowie wegen des Vergehens der Urkundenunterdrückung zu einer Freiheitsstrafe von 15 Monaten, davon elf Monate bedingt, rechtskräftig verurteilt worden. Dieser Verurteilung sei im wesentlichen zugrunde gelegen, daß der Beschwerdeführer im Laufe des Jahres 1995 gemeinsam mit drei Mittätern zahlreiche Einbrüche in Kaffeehäuser, "Lokale" und Autos sowie in der Nacht vom 23. auf 24. Jänner 1996 einen vollendeten und einen versuchten Raub begangen habe. Angesichts dieses vom Beschwerdeführer unbestrittenen Sachverhaltes könne kein Zweifel bestehen, daß der Tatbestand des § 18 Abs. 2 Z. 1 FrG erfüllt und überdies die im § 18 Abs. 1 leg. cit. umschriebene Annahme gerechtfertigt sei.
Aufgrund der Tatsache, daß der Beschwerdeführer in Wien geboren und sich seit seinem zehnten Lebensjahr (also seit 1989) gemeinsam mit seinen Eltern in Österreich aufhalte, liege ein mit dem Aufenthaltsverbot verbundener schwerwiegender Eingriff in sein Privat- und Familienleben vor (§ 19 FrG). Dessen ungeachtet sei die Zulässigkeit des Aufenthaltsverbotes aufgrund dessen Dringend-geboten-seins zu bejahen. Angesichts der Schwere der der gerichtlichen Verurteilung zugrunde liegenden Straftaten des Beschwerdeführers und der darin zum Ausdruck kommenden krassen Mißachtung der körperlichen Sicherheit und des Eigentums anderer Menschen sei die gegen ihn gesetzte Maßnahme zum Schutz der öffentlichen Ordnung, zur Verhinderung (weiterer) strafbarer Handlungen durch den Beschwerdeführer sowie zum Schutz der Rechte und Freiheiten anderer (Art. 8 Abs. 2 MRK) als dringend notwendig zu erachten.
Im Rahmen der gemäß § 20 Abs. 1 FrG vorzunehmenden Interessenabwägung sei darauf Bedacht zu nehmen, daß der aus dem langjährigen Aufenthalt abzuleitenden Integration des Beschwerdeführers kein entscheidendes Gewicht zukomme, weil die dafür wesentliche soziale Komponente durch die Straftaten erheblich beeinträchtigt werde. Zwar seien die negativen Auswirkungen des Aufenthaltsverbotes auf die Lebenssituation des Beschwerdeführers und (vor allem) seiner Mutter, mit der er nach der Scheidung der Eltern in gemeinsamem Haushalt lebe, als beträchtlich zu werten. Diesen familiären Interessen des Beschwerdeführers sei jedoch das sehr große Gewicht der maßgeblichen, für die Verhängung eines Aufenthaltsverbotes sprechenden öffentlichen Interessen gegenüberzustellen. Die belangte Behörde gelange dabei zur Auffassung, daß aufgrund der Schwere der strafbaren Handlungen des Beschwerdeführers das öffentliche Interesse an der Erlassung des Aufenthaltsverbotes unverhältnismäßig schwerer wiege als die gegenläufigen privaten und familiären Interessen des Beschwerdeführers.
Entgegen der Ansicht des Beschwerdeführers erweise sich das Aufenthaltsverbot auch gemäß § 20 Abs. 2 FrG als zulässig. Diese Bestimmung komme hier schon deshalb nicht zum Tragen, weil sich der Beschwerdeführer, wie er selbst darlege, erst seit 1989 in Österreich aufhalte und damit die Verleihungsvoraussetzung eines zumindest zehnjährigen "ordentlichen Wohnsitzes" (§ 10 Abs. 1 Z. 1 StbG) nicht erfülle.
Letztlich erweise sich auch die von der Erstbehörde vorgenommene Befristung des Aufenthaltsverbotes als zutreffend. In Anbetracht des aufgezeigten Fehlverhaltens des Beschwerdeführers, vor allem aber im Hinblick darauf, daß er das strafbare Verhalten in der Absicht gesetzt habe, sich dadurch eine fortlaufende Einnahmequelle zu verschaffen, könne ein Wegfall des für die Erlassung des Aufenthaltsverbotes maßgebenden Grundes, nämlich die Gefährdung der öffentlichen Ordnung und Sicherheit durch den Aufenthalt des Beschwerdeführers im Bundesgebiet, nicht vor Verstreichen des festgesetzten Zeitraumes erwartet werden.
2. Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende, Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend machende Beschwerde mit dem Begehren, ihn aus diesen Gründen aufzuheben.
II.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
1. Die Beschwerde läßt die Rechtsansicht der belangten Behörde, daß der Tatbestand des § 18 Abs. 2 Z. 1 verwirklicht, die im § 18 Abs. 1 umschriebene Annahme gerechtfertigt und das Aufenthaltsverbot, weil im Hinblick auf Art. 8 Abs. 2 MRK dringend geboten, im Grunde des § 19 FrG zulässig sei, unbekämpft. Diese Beurteilung erweckt auf dem Boden der unbestrittenen maßgeblichen Sachverhaltsfeststellungen keine Bedenken.
2.1. Die Beschwerde hält das Ergebnis der Interessenabwägung nach § 20 Abs. 1 FrG für unrichtig. Der Beschwerdeführer sei im Alter von zehn Jahren nach Österreich gekommen, habe hier "durchgehend" Schulen besucht, lebe als einziges Kind bei seiner Mutter (einer österreichischen Staatsbürgerin), habe intensive Bindungen zu seinem Vater und seinen in Österreich lebenden Großeltern, gehe einer geregelten Beschäftigung nach und habe keine näheren Verwandten in "Restjugoslawien". Demnach wiege das öffentliche Interesse an der Verhängung eines Aufenthaltsverbotes keinesfalls schwerer als die Auswirkungen dieser Maßnahme auf die Lebenssituation des Beschwerdeführers und seiner Familie, zumal er "vor der gegenständlichen Verurteilung unbescholten war und auch bis dato nicht neuerlich straffällig geworden ist, ein weiteres strafbares Verhalten im Hinblick auf den bedingt nachgesehenen Teil der Freiheitsstrafe von 11 Monaten, das erstmalig verspürte Haftübel und die familiäre und berufliche Integration des Beschwerdeführers auch nicht zu erwarten ist".
2.2. Die belangte Behörde hat aufgrund des langjährigen Aufenthaltes des Beschwerdeführers in Österreich, seiner daraus ableitbaren Integration und der Bindung zu seiner Mutter die negativen Auswirkungen des Aufenthaltsverbotes auf seine und seiner Mutter Lebenssituation als "beträchtlich" gewertet. Sie hat das Gewicht dieser Auswirkungen allerdings in Ansehung des primär zu berücksichtigenden Faktors der Integration des Fremden (§ 20 Abs. 1 Z. 1 FrG) zutreffend als relativiert angesehen, indem sie auf die durch die zahlreichen und schweren Straftaten des Beschwerdeführers bewirkte Beeinträchtigung der für die Integration wesentlichen sozialen Komponente hingewiesen hat. Im gegebenen Zusammenhang kommt zum Nachteil des Beschwerdeführers aber auch zum Tragen, daß er (zufolge der mit der Beschwerde vorgelegten Unterlagen) erst nach Erlassung des angefochtenen Bescheides eine Beschäftigung angenommen hat; von einer "beruflichen Integration" des Beschwerdeführers kann also entgegen der Behauptung der Beschwerde keine Rede sein. Wenn der Beschwerdeführer seine Unbescholtenheit vor und sein Wohlverhalten nach der gerichtlichen Verurteilung vom 5. Juni 1996 für sich ins Treffen führt, so ist ihm entgegenzuhalten, daß das erstgenannte Moment nicht geeignet ist, seine Interessenlage zu stärken, und daß die Zeit seit der Verurteilung (aber auch der Begehung der Straftaten) viel zu kurz ist, um aus einem Wohlverhalten während dieses Zeitraumes auch nur einigermaßen verläßlich auf eine künftige positive Einstellung des Beschwerdeführers rechtlichen Werten gegenüber schließen zu können; auch das "erstmalig verspürte Haftübel" und die bedingte Nachsicht eines Teiles der Freiheitsstrafe vermögen daran nichts zu ändern.
Es zeigt sich somit zum einen, daß die persönlichen Interessen des Beschwerdeführers an einem Verbleiben im Bundesgebiet bzw. die für ihn mit einer Ausreise verbundenen nachteiligen Folgen zwar durchaus erheblich sind, aber doch - vor allem im Blick auf das eher geringe Ausmaß der Integration - nicht jenes Gewicht aufweisen, das ihnen die Beschwerde zumißt. Zum anderen bewirken die vorstehend geltend gemachten Umstände keine Schmälerung der - von der belangten Behörde zutreffend herausgestellt - im vorliegenden Fall angesichts der Schwere und der Vielzahl der verpönten Angriffe des Beschwerdeführers auf das Vermögen und die körperliche Sicherheit anderer sehr stark ausgeprägten gegenläufigen maßgeblichen öffentlichen Interessen. Von daher gesehen sind die Auswirkungen des Aufenthaltsverbotes auf die Lebenssituation des Beschwerdeführers jedenfalls nicht als schwerer wiegend zu werten als die nachteiligen Folgen einer Abstandnahme von dieser Maßnahme. Die Erlassung eines Aufenthaltsverbotes gegen den Beschwerdeführer wurde demnach von der belangten Behörde auch gemäß § 20 Abs. 1 FrG nicht zu Unrecht für zulässig erachtet.
3. Auch der Beschwerdeeinwand, § 20 Abs. 2 FrG stehe der Verhängung eines Aufenthaltsverbotes über den Beschwerdeführer entgegen, weil seiner Mutter die österreichische Staatsbürgerschaft verliehen worden sei, ist verfehlt, knüpft doch die genannte Bestimmung die Unzulässigkeit einer solchen Maßnahme ausschließlich daran, daß dem Fremden vor Verwirklichung des maßgeblichen Sachverhaltes die Staatsbürgerschaft gemäß § 10 Abs. 1 StbG hätte verliehen werden können - eine Voraussetzung, die vorliegend nach der unbestrittenen Feststellung der belangten Behörde, daß sich der Beschwerdeführer (erst) seit dem Jahr 1989 ununterbrochen in Österreich aufhalte, nicht erfüllt ist (vgl. § 10 Abs. 1 Z. 1 StbG idF des Art. VIII Z. 1 BGBl. Nr. 505/1994).
4. Der Beschwerdemeinung, daß die "Dauer des verhängten Aufenthaltsverbotes unter Hinweis auf die bisherigen Ausführungen auch weit überhöht (ist)", kann gleichfalls nicht beigepflichtet werden. Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist ein Aufenthaltsverbot - unter Bedachtnahme auf § 21 Abs. 1 FrG - für jenen Zeitraum nach dessen Ablauf vorhersehbarerweise der Grund für seine Verhängung weggefallen sein wird, und auf unbestimmte Zeit (unbefristet) zu erlassen, wenn ein Wegfall des Grundes für seine Verhängung nicht vorhergesehen werden kann (vgl. etwa das Erkenntnis vom 20. Juli 1995, Zl. 95/18/0856). Wenn die belangte Behörde im Hinblick auf das festgestellte Fehlverhalten des Beschwerdeführers, insbesondere die gewerbsmäßige Begehung des Diebstahls (also mit der Absicht, sich durch wiederkehrende Tatbegehung eine fortlaufende Einnahme zu verschaffen), sohin das Abzielen auf die Wiederholung dieses Deliktes, die Auffassung vertreten hat, daß mit einem Wegfall der Gründe für die Erlassung des Aufenthaltsverbotes voraussichtlich nicht vor Ablauf der festgesetzten Dauer von zehn Jahren gerechnet werden könne, so kann darin keine Rechtswidrigkeit erblickt werden.
5. Der mit dem Vorwurf unzureichender Sachverhaltsfeststellung hinsichtlich der privaten und familiären Situation des Beschwerdeführers geltend gemachte Verfahrensmangel geht unter Zugrundelegung der Ausführungen unter II. 2.2. ins Leere.
6. Da nach dem Gesagten die behauptete Rechtsverletzung nicht vorliegt - was bereits der Beschwerdeinhalt erkennen läßt -, war die Beschwerde gemäß § 35 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren als unbegründet abzuweisen.
7. Bei diesem Ergebnis erübrigte sich ein Abspruch über den Antrag, der Beschwerde aufschiebende Wirkung zuzuerkennen.
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1997:1996180606.X00Im RIS seit
20.11.2000