TE Lvwg Erkenntnis 2021/6/21 LVwG-2021/14/0562-9

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Veröffentlicht am 21.06.2021
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Entscheidungsdatum

21.06.2021

Index

82/02 Gesundheitsrecht allgemein

Norm

COVID-19-MG §3 Abs3
COVID-19-MG §8 Abs3
COVID-19-SchuMaV §7 Abs1
COVID-19-SchuMaV §7 Abs2
COVID-19-SchuMaV §7 Abs7

Text

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Landesverwaltungsgericht Tirol hat durch den Richter Priv.-Doz. Dr. Heißl, E.MA, über die Beschwerde von AA, vertreten durch BB, Adresse 1, **** Z, gegen das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Y (belangte Behörde) vom 26.1.2021, ***, betreffend eine Angelegenheit nach dem COVID-19-Maßnahmengesetz (COVID-19-MG), in der öffentlichen mündlichen Verhandlung vom 19.5.2021

zu Recht erkannt:

1.       Der Beschwerde wird insoweit Folge gegeben, als der Tatvorwurf, die übertretenen Verwaltungsvorschriften und die Sanktionsnorm nunmehr wie folgt lauten:

Sie haben als handelsrechtliche Geschäftsführerin der CC zu verantworten, dass im Gletscher-Restaurant „DD“ und somit einer Betriebsstätte des Gastgewerbes, in **** X, Adresse 2, am 7.11.2020 und am 8.11.2020 jeweils von 11:00 bis 13:00 Uhr Speisen an Gäste verabreicht und Getränke an Gäste ausgeschenkt wurden. In dieser Zeit wurde den – am EE trainierenden – Berufs- und Leistungssportlern eine gekürzte Tageskarte angeboten. Während dieser Öffnungszeiten befanden sich mehrere Gäste zur gleichen Zeit im Restaurant. Dadurch haben Sie nicht dafür Sorge getragen, dass das Betreten des Restaurants zum Zweck der Inanspruchnahme von Dienstleistungen des Gastgewerbes untersagt war.

Aufgrund der Verwaltungsübertretung gemäß §§ 8 Abs 3 und 3 Abs 1 COVID-19-Maßnahmengesetz, BGBl I 2020/12 idF 2020/104, iVm § 7 Abs 1, 2 und 7 COVID-19-Schutzmaßnahmenverordnung, BGBl II 2020/463, wird über Sie gemäß § 8 Abs 3 COVID-19-Maßnahmengesetz eine Strafe von € 2.000 (Ersatzfreiheitsstrafe drei Tage) verhängt.

2.       Die Kosten des behördlichen Strafverfahrens reduzieren sich gemäß § 64 Abs 2 VStG auf € 200. Die Beschwerdeführerin hat keinen Beitrag zu den Kosten des Beschwerdeverfahrens zu leisten.

3.       Die ordentliche Revision ist gemäß Art 133 Abs 4 B-VG nicht zulässig.

E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e

I.       Verfahrensgang

Im angefochtenen Straferkenntnis wirft die belangte Behörde der Beschwerdeführerin – zusammengefasst – vor, sie habe als Geschäftsführerin der CC zu verantworten, dass entgegen der COVID-19-SchutzmaßnahmenVO am 7.11.2020 zwischen 11:00 Uhr und 13:00 Uhr im Gletscherrestaurant DD ausgeschenkt bzw verabreicht wurde. Es hätte eine gekürzte Tageskarte gegeben und es seien innerhalb von dieser zwei Stunden bis zu 20 Personen zur gleichen Zeit in diesem Restaurant anwesend gewesen. Vergleichbare Übertretungen seien auch am 8.11.2020, am 11.11.2020 und am 12.11.2020 jeweils in der Zeit zwischen 11:00 und 13:00 Uhr wahrgenommen worden. Aufgrund der Verwaltungsübertretung gemäß § 8 Abs 3, 3 Abs 1 COVID-19-Maßnahmengesetz iVm § 7 Abs 7 und Abs 1 COVID-19-SchutzmaßnahmenVO verhängte die belangte Behörde eine Strafe gemäß § 8 Abs 3 COVID-19-MG von € 3.000 (Ersatzfreiheitsstrafe fünf Tage) und schrieb Verfahrenskosten vor.

In der dagegen erhobenen Beschwerde bringt die Beschwerdeführerin – wiederum zusammengefasst – vor, der Spruch sei entgegen § 44a VStG unzureichend bestimmt, da nicht hervorgehe, wie viele Personen sich zu diesem Zeitraum tatsächlich im Lokal aufhalten dürften. Es sei unklar, welches verbotene Verhalten konkret seitens der Beschwerdeführerin gesetzt worden sei. Auch fehle eine Bezugnahme, dass die dort aufhältigen Personen tatsächlich die Betriebsstätte betreten hätten. Dem dritten Absatz sei nicht zu entnehmen, dass Personen tatsächlich die Betriebsstätte betreten hätten, was eine zentrale Voraussetzung für die Anwendung der der Beschwerdeführerin zur Last gelegten Tatzeit wäre. Darüber hinaus sei der wesentliche Sachverhalt mangelhaft festgestellt worden. Aus inhaltlicher Sicht sei der Bescheid ebenfalls rechtswidrig, da der objektive Tatbestand der Verwaltungsübertretung nicht verwirklicht worden sei. Gemäß dem Ausnahmetatbestand § 7 Abs 2 Z 4 COVID-19-SchutzmaßnahmenVO dürften „die dort betreuten, untergebrachten oder nicht zum bloßen Besuch aufhältigen Personen“ bewirtet werden und wären vom allgemeinen Betretungsverbot von Gaststätten ausgenommen. Darüber hinaus liege die subjektive Tatseite nicht vor. Die Beschwerdeführerin treffe kein Verschulden im Sinne von § 5 VStG. Aufgrund der unübersichtlichen Verordnungslage sei die Beschwerdeführerin davon ausgegangen, jene Personen bewirten zu dürfen, die Seilbahnen zulässigerweise benutzen durften. Darüber hinaus hätte sie ausdrücklich Sorge getragen, dass ausschließlich Berufs- und Leistungssportler den Seilbahnbetrieb am EE in Anspruch nehmen. Die Beschwerdeführerin hätte mit größtmöglicher Umsicht stets um höchstmögliche Korrektheit der Abläufe und um Erarbeitung eines effektiven, die COVID-19-SchutzmaßnahmenVO berücksichtigenden Infektionsschutzkonzepts bemüht. Abschließend wird neben der Durchführung einer mündlichen Verhandlung beantragt, der Beschwerde Folge zu geben und das angefochtene Straferkenntnis ersatzlos zu beheben und das Verwaltungsstrafverfahren einzustellen, in eventu eine Ermahnung auszusprechen, in eventu das Verfahren unter Erteilung einer Beratung (§ 33a VStG) einzustellen, in eventu der Beschwerde Folge zu geben und die festgesetzte Strafe im bekämpften Straferkenntnis schuld- und tatangemessen unter Berücksichtigung des § 19 VStG herabzusetzen.

Nach entsprechender Anfrage durch das Landesverwaltungsgericht Tirol legte der Bundesminister für Gesundheit die Akten betreffend die Erlassung der COVID-19-SchutzmaßnahmenVO mit Schreiben vom 29.3.2021 vor.

Das Landesverwaltungsgericht Tirol führte eine öffentliche mündliche Verhandlung am 19.5.2021 durch. Zu dieser erschienen die Beschwerdeführerin gemeinsam mit ihrem Rechtsvertreter in RA FF sowie GG für die belangte Behörde. Im Anschluss daran verkündete das Landesverwaltungsgericht Tirol mündlich die Entscheidung. Wiederum im Anschluss daran beantragte der Beschwerdeführervertreter unverzüglich sowie abermals mit Schreiben vom 2.6.2021 die Ausfertigung und Zustellung einer ungekürzten schriftlichen Ausfertigung des Erkenntnisses gemäß § 29 Abs 4 VwGVG.

II.      Sachverhalt

Die Beschwerdeführerin ist handelsrechtliche Geschäftsführerin des Unternehmens CC. Diese betreibt das Restaurant „DD“, welches sich im Gletscherskigebiet befindet.

Am 7.11.2020 und am 8.11.2020 waren die EE-Bahnen ausschließlich Berufs- und Leistungssportlern geöffnet. Zu dieser Zeit war das Gletscherrestaurant „DD“ in der Zeit zwischen 11:00 Uhr und 13:00 Uhr für diese Berufs-und Leistungssportler geöffnet. Dort wurde eine gekürzte Tageskarte angeboten. Es hielten sich jeweils bis zu 20 Gäste dort auf.

Im Eingangsbereich zum Restaurant wies ein Schild auf die NMS-Pflicht und den „Zutritt nur für Personen mit einer gültigen Trainingsberechtigung von 11:00 Uhr bis 13:00 Uhr“ in deutscher und englischer Sprache hin.

III.     Beweiswürdigung

Dieser festgestellte Sachverhalt ergibt sich aus den von der belangten Behörde vorgelegten Anzeigen, den darin enthaltenen Lichtbildern, sowie den Aussagen der Beschwerdeführerin in der heutigen mündlichen Verhandlung. Im Kern ist der Sachverhalt unstrittig. So zieht die Beschwerdeführerin selbst nicht in Zweifel, dass tatsächlich Berufs- und Leistungssportler in der angegebenen Zeit im Restaurant bewirtet wurden („Wir haben in dieser Zeit oder an diesen Tagen von 11.00 Uhr bis 13.00 Uhr geöffnet gehabt. … Über Befragung, welche Speisen wir angeboten haben: Wir haben das total reduziert gehabt. Es waren nur noch zwei Speisen, einmal mit Fleisch, einmal ohne Fleisch. … Über Befragung, ob der Vorwurf von ca 20 Personen hinkommen könnte: Ja, das könnte hinkommen. Wir haben Zutritte zwischen 40 und 80 Personen gehabt, die zum Schifahren dort gewesen sind und da nicht alle zugleich essen gewesen sind, wird es mit den 20 Personen wohl hinkommen. … Mit dieser Trainingsberechtigungskarte war ein ungehinderter Zutritt während der Öffnungszeiten zwischen 11.00 und 13.00 Uhr für alle Trainingsgruppen zugleich offen.“).

IV.      Rechtslage

COVID-19-Schutzmaßnahmenverordnung (COVID-19-SchuMaV, BGBl II 2020/463)

Ausgangsregelung

§ 2. (1) Zur Verhinderung der Verbreitung von COVID-19 ist das Verlassen des eigenen privaten Wohnbereichs und das Verweilen außerhalb des eigenen privaten Wohnbereichs von 20.00 Uhr bis 06.00 Uhr des folgenden Tages nur zu folgenden Zwecken zulässig:

1.       Abwendung einer unmittelbaren Gefahr für Leib, Leben und Eigentum,

2.       Betreuung von und Hilfeleistung für unterstützungsbedürftige Personen sowie Ausübung familiärer Rechte und Erfüllung familiärer Pflichten,

3.       Deckung der notwendigen Grundbedürfnisse des täglichen Lebens,

4.       berufliche Zwecke und Ausbildungszwecke, sofern dies erforderlich ist, oder Teilnahme an gerichtlichen oder behördlichen Verfahren oder Amtshandlungen, und

5.       Aufenthalt im Freien zur körperlichen und psychischen Erholung.

Fahrgemeinschaften, Gelegenheitsverkehr, Seil- und Zahnradbahnen

§ 4 (3) Die Benützung von Seil- und Zahnradbahnen ist nur zu Zwecken gemäß § 2 Abs. 1 Z 1 bis 4 oder zum Zweck der Ausübung von Sport durch Sportler gemäß § 9 Abs. 3 Z 1 zulässig. § 3 ist sinngemäß anzuwenden.

Gastgewerbe

§ 7. (1) Das Betreten und Befahren von Betriebsstätten sämtlicher Betriebsarten der Gastgewerbe zum Zweck der Inanspruchnahme von Dienstleistungen des Gastgewerbes ist untersagt.

(2) Abs. 1 gilt nicht für Gastgewerbebetriebe, die innerhalb folgender Einrichtungen betrieben werden:

1.       Krankenanstalten und Kuranstalten,

2.       Alten-, Pflege- und Behindertenheimen,

3.       Einrichtungen zur Betreuung und Unterbringung von Kindern und Jugendlichen einschließlich Schulen und Kindergärten,

4.       Betrieben,

wenn diese ausschließlich durch die dort betreuten, untergebrachten oder nicht zum bloßen Besuch aufhältigen Personen oder durch Betriebsangehörige genutzt werden.

(7) Abweichend von Abs. 1 ist die Abholung von Speisen und Getränken zwischen 06.00 und 20.00 Uhr zulässig, sofern diese nicht vor Ort konsumiert werden und gegenüber Personen, die nicht im gemeinsamen Haushalt leben, ein Abstand von mindestens einem Meter eingehalten sowie eine den Mund- und Nasenbereich abdeckende und eng anliegende mechanische Schutzvorrichtung getragen wird.

(8) Abs. 1 gilt nicht für Lieferservices.

COVID-19-Maßnahmengesetz (COVID-19-MG, BGBl I 2020/12 idF 2020/104)

Betreten und Befahren von Betriebsstätten und Arbeitsorten sowie Benutzen von Verkehrsmitteln

§ 3 (1) Beim Auftreten von COVID-19 kann durch Verordnung

1.       das Betreten und das Befahren von Betriebsstätten oder nur bestimmten Betriebsstätten zum Zweck des Erwerbs von Waren oder der Inanspruchnahme von Dienstleistungen,

2.       das Betreten und das Befahren von Arbeitsorten oder nur bestimmten Arbeitsorten gemäß § 2 Abs. 3 des ArbeitnehmerInnenschutzgesetzes und

3.       das Benutzen von Verkehrsmitteln oder nur bestimmten Verkehrsmitteln

4.       geregelt werden, soweit dies zur Verhinderung der Verbreitung von COVID-19 erforderlich ist.

Strafbestimmungen

§ 8 (3) Wer als Inhaber einer Betriebsstätte oder eines Arbeitsortes, als Betreiber eines Verkehrsmittels oder als gemäß § 4 hinsichtlich bestimmter privater Orte, nicht von Abs. 1 erfasster Verpflichteter nicht dafür Sorge trägt, dass die Betriebsstätte, der Arbeitsort, das Verkehrsmittel oder der bestimmte private Ort, deren/dessen Betreten oder Befahren gemäß §§ 3 und 4 untersagt ist, nicht betreten oder befahren wird, begeht eine Verwaltungsübertretung und ist mit einer Geldstrafe von bis zu 30 000 Euro, im Nichteinbringungsfall mit Freiheitsstrafe von bis zu sechs Wochen, zu bestrafen.

V.       Erwägungen

1. Betretungsverbot für Gastgewerbebetriebe

§ 3 Abs 1 Z 1 COVID-19-MG, BGBl I 2020/12, in der zum Tatzeitpunkt und zum Zeitpunkt dieser Entscheidung noch geltenden Fassung 2020/104, kann beim Auftreten von COVID-19 durch Verordnung das Betreten und das Befahren von Betriebsstätten oder nur bestimmten Betriebsstätten zum Zwecke des Erwerbs von Waren oder der Inanspruchnahme von Dienstleistungen geregelt werden, soweit dies zur Verhinderung der Verbreitung von COVID-19 erforderlich ist.

In der zum Tatzeitraum am 7.11.2020 und 8.11.2020 geltenden Fassung des § 7 Abs 1 SchutzmaßnahmenVO, BGBl II 2020/463 war das Betreten und Befahren von Betriebsstätten sämtlicher Betriebsarten des Gastgewerbes zum Zweck der Inanspruchnahme von Dienstleistungen eines Gastgewerbes untersagt. Dieses Verbot galt gemäß § 7 Abs 2 Z 4 SchutzmaßnahmenVO unter anderem nicht für Gastgewerbebetriebe, die innerhalb von Betrieben betrieben wurden und wenn diese ausschließlich durch die dort betreuten untergebrachten und nicht zum bloßen Besuch aufhältigen Personen und durch Betriebsangehörige genutzt wurden.

Nach dem festgestellten Sachverhalt, war das Gletscherrestaurant zur vorgeworfenen Tatzeit für die am EE trainierenden Berufs- und Leistungssportler geöffnet.

Entgegen der Ansicht der Beschwerdeführerin kommt der Ausnahmetatbestand des § 7 Abs 2 Z 4 COVID-19-SchutzmaßnahmenVO nicht zur Anwendung. Berufs- und Leistungssportlern war lediglich gemäß § 4 Abs 3 COVID-19-SchutzmaßnahmenVO die Benützung von Seil- und Zahnradbahnen zum Zweck der Ausübung von Sport gestattet. Daraus lässt sich keine Ausnahme für in Skigebieten betriebene Gastgewerbebetriebe ableiten. Somit liegen die objektiven Tatbestandsmerkmale vor.

Vor dem Hintergrund der vom Bundesminister für Gesundheit vorgelegten Unterlagen zur COVID-19-SchutzmaßnahmenVO bestehen gegen die einschlägigen Rechtsgrundlagen keine verfassungsrechtlichen Bedenken. So begründete der Bundesminister für Gesundheit umfassend die Zielsetzung eines Betretungsverbots für Betriebe des Gastgewerbes zur weiteren Reduktion nicht erforderlicher sozialer Kontakte (2020-0.707.170, zu § 7).

2. Subjektive Verantwortlichkeit

Auch aus subjektiver Sicht ist der Beschwerdeführerin die Verwaltungsübertretung vorzuwerfen.

Die Beschwerdeführerin ist als handelsrechtliche Geschäftsführerin der CC für die Einhaltung der Verwaltungsvorschriften verwaltungsstrafrechtlich verantwortlich (§ 9 Abs 1 VStG).

Gemäß § 5 Abs 2 VStG entschuldigt eine Unkenntnis der Verwaltungsvorschrift, der der Täter zuwidergehandelt hat, nur, wenn sie erwiesenermaßen unverschuldet ist und der Täter das Unerlaubte seines Verhaltens ohne Kenntnis der Verwaltungsvorschrift nicht einsehen konnte. Ein solcher entschuldbarer Verbotsirrtum liegt zum Beispiel bei Rechtsauskünften berufsmäßige Parteienvertreter vor (VwGH 29.5.2018, 2012/17/0524; 12.8.2014, 2013/10/0203). Dabei schadet der Umstand nicht, dass der die Auskunft erteilende Rechtsanwalt bzw Steuerberater im Interesse des Auftraggebers entgeltlich tätig geworden ist (VwGH 29.5.2015, 2012/17/0524, 0526 und 0527; 12.8.2014, 2013/10/0203). Vorwerfbar ist das Vertrauen auf die Rechtsauskunft nur, wenn dem Beschuldigten das Spannungsverhältnis zur gegenteiligen Behördenauffassung bekannt ist und es sich unmittelbar aus dem Inhalt der Auskunft auch für den Nicht-Fachmann ersichtliche Zweifel ergeben hat (VwGH 22.2.2016, 2005/17/0195; 12.8.2014, 2013/10/0203).

Es mag zutreffen, Unternehmer sowie die gesamte Bevölkerung waren – wie die Beschwerdeführerin vorbringt – zu dieser Zeit mit teils schwer verständlichen Regelungen konfrontiert. Trotzdem hätte sich die Beschwerdeführerin dahingehend erkundigen müssen. Einen Schuldausschließungsgrund gemäß § 5 VStG hat die Beschwerdeführerin zwar behauptet, nicht jedoch bewiesen. Dafür wäre eine entsprechende Information durch die belangte Behörde oder durch den Rechtsvertreter erforderlich gewesen.

3. Spruchkonkretisierung

Somit warf die belangte Behörde der Beschwerdeführerin die Verwaltungsübertretung im Grunde zu Recht vor.

Gemäß § 44a VStG hat der Spruch, wenn er nicht auf Einstellung lautet, unter anderem (Z 1) die als erwiesen angenommene Tat, (Z 2) die Verwaltungsvorschrift die durch die Tat verletzt worden ist, sowie (Z 3) die verhängte Strafe an die angewendete Gesetzesbestimmung, zu enthalten. Auf Grund dieser Bestimmung sollen Beschuldigte zum Ersten wissen, was ihnen vorgeworfen wird, um Beweise zur Widerlegung des Tatvorwurfs anbieten zu können. Zum Zweiten soll auch eine Doppelbestrafung verhindert werden. Ebenso soll drittens der Verwaltungsgerichtshof in die Lage versetzt werden, eine rechtliche Prüfung vornehmen zu können. Zu diesen verpflichtenden Spruchmerkmalen (Tatvorwurf, verletzte Verwaltungsvorschrift sowie Sanktionsnorm) liegt eine umfangreiche Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes vor (dazu Fister, § 44a VStG, in Lewisch/Fister/Weilguni [Hrsg], Verwaltungsstrafgesetz2 [2017]).

Grundsätzlich besteht für das Verwaltungsgericht „nicht nur das Recht, sondern auch die Pflicht“ den Spruch der belangten Behörde richtig zu stellen, zu ergänzen und zu präzisieren (VwGH 20.5.2015, Ra 2014/09/0033; weiters 13.9.2018, Ra 2018/16/0062; 5.11.2014, Ra 2014/09/0018; 28.5.2014, 2012/07/0033; 15.10.2013, 2010/02/0161; 23.5.2012, 2011/17/0298; 19.4.2012, 2010/01/0010). Dabei darf es – so die ständige Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes – jedoch nicht zu einem „Austausch der Tat und Heranziehung eines anderen als des ursprünglich der Bestrafung zu Grunde gelegten Sachverhalts“ kommen (VwGH 25.9.2018, Ra 2018/05/0019; 21.9.2018, Ra 2017/17/0557; 7.8.2018, Ra 2018/02/0139; 8.3.2017, Ra 2016/02/0226; 17.2.2016, Ra 2016/04/0068).

Vor diesem Hintergrund musste das Landesverwaltungsgericht Tirol den Spruch des angefochtene Straferkenntnisses konkretisieren, wobei keine Erweiterung des Tatvorwurfes vorgenommen wurde. Im Gegenteil, aufgrund des Spruches im angefochtenen Straferkenntnis war der Tatzeitraum auf den 7.11.2020 und 8.11.2020 einzuschränken.

4. Strafbemessung

Gemäß § 19 Abs 1 VStG sind Grundlage für die Bemessung der Strafe die Bedeutung des strafrechtlich geschützten Rechtsgutes und die Intensität seiner Beeinträchtigung durch die Tat. Nach dessen Abs 2 sind im ordentlichen Verfahren überdies nach dem Zweck der Strafdrohung in Betracht kommende Erschwerungs- und Milderungsgründe, soweit sie nicht schon die Strafdrohung bestimmen, gegeneinander abzuwägen. Auf das Ausmaß des Verschuldens ist besonders Bedacht zu nehmen. Unter Berücksichtigung der Eigenart des Verwaltungsstrafrechtes sind §§ 32-35 StGB sinngemäß anzuwenden und Einkommens-, Vermögens- und Familienverhältnisse der Beschwerdeführerin bei der Strafbemessung zu berücksichtigen.

Wer – gemäß § 8 Abs 3 COVID-19-MG – als Inhaber einer Betriebsstätte nicht dafür Sorge trägt, dass die Betriebsstätte, deren Betreten oder Befahren gemäß §§ 3 und 4 untersagt ist, nicht betreten oder befahren wird, begeht eine Verwaltungsübertretung und ist mit einer Geldstrafe von bis zu € 30.000 (Ersatzfreiheitstrafe bis zu sechs Wochen) zu bestrafen.

Aufgrund der Einschränkung des Tatzeitraums ist auch die Strafe auf € 2.000 und die Ersatzfreiheitstrafe auf drei Tage zu reduzieren. Die nunmehr verhängte Strafe beträgt weniger als 10 % des in § 8 Abs 3 COVID-19-MG vorgesehenen Strafrahmens von bis zu € 30.000. Diese Höhe ist unter Berücksichtigung der Einkommensverhältnisse der Beschwerdeführerin sowie der Milderungs- und Erschwerungsgründe schuld- und tatangemessen. Im Hinblick auf den Unrechtsgehalt der Verwaltungsübertretung, was ein Absehen von der Geldstrafe gemäß § 45 Abs 1 Z 4 VStG ausschließt, ist diese Strafe gerechtfertigt.

4. Kosten

Der Ausspruch über die Kosten des erstinstanzlichen Verfahrens gründet sich auf § 64 Abs 2 VStG und jener des Beschwerdeverfahrens auf § 52 Abs 8 VwGVG.

VI.      Unzulässigkeit der ordentlichen Revision

Die ordentliche Revision ist unzulässig, da keine Rechtsfrage im Sinne des Art 133 Abs 4 B-VG zu beurteilen war, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes. Weiters ist die dazu vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Ebenfalls liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

Es fehlen die Voraussetzungen für die Erhebung einer Revision – so VwGH 7.4.2021, Ra 2021/09/0051 – zum einen etwa, wenn sich das Verwaltungsgericht auf einen klaren Gesetzeswortlaut stützen kann. Ist somit die Rechtslage nach den in Betracht kommenden Normen klar und eindeutig, dann liegt keine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung im Sinn des Art 133 Abs 4 B-VG vor, und zwar selbst dann, wenn zu einer der anzuwendenden Normen noch keine Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ergangen wäre (dazu VwGH 6.8.2020, Ra 2020/09/0040; 20.12.2017, Ra 2017/12/0124).

Fragen der Beweiswürdigung kommt regelmäßig als nicht über den Einzelfall hinausreichend keine grundsätzliche Bedeutung im Sinne des Art 133 Abs 4 B-VG zu (VwGH 21.4.2017, Ro 2016/11/0004; 18.8.2017, Ra 2017/11/0218; 13.11.2017, Ra 2017/02/0217). Der Verwaltungsgerichtshof ist als Rechtsinstanz grundsätzlich nicht zur Überprüfung der Beweiswürdigung berufen. Diese ist nur dahingehend der Kontrolle des Verwaltungsgerichtshofs unterworfen, ob der maßgebliche Sachverhalt ausreichend ermittelt wurde und ob die dabei angestellten Erwägungen schlüssig sind, also nicht den Denkgesetzen und dem allgemeinen menschlichen Erfahrungsgut widersprechen. Die Richtigkeit der Beweiswürdigung ist vor dem Verwaltungsgerichtshof daher nicht zu überprüfen (VwGH 24.9.2014, Ra 2014/03/0012 mwN; 25.9.2017, Ra 2017/20/0282).

R e c h t s m i t t e l b e l e h r u n g

Gegen diese Entscheidung kann binnen sechs Wochen ab der Zustellung Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof, Freyung 8, 1010 Wien, oder außerordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden. Die Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof ist direkt bei diesem, die außerordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof ist beim Landesverwaltungsgericht Tirol einzubringen.

Die genannten Rechtsmittel sind von einem bevollmächtigten Rechtsanwalt bzw einer bevollmächtigten Rechtsanwältin abzufassen und einzubringen und es ist eine Eingabegebühr von € 240 zu entrichten.

Es besteht die Möglichkeit, für das Beschwerdeverfahren vor dem Verfassungsgerichtshof und für das Revisionsverfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof Verfahrenshilfe zu beantragen. Verfahrenshilfe ist zur Gänze oder zum Teil zu bewilligen, wenn die Partei außerstande ist, die Kosten der Führung des Verfahrens ohne Beeinträchtigung des notwendigen Unterhalts zu bestreiten bzw wenn die zur Führung des Verfahrens erforderlichen Mittel weder von der Partei noch von den an der Führung des Verfahrens wirtschaftlich Beteiligten aufgebracht werden können und die beabsichtigte Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung nicht als offenbar mutwillig oder aussichtslos erscheint.

Der Antrag auf Verfahrenshilfe ist innerhalb der oben angeführten Frist für das Beschwerdeverfahren vor dem Verfassungsgerichtshof beim Verfassungsgerichtshof und für das Revisionsverfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof beim Verwaltungsgerichtshof einzubringen. Im Antrag an den Verwaltungsgerichtshof ist, soweit dies dem Antragsteller zumutbar ist, kurz zu begründen, warum entgegen dem Ausspruch des Verwaltungsgerichtes die Revision für zulässig erachtet wird.

Zudem besteht die Möglichkeit, auf die Revision beim Verwaltungsgerichtshof und die Beschwerde beim Verfassungsgerichtshof zu verzichten. Ein solcher Verzicht hat zur Folge, dass eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof und eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof nicht mehr erhoben werden können.

Landesverwaltungsgericht Tirol

Priv.-Doz. Dr. Heißl, E.MA

(Richter)

Schlagworte

Restaurantöffnung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:LVWGTI:2021:LVwG.2021.14.0562.9

Zuletzt aktualisiert am

19.08.2021
Quelle: Landesverwaltungsgericht Tirol LVwg Tirol, https://www.lvwg-tirol.gv.at
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