TE OGH 2021/6/25 8Ob57/21x

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Veröffentlicht am 25.06.2021
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Hon.-Prof. Dr. Kuras als Vorsitzenden, die Hofrätinnen Dr. Tarmann-Prentner und Mag. Korn, den Hofrat Dr. Stefula und die Hofrätin Mag. Wessely-Kristöfel als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei J*****, vertreten durch Dr. Daniela Entner, Rechtsanwältin in Achenkirch, wider die beklagte Partei E*****, vertreten durch Dr. N*****, Rechtsanwalt in Wattens, wegen 10.000 EUR sA, über die Revision der beklagten Partei (Revisionsinteresse 9.517 EUR) gegen das Urteil des Landesgerichts Innsbruck als Berufungsgericht vom 2. Februar 2021, GZ 5 R 133/20z-31, mit dem das Urteil des Bezirksgerichts Hall in Tirol vom 29. Oktober 2020, GZ 3 C 177/19p-27, abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit 833,88 EUR (darin 138,98 EUR USt) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

[1]            Die Streitteile sind Geschwister. Der Kläger beabsichtigte, seine Liegenschaften an seine Kinder zu übergeben, und suchte zu diesem Zweck im Oktober 2015 den Beklagtenvertreter auf, der sein Ansprechpartner für rechtliche Angelegenheiten und damals der Lebensgefährte der Beklagten war. Ein Sohn des Klägers sollte eine (unbebaute) Liegenschaft erhalten, an deren Erwerb auch die Beklagte und der Beklagtenvertreter Interesse zeigten. Bei zwei Besprechungen informierte der Beklagtenvertreter den Kläger über die Möglichkeit der Einverleibung eines Vorkaufsrechts zugunsten der Beklagten und/oder des Beklagtenvertreters oder auch anderer interessierter Familienangehöriger auf dieser Liegenschaft. Der Kläger teilte mit, dass sein Sohn kein Interesse daran habe, dass die Beklagte oder der Beklagtenvertreter (oder sonst wer) als Vorkaufsberechtigter im Grundbuch aufscheine, er allerdings damit einverstanden sei, wenn der Kläger als Vorkaufsberechtigter aufscheine. Aus diesem Grund vereinbarte der Kläger mit dem Beklagtenvertreter und der Beklagten, dass ein Vorkaufsrecht für den Kläger in den Schenkungsvertrag aufgenommen wird, des Weiteren das Recht des Klägers, Dritte zur Ausübung des Vorkaufsrechts an seiner Stelle namhaft zu machen. Dabei wurde zwischen den Streitteilen und dem Beklagtenvertreter ausdrücklich besprochen, dass dieses Vorkaufsrecht dazu dienen soll, dass entweder die Beklagte, der Beklagtenvertreter oder ein sonstiger Familienangehöriger das Vorkaufsrecht ausüben kann. Der Kläger und die Beklagte sowie der Beklagtenvertreter besprachen auch, dass die gesetzliche Frist zur Ausübung des Vorkaufsrechts von 30 Tagen für die Interessenten zu kurz sein könnte, da sich diese im Vorkaufsfall auch um eine Finanzierung kümmern müssten, sodass man sich auf eine 60-tägige Frist einigte.

[2]       Das zwischen dem Kläger und der Beklagten sowie dem Beklagtenvertreter vereinbarte Vorkaufsrecht fand mit folgender Formulierung Eingang in den Schenkungsvertrag zwischen dem Kläger und seinem Sohn:

V. Vorkaufsrecht

Der Geschenknehmer räumt dem Geschenkgeber ob dem Schenkungsgegenstand das Vorkaufsrecht iSd §§ 1072 ff ABGB ein und letzterer nimmt diese Rechtseinräumung an.

Für die Ausübung des Vorkaufsrechts genügt die Ausübungserklärung des Vorkaufsberechtigten binnen 60 Tagen nach geschehener Anbietung. Der Vorkaufsberechtigte ist im Vorkaufsfall berechtigt, einen Dritten namhaft zu machen, welcher die Sache im eigenen Namen und an seiner Statt einlöst.

Die Vertragsteile erteilen ihre Einwilligung, dass die unter diesem Punkt getroffene Vereinbarung im Grundbuch einverleibt wird.

[3]       Das Vorkaufsrecht des Klägers wurde in den Vertrag aufgenommen, um der Beklagten und dem Beklagtenvertreter oder sonstigen Familienangehörigen die Ausübung des Vorkaufsrechts zu ermöglichen und die Möglichkeit zu bieten, dass im Verkaufsfall die Liegenschaft „in der Familie bleibt“. Es war von vornherein für alle Beteiligten klar, dass der Kläger selbst das Vorkaufsrecht nicht ausüben möchte.

[4]       Nach dem Tod des Sohnes im Jahr 2017 veräußerte die Verlassenschaft die Liegenschaft mit Kaufvertrag vom März 2018 an eine Dritte, nachdem der Kläger in die Löschung seines Vorkaufsrechts eingewilligt hatte, ohne die Beklagte oder den Beklagtenvertreter vom Eintritt des Vorkaufsfalls zu informieren. Hätte der Kläger der Beklagten das Vorkaufsrecht angeboten, hätte sie es ausgeübt. Seit dem Verkauf bis zum Schluss der Verhandlung 1. Instanz (Juli 2020) erfuhr die Liegenschaft eine Wertsteigerung von 30.700 EUR.

[5]       Der Kläger begehrte von der Beklagten die Zahlung der letzten Rate von 10.000 EUR sA aus einem Kaufvertrag über eine andere Liegenschaft.

[6]       Die Beklagte bestritt die Klagsforderung nicht, wandte aber eine Gegenforderung von (zuletzt) 9.517 EUR ein. Der Kläger habe sich ihr gegenüber verpflichtet, ihr im Vorkaufsfall das Vorkaufsrecht zur Ausübung anzubieten. Im Fall der Ausübung durch die Beklagte wäre der Kläger berechtigt gewesen, die Beklagte an seiner Stelle als Einlösende namhaft zu machen. Bei der Gegenforderung handle es sich unter Berücksichtigung der Grundbucheintragungsgebühr und der Grunderwerbssteuer in Bezug auf die Liegenschaft um den entgangen Gewinn durch die Nichtteilnahme an der allgemeinen Immobilienpreisentwicklung.

[7]       Der Kläger erwiderte, es sei keine Rede davon gewesen und auch nicht vereinbart worden, dass er der Beklagten oder dem Beklagtenvertreter das Vorkaufsrecht anbieten müsse. Der Vorkaufsberechtigte sei berechtigt, aber nicht verpflichtet gewesen, einen Dritten namhaft zu machen.

[8]            Das Erstgericht erkannte sowohl die Klagsforderung von 10.000 EUR als auch die eingewendete Gegenforderung von 9.517 EUR jeweils zur Gänze als zu Recht bestehend und verpflichtete die Beklagte, dem Kläger 483 EUR sA zu zahlen. Das auf Zahlung von 9.517 EUR sA gerichtete Mehrbegehren wies es ab. In rechtlicher Hinsicht führte es aus, aufgrund der getroffenen Feststellungen sei der Kläger gegenüber der Beklagten (und dem Beklagtenvertreter) im Hinblick auf die zwischen ihnen mündlich geschlossene Vereinbarung verpflichtet, auf sein Vorkaufsrecht nicht zu verzichten, sondern der Beklagten und dem Beklagtenvertreter die Möglichkeit zu geben, dieses Vorkaufsrecht einzulösen. Hätte der Kläger der Beklagten das Vorkaufsrecht im Vorkaufsfall angeboten, hätte sie die Liegenschaft erwerben können und wäre ihr kein Schaden entstanden.

[9]            Das Berufungsgericht gab der Berufung des Klägers gegen den klagsabweisenden Teil des Ersturteils Folge und änderte die Entscheidung dahin ab, dass es die Klagsforderung mit 10.000 EUR als zu Recht und die Gegenforderung als nicht zu Recht bestehend erkannte und dem Klagebegehren zur Gänze stattgab. Wenn der Berufungswerber im Rahmen seiner Beweisrüge wiederholt argumentiere, das Vorkaufsrecht sei ein Recht und keine Pflicht, so handle es sich dabei um eine rechtliche Argumentation. Zunächst sei zu prüfen, wozu der Kläger der Beklagten gegenüber verpflichtet gewesen sei: Nach den Feststellungen habe die Vereinbarung dazu gedient, dass die Beklagte, der Beklagtenvertreter oder ein sonstiger Familienangehöriger das Vorkaufsrecht ausüben können sollte. Die Beklagte sei also nicht die einzige Begünstigte aus dem Vertrag gewesen. Dies bedeute, dass der Kläger seiner vertraglichen Verpflichtung auch nachgekommen wäre, wenn er einem anderen Familienangehörigen die Ausübung des Vorkaufsrechts ermöglicht hätte, wozu schon das einmalige Angebot genügt hätte, ohne weitere Verpflichtung, im Fall der Ablehnung einer/eines Begünstigten eine/n andere/n überhaupt noch zu informieren. Die Vereinbarung habe der Beklagten daher keinen nur ihr zukommenden Anspruch verliehen. Die Kausalität der unterlassenen Mitteilung des Vorkaufsfalls an die Beklagte für den behaupteten Schaden sei hier nicht nachgewiesen, weil der Kläger nicht verpflichtet gewesen sei, gerade ihr den Kauf zu ermöglichen.

[10]     Die ordentliche Revision wurde vom Berufungsgericht nachträglich über Antrag der Beklagten gemäß § 508 ZPO für zulässig erklärt, weil die Frage, ob der Beklagten ein Schadenersatzanspruch nach der behaupteten und festgestellten Vereinbarung überhaupt gebühren könne, nie erörtert worden sei; insofern sei nicht von der Hand zu weisen, dass die Beklagte von der Entscheidung überrascht worden sei.

Rechtliche Beurteilung

[11]     Die vom Kläger beantwortete Revision der Beklagten ist zur Klarstellung der Rechtslage zulässig, sie ist im Ergebnis aber nicht berechtigt.

[12]     1.1 Bei Behandlung einer gehörig ausgeführten Rechtsrüge ist die rechtliche Beurteilung ohne Beschränkung auf die vom Rechtsmittelwerber geltend gemachten Gründe zu prüfen (RIS-Justiz RS0043352 [T21]). Dagegen ist dem Berufungsgericht die Überprüfung verwehrt, wenn die Rechtsrüge überhaupt nicht erhoben oder nicht gesetzmäßig ausgeführt wurde (RS0043352 [T6, T20]; RS0041585; RS0041820).

[13]     Feststellungsmängel aufgrund unrichtiger rechtlicher Beurteilung der Sache sind der Rechtsrüge zuzuordnen, sodass eine gesetzmäßig ausgeführte Rechtsrüge vorliegt (RS0043480 [T8]; RS0043603 [T7]).

[14]     1.2 Der Kläger hat in der Berufung eine auf vermeintliche sekundäre Feststellungsmängel gegründete Rechtsrüge erhoben, die – wie auch das Berufungsgericht hervorgehoben hat – darauf abzielte, aufzuzeigen, dass er nicht verpflichtet war, der Beklagten oder dem Beklagtenvertreter die Einlösung des Vorkaufsrechts anzubieten. Das Berufungsgericht hat das Ersturteil daher zu Recht einer rechtlichen Überprüfung unterzogen.

[15]     2. Nach Ansicht der Beklagten habe das Berufungsgericht dem Kläger etwas zugesprochen, ohne dass der Kläger dies beantragt hätte, weil er im Rechtsmittelverfahren die Zuerkennung von (weiteren) 9.517 EUR sA, nicht jedoch begehrt habe, der Beklagten ihre Gegenforderung „abzusprechen“.

[16]     Von einem Verstoß gegen § 405 ZPO kann allerdings keine Rede sein. Der Anfechtungserklärung des Klägers ist im Zusammenhang mit den Ausführungen der Berufung zweifelsfrei zu entnehmen, wieweit und aus welchem Grund das Urteil des Erstgerichts angefochten wurde, sodass die allenfalls als unpräzise zu bezeichnende Formulierung des Rechtsmittelantrags nicht schadet (RS0109220 [T1]).

[17]     3.1 Richtig ist, dass ein wesentlicher Verfahrensmangel im Sinn des § 503 Z 2 ZPO vorliegt, wenn das Berufungsgericht zu Unrecht keine Mitteilung nach § 473a ZPO erlässt (RS0111842). Ob dem Berufungsgericht hier ein Verstoß gegen diese Bestimmung anzulasten ist, kann allerdings dahingestellt bleiben, weil Verfahrensmängel nur bei Vorliegen der Relevanz der Verfahrensverstöße Beachtung finden können (RS0111842 [T2]). An der Relevanz fehlt es, wenn die begehrte Feststellung ohnehin getroffen wurde (RS0111842 [T1]) oder der Revisionswerber nicht ausführt, welche ihn belastenden Feststellungen des Erstgerichts er in einem gemäß § 473a ZPO eingeräumten Schriftsatz konkret rügen hätte wollen (RS0111842 [T3]).

[18]     3.2 Die Beklagte meint, sie hätte die Feststellung, die Vereinbarung zwischen den Streitteilen habe dazu gedient, dass entweder die Beklagte, der Beklagtenvertreter oder ein sonstiger Familienangehöriger das Vorkaufsrecht ausüben können sollte, als unvollständig gerügt. Wenn sie von der Rechtsansicht des Berufungsgerichts zum rechtmäßigen Alternativverhalten nicht überrascht worden wäre, hätte sie nämlich vorgebracht, dass die Vereinbarung nur zwischen dem Kläger und der Beklagten und dem Beklagtenvertreter getroffen worden sei und dann erfüllt gewesen wäre, sobald der Kläger die Beklagte und/oder den Beklagtenvertreter vom Vorkaufsfall und von der Möglichkeit der Ausübung des Vorkaufsrechts informiert hätte. Die Beklagte hätte dann die Möglichkeit gehabt, sich allenfalls auch mit demjenigen in Verbindung zu setzen, der neben ihr an der Ausübung des Vorkaufsrechts interessiert gewesen wäre. Des Weiteren hätte sie ausgeführt, dass jeder Berechtigte, nämlich die Beklagte, der Beklagtenvertreter oder ein sonstiger Familienangehöriger allein – und nicht nur gemeinschaftlich – das Vorkaufsrecht hätte ausüben können sollen. Der Kläger wäre entsprechend der Absicht der Parteien verpflichtet gewesen, die Berechtigten – in Ermangelung einer Vorgabe in einer vom Kläger gewählten Reihenfolge – vom Vorkaufsfall zu informieren, bis einer die Ausübung des Vorkaufsrechts erklärt oder bis alle darauf verzichtet hätten. Mit „sonstiger Familienangehöriger“ sei zudem nur eine Person – eine Tochter des Klägers – gemeint gewesen.

[19]     3.3 Dass die Vereinbarung ausschließlich zwischen dem Kläger und der Beklagten sowie dem Beklagtenvertreter getroffen wurde, steht ohnehin fest. Im Übrigen fehlt es den Ausführungen der Beklagten an der Relevanz. Den Erwägungen des Berufungsgerichts zur Kausalität ist die Frage vorgelagert, ob der Kläger überhaupt verpflichtet war, der Beklagten oder dem Beklagtenvertreter bzw einem sonstigen Familienangehörigen das Vorkaufsrecht im Vorkaufsfall zur Einlösung anzubieten. Da die Vorinstanzen (das Berufungsgericht zumindest implizit) diese Frage zu Unrecht bejaht haben, muss weder auf den geltend gemachten Verstoß gegen die Bestimmung des § 182a ZPO noch auf die Rüge der Beklagten eingegangen werden, dass das Berufungsgericht die Frage des rechtmäßigen Alternativerhaltens mangels Vorbringens des Klägers gar nicht hätte aufgreifen dürfen.

[20]           4.1 Das Vorkaufsrecht begründet die Befugnis zum bevorzugten Erwerb der Sache für den Fall, dass der Verpflichtete die Absicht hat, sie zu verkaufen (RS0020164 [T1]). Der Berechtigte kann in diesem Fall im Sinn des § 1075 ABGB „einlösen“ und damit einseitig einen Kaufvertrag herbeiführen (Mader in Fenyves/Kerschner/
Vonkilch, Klang3 § 1072 ABGB Rz 1; Apathy/Perner in KBB6 § 1072 ABGB Rz 1).

[21]     Die Vereinbarung eines Vorkaufsrechts ist nicht nur im Falle des § 1072 ABGB zulässig; es kann auch selbständig durch Vertrag begründet werden. § 1074 ABGB findet jedoch auf jeden Fall Anwendung. Danach kann das Vorkaufsrecht weder einem Dritten abgetreten noch auf die Erben des Berechtigten übertragen werden (RS0020438). Vereinbarungen, die das Vorkaufsrecht vererblich oder abtretbar machen wollen, sind unwirksam (RS0020438 [T7]).

[22]           Die im Schuldrecht weitgehend bestehende privatautonome Gestaltungsmöglichkeit ist durch die zwingende Anordnung des § 1074 ABGB dahin eingeschränkt, dass die Rechtsnachfolge in die Position des Vorkaufsberechtigten verwehrt ist (5 Ob 54/90; Aicher in Rummel/Lukas, ABGB4 § 1073 Rz 2). Um die Unübertragbarkeit und die Unvererblichkeit nicht zu unterlaufen, ist es nach einhelliger Auffassung zur wirksamen Vereinbarung des Vorkaufsrechts erforderlich, die Berechtigten individuell bestimmt zu bezeichnen (Aicher aaO § 1073 ABGB Rz 3; Apathy/Perner aaO § 107ABGB Rz 1; Mader aaO § 1072 ABGB Rz 7; Binder/Spitzer in Schwimann/Kodek, ABGB4 § 1072 Rz 23).

[23]           4.2 Vor diesem Hintergrund ist auch die Begründung von sogenannten Familieneinstandsrechten (das sind Rechte von Angehörigen einer bestimmten Familie, eine Liegenschaft an sich zu lösen, wenn diese an jemanden übertragen werden soll, der der Familie nicht angehört), die nach den das Vorkaufsrecht beschränkenden Bestimmungen des ABGB zu beurteilen sind, unzulässig, das heißt wirkungslos (RS0107687; Mader aaO § 1067 ABGB Rz 19; Aicher aaO § 1067 ABGB Rz 3; Binder/Spitzer aaO § 1074 ABGB Rz 2; Apathy/Perner aaO § 1074 ABGB Rz 2). Das gilt ebenso für den Familieneinstandsrechten rechtsähnliche Aufgriffs- bzw Einstandsrechte (6 Ob 191/61; Verschraegen in Klete?ka/Schauer, ABGB-ON1.08 § 1072 Rz 28).

[24]     4.3 Aus diesen Ausführungen ergibt sich, dass das dem Kläger von seinem Sohn im Schenkungsvertrag eingeräumte Vorkaufsrecht weder rechtswirksam an die Beklagte, an den Beklagtenvertreter oder an einen sonstigen Familienangehörigen übertragen noch zugunsten dieses teils bloß gattungsmäßig umschriebenen Personenkreises und zulasten des Liegenschaftseigentümers ein Vorkaufsrecht, damit die Liegenschaft „in der Familie bleibt“, vereinbart werden konnte. Ein derartiges auf die Umgehung der Bestimmung des § 1074 ABGB angelegtes (nach Ansicht der Beklagten mittelbares) Vorkaufsrecht ist unzulässig.

[25]     Ein durchsetzbarer Anspruch auf „Einlösung“ gegenüber dem Liegenschaftseigentümer im Sinne eines Gestaltungsrechts kam der Beklagten daher nie zu.

[26]     Dass die Verlassenschaft die Liegenschaft ungeachtet dessen an die Beklagte verkauft hätte, wäre sie vom Kläger bei Eintritt des Vorkaufsfalls als Einlösungsberechtigte namhaft gemacht worden, wurde weder behauptet noch festgestellt. Damit bringt die Beklagte die Haftung des Klägers für den Nichterfüllungsschaden nicht schlüssig zur Darstellung. Soweit die Beklagte hier einen entgangenen Gewinn geltend macht, wäre überdies ein grobes Verschulden des Klägers Voraussetzung (P. Bydlinski, Die Rechtsstellung des übergangenen Vorkaufsberechtigten gegenüber dem Verpflichteten, JBl 2020, 670 [674]).

[27]     5.1 Den Feststellungen lässt sich in Verbindung mit §§ 914 f ABGB aber ohnehin keine schadenersatzbewehrte Verpflichtung des Klägers entnehmen, die Beklagte im Vorkaufsfall an seiner Stelle als Vorkaufsberechtigte zu benennen, um ihr so die Chance auf den Erwerb der Liegenschaft zu vermitteln:

[28]           Die Auslegung der Erklärung ist am Empfängerhorizont zu messen, wobei die aus der Erklärung abzuleitenden Rechtsfolgen nicht danach zu beurteilen sind, was der Erklärende sagen wollte oder was der Erklärungsempfänger darunter verstanden hat, sondern wie die Erklärung bei objektiver Beurteilung der Sachlage durch einen redlichen und verständigen Menschen zu verstehen war. Auf konkrete Umstände, namentlich auf den Geschäftszweck und die Interessenlage ist hierbei Bedacht zu nehmen (RS0113932 [T13]).

[29]     5.2 Die Streitteile und der Beklagtenvertreter haben nach den Feststellungen besprochen, dass das Vorkaufsrecht dazu dienen soll, dass entweder die Beklagte, der Beklagtenvertreter oder ein sonstiger Familienangehöriger das Vorkaufsrecht ausüben kann; es sollte ihnen durch das in den Vertrag zwischen dem Kläger und seinem Sohn aufgenommene Vorkaufsrecht die Möglichkeit der Ausübung geboten werden, damit die Liegenschaft „in der Familie bleibt“.

[30]     Eine Pflicht des Klägers ergibt sich aus diesen Feststellungen nicht. Weder wurde ausdrücklich darüber gesprochen, dass der Kläger für ein unterlassenes Anbot einstehen muss, noch liegt bei objektiver Betrachtung ein entsprechender Rechtsfolgenwille auf Seiten des Klägers nahe, zumal nach dem Wortlaut der festgestellten mündlichen Vereinbarung offen bleibt, wem konkret der Kläger die Einlösung des Vorkaufsrechts überhaupt hätte anbieten sollen. Dazu kommt, dass der Kläger – wie gezeigt wurde – gar nicht dazu in der Lage war, der Beklagten bzw dem Beklagtenvertreter oder einem sonstigen Familienangehörigen die Liegenschaft durch bloße Namhaftmachung gegenüber dem Liegenschaftseigentümer zu verschaffen. Dass der Kläger sich unter diesen Umständen gegenüber der Beklagten (und dem Beklagtenvertreter) zu einer Anbietung hätte verpflichten wollen, und zwar mit der Konsequenz, für das Erfüllungsinteresse haftbar gemacht zu werden, kann nicht angenommen werden.

[31]     Da im Einklang mit dem von Anfang an vertretenen Prozessstandpunkt des Klägers davon auszugehen ist, dass er die Beklagte bzw den Beklagtenvertreter oder einen sonstigen Familienangehörigen als Eintrittsberechtigten im Vorkaufsfall hätte namhaft machen können, die Beklagte darauf aber keinen Anspruch hatte, scheitert ein Schadenersatzanspruch der Beklagten.

[32]     6. Damit erweist sich die rechtliche Beurteilung des Berufungsgerichts als im Ergebnis zutreffend, sodass der Revision keine Folge zu geben war.

[33]     7. Die Entscheidung über die Kosten des Revisionsverfahrens gründet sich auf §§ 41, 50 ZPO. Der Einheitssatz gebührt für die Revisionsbeantwortung (TP 3C RATG) aber nur in einfacher Höhe (§ 23 Abs 3 und 5 RATG).

Textnummer

E132484

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:2021:0080OB00057.21X.0625.000

Im RIS seit

24.08.2021

Zuletzt aktualisiert am

24.08.2021
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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