Entscheidungsdatum
14.05.2021Norm
B-VG Art 130 Abs1 Z3Text
Das Landesverwaltungsgericht Niederösterreich fasst durch Dr. Köchle als Einzelrichterin im Verfahren über die am 18.11.2020 eingebrachte Säumnisbeschwerde der mj. A, vertreten durch die Mutter Frau B, diese vertreten durch Rechtsanwalt C, ***, ***, wegen Verletzung der Entscheidungspflicht im Verfahren über den am 01. Oktober 2019 gestellten, bei der Landeshauptfrau von Niederösterreich zur Zahl *** protokollierten Antrag der Beschwerdeführerin auf erstmalige Erteilung eines Aufenthaltstitels „Rot-Weiß-Rot – Karte plus“ gemäß § 46 Abs. 1 Z 2 lit. b Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz (NAG) nach Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung den
BESCHLUSS
1. Die Säumnisbeschwerde vom 18.11.2020 wird gemäß § 31 Abs. 1 VwGVG iVm § 8 Abs. 1 VwGVG als unzulässig zurückgewiesen.
2. Gemäß § 28 Abs. 1 iVm § 31 iVm § 17 VwGVG iVm § 6 Abs. 1 AVG wird der Antrag der Beschwerdeführerin auf erstmalige Erteilung eines Aufenthaltstitels „Familienangehöriger“ gem. § 47 Abs. 2 NAG vom 10.05.2021 zuständigkeitshalber an die Bezirkshauptmannschaft Amstetten weitergeleitet.
3. Gemäß § 25a VwGG ist eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Begründung:
1. Verfahrensgang, Sachverhalt:
1.1. Die nunmehrige Beschwerdeführerin, mj. A, eine am *** geborene Staatsangehörige der Republik Türkei stellte am 01.10.2019 vertreten durch ihre Mutter, Frau B, einen Antrag auf erstmalige Erteilung eines Aufenthaltstitels „Rot-Weiß-Rot – Karte plus“ (§ 46 Abs. 1 Z 2 lit. b NAG) zum Zwecke der Familienzusammenführung mit ihrem in Österreich lebenden Vater, Herrn D.
Parallel dazu stellte die Mutter der Beschwerdeführerin am selben Tag auch für sich selbst einen Antrag auf erstmalige Erteilung eines Aufenthaltstitels „Rot-Weiß-Rot – Karte plus“ (§ 46 Abs. 1 Z 2 lit. b NAG) zum Zwecke der Familienzusammenführung mit Herrn D, als ihrem Ehemann.
1.2. Die bei der Bezirkshauptmannschaft Amstetten eingebrachten Anträge der Beschwerdeführerin und ihrer Mutter wurden zuständigkeitshalber an die Landeshauptfrau von Niederösterreich (im Folgenden: belangte Behörde) weitergeleitet, wo sie am 01.10.2019 einlangten.
1.3. Am 01.02.2020 wurde dem Antrag der Beschwerdeführerin (ebenso wie dem Antrag ihrer Mutter) ein Quotenplatz zugeteilt.
1.4. Mit Schriftsatz ihres anwaltlichen Vertreters vom 28.05.2020, erhob die Beschwerdeführerin eine Säumnisbeschwerde wegen Verletzung der Entscheidungspflicht im Verfahren über ihren am 01.10.2019 gestellten Antrag auf erstmalige Erteilung eines Aufenthaltstitels „Rot-Weiß-Rot – Karte plus“.
Auch für die Mutter der Beschwerdeführerin wurde am selben Tag eine Säumnisbeschwerde betreffend das Verfahren über deren Antrag vom 01.10.2019 auf erstmalige Erteilung eines Aufenthaltstitels „Rot-Weiß-Rot – Karte plus“ eingebracht.
Mit Beschluss des Landesverwaltungsgerichts Niederösterreich vom 14.07.2020, LVwG-AV-613/001-2020, wurde die (erste) Säumnisbeschwerde der Beschwerdeführerin vom 28.05.2020 mangels Ablaufs der Entscheidungsfrist als unzulässig zurückgewiesen Mit Beschluss des Landesverwaltungsgerichts Niederösterreich vom selben Tag mit der Zl. LVwG-AV-612/001-2020 wurde auch die (erste) Säumnisbeschwerde der Mutter der Beschwerdeführerin, B, mangels Ablaufs der Entscheidungsfrist als unzulässig zurückgewiesen.
Mit Schreiben vom 14.07.2020 übermittelte das Landesverwaltungsgericht Niederösterreich die Beschlüsse, mit denen die Säumnisbeschwerden der Beschwerdeführerin und deren Mutter jeweils vom 28.05.2020 zurückgewiesen worden waren, sowie die mit den Säumnisbeschwerden vorgelegten Bezug habenden Verwaltungsakten an die belangte Behörde, wo sie am 17.07.2020 einlangten.
1.5. Mit Schriftsatz ihres anwaltlichen Vertreters vom 04.08.2020 erhob die Beschwerdeführerin (ebenso wie deren Mutter mit Schriftsatz des gemeinsamen anwaltlichen Vertreters vom selben Tag) eine weitere Säumnisbeschwerde wegen Verletzung der Entscheidungspflicht im Verfahren betreffend ihren am 01.10.2019 gestellten Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels „Rot-Weiß-Rot – Karte plus“.
Mit Beschluss des Landesverwaltungsgerichts Niederösterreich vom 10.08.2020, LVwG-AV-845/001-2020, wurde die zweite Säumnisbeschwerde der Beschwerdeführerin vom 04.08.2020 mangels Ablaufs der Entscheidungsfrist als unzulässig zurückwiesen.
Mit Beschluss des Landesverwaltungsgerichts Niederösterreich vom selben Tag mit der Zl. LVwG-AV-844/001-2020 wurde auch die (zweite) Säumnisbeschwerde der Mutter der Beschwerdeführerin vom 04.08.2020 mangels Ablaufs der Entscheidungsfrist als unzulässig zurückwiesen.
Die Beschlüsse des Landesverwaltungsgerichts Niederösterreich, mit denen die Säumnisbeschwerden der Beschwerdeführerin und deren Mutter jeweils vom 04.08.2020 zurückgewiesen worden waren, wurden der Behörde mit Schreiben vom 10.08.2020 übermittelt, wo sie samt der durch die Behörde mit den Säumnisbeschwerden vom 04.08.2020 vorgelegten und ebenfalls mit diesem Schreiben des Landesverwaltungsgerichts Niederösterreich an die Behörde retournierten verwaltungsbehördlichen Akten am 20.08.2020 einlangten.
1.6. Mit per Telefax eingebrachtem Schriftsatz ihres anwaltlichen Vertreters vom 16.11.2020 brachte die Beschwerdeführerin (ebenso wie deren Mutter) eine dritte, nämlich die verfahrensgegenständliche Säumnisbeschwerde wegen Verletzung der Entscheidungspflicht im Verfahren betreffend das Verfahren betreffend ihren am 01.10.2019 gestellten Antrag auf erstmalige Erteilung eines Aufenthaltstitels
„Rot-Weiß-Rot – Karte plus“ ein.
Begründend wird in der Säumnisbeschwerde vorgebracht, die Beschwerdeführerin habe am 01.10.2019 einen Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels „Rot-Weiß-Rot Karte plus“ eingebracht, über den bis dato nicht entschieden worden sei. Das Verstreichen der sechsmonatigen Entscheidungsfrist des § 73 AVG werde durch Verweis auf die aktenkundige Einreichbestätigung glaubhaft gemacht.
Es werde beantragt, das Verwaltungsgericht möge in der Sache selbst entscheiden und den beantragten Aufenthaltstitel erteilen.
1.7. Mit Schreiben vom 17.11.2020 legte die Behörde die am 16.11.2020 eingebrachte Säumnisbeschwerde der Beschwerdeführerin (und die Säumnisbeschwerde der Mutter der Beschwerdeführerin vom selben Tag) samt Verwaltungsakt dem Landesverwaltungsgericht Niederösterreich vor, wo sie am 26.11.2020 einlangte. Von der Möglichkeit, innerhalb der Nachfrist von drei Monaten über den am 01.10.2019 gestellten Antrag auf erstmalige Erteilung eines Aufenthaltstitels zu entscheiden, machte die Behörde keinen Gebrauch.
1.8. Das Landesverwaltungsgericht Niederösterreich ging jedenfalls vorläufig von der Zulässigkeit und Begründetheit der Säumnisbeschwerde vom 18.11.2020 aus und beraumte zunächst für den 19.04.2021 eine öffentliche mündliche Verhandlung an.
Zu der für den 19.04.2021 anberaumten öffentliche mündliche Verhandlung erschienen lediglich der anwaltliche Vertreter der Beschwerdeführerin (und deren Mutter) und die geladene Dolmetscherin für die türkische Sprache.
Da der anwaltliche Vertreter der Beschwerdeführerin und deren Mutter angab, die Beschwerdeführerin und ihre Mutter seien als Kontaktpersonen einer positiv auf Covid19 getesteten Person eingestuft und von der Behörde aufgefordert worden, zu Hause zu bleiben, wobei er ausdrücklich die Vertagung der Verhandlung zwecks persönlicher Befragung der Beschwerdeführerin bzw. deren Mutter beantragte, wurde die Fortsetzung der mündlichen Verhandlung für den 17.05.2021 anberaumt.
1.9. Mit Eingabe des anwaltlichen Vertreters der Beschwerdeführerin und ihrer Mutter vom 10. Mai 2021 wurde eine Reihe an Unterlagen vorgelegt, unter anderem wurde der Bescheid der Niederösterreichischen Landesregierung vom 09.03.2021, Zl. ***, mit dem dem zusammenführenden Vater der Beschwerdeführerin, Herrn D, die österreichische Staatsbürgerschaft mit Wirkung vom 09.03.2021 verliehen wurde, vorgelegt.
1.10. Im Hinblick auf den vorgelegten Bescheid, mit dem dem Vater der Beschwerdeführerin nunmehr die österreichische Staatsbürgerschaft verliehen worden war, teilte das Landesverwaltungsgericht Niederösterreich der Beschwerdeführerin mit Schreiben vom 11.05.2021 mit, dass im Hinblick darauf, dass § 46 Abs. 1 Z 2 lit b NAG voraussetzt, dass der Zusammenführende ein Drittstaatsangehöriger ist und der zusammenführende Vater der Beschwerdeführerin aufgrund der Verleihung der österreichischen Staatsbürgerschaft kein Drittstaatsangehöriger gem. § 2 Abs. 1 Z 6 iVm § 2 Abs. 1 Z 1 NAG (mehr) ist, die Abweisung des Antrags auf erstmalige Erteilung eines Aufenthaltstitels „Rot-Weiß-Rot – Karte plus“ beabsichtigt sei, wobei darauf hingewiesen wurde, dass Familienangehörigen von österreichischen Staatsbürgern (bei Erfüllung der Voraussetzungen) ein Aufenthaltstitel „Familienangehöriger“ gem. § 47 Abs. 2 NAG erteilt werden könne, wobei weiter darauf hingewiesen wurde, dass für die Entscheidung über Anträge auf Erteilung eines (– im Unterschied zu Anträgen über die Erteilung von „Rot-Weiß-Rot – Karten plus“ gem. § 46 Abs. 2 NAG nicht quotenpflichtigen –) Aufenthaltstitels „Familienangehöriger“ gem. § 47 Abs. 2 NAG nicht die Landeshauptfrau von Niederösterreich, sondern die örtlich zuständige Bezirkshauptmannschaft zuständig sei. Die Beschwerdeführerin und ihre Mutter wurden mit dem Schreiben des Landesverwaltungsgericht Niederösterreich aufgefordert, mitzuteilen, ob vor diesem Hintergrund die verfahrensgegenständlichen Anträge auf Erteilung von Aufenthaltstiteln gem. § 46 NAG („Rot-Weiß-Rot – Karte plus“) aufrechterhalten werden.
1.11. Mit E-Mail des anwaltlichen Vertreters der Beschwerdeführerin (und ihrer Mutter) vom 11.05.2021 wurde daraufhin mitgeteilt, dass die Beschwerdeführerin und ihre Mutter „ihren Antrag auf den Aufenthaltstitel ‚Familienangehöriger eines Österreichers‘ iS § 47 Abs 2 NAG“ „zweckändern“.
2. Feststellungen, Beweiswürdigung:
2.1. Neben dem oben dargelegten Verfahrensgang werden dieser Entscheidung folgende entscheidungswesentlichen Feststellungen zugrundegelegt, die sich ebenso wie der dargelegte Verfahrensgang aus dem unbedenklichen Akteninhalt ergeben, wobei insbesondere auf die vorgelegten Kopien der türkischen Reisepässe der Beschwerdeführerin und ihrer Mutter, die durchgeführten Abfragen im Zentraken Fremdenregister, den Bescheid der Niederösterreichischen Landesregierung vom 09.03.2021, Zl. ***, den im Akt befindlichen (ursprünglichen) Antrag vom 01.10.2019, die Säumnisbeschwerde vom 18.11.2020 und das E-Mail des anwaltlichen Vertreters der Beschwerdeführerin vom 11.05.2021 zu verweisen ist.
2.2. Die Beschwerdeführerin, mj. A, wurde am *** in ***, Türkei geboren. Sie ist Staatsangehörige der Republik Türkei.
2.3. Die Beschwerdeführerin ist die Tochter von Herrn D, der am *** in der Türkei geboren wurde, der aber jedenfalls seit dem Jahr 2007 in Österreich niedergelassen ist.
2.4. Die Beschwerdeführerin reiste (ebenso wie ihre Mutter B) am 12.07.2019 mit einem von 12.07.2019 bis 22.10.2019 gültigen Visum „C“ in das Bundesgebiet ein und hält sich die Beschwerdeführerin ebenso wie deren Mutter seither im Bundesgebiet auf. Die Beschwerdeführerin und ihre Mutter sind aktuell an der Adresse ***, ***, ***, Hauptwohnsitz gemeldet.
2.5. Am 01.10.2019 stellte die Beschwerdeführerin bei der Bezirkshauptmannschaft Amstetten einen Antrag auf erstmalige Erteilung eines Aufenthaltstitels „Rot-Weiß-Rot – Karte plus“ zum Zweck der Familienzusammenführung mit ihrem in Österreich niedergelassenen Vater, Herrn D.
Parallel dazu stellte die Mutter der Beschwerdeführerin ebenfalls am 01.10.2019 auch für sich selbst einen Antrag auf erstmalige Erteilung eines Aufenthaltstitels „Rot-Weiß-Rot – Karte plus“ zum Zweck der Familienzusammenführung mit Herrn D als deren in Österreich niedergelassenem Ehemann.
2.6. Am 18.11.2020 erhob die Beschwerdeführerin die verfahrensgegenständliche Säumnisbeschwerde wegen Verletzung der Entscheidungspflicht im Verfahren betreffend ihren am 01.10.2019 gestellten Antrag auf erstmalige Erteilung eines Aufenthaltstitels „Rot-Weiß-Rot – Karte plus“. Diese (dritte) Säumnisbeschwerde wurde dem Landesverwaltungsgericht Niederösterreich durch die Landeshauptfrau von Niederösterreich zur Entscheidung vorgelegt. Über den am 01.10.2019 gestellten Antrag der Beschwerdeführerin auf erstmalige Erteilung eines Aufenthaltstitels „Rot-Weiß-Rot – Karte plus“ wurde (ebenso wie über den Antrag der Mutter der Beschwerdeführerin) von der Landeshauptfrau von Niederösterreich bis dato nicht entschieden
2.7. Sowohl bei der Stellung des Antrags auf erstmalige Erteilung eines Aufenthaltstitels „Rot-Weiß-Rot – Karte plus“ zum Zweck der Familienzusammenführung mit ihrem Vater am 01.10.2019, als auch im Zeitpunkt der Erhebung der verfahrensgegenständlichen Säumnisbeschwerde war der Vater der Beschwerdeführerin türkischer Staatsangehöriger und Inhaber eines Aufenthaltstitels „Rot-Weiß-Rot – Karte plus“.
Mit Bescheid der Niederösterreichischen Landesregierung vom vom 09.03.2021 wurde dem Vater der Beschwerdeführerin die österreichische Staatsbürgerschaft verliehen.
2.8. Am 10.05.2021 wurde der am 01.10.2019 gestellte Antrag der Beschwerdeführerin auf erstmalige Erteilung eines Aufenthaltstitels „Rot-Weiß-Rot – Karte plus“ gem. § 46 Abs. 1 Z 2 lit b NAG (ebenso wie der Antrag ihrer Mutter) dahingehend geändert, dass nunmehr die Erteilung eines Aufenthaltstitels „Familienangehöriger“ gem. § 47 Abs. 2 NAG beantragt wird.
3. Rechtslage:
3.1. Die hier maßgeblichen Bestimmungen des Bundesgesetzes über das Verfahren der Verwaltungsgerichte (Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz – VwGVG), BGBl. I 33/2013 idgF lauten auszugsweise wie folgt:
„[…]
Frist zur Erhebung der Säumnisbeschwerde
§ 8. (1) Beschwerde wegen Verletzung der Entscheidungspflicht gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 3 B-VG (Säumnisbeschwerde) kann erst erhoben werden, wenn die Behörde die Sache nicht innerhalb von sechs Monaten, wenn gesetzlich eine kürzere oder längere Entscheidungsfrist vorgesehen ist, innerhalb dieser entschieden hat. Die Frist beginnt mit dem Zeitpunkt, in dem der Antrag auf Sachentscheidung bei der Stelle eingelangt ist, bei der er einzubringen war. […]
[…]
Anzuwendendes Recht
§ 17. Soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, sind auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles, die Bestimmungen der Bundesabgabenordnung – BAO, BGBl. Nr. 194/1961, des Agrarverfahrensgesetzes – AgrVG, BGBl. Nr. 173/1950, und des Dienstrechtsverfahrensgesetzes 1984 – DVG, BGBl. Nr. 29/1984, und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.
[…]
Verhandlung
§ 24. (1) Das Verwaltungsgericht hat auf Antrag oder, wenn es dies für erforderlich hält, von Amts wegen eine öffentliche mündliche Verhandlung durchzuführen.
[…]
(4) Soweit durch Bundes- oder Landesgesetz nicht anderes bestimmt ist, kann das Verwaltungsgericht ungeachtet eines Parteiantrags von einer Verhandlung absehen, wenn die Akten erkennen lassen, dass die mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten lässt, und einem Entfall der Verhandlung weder Art. 6 Abs. 1 der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten noch Art. 47 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union entgegenstehen.
[…]
Erkenntnisse
§ 28. (1) Sofern die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder das Verfahren einzustellen ist, hat das Verwaltungsgericht die Rechtssache durch Erkenntnis zu erledigen.
[…]
Beschlüsse
§ 31. (1) Soweit nicht ein Erkenntnis zu fällen ist, erfolgen die Entscheidungen und Anordnungen durch Beschluss.
[…]
(3) Auf die Beschlüsse des Verwaltungsgerichtes sind § 29 Abs. 1 zweiter Satz, 2a, 2b, 4 und 5, § 30, § 38a Abs. 3 und § 50 Abs. 3 sinngemäß anzuwenden. Dies gilt nicht für verfahrensleitende Beschlüsse.
[…]“
3.2. Die §§ 6, 13 und 73 des Allgemeinen Verwaltungsverfahrensgesetzes 1991 – AVG, BGBl. Nr. 51/1991 (WV) idgF haben auszugsweise folgenden Wortlaut:
„§ 6. (1) Die Behörde hat ihre sachliche und örtliche Zuständigkeit von Amts wegen wahrzunehmen; langen bei ihr Anbringen ein, zu deren Behandlung sie nicht zuständig ist, so hat sie diese ohne unnötigen Aufschub auf Gefahr des Einschreiters an die zuständige Stelle weiterzuleiten oder den Einschreiter an diese zu weisen.
[…]
3. Abschnitt: Verkehr zwischen Behörden und Beteiligten
Anbringen
§ 13. (1)
[…]
(7)
(8) Der verfahrenseinleitende Antrag kann in jeder Lage des Verfahrens bis zu einer allfälligen Schließung des Ermittlungsverfahrens (§ 39 Abs. 3) geändert werden. Durch die Antragsänderung darf die Sache ihrem Wesen nach nicht geändert und die sachliche und örtliche Zuständigkeit nicht berührt werden.
[…]
3. Abschnitt: Entscheidungspflicht
§ 73 AVG (1) Die Behörden sind verpflichtet, wenn in den Verwaltungsvorschriften nicht anderes bestimmt ist, über Anträge von Parteien (§ 8) und Berufungen ohne unnötigen Aufschub, spätestens aber sechs Monate nach deren Einlangen den Bescheid zu erlassen. Sofern sich in verbundenen Verfahren (§ 39 Abs. 2b) aus den anzuwendenden Rechtsvorschriften unterschiedliche Entscheidungsfristen ergeben, ist die zuletzt ablaufende maßgeblich.“
3.3. Die hier maßgeblichen Bestimmungen des Bundesgesetzes über die Niederlassung und den Aufenthalt in Österreich (Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz – NAG), BGBl. I 100/2005 idgF lauten auszugsweise wie folgt:
„Begriffsbestimmungen
§ 2. (1) Im Sinne dieses Bundesgesetzes ist
1. Fremder: wer die österreichische Staatsbürgerschaft nicht besitzt;
[…]
6. Drittstaatsangehöriger: ein Fremder, der nicht EWR-Bürger oder Schweizer Bürger ist;
2. Hauptstück
Behördenzuständigkeiten
Sachliche Zuständigkeit
§ 3. (1) Behörde nach diesem Bundesgesetz ist der örtlich zuständige Landeshauptmann. Der Landeshauptmann kann, wenn dies im Interesse der Einfachheit, Zweckmäßigkeit oder Sparsamkeit der Verwaltung gelegen ist, die Bezirksverwaltungsbehörden mit Verordnung ermächtigen, alle oder bestimmte Fälle zu entscheiden.
[…]
[…]
2. TEIL
BESONDERER TEIL
1. Hauptstück
Niederlassung von Drittstaatsangehörigen
[…]
Bestimmungen über die Familienzusammenführung
§ 46. (1) Familienangehörigen von Drittstaatsangehörigen ist ein Aufenthaltstitel „Rot-Weiß-Rot – Karte plus“ zu erteilen, wenn sie die Voraussetzungen des 1. Teiles erfüllen, und
1. der Zusammenführende einen Aufenthaltstitel „Rot-Weiß-Rot – Karte“ gemäß § 41, einen Aufenthaltstitel „Rot-Weiß-Rot – Karte plus“ gemäß § 41a Abs. 1, 4 oder 7a, eine Niederlassungsbewilligung gemäß § 43 Abs. 1, eine „Niederlassungsbewilligung – Sonderfälle unselbständiger Erwerbstätigkeit“, sofern dieser Niederlassungsbewilligung eine Tätigkeit gemäß § 1 Abs. 2 lit. f und i AuslBG zu Grunde liegt, oder eine „Niederlassungsbewilligung – Forscher“ gemäß § 43c innehat,
1a. der Zusammenführende als nunmehriger Inhaber eines Aufenthaltstitels „Daueraufenthalt – EU“ ursprünglich einen Aufenthaltstitel nach Z 1 innehatte,
2. ein Quotenplatz vorhanden ist und der Zusammenführende
a) einen Aufenthaltstitel „Daueraufenthalt – EU“ innehat,
b) einen Aufenthaltstitel „Rot-Weiß-Rot – Karte plus“, ausgenommen einen solchen gemäß § 41a Abs. 1, 4 oder 7a innehat,
c) Asylberechtigter ist und § 34 Abs. 2 AsylG 2005 nicht gilt,
d) als unionsrechtlich aufenthaltsberechtigter Drittstaatsangehöriger über eine Aufenthaltskarte gemäß § 54 oder eine Daueraufenthaltskarte gemäß § 54a verfügt oder
e) einen Aufenthaltstitel „Artikel 50 EUV“ innehat.
[…]
2. Hauptstück
Familienangehörige und andere Angehörige von dauernd in Österreich wohnhaften Zusammenführenden
Aufenthaltstitel „Familienangehöriger“ und „Niederlassungsbewilligung – Angehöriger“
§ 47. (1) Zusammenführende im Sinne der Abs. 2 bis 4 sind Österreicher oder EWR-Bürger oder Schweizer Bürger, die in Österreich dauernd wohnhaft sind und nicht ihr unionsrechtliches oder das ihnen auf Grund des Freizügigkeitsabkommens EG-Schweiz zukommende Aufenthaltsrecht von mehr als drei Monaten in Anspruch genommen haben.
(2) Drittstaatsangehörigen, die Familienangehörige von Zusammenführenden sind, ist ein Aufenthaltstitel „Familienangehöriger“ zu erteilen, wenn sie die Voraussetzungen des 1. Teiles erfüllen.
[…]“
3.4.. Die Verordnung der Landeshauptfrau von Niederösterreich vom 20.09.2017 über die Vollziehung des Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetzes 2017, NÖ LGBl. Nr. 78/2017 lautet auszugsweise wie folgt:
„§ 1
Aufenthaltstitel
(1) Die Bezirksverwaltungsbehörden des Landes Niederösterreich werden ermächtigt, alle in die sachliche Zuständigkeit des Landeshauptmannes oder der Landeshauptfrau fallenden Entscheidungen im Zusammenhang mit
a) Aufenthaltstiteln (§ 8 NAG) und
b) Dokumentationen des unionrechtlichen Aufenthaltsrechts (§ 9 NAG)
zu treffen.
(2) Abs. 1 gilt nicht für Verfahren betreffend:
a) Aufenthaltstitel „Rot-Weiß-Rot – Karte“ für Schlüsselkräfte (§ 41 NAG),
b) Aufenthaltstitel „Rot-Weiß-Rot – Karte plus“ für Familienangehörige von Schlüsselkräften, die einen Aufenthaltstitel „Rot-Weiß-Rot – Karte“ in den Fällen des § 41 NAG oder einen Aufenthaltstitel „Rot-Weiß-Rot – Karte plus“ in den Fällen des § 41a Abs. 1 und Abs. 7a NAG innehaben (§ 46 Abs. 1 Z 1 NAG), in Erstantragsverfahren, Verfahren gemäß § 24 Abs. 4 NAG und Verfahren gemäß § 26 NAG,
c) Aufenthaltstitel „Blaue Karte EU“ für Schlüsselkräfte (§ 42 NAG),
d) Aufenthaltstitel „Rot-Weiß-Rot – Karte plus“ für Familienangehörige von Schlüsselkräften, die einen Aufenthaltstitel „Blaue Karte EU“ gemäß § 42 NAG oder einen anderen Aufenthaltstitel innehaben, nachdem sie ursprünglich über einen Aufenthaltstitel „Blaue Karte EU“ verfügt haben (§ 46 Abs. 3 NAG), in Erstantragsverfahren, Verfahren gemäß § 24 Abs. 4 NAG und Verfahren gemäß § 26 NAG,
e) quotenpflichtige Aufenthaltstitel „Niederlassungsbewilligung – ausgenommen Erwerbstätigkeit“ in den Fällen der §§ 44 Abs. 1 und 46 Abs. 5 in Verbindung mit 44 Abs. 1 NAG,
f) quotenpflichtige Aufenthaltstitel „Rot-Weiß-Rot – Karte plus“ für Familienangehörige von Drittstaatsangehörigen in den Fällen des § 46 Abs. 1 Z 2 NAG,
g) quotenpflichtige Aufenthaltstitel „Niederlassungsbewilligung“ für Familienangehörige von Drittstaatsangehörigen in den Fällen des § 46 Abs. 4 NAG,
h) quotenpflichtige Aufenthaltstitel „Rot-Weiß-Rot – Karte plus“ in den Fällen der §§ 47 Abs. 4 und 56 Abs. 3 NAG,
) quotenpflichtige Aufenthaltstitel „Niederlassungsbewilligung“ zur Ausübung einer selbständigen Erwerbstätigkeit (§ 49 Abs. 4 NAG) und Aufenthaltstitel „Rot-Weiß-Rot – Karte“ zur Ausübung einer unselbständigen Erwerbstätigkeit (§ 49 Abs. 2 NAG) und Aufenthaltstitel „Niederlassungsbewilligung – ausgenommen Erwerbstätigkeit“ in den Fällen des § 49 Abs. 1 NAG,
j) Aufenthaltstitel „Rot-Weiß-Rot – Karte plus“ für Familienangehörige in den Fällen des § 49 Abs. 2 und Aufenthaltstitel „Niederlassungsbewilligung“ für Familienangehörige in den Fällen des § 49 Abs. 4 NAG und Aufenthaltstitel „Niederlassungsbewilligung – ausgenommen Erwerbstätigkeit“ für Familienangehörige in den Fällen des § 49 Abs. 1 NAG (§ 50 Abs. 1 NAG), jeweils in Erstantragsverfahren, Verfahren gemäß § 24 Abs. 4 NAG und Verfahren gemäß § 26 NAG,
k) Aufenthaltstitel „Blaue Karte EU“ für Drittstaatsangehörige mit einem Aufenthaltstitel „Blaue Karte EU“ eines anderen Mitgliedstaates (§ 50a Abs. 1 NAG) und Aufenthaltstitel „Rot-Weiß-Rot – Karte plus“ für deren Familienangehörige (§ 50a Abs. 2 NAG), jeweils in Erstantragsverfahren, Verfahren gemäß § 24 Abs. 4 NAG und Verfahren gemäß § 26 NAG,
l) Aufenthaltsbewilligung als unternehmensintern transferierter Arbeitnehmer ("ICT“, § 58 NAG) und Aufenthaltsbewilligung als mobiler unternehmensintern transferierter Arbeitnehmer ("mobile ICT“, § 58a NAG), jeweils in Erstantragsverfahren, Verfahren gemäß § 24 Abs. 4 NAG und Verfahren gemäß § 26 NAG,
m) Aufenthaltsbewilligung „Familiengemeinschaft“ für Familienangehörige von Drittstaatsangehörigen mit einer Aufenthaltsbewilligung als unternehmensintern transferierter Arbeitnehmer ("ICT“, § 58 NAG) oder Aufenthaltsbewilligung als mobiler unternehmensintern transferierter Arbeitnehmer ("mobile ICT“, § 58a NAG) (§ 69 Abs. 3 NAG), jeweils in Erstantragsverfahren, Verfahren gemäß § 24 Abs. 4 NAG und Verfahren gemäß § 26 NAG, und
n) Entziehung eines Aufenthaltstitels in den Fällen des § 28 Abs. 6 NAG, mit Ausnahme der Fälle betreffend die Aufenthaltstitel gemäß § 43a Abs. 1 Z 1 NAG.“
4. Erwägungen:
4.1. Zur Zurückweisung der Säumnisbeschwerde:
4.1.1. Gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 3 B-VG erkennen die Verwaltungsgerichte über Beschwerden wegen Verletzung der Entscheidungspflicht durch eine Verwaltungsbehörde. Die Zulässigkeit einer Säumnisbeschwerde setzt die Säumnis der vor dem Verwaltungsgericht belangten Behörde voraus, deren Entscheidungspflicht geltend gemacht wird, und somit die Verpflichtung dieser Behörde, über den bei ihr eingebrachten Antrag mittels Bescheides zu entscheiden. Fehlt es an der Säumnis der Behörde, so ist die Säumnisbeschwerde zurückzuweisen (wobei im Falle einer verfrüht eingebrachten Säumnisbeschwerde eine Heilung durch Fristablauf nach Erhebung nicht in Betracht kommt: vgl. etwa VwSlg. 18.604 A/2013). Nur bei Vorliegen einer zulässigen und berechtigten Säumnisbeschwerde erfolgt nach Vorlage derselben oder nach ungenütztem Ablauf der Nachfrist ein Übergang der Zuständigkeit, über die betriebene Verwaltungsangelegenheit zu entscheiden, auf das Verwaltungsgericht (vgl. etwa VwGH 27.05.2020, Ra 2020/03/0019).
4.1.2. Mit der verfahrensgegenständlichen Säumnisbeschwerde machte die Beschwerdeführerin eine Verletzung der Entscheidungspflicht im Verfahren über ihren am 01.10.2019 gestellten Antrag auf erstmalige Erteilung eines Aufenthaltstitels „Rot-Weiß-Rot – Karte plus“ gem. § 46 Abs. 1 Z 2 lit. b NAG geltend.
Dieser auf erstmalige Erteilung eines Aufenthaltstitels „Rot-Weiß-Rot – Karte plus“ gem. § 46 Abs. 1 Z 2 lit. b NAG gerichtete Antrag vom 01.10.2019 wurde mit Eingabe des anwaltlichen Vertreters der Beschwerdeführerin vom 11.05.2021 dahingehend geändert, dass nunmehr die Erteilung eines Aufenthaltstitels „Familienangehöriger“ gem. § 47 Abs. 2 NAG beantragt wird.
4.1.3. Gemäß § 13 Abs. 8 AVG kann ein verfahrenseinleitender Antrag in jeder Lage des Verfahrens geändert werden, sofern durch die Antragsänderung die Sache ihrem Wesen nach nicht geändert und die sachliche und örtliche Zuständigkeit nicht berührt werden.
Änderungen eines Antrages, die nicht wesentlich sind, können aufgrund von § 13 Abs. 8 AVG in jedem Stadium eines Verfahrens und somit auch im Rahmen des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens vorgenommen werden können. Liegt hingegen eine wesentliche Änderung des verfahrenseinleitenden Antrages vor, so ist dies als Zurückziehung des ursprünglichen Anbringens und als Stellung eines neuen Anbringens zu qualifizieren (vgl. VwGH 25.10.2017, Ra 2017/07/0073).
Vorliegend ist aus folgenden Gründen davon auszugehen, dass dadurch, dass der ursprüngliche, auf die Erteilung einer „Rot-Weiß-Rot – Karte plus“ gem. § 46 NAG gerichtete Antrag der Beschwerdeführerin vom 01.10.2019 dahingehend geändert wurde, dass nunmehr die erstmalige Erteilung eines Aufenthaltstitels „Familienangehöriger“ gem. § 47 Abs. 2 NAG beantragt wird, eine wesentliche Änderung des verfahrenseinleitenden Antrages, wegen dessen Nicht-Erledigung die verfahrensgegenständliche Säumnisbeschwerde erhoben worden war, erfolgt ist.
Zwar begehrt die Beschwerdeführerin weiterhin die Erteilung eines Aufenthaltstitels nach dem Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz, der ihr eine Niederlassung in Österreich zum Zweck der Familienzusammenführung mit ihrem Ehemann ermöglicht. Ihr Antrag ist nunmehr aber auf die Erteilung eines anderen Aufenthaltstitels gerichtet, und ist ihr nunmehriger Antrag am Maßstab einer anderen Norm als der ursprüngliche Antrag, nämlich nicht mehr am Maßstab von § 46 NAG, sondern am Maßstab von § 47 NAG zu beurteilen. Nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes wird die Sache des behördlichen Verfahrens, weil diese durch die jeweils zur Anwendung kommende Verwaltungsvorschrift bestimmt wird, jedenfalls durch Antragsänderungen verlassen, die die Anwendbarkeit einer anderen Norm zur Folge haben (vgl. VwGH 17.06.2019, Ra 2019/22/0021).
Auch unterscheiden sich die (besonderen) Erteilungsvoraussetzungen für die Erteilung des ursprünglich beantragten Aufenthaltstitels gem. § 46 NAG und die für die Erteilung des nunmehr beantragten Aufenthaltstitels gem. § 47 NAG schon aufgrund dessen, dass ein Aufenthaltstitel gem. § 46 Abs. 1 Z 2 NAG die Zuteilung eines Quotenplatzes und die Eigenschaft als Familienangehöriger eines Drittstaatsangehörigen voraussetzt, während Aufenthaltstitel gem. § 47 Abs. 2 NAG keinen Quotenplatz und die Eigenschaft als Familienangehöriger eines Zusammenführenden iSd § 47 Abs. 1 NAG voraussetzt, wesentlich von einander.
Insbesondere wird aber durch die gegenständlich erfolgte Antragsänderung die sachliche und örtliche Zuständigkeit berührt. Dies ergibt sich aus der der Verordnung über die Vollziehung des Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetzes 2017, NÖ LGBl. Nr. 78/2017, mit deren § 1 Abs. 1 die Bezirksverwaltungsbehörden des Landes Niederösterreich ermächtigt werden, alle in die sachliche Zuständigkeit des Landeshauptmannes oder der Landeshauptfrau fallenden Entscheidungen im Zusammenhang mit Aufenthaltstiteln (§ 8 NAG) und Dokumentationen des unionrechtlichen Aufenthaltsrechts (§ 9 NAG) zu treffen, während in § 1 Abs. 2 der genannten Verordnung jene Verfahren angeführt werden, in denen die Regelung des § 1 Abs. 1 der Verordnung über die Vollziehung des Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetzes 2017, NÖ LGBl. Nr. 78/2017 nicht gilt.
Aufgrund von § 1 Abs. 2 lit f der Verordnung über die Vollziehung des Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetzes 2017, NÖ LGBl. Nr. 78/2017, nach der § 1 Abs. 1 der genannten Verordnung nicht für Verfahren betreffend quotenpflichtige Aufenthaltstitel „Rot-Weiß-Rot – Karte plus“ für Familienangehörige von Drittstaatsangehörigen in den Fällen des § 46 Abs. 1 Z 2 NAG gilt, lag die Zuständigkeit zur Entscheidung über den ursprünglichen, am 01.10.2019 gestellten Antrag auf erstmalige Erteilung eines (der Quotenplicht) unterliegenden Aufenthaltstitels „Rot-Weiß-Rot – Karte plus“ gem. § 46 Abs. 1 NAG bei der Landeshauptfrau von Niederösterreich.
Zur Entscheidung über einen (nicht der Quotenpflicht unterliegenden) Antrag auf erstmalige Erteilung eines Aufenthaltstitels „Familienangehöriger“ gem. § 47 Abs. 2 NAG hingegen ist gem. § 1 Abs. 1 der Verordnung über die Vollziehung des Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetzes 2017, NÖ LGBl. Nr. 78/2017 die jeweils örtliche zuständige Bezirkshauptmannschaft, vorliegend somit die Bezirkshauptmannschaft Amstetten, zuständig.
Es kann somit nicht davon ausgegangen werden, dass die erfolgte Antragsänderung im Sinne des § 13 Abs. 8 zweiter Satz AVG die sachliche und örtliche Zuständigkeit nicht berühren würde.
Da somit dadurch, dass der ursprüngliche, auf die Erteilung einer „Rot-Weiß-Rot – Karte plus“ gem. § 46 NAG gerichtete Antrag der Beschwerdeführerin vom 19.11.2019, wegen dessen Nicht-Erledigung Säumnisbeschwerde erhoben wurde, dahingehend geändert wurde, dass nunmehr die erstmalige Erteilung eines Aufenthaltstitels „Familienangehöriger“ gem. § 47 Abs. 2 NAG beantragt wird, eine Antragsänderung erfolgt ist, die sowohl iSd § 13 Abs. 8 AVG die Sache ihrem Wesen nach als auch die sachliche und örtliche Zuständigkeit berührt, liegt eine wesentliche Änderung des verfahrenseinleitenden Antrags vor, aufgrund derer der ursprüngliche Antrag der Beschwerdeführerin vom 01.10.2019, wegen dessen Erledigung Säumnis geltend gemacht worden war, als zurückgezogen gilt (VwGH 25.10.2017, Ra 2017/07/0073, Rz 35 bis 39).
4.1.4. Prozessvoraussetzung im verwaltungsgerichtlichen Verfahren über eine Säumnisbeschwerde ist das Vorliegen von Säumnis der Behörde. Fehlt es an der Säumnis, so ist die Säumnisbeschwerde zurückzuweisen (vgl. VwGH 23.08.2017, Ra 2017/11/0150 mit Verweis auf die übertragbare Judikatur zur Säumnis-beschwerde gemäß § 27 VwGG idF vor der Verwaltungsgerichtsbarkeitsreform).
Die eine Prozessvoraussetzung darstellende Säumnis muss einerseits bereits im Zeitpunkt der Erhebung einer Säumnisbeschwerde gegeben sein, wobei im Falle einer verfrüht eingebrachten Säumnisbeschwerde eine Heilung durch Fristablauf nach Erhebung nicht in Betracht kommt (vgl. etwa VwSlg. 18.604 A/2013).
Die Prozessvoraussetzung der Säumigkeit muss aber auch noch zum Zeitpunkt der Entscheidung über die Säumnisbeschwerde gegeben sein, was allenfalls auch zur Folge haben kann, dass eine ursprünglich zulässige Säumnisbeschwerde unzulässig werden kann und zurückzuweisen ist. So wies der Verwaltungsgerichtshof etwa eine Säumnisbeschwerde mangels Säumnis der Behörde zurück, weil nach Einbringung der Säumnisbeschwerde durch eine Gesetzesänderung die Entscheidungsfrist neuerlich in Gang gesetzt wurde und somit die ursprünglich gegebene Säumnis weggefallen war (VwGH 26.1.1998, 96/10/0044) und wies der Verwaltungsgerichtshof etwa auch eine (damals noch gem. § 27 VwGG idF vor der Verwaltungsgerichtsbarkeitsreform, erhobene) Säumnisbeschwerde zurück, weil die Zuständigkeit der säumigen belangten Behörde zur Entscheidung nach Einbringung der Säumnisbeschwerde infolge Gesetzesänderung weggefallen, und somit deren Entscheidungsbefugnis, die wiederum Voraussetzung für das Vorliegen von Säumnis ist, untergegangen ist (VwGH 27.6.2007, 2007/04/0034).
4.1.5. Auch vorliegend liegt zum Zeitpunkt dieser Entscheidung die Prozessvoraussetzung der Säumnis nicht (mehr) vor:
Zum Zeitpunkt des Einlangens der gegenständlichen Säumnisbeschwerde lag die Zuständigkeit zur Entscheidung über den Antrag der Beschwerdeführerin, wegen dessen Erledigung Säumnis geltend gemacht wurde, bei der Landeshauptfrau von Niederösterreich, da diese zur Entscheidung über Anträge über die erstmalige Erteilung einer „Rot-Weiß-Rot -Karte plus“ gem. § 46 Abs. 1 NAG, wie sie von der Beschwerdeführerin (deren Ehemann zum Zeitpunkt der Antragstellung und zum Zeitpunkt der Einbringung der Säumnisbeschwerde als türkischer Staatsangehöriger Drittstaatsangehöriger und Inhaber eine Rot-Weiß-Rot – Karte plus war) ursprünglich beantragt worden war.
Eine Säumnis der Landeshauptfrau von Niederösterreich kann aber zum jetzigen Zeitpunkt schon deshalb nicht (mehr) vorliegen, da zum einen aus den oben dargelegten Gründen davon auszugehen ist, dass durch die wesentliche, die Grenzen des § 13 Abs. 8 AVG überschreitende Änderung des verfahrenseinleitenden Antrags dahingehend, dass nunmehr ein Aufenthaltstitel „Familienangehöriger“ gem. § 47 Abs. 2 NAG begehrt wird, der ursprüngliche, auf Erteilung einer „Rot-Weiß-Rot – Karte plus“ gerichtete Antrag vom 01.10.2019 als zurückgezogen gilt und die Landeshauptfrau von Niederösterreich somit hinsichtlich dieses ursprünglichen, nunmehr zurückgezogenen Antrages nicht mehr säumig sein kann.
Selbst wenn man – entgegen der hier zugrunde gelegten Auffassung – davon ausginge, dass durch die Modifikation des Antrags am 11.05.2021 nur eine zulässige, die Grenzen des § 13 Abs. 8 AVG nicht überschreitende Änderung des verfahrenseinleitenden Antrages erfolgt sei, kommt eine Säumnis der Landeshauptfrau von Niederösterreich zum Entscheidungszeitpunkt schon deshalb (nicht) mehr in Betracht, weil aufgrund von § 1 Abs. 1 der Verordnung über die Vollziehung des Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetzes 2017, NÖ LGBl. Nr. 78/2017 die Zuständigkeit zur Entscheidung über einen Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels „Familienangehöriger“ bei der örtlich zuständigen Bezirkshauptmannschaft liegt. Mangels Zuständigkeit zur Entscheidung über den mit E-Mail vom 10.05.2021 modifizierten Antrag kommt somit – selbst wenn man entgegen der hier zugrunde gelegten Rechtsauffassung nicht von einer konkludenten Zurückziehung des verfahrenseinleitenden Antrags, wegen dessen (Nicht-)Entscheidung die verfahrensgegenständliche Säumnisbeschwerde erhoben wurde, ausginge – eine Säumnis der Landeshauptfrau von Niederösterreich jedenfalls nicht (mehr) in Betracht, da diese nicht zur Entscheidung über einen Antrag mit dem die Erteilung eines Aufenthaltstitels „Familienangehöriger“ gem. § 47 Abs. 2 NAG begehrt wird, zuständig ist und somit hinsichtlich eines solchen Antrags auch nicht säumig sein kann.
Nur der Vollständigkeit halber ist festzuhalten, dass auch keine Säumigkeit der Bezirkshauptmannschaft Amstetten vorliegt: Voraussetzung dafür, dass eine Säumnis einer Behörde vorliegen kann, ist, dass die Behörde, der Säumnis zur Last gelegt wird, verpflichtet war, über den betreffenden Antrag zu entscheiden (vgl. VwGH 27.6.2007, 2007/04/0034). Die Bezirkshauptmannschaft Amstetten war aber zum einen vor der am 11.05.2021 erfolgten Antragsänderung zuständig, über den (zwar bei dieser eingebrachten, von dieser aber richtigerweise zuständigkeitshalber an die Landeshauptfrau von Niederösterreich weitergeleiteten) ursprünglichen Antrag vom 01.10.2019 auf Erteilung einer Rot-Weiß-Rot – Karte plus zu entscheiden. Zum anderen wird der mit E-Mail vom 11.05.2021 „modifizierte“ bzw. neue Antrag, mit dem nunmehr die Erteilung eines Aufenthaltstitels „Familienangehöriger“ gem.§ 47 Abs. 2 NAG beantragt wird, der Bezirkshauptmannschaft Amstetten (erst) unter einem mit dieser Entscheidung zuständigkeitshalber gem. § 6 Abs. 1 AVG weitergeleitet (vgl. unten Pkt. 4.2.) und liegt somit – zumal die Entscheidungsfrist erst mit Einlangen des Antrags bei der zuständigen Behörde zu laufen beginnt – auch keine Säumnis der Bezirkshauptmannschaft Amstetten hinsichtlich des geänderten bzw. neuen Antrags vom 11.05.2021 auf Erteilung eines Aufenthaltstitels „Familienangehöriger“ gem. § 47 Abs. 2 NAG vor.
4.1.6. Die verfahrensgegenständliche Säumnisbeschwerde ist somit mangels Vorliegens von Säumnis unzulässig und daher spruchgemäß zurückzuweisen.
4.1.7. Da die Säumnisbeschwerde der Beschwerdeführerin aufgrund der Antragsänderung vom 11.05.2021 zurückzuweisen ist, konnte gemäß § 24 Abs. 2 Z 2 VwGVG die Fortsetzung der öffentlichen mündlichen Verhandlung entfallen.
4.2. Zur Weiterleitung des Antrags vom 10.05.2021 gem. § 6 AVG
4.2.1. Aus den oben dargelegten Gründen ist davon auszugehen, dass durch die mit E-Mail des anwaltlichen Vertreters der Beschwerdeführerin vom 11.05.2021 erfolgte „Modifikation“ des ursprünglichen, auf die Erteilung einer „Rot-Weiß-Rot – Karte plus“ gem. § 46 NAG gerichteten Antrags vom 01.10.2019, wegen dessen Nicht-Erledigung Säumnisbeschwerde erhoben wurde, dahingehend, dass nunmehr die erstmalige Erteilung eines Aufenthaltstitels „Familienangehöriger“ gem. § 47 Abs. 2 NAG beantragt wird, eine die Grenzen des § 13 Abs. 8 AVG überschreitende, wesentliche Änderung des verfahrenseinleitenden Antrags erfolgt ist.
Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist eine wesentliche Antragsänderung als Stellung eines neuen Antrages unter konkludenter Zurückziehung des ursprünglichen Antrages zu werten. Erfolgt eine solche Änderung während des Rechtsmittelverfahrens, bewirkt die (konkludente) Zurückziehung des ursprünglichen verfahrenseinleitenden Antrages den Wegfall der Zuständigkeit der Behörde zur Erlassung des Bescheides und damit nachträglich dessen Rechtswidrigkeit.
Erfolgt eine wesentliche, die Grenzen des § 13 Abs. 8 AVG überschreitende Antragsänderung im verwaltungsgerichtlichen Verfahren, hat das Verwaltungsgericht – im Fall einer gegen einen über den verfahrenseinleitenden Antrag absprechenden Bescheid erhobenen Bescheidbeschwerde – den bekämpften Bescheid ersatzlos zu beheben (vgl. VwGH 19.11.2014, Ra 2014/22/0016, mwN).
Wie der Verwaltungsgerichtshof in seinem Erkenntnis vom 25.10.2017, Ra 2017/07/0073 dargelegt hat, bedeuten diese Überlegungen umgelegt auf ein Säumnisbeschwerdeverfahren, dass im Fall einer im verwaltungsgerichtlichen Säumnisbeschwerdeverfahren erfolgenden wesentlichen Antragsänderung der Antrag, wegen dessen Erledigung Säumnis geltend gemacht wurde, als zurückgezogen gilt. Zur Entscheidung der Säumnisbeschwerde in Bezug auf den stattdessen vorliegenden neuen (wesentlich geänderten) Antrag fehlt es dem Verwaltungsgericht an der Zuständigkeit und ist der neue (wesentlich geänderte) Antrag an die zuständige Behörde weiterzuleiten (vgl. VwGH 25.10.2017, Ra 2017/07/0073, Rz 38f).
4.2.2. Da zur Entscheidung über einen Antrag auf erstmalige Erteilung eines Aufenthaltstitels „Familienangehöriger“ gem. § 47 Abs. 2 NAG gem. § 1 Abs. 1 der Verordnung über die Vollziehung des Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetzes 2017, NÖ LGBl. Nr. 78/2017 die örtlich zuständige Bezirkshauptmannschaft zuständig ist und der aktuelle Wohnsitz der Beschwerdeführerin in ***, Bezirk Amstetten liegt, wird der am 11.05.2021 beim Landesverwaltungsgericht Niederösterreich eingelangte Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels „Familienangehöriger“ gem. § 47 Abs. 2 NAG hiermit gem. § 6 Abs. 1 AVG an die Bezirkshauptmannschaft Amstetten weitergeleitet.
5. Zur Unzulässigkeit der ordentlichen Revision:
Die ordentliche Revision ist unzulässig, da keine Rechtsfrage im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG zu beurteilen war, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der zitierten bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung und ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen.
Schlagworte
Fremden- und Aufenthaltsrecht; Aufenthaltstitel; Verfahrensrecht; Säumnisbeschwerde; Antragsänderung; Zuständigkeit; Antrag;European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:LVWGNI:2021:LVwG.AV.1379.001.2020Zuletzt aktualisiert am
19.08.2021