TE Vwgh Beschluss 2021/8/2 Ra 2021/21/0205

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Veröffentlicht am 02.08.2021
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Index

10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG)
10/07 Verwaltungsgerichtshof
40/01 Verwaltungsverfahren

Norm

B-VG Art133 Abs4
VwGG §28 Abs3
VwGG §34 Abs1
VwGVG 2014 §33 Abs1

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Sulzbacher und den Hofrat Dr. Pfiel als Richter sowie die Hofrätin Dr. Wiesinger als Richterin, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag.a Eraslan, über die Revision des G M, vertreten durch Dr. Benno Wageneder, Rechtsanwalt in 4910 Ried/Innkreis, Promenade 3, gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 29. April 2021, W159 2233135-2/8E, betreffend Abweisung eines Antrags auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Beschwerdefrist in einer fremdenrechtlichen Angelegenheit (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl), den Beschluss gefasst:

Spruch

Die Revision wird zurückgewiesen.

Begründung

1        Mit Bescheid vom 29. Mai 2020 erließ das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (BFA) gegen den Revisionswerber, einen Staatsangehörigen der Republik Kosovo, der seit Oktober 2019 mit einer in Österreich wohnhaften slowakischen Staatsangehörigen verheiratet ist, gemäß § 67 Abs. 1 und 2 FPG ein auf die Dauer von zehn Jahren befristetes Aufenthaltsverbot.

2        Der genannte Bescheid wurde dem Rechtsvertreter des Revisionswerbers am 5. Juni 2020 zugestellt.

3        Am 14. Juli 2020 wurde von der Kanzleimitarbeiterin des Rechtsvertreters dem BFA per Email ein mit 30. Juni 2020 datierter Beschwerdeschriftsatz übermittelt.

4        Nach einem Verspätungsvorhalt stellte der Revisionswerber mit einer beim BFA eingebrachten Eingabe vom 3. August 2020 den Antrag auf Bewilligung der Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Beschwerdefrist. Er führte im Wesentlichen aus, dass die Beschwerde von seinem Rechtsvertreter am 30. Juni 2020 fertiggestellt und an diesem Tag von dessen erfahrener und verlässlicher Kanzleikraft mit „normaler Briefpost“ an das BFA und den Revisionswerber versendet worden sei. Beide Sendungen seien in Verlust geraten. Nachdem sich der Revisionswerber gemeldet habe, weil er die Beschwerdekopie noch nicht erhalten habe, habe die Kanzleileiterin des Revisionswerber-Vertreters am 14. Juli 2020 (irrtümlich) eine Kopie der Beschwerde per Email an das BFA, statt an den Revisionswerber bzw. dessen Ehefrau übermittelt. Aufgrund des überraschenden Verspätungsvorhalts des BVwG habe das Postamt Ried im Innkreis über Nachfrage des Rechtsvertreters telefonisch mitgeteilt, dass es am 30. Juni 2020 zu keinen besonderen Vorkommnissen betreffend verschwundene Postsendungen gekommen sei. Es sei - so brachte der Revisionswerber im Wiedereinsetzungsantrag weiter vor - nicht vorhersehbar gewesen, dass die Sendung an das BFA von der Post nicht zugestellt habe werden können. Der Revisionswerber legte zur Bescheinigung seines Vorbringens eine eidesstättige Erklärung der Kanzleikraft seines Rechtsvertreters und ein Schreiben an die Leitung des örtlichen Postamts vor.

5        Mit Bescheid vom 30. September 2020 wies das BFA den Antrag auf Bewilligung der Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gemäß § 33 Abs. 1 VwGVG ab (Spruchpunkt I.). Unter einem erkannte es dem Antrag (von Amts wegen) die aufschiebende Wirkung gemäß § 33 Abs. 4 VwGVG zu (Spruchpunkt II.). Begründend führte es zu Spruchpunkt I. aus, dass keine Beschwerde im Postweg beim BFA eingelangt und nicht nachvollziehbar sei, weshalb die Beschwerde nicht als eingeschriebener Brief aufgegeben worden sei. Der Revisionswerber habe somit nicht glaubhaft machen können, dass er aufgrund eines unvorhergesehenen oder unabwendbaren Ereignisses an der Einbringung der Beschwerde gehindert gewesen sei, an dem ihn kein Verschulden oder nur ein minderer Grad des Versehens treffe.

6        Dagegen erhob der Revisionswerber Beschwerde und brachte vor, dass kein Vergessen, Versehen oder Irrtum des Rechtsvertreters des Revisionswerbers vorgelegen habe. Es sei zulässig gewesen, die Beschwerde am 30. Juni 2020 ohne besondere Form der Postaufgabe als „einfachen Brief“ zu versenden. Dass am Postweg „etwas schiefgegangen“ sei, begründe ein unvorhergesehenes Ereignis. Der Revisionswerber habe darauf vertrauen können, dass die Post die Beschwerde zustellen werde.

7        Mit dem angefochtenen Erkenntnis vom 29. April 2021 wies das BVwG die Beschwerde als unbegründet ab. Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG erklärte es die Revision nach Art. 133 Abs. 4 B-VG für nicht zulässig. In seiner Begründung führte das BVwG aus, es habe nicht als bescheinigt festgestellt werden können, ob eine Beschwerde gegen den Bescheid vom 29. Juni 2020 rechtzeitig zur Post gegeben worden sei. Rechtlich folgerte das BVwG, dass der Revisionswerber kein unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis habe glaubhaft machen können und auch sein Vorbringen, er habe die Beschwerde mit einfacher Briefpost aufgegeben, keinen bloß minderen Grad des Versehens begründe.

8        Die dagegen erhobene Revision erweist sich als unzulässig:

9        Gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen das Erkenntnis eines Verwaltungsgerichtes die Revision (nur) zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil die Entscheidung von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

10       An den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes nach § 25a Abs. 1 VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision unter dem genannten Gesichtspunkt nicht gebunden (§ 34 Abs. 1a erster Satz VwGG). Zufolge § 28 Abs. 3 VwGG hat allerdings die außerordentliche Revision gesondert die Gründe zu enthalten, aus denen entgegen dem Ausspruch des Verwaltungsgerichtes die Revision für zulässig erachtet wird. Im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe hat der Verwaltungsgerichtshof dann die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zu überprüfen (§ 34 Abs. 1a zweiter Satz VwGG).

11       Unter diesem Gesichtspunkt wird in der Revision nur geltend gemacht, das BVwG sei von der jüngeren Judikatur des Verwaltungsgerichtshofs (Hinweis auf VwGH 18.3.2021, Ra 2021/20/0024) abgewichen, wonach die Versendung der Beschwerde mittels eines „einfachen“ Briefes kein den minderen Grad des Versehens übersteigendes Verschulden begründe. Gehe eine Sendung nach Übergabe an die Post verloren und lange sie nicht bei der Behörde ein, stelle dies ein unvorhergesehenes und unabwendbares Ereignis dar, das zur Wiedereinsetzung in den vorigen Stand berechtige.

12       Dem Revisionswerber ist zwar zuzugestehen, dass nach der Rechtsprechung der Verlust eines nicht eingeschriebenen Briefes kein den minderen Grad des Versehens übersteigendes Verschulden darstellt, weil auch ohne diese besondere Form der Postaufgabe mit dem Einlangen des Schriftstückes bei der Behörde gerechnet werden könne (vgl. VwGH 18.3.2021, Ra 2021/20/0024, Rn. 15, und VwGH 14.10.2015, 2013/17/0137). Allerdings nahm das BVwG mit näheren beweiswürdigenden Überlegungen - in der Revision unbekämpft - auch tragend an, dass nicht bescheinigt worden sei, dass die Beschwerde überhaupt vor Ablauf der Beschwerdefrist zur Post gegeben worden sei. Davon ausgehend stellte sich die Frage nach dem Vorliegen eines unvorhergesehenen oder unabwendbaren Ereignisses in Form des Verlusts der Postendung von vornherein nicht. Vor diesem Hintergrund kam es aber auch auf die Frage des Verschuldens nicht entscheidungswesentlich an und es ist daher der in der Revision ins Treffen geführte Beschluss nicht einschlägig, weil in jenem Verfahren - anders als im vorliegenden Fall - die Postaufgabe innerhalb der Rechtsmittelfrist als bescheinigt angenommen wurde (siehe dort Rn. 12).

13       Der Revision gelingt es somit nicht, im vorliegenden Fall maßgebliche grundsätzliche Rechtsfragen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG aufzuzeigen. Sie war daher gemäß § 34 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren mit Beschluss zurückzuweisen.

Wien, am 2. August 2021

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2021:RA2021210205.L00

Im RIS seit

23.08.2021

Zuletzt aktualisiert am

13.09.2021
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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