Entscheidungsdatum
08.07.2021Index
Müllabfuhrabgabe Tirol;Norm
AWG Tir 1990 §11 Abs1 lita;Text
IM NAMEN DER REPUBLIK
Das Landesverwaltungsgericht Tirol fasst/erkennt durch seinen Richter Mag. Spielmann über die Beschwerde (1.) der AA und (2.) des BB, beide Adresse 1, **** Z, gegen das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Y vom 27.05.2021, Zahl ***, betreffend eines Strafverfahrens nach dem TAWG,
I.
den Beschluss:
1. Die Beschwerde der AA wird mangels Parteistellung als unzulässig zurückgewiesen.
2. Die ordentliche Revision ist gemäß Art 133 Abs 4 B-VG nicht zulässig.
II.
zu Recht:
1. Der Beschwerde des BB wird Folge gegeben, das angefochtene Straferkenntnis behoben und das Verwaltungsstrafverfahren gemäß § 45 Abs 1 Z 1 VStG eingestellt.
2. Die ordentliche Revision ist gemäß Art 133 Abs 4 B-VG nicht zulässig.
E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e
I. Verfahren:
Mit dem angefochtenen Straferkenntnis wurde BB spruchgemäß Folgendes zur Last gelegt:
„Sie, Herr BB, geboren am **.**.****, wohnhaft in **** Z, Adresse 1, sorgen als Grundstückseigentümer jedenfalls seit mindestens 12.03.2020 nicht dafür, dass die nach der Müllabfuhrordnung der Marktgemeinde Z vorgeschriebene Restmülltonne zur Sammlung des auf Ihren Grundstück anfallenden Siedlungsabfall aufgestellt wird. Somit haben Sie folgende Verwaltungsübertretung, nämlich nach
o § 11 (1) lit a in Verbindung mit § 20 (2) lit a Tiroler Abfallwirtschaftsgesetz, LGBI. Nr. 3/2008, zuletzt geändert durch LGBI. Nr. 138/2019
begangen.
Gemäß § 11 (1) lit a in Verbindung mit § 20 (2) lit a Tiroler Abfallwirtschaftsgesetz, LGBI. Nr. 3/2008, zuletzt geändert durch LBGI. Nr. 138/2019, wird gegen Sie, Herr BB, wohnhaft in **** Z, Adresse 1, eine Geldstrafe in der Höhe von EUR 360,00 verhängt. Im Falle der Uneinbringlichkeit der Geldstrafe tritt an deren Stelle eine Ersatzarreststrafe in der Dauer von 33 Stunden.“
Dagegen haben AA und BB Beschwerde an das Landesverwaltungsgericht erhoben.
II. Rechtslage:
Tiroler Abfallwirtschaftsgesetz (TAWG):
„§ 11
Sammlung und Abfuhr von Siedlungsabfällen
(1) Die Grundeigentümer bzw. die sonst hierüber Verfügungsberechtigten haben dafür zu sorgen, dass
a) zur Sammlung des auf ihren Grundstücken anfallenden Siedlungsabfalls die nach der Müllabfuhrordnung vorgeschriebenen Müllbehälter aufgestellt werden und
(…)
§ 20
Strafbestimmungen
(…)
2) Wer
a) als Eigentümer eines Grundstücks bzw. als sonst hierüber Verfügungsberechtigter den Verpflichtungen nach § 11 Abs. 1 und § 13 Abs. 4 erster Satz nicht nachkommt,
(…)
begeht eine Verwaltungsübertretung und ist von der Bezirksverwaltungsbehörde mit Geldstrafe bis zu 3.600,– Euro zu bestrafen.“
Müllabfuhrordnung der Marktgemeinde Z:
„§ 4
Festlegung der Art, Größe und Anzahl der Müllbehälter
1) Die Sammlung des Hausmülls erfolgt durch Müllbehälter.
a) Restmülltonne: 120 oder 240 Liter Kunststoffbehälter, grün
b) Restmüllgroßbehälter: 1.100 Liter Kunststoffbehälter, grün
(…)
2) Festlegung der Mindestbehältervolumen:
a) für den Restmüll: ca. 3,5 Liter pro Person und Woche,
das entspricht pro Jahr für:
120 Liter – Behälter 240 Liter - Behälter
1-2 Personenhaushalte 2 Leerungen 1 Leerung
3-4 Personenhaushalte 4 Leerungen 2 Leerungen
5-6 Personenhaushalte 6 Leerungen 3 Leerungen
Ab einem 6-Personenhaushalt bleibt die Mindestmenge gleich.
(…)
3) Die Mülltonnen bzw. Müllgroßbehälter werden dem Grundstückseigentümer von der Gemeinde gegen Verrechnung zur Verfügung gestellt, die Verwendung von anderen Gefäßen ist nicht zulässig. Vermieter haben dafür Vorsorge zu treffen, dass dem Mieter Abfallgefäße zur Verfügung stehen.
(…)
4) Holsystem für Restmüll und Bioabfälle:
(…)
Die Behälter sind vom Grundstückseigentümer oder sonstigen Verfügungsberechtigten, während dieses Zeitraumes, spätestens jedoch bis 7:00 Uhr Früh des Abfuhrtages, an der nächstgelegenen öffentlichen Verkehrsfläche zur Liegenschaft so aufzustellen, dass
a) für die Hausbewohner und für die Nachbarschaft keine unzumutbare Belästigung
durch Staub, Geruch oder Lärm erfolgt,
b) diese von den Hausbewohnern ordnungsgemäß benützt werden können,
c) die Müllgefäße von den Beauftragten der Müllabfuhr auf kürzestem Wege und unter
geringem Zeitverlust abgeholt werden können.
(…)“
III. Erwägungen:
Die Erstbeschwerdeführerin ist nicht Partei des Strafverfahrens gegen den Zweitbeschwerdeführer. Ihrer Beschwerde ist daher mangels Parteistellung als unzulässig zurückzuweisen.
Hinsichtlich des Zweitbeschwerdeführers ist festzuhalten, dass der Spruch eines Straferkenntnisses gemäß § 44a Z 1 VStG die als erwiesen angenommene Tat zu enthalten hat. Dazu gehört neben der Umschreibung der Tathandlung und der Anführung der Tatzeit auch der Tatort. Fehlt im Spruch die Angabe des Tatortes, sodass in örtlicher Hinsicht in keiner Weise konkretisiert ist, für welches Verhalten der Beschuldigte bestraft wurde, so verstößt die Behörde gegen § 44a Z 1 VStG und belastet ihren Bescheid mit Rechtswidrigkeit seines Inhaltes.
Der maßgebliche Tatort für ein Unterlassungsdelikt ist der Ort, an dem der Täter hätte handeln sollen. Im gegenständlichen Fall hat die Behörde dem Zweitbeschwerdeführer aber nur vorgehalten, als „Grundstückseigentümer“ keine Restmülltonne aufgestellt zu haben. Hinsichtlich welchen Grundstücks der Zweitbeschwerdeführer auf Grund der Z Müllabfuhrordnung welche Art, Größe und Anzahl an Restmülltonnen wo aufzustellen gehabt hätte, bleibt völlig offen.
Dies ist schon allein deshalb relevant, da der Beschwerdeführer in Z nicht nur Miteigentümer einer Wohnungseigentumseinheit auf dem Grundstück Nr **1 (Adresse 1, **** Z), sondern auch Eigentümer des bebauten Grundstücks Nr **2 (Adresse 2, **** Z) ist. Gerade was das Grundstück Nr **1 betrifft, ist der Zweitbeschwerdeführer nur einer von mehreren Miteigentümern und hat nur Anteil an einer von mehreren Wohnungseigentumseinheiten. Es bleibt völlig unklar, ob der Zweitbeschwerdeführer nur als Verfügungsberechtigter einer Wohnungseigentumseinheit oder als Eigentümer eines Grundstücks (mit allen darauf befindlichen Personenhaushalten) für die Sammlung der dort anfallenden Siedlungsabfälle zur Verantwortung gezogen werden soll.
Das Verwaltungsgericht ist nicht nur berechtigt, sondern vielmehr verpflichtet, einen allenfalls fehlerhaften Spruch im behördlichen Straferkenntnis richtig zu stellen oder zu ergänzen. Dies gilt allerdings nur dann, wenn innerhalb der Verfolgungsverjährungsfrist rechtzeitig eine alle der Bestrafung zu Grunde liegenden Sachverhaltselemente enthaltende Verfolgungshandlung (wozu auch der Tatort und die Unterlassungshandlung gehört) durch die Behörde gesetzt wurde. Im gegenständlichen Fall fehlt aber eine Verfolgungshandlung, aus der sich ein konkreter Tatort ergeben würde bzw aus der geschlossen werden könnte, welche Art, Größe und Anzahl an Mullbehältern der Beschwerdeführer wo aufzustellen gehabt hätte.
Dem Rechtsmittel des Zweitbeschwerdeführers ist daher Folge zu geben, das angefochtene Straferkenntnis zu beheben und das Verwaltungsstrafverfahren einzustellen.
IV. Unzulässigkeit der ordentlichen Revision:
Die ordentliche Revision ist unzulässig, da keine Rechtsfrage iSd Art 133 Abs 4 B-VG zu beurteilen war, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes. Weiters ist die dazu vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Ebenfalls liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.
R e c h t s m i t t e l b e l e h r u n g
Soweit die ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof in Wien für zulässig erklärt worden ist, kann innerhalb von sechs Wochen ab dem Tag der Zustellung dieser Entscheidung eine ordentliche Revision erhoben werden. Im Fall der Nichtzulassung der ordentlichen Revision kann innerhalb dieser Frist nur die außerordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden.
Wenn allerdings in einer Verwaltungsstrafsache oder in einer Finanzstrafsache eine Geldstrafe von bis zu Euro 750,00 und keine Freiheitsstrafe verhängt werden durfte und im Erkenntnis eine Geldstrafe von bis zu Euro 400,00 verhängt wurde, ist eine (ordentliche oder außerordentliche) Revision an den Verwaltungsgerichthof wegen Verletzung in Rechten nicht zulässig.
Jedenfalls kann gegen diese Entscheidung binnen sechs Wochen ab der Zustellung Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof, Freyung 8, 1010 Wien, erhoben werden.
Die genannten Rechtsmittel sind von einem bevollmächtigten Rechtsanwalt bzw einer bevollmächtigten Rechtsanwältin abzufassen und einzubringen und es ist eine Eingabegebühr von Euro 240,00 zu entrichten. Die Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof ist direkt bei diesem, die (ordentliche oder außerordentliche) Revision an den Verwaltungsgerichtshof ist beim Verwaltungsgericht einzubringen.
Es besteht die Möglichkeit, für das Beschwerdeverfahren vor dem Verfassungsgerichtshof und für das Revisionsverfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof Verfahrenshilfe zu beantragen. Verfahrenshilfe ist zur Gänze oder zum Teil zu bewilligen, wenn die Partei außerstande ist, die Kosten der Führung des Verfahrens ohne Beeinträchtigung des notwendigen Unterhalts zu bestreiten bzw wenn die zur Führung des Verfahrens erforderlichen Mittel weder von der Partei noch von den an der Führung des Verfahrens wirtschaftlich Beteiligten aufgebracht werden können und die beabsichtigte Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung nicht als offenbar mutwillig oder aussichtslos erscheint.
Für das Beschwerdeverfahren vor dem Verfassungsgerichtshof ist der Antrag auf Verfahrenshilfe innerhalb der oben angeführten Frist beim Verfassungsgerichtshof einzubringen. Für das Revisionsverfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof ist der Antrag auf Verfahrenshilfe innerhalb der oben angeführten Frist im Fall der Zulassung der ordentlichen Revision beim Verwaltungsgericht einzubringen. Im Fall der Nichtzulassung der ordentlichen Revision ist der Antrag auf Verfahrenshilfe beim Verwaltungsgerichtshof einzubringen; dabei ist im Antrag an den Verwaltungsgerichtshof, soweit dies dem Antragsteller zumutbar ist, kurz zu begründen, warum entgegen dem Ausspruch des Verwaltungsgerichtes die Revision für zulässig erachtet wird.
Zudem besteht die Möglichkeit, auf die Revision beim Verwaltungsgerichtshof und die Beschwerde beim Verfassungsgerichtshof zu verzichten. Ein solcher Verzicht hat zur Folge, dass eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof und eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof nicht mehr erhoben werden können.
Landesverwaltungsgericht Tirol
Mag. Spielmann
(Richter)
Schlagworte
Nichtaufstellen Restmülltonne;European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:LVWGTI:2021:LVwG.2021.44.1749.1Zuletzt aktualisiert am
19.08.2021