TE Lvwg Beschluss 2021/8/11 LVwG-S-818/002-2021, LVwG-S-824/002-2021

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 11.08.2021
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Entscheidungsdatum

11.08.2021

Norm

B-VG Art89
B-VG Art135 Abs4
B-VG Art139 Abs1
StVO 1960 §43
StVO 1960 §44 Abs1
StVO 1960 §52 lita Z7a

Text

Das Landesverwaltungsgericht Niederösterreich fasst durch Dr. Flendrovsky als Einzelrichter in den Beschwerdesachen 1. des A in *** gegen das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Melk vom 5. März 2021, Zl. ***, 2. des B in *** gegen das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Melk vom 12. März 2021, ZI. ***, beide vertreten durch C, Rechtsanwalt in ***, ***, jeweils betreffend Bestrafung nach der StVO 1960, den

BESCHLUSS:

I.   Gemäß § 31 Abs. 1 VwGVG iVm Art. 139 B-VG wird an den Verfassungsgerichtshof der Antrag gestellt, die Verordnung der Bezirkshauptmannschaft Melk vom 28. April 2004, ZI. ***, in der Fassung der Verordnung vom 3. Juli 2008, Zl. ***, dem ganzen Inhalt nach als gesetzwidrig aufzuheben.

II.  Die Beschwerdeverfahren werden nach Abschluss des Verordnungsprüfungsverfahrens fortgesetzt werden.

Begründung:

I.       Unstrittiger Sachverhalt und Verfahrensgang bis zur Erhebung der zu LVwG-S-818/001-2021 protokollierten Beschwerde gegen das Straferkenntnis vom 5. März 2021

1.       Mit Strafverfügung vom 29. Juni 2020 wurde dem Beschwerdeführer dieses Verfahrens vorgeworfen, er habe am 20. Mai 2020 um 16:10 Uhr im Gemeindegebiet von *** auf der Landesstraße ***, Kreuzung *** – ***, Straßenkilometer ***, bis zum

östlichen Ende des Ortsgebietes von *** mit einem näher bezeichneten Anhänger eine Verwaltungsübertretung dadurch begangen, dass er das deutlich sichtbar aufgestellte Verbotszeichen Fahrverbot für Lastkraftfahrzeuge mit einem höchst zulässigen Gesamtgewicht von über 3,5 t sowie für mitgeführte Anhänger mit einem höchst zulässigen Gesamtgewicht von mehr als 3,5 t mit der Zusatztafel „mit dem Fahrziel östlich von ***“ nicht beachtet habe. Er sei nicht unter die Ausnahme gefallen.

Er habe dadurch § 52 lit. a Z 7a und § 99 Abs. 3 lit. a StVO 1960 iVm der Verordnung der Bezirkshauptmannschaft Melk vom 28. April 2004, ***, verletzt. Dafür wurde über ihn auf Grundlage des § 99 Abs. 3 lit. a StVO 1960 eine Geldstrafe in der Höhe von € 200,– (Ersatzfreiheitsstrafe von 92 Stunden) verhängt.

2.       Der Beschwerdeführer erhob fristgerecht Einspruch und brachte im Wesentlichen vor, er habe am Vorfallstag den LKW samt Anhänger in ***, ***, gelenkt und die D GmbH beliefert. Das Unternehmen befinde sich noch im Gemeindegebiet ***, und keinesfalls östlich davon.

3.       Mit Schreiben vom 16. Juli 2020 ersuchte die belangte Behörde die Polizeiinspektion *** um Stellungnahme zum Einspruch.

Am 19. Juli 2020 gab ein Mitarbeiter dieser Polizeiinspektion bekannt, dass sich in letzter Zeit die Beschwerden aus der Bevölkerung bezüglich des LKW-Verkehrs häufen würden und daher das bestehende Durchfahrverbot verstärkt kontrolliert worden sei. Es sei mit einem Mitarbeiter der belangten Behörde Kontakt aufgenommen worden, um Rechtssicherheit bezüglich der Auslegung der am Fahrverbot angebrachten Zusatztafeln zu erlangen. Daraus habe sich ergeben, dass mit den Bezeichnungen „mit dem Fahrziel westlich von ***“ bzw. „mit dem Fahrziel östlich von ***“ nicht die Gemeindegrenzen gemeint sein können, da es einem ortsfremden Lenker nicht möglich sei, diese zu kennen und sie auch nirgends ersichtlich seien. Für die Vollziehung würden daher die Ortstafeln „*** Ende“ beziehungsweise „*** Ende“ gelten. Eine Zufahrt zur D GmbH von *** kommend durch *** sei daher eine Verwaltungsübertretung, ebenso die Missachtung des Fahrverbotes vom *** oder von Richtung Westen kommend in Richtung ***, da bei der Kreuzung *** – *** ein Verkehrszeichen, das die Wiederholung des Durchfahrtverbotes anzeige, angebracht sei. Da bei der Fahrt des Beschwerdeführers keine Be- oder Entladetätigkeit durchgeführt worden sei und sich das Fahrziel somit außerhalb der angeführten Grenze befunden habe, liege eine Verwaltungsübertretung vor.

4.       Daraufhin forderte die belangte Behörde forderte den Beschwerdeführer mit Schreiben vom 28. Juli 2020 zur Rechtfertigung auf, wobei ihm nunmehr (leicht abweichend von der Formulierung der Strafverfügung) vorgeworfen wurde, am 20. Mai 2020 um 16:10 Uhr im Gemeindegebiet *** auf der Landesstraße *** Kreuzung ***- ***, Straßenkilometer ***, bis östliches Ende des Ortsgebietes von *** mit dem Anhänger eine Verwaltungs-übertretung dadurch begangen zu haben, dass er das deutlich sichtbar aufgestellte Verbotszeichen Fahrverbot für Lastkraftfahrzeuge mit einem höchstzulässigen Gesamtgewicht von über 3,5 t sowie für mitgeführte Anhänger mit einem höchsten zulässigen Gesamtgewicht von mehr als 3,5 t mit der Zusatztafel „mit dem Fahrziel östlich von ***“ nicht beachtet habe und unter Missachtung des Fahrverbotes bei der Kreuzung ***- *** auf der ***, Richtung *** weitergefahren sei (anstatt auf die ***, *** aufzufahren).

Dadurch habe er § 52 lit. a Z 7a sowie § 99 Abs. 3 lit. a StVO 1960 iVm der Verordnung der Bezirkshauptmannschaft Melk vom 3. Juli 2008, *** verletzt.

5.       In seiner Stellungnahme vom 10. August 2020 wies der Beschwerdeführer erneut darauf hin, dass sich der Sitz der D GmbH, für die er im Auftrag seines Dienstgebers regelmäßig Transporte durchführe, im Gemeindegebiet von *** befunden habe. Das Landesverwaltungsgericht Niederösterreich habe bereits entschieden, dass bei derartigen Fahrverboten maßgeblich sei, ob das Ziel im Gemeindegebiet liege. Die jeweiligen Verordnungen der belangten Behörde und die zu deren Kundmachung aufgestellten Verkehrszeichen seien unbestimmt. Daher mangle es dem Beschwerdeführer an jeglichem Unrechtsbewusstsein und Verschulden.

6.       Mit dem angefochtenen Straferkenntnis vom 5. März 2021 wurde dem Beschwerdeführer die bereits in der Aufforderung zur Rechtfertigung beschriebene Verwaltungsübertretung zur Last gelegt und über ihn (wie schon in der Strafverfügung) eine Geldstrafe von € 200,– (92 Stunden Ersatzfreiheitsstrafe) zuzüglich eines Verfahrenskostenbeitrages von € 20,– verhängt.

In der Begründung stellte die belangte Behörde fest, der Beschwerdeführer habe zur angelasteten Tatzeit auf der Landesstraße *** nächst Straßenkilometer *** an der Kreuzung zum *** den LKW mit Anhänger gelenkt und sei in weiterer Folge auf der Landesstraße *** weiter Richtung *** gefahren.

Die Behörde habe durch die Verordnungen vom 28. April 2004 und vom 3. Juli 2008 für die Landesstraße *** zwischen km *** (das sei unmittelbar westlich der Kreuzung mit der Anschlussrampe der Landesstraße *** in Fahrtrichtung ***) und km *** (das sei unmittelbar östlich der Autobahnanschlussstelle ***) ein Fahrverbot für LKW mit einem höchstzulässigen Gesamtgewicht von mehr als 3,5 t sowie für mitgeführte Anhänger mit einem höchstzulässigen Gesamtgewicht von mehr als 3,5 t erlassen. Dieses Verbot gelte für Fahrzeuge aus Richtung Osten kommend mit dem Fahrziel westlich von *** sowie Fahrzeuge aus Richtung Westen kommend mit dem Fahrziel östlich von ***. Es sei durch das Verkehrszeichen gemäß § 52 lit. a Z 7a 2. Bild StVO 1960 und die entsprechenden Zusatztafeln (bei km *** Zusatz: „Mit dem Fahrziel westlich von ***“, bei km *** Zusatz: „Mit dem Fahrziel östlich von ***“) sowie jeweils mit dem Zusatz „Gilt nicht zu den Verbotszeiten laut Ferienreiseverordnung“ kundgemacht worden. Die Alternativroute verlaufe über die ***, ***.

Das Fahrziel des Beschwerdeführers sei sohin entgegen seinen Angaben östlich von *** gelegen.

Der Vollständigkeit halber werde auch noch festgehalten, dass die D GmbH zwar im Gemeindegebiet von *** gelegen sei, jedoch westlich des Ortsgebietes. Für die Verordnung von LKW-Fahrverboten würden Ortsgebiete nach der StVO 1960 herangezogen, da diese viel offensichtlicher erkennbar seien und einem LKW-Fahrer nicht zugemutet werden könne, die jeweiligen Gemeindegrenzen zu kennen.

Zweck der beiden Verordnungen sei es, das Verkehrsaufkommen durch LKW mit einem höheren zulässigen Gesamtgewicht als 3,5 t einzuschränken. Durch das Befahren der Strecke haben der Beschwerdeführer gegen den Schutzzweck verstoßen, da die Fahrt entgegen dem Fahrverbot erfolgt sei.

In weiterer Folge finden sich im Straferkenntnis noch Ausführungen zum Verschulden und zur Strafbemessung.

7.       Gegen dieses Straferkenntnis richtet sich die vorliegende rechtzeitige, zu LVwG-S-818/001-2021 protokollierte Beschwerde, mit der der Beschwerdeführer die Aufhebung des angefochtenen Straferkenntnisses und die Einstellung des Verwaltungsstrafverfahrens begehrt.

Dies begründet er im Wesentlichen mit seinem bisherigen Vorbringen. Ergänzend bring er vor, die Rechtsauffassung der belangten Behörde führe dazu, dass zu einigen Unternehmen (insbesondere zur D GmbH) zwar zu-, aber nicht mehr abgefahren werden dürfe. Das Landesverwaltungsgericht Niederösterreich habe außerdem bereits ausgesprochen, es verstehe sich von selbst, dass die Ausnahme vom Fahrverbot bei Vorliegen eines zulässigen Zieles nicht nur für die Zufahrt zum Ziel, sondern auch für das Wegfahren gelte. Unter diesem Aspekt spiele es in weiterer Folge keine Rolle, ob das nächste Ziel des Beschwerdeführers innerhalb des Ausnahmebereiches oder außerhalb gelegen sei und ob ihm ein allfälliges Versehen bzw. die mangelnde Vergewisserung über die Örtlichkeit der nächsten anzufahrenden Lieferadresse als Verschulden anzulasten wäre.

II.      Unstrittiger Sachverhalt und Verfahrensgang bis zur Erhebung der zu LVwG-S-824/001-2021 protokollierten Beschwerde gegen das Straferkenntnis vom 12. März 2021

1.       Mit Strafverfügung vom 3. Juni 2020 wurde dem Beschwerdeführer dieses Verfahrens vorgeworfen, er habe am 7. Mai 2020 um 11:00 Uhr im Gemeindegebiet von ***, an der Landesstraße ***, Kreuzung *** - ***, Straßenkilometer ***, bis zum östlichen Ende des Ortsgebietes von *** mit einem näher bezeichneten Anhänger das Vorschriftszeichen Fahrverbot für Lastkraftfahrzeuge mit einem höchstzulässigen Gesamtgewicht von mehr als 3,5 t sowie für mitgeführte Anhänger mit einem höchsten zulässigen Gesamtgewicht von mehr als 3,5t mit der Zusatztafel „mit dem Fahrziel östlich von ***“ nicht beachtet und sei unter Missachtung des Fahrverbotes bis zum östlichen Ende des Ortsgebietes von *** und in weiterer Folge auf die ***, Fahrtrichtung *** gefahren.

Dadurch habe er § 52 lit. a Z 7a StVO 1960 iVm der Verordnung der Bezirkshauptmannschaft Melk vom 3. Juli 2008, ***, sowie § 99 Abs. 3 lit a StVO 1960 verletzt. Dafür wurde über ihn auf Grundlage der letztgenannten Bestimmung eine Geldstrafe in der Höhe von € 200,– (Ersatzfreiheitsstrafe von 92 Stunden) verhängt.

2.       Dagegen erhob der Beschwerdeführer fristgerecht Einspruch. Sein Vorbringen darin sowie der weitere Verfahrensgang decken sich im Wesentlichen mit jenem des zum LVwG-S-818/001-2021 protokollierten.

3.       Mit dem angefochtenen Straferkenntnis wurde dem Zweitbeschwerdeführer die bereits in der Strafverfügung umschriebene Verwaltungsübertretung zur Last gelegt und über ihn wiederum eine Geldstrafe von € 200,– (92 Stunden Ersatzfreiheitsstrafe) zuzüglich Verfahrenskostenbeitrag von € 20,– verhängt.

4.       Gegen dieses Straferkenntnis richtet sich die zu LVwG-S-824/001-2021 protokollierte Beschwerde, die hinsichtlich des Begehrens und der Begründung der zu LVwG-S-818/001-2021 protokollierten gleicht.

III.     Bisheriges Beschwerdeverfahren

1.       Die belangte Behörde legte beide Beschwerden am 9. April 2020 dem Landesverwaltungsgericht Niederösterreich samt den zugehörigen Verwaltungsstrafakten zur Entscheidung vor.

2.       Das Gericht forderte die belangte Behörde am 20. Mai 2020 zur Übermittlung der Verordnungsakten betreffend das Durchfahrverbot an der ***, dessen Verletzung den beiden Beschwerdeführern zur Last gelegt wird, auf.

Dem kam die Behörde am 31. Mai 2021 nach, wobei sie in einer ergänzenden Stellungnahme ausführte, dass mit der Verordnung vom 28. April 2004, ***, ein Fahrverbot im Zuge der Landesstraße *** zwischen km *** und km *** verordnet worden sei. Die Kundmachung durch Verkehrszeichen sei jedoch nicht entsprechend dem Verordnungstext erfolgt. Einwände der Straßenbauabteilung *** (***) gegen eine Aufstellung an den vorgesehenen Stellen hätten schließlich zur Änderung durch die Verordnung vom 3. Juli 2008, ***, geführt.

3.       Am 16. Juni 2021 besichtigte der erkennende Richter (gemeinsam mit einem weiteren Richter, bei dem ein ähnliches Beschwerdeverfahren anhängig ist, und einer Mitarbeiterin des Gerichtes) den vom Fahrverbot umfassten Bereich der ***. Dabei wurden sowohl die Verkehrszeichen an sich als auch die Aufstellungsorte in Augenschein genommen. Entfernungen wurden mit einem Laserentfernungsmess-gerät Golf Buddy LR5 mit einer Messgenauigkeit von +/- 1 yard ( = +/-0,9144m) gemessen. Die Beschreibung dieses Gerätes wird als Beilage dem Beschluss angeschlossen.

Auf die Ergebnisse wird im Rahmen der Rechtsvorschriften bzw. der Bedenken eingegangen.

4.       Der nunmehrige Verordnungsprüfungsantrag wurde zu LVwG-S-818/002-2021 und LVwG-S-824/002-2021 protokolliert.

IV.      Rechtsvorschriften

1.       Gemäß § 50 Abs. 1 des Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetzes (VwGVG), BGBl. I 33/2013 idF BGBl. I 24/2017 hat das Verwaltungsgericht über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG in der Sache selbst zu entscheiden, sofern die Beschwerde nicht zurückzuweisen ist.

2.       Die maßgeblichen Rechtsvorschriften der Straßenverkehrsordnung 1960 (StVO), BGBl. 159, in der in den angelasteten Tatzeitpunkten geltenden Fassung BGBl. I 24/2020, lauteten wie folgt:

„[…]

§ 2. Begriffsbestimmungen.

(1) Im Sinne dieses Bundesgesetzes gilt als

[…]

15. Ortsgebiet: das Straßennetz innerhalb der Hinweiszeichen „Ortstafel“ (§ 53 Z 17a) und „Ortsende“ (§ 53 Z 17b);

[…]

§ 43. Verkehrsverbote, Verkehrserleichterungen und Hinweise.

(1) Die Behörde hat für bestimmte Straßen oder Straßenstrecken oder für Straßen innerhalb eines bestimmten Gebietes durch Verordnung

[…]

b) wenn und insoweit es die Sicherheit, Leichtigkeit oder Flüssigkeit des sich bewegenden oder die Ordnung des ruhenden Verkehrs, die Lage, Widmung, Pflege, Reinigung oder Beschaffenheit der Straße, die Lage, Widmung oder Beschaffenheit eines an der Straße gelegenen Gebäudes oder Gebietes oder wenn und insoweit es die Sicherheit eines Gebäudes oder Gebietes und/oder der Personen, die sich dort aufhalten, erfordert,

[…]

2. den Straßenbenützern ein bestimmtes Verhalten vorzuschreiben, insbesondere bestimmte Gruppen von der Benützung einer Straße oder eines Straßenteiles auszuschließen oder sie auf besonders bezeichnete Straßenteile zu verweisen;

[…]

(2) Zur Fernhaltung von Gefahren oder Belästigungen, insbesondere durch Lärm, Geruch oder Schadstoffe, hat die Behörde, wenn und insoweit es zum Schutz der Bevölkerung oder der Umwelt oder aus anderen wichtigen Gründen erforderlich ist, durch Verordnung

a) für bestimmte Gebiete, Straßen oder Straßenstrecken für alle oder für bestimmte Fahrzeugarten oder für Fahrzeuge mit bestimmten Ladungen dauernde oder zeitweise Verkehrsbeschränkungen oder Verkehrsverbote zu erlassen,

b) zu bestimmen, daß mit bestimmten Arten von Fahrzeugen oder mit Fahrzeugen mit bestimmten Ladungen nur bestimmte Straßen oder bestimmte Arten von Straßen befahren werden dürfen (Routenbindung) oder

[…]

Bei der Erlassung solcher Verordnungen ist einerseits auf den angestrebten Zweck und andererseits auf die Bedeutung der Verkehrsbeziehungen und der Verkehrserfordernisse Bedacht zu nehmen.

[…]

§ 44 Kundmachung der Verordnungen.

(1) Die im § 43 bezeichneten Verordnungen sind, sofern sich aus den folgenden Absätzen nichts anderes ergibt, durch Straßenverkehrszeichen oder Bodenmarkierungen kundzumachen und treten mit deren Anbringung in Kraft. […]

[…]

§ 48. Anbringung der Straßenverkehrszeichen.

(1) Die Straßenverkehrszeichen (§§ 50, 52 und 53) sind als Schilder aus festem Material unter Bedachtnahme auf die Art der Straße und unter Berücksichtigung der auf ihr üblichen Verkehrsverhältnisse, namentlich der darauf üblichen Geschwindigkeit von Fahrzeugen, in einer solchen Art und Größe anzubringen, daß sie von den Lenkern herannahender Fahrzeuge leicht und rechtzeitig erkannt werden können. Im Verlauf derselben Straße sind womöglich Straßenverkehrszeichen mit gleichen Abmessungen zu verwenden.

[…]

(2) Die Straßenverkehrszeichen sind auf der rechten Straßenseite oder oberhalb der Fahrbahn anzubringen, sofern sich aus diesem Bundesgesetz nichts anderes ergibt. Die zusätzliche Anbringung an anderen Stellen ist zulässig. Auf Autobahnen sind Gefahrenzeichen und Vorschriftszeichen auf beiden Seiten oder oberhalb der Fahrbahn anzubringen, ausgenommen auf Streckenteilen, die in der jeweiligen Fahrtrichtung nur einen Fahrstreifen aufweisen, oder in Gegenverkehrsbereichen.

[…]

§ 52. Die Vorschriftszeichen

Die Vorschriftszeichen sind

a) Verbots- oder Beschränkungszeichen,

[…].

a) Verbots- oder Beschränkungszeichen

[…]

7a. „FAHRVERBOT FÜR LASTKRAFTFAHRZEUGE“

[Abweichend vom Original – Bilder nicht wiedergegeben]

„…

…“

[…]

Diese Zeichen zeigen an, dass das Fahren mit Lastkraftfahrzeugen verboten ist.

Eine Gewichtsangabe bedeutet, dass das Verbot nur für ein Lastkraftfahrzeug gilt, wenn das höchste zulässige Gesamtgewicht des Lastkraftfahrzeuges oder das höchste zulässige Gesamtgewicht eines mitgeführten Anhängers das im Zeichen angegebene Gewicht überschreitet.

[…]

§ 54. Zusatztafeln.

(1) Unter den in den §§ 50, 52 und 53 genannten Straßenverkehrszeichen sowie unter den in § 38 genannten Lichtzeichen können auf Zusatztafeln weitere, das Straßenverkehrszeichen oder Lichtzeichen erläuternde oder wichtige, sich auf das Straßenverkehrszeichen oder Lichtzeichen beziehende, dieses erweiternde oder einschränkende oder der Sicherheit oder Leichtigkeit des Verkehrs dienliche Angaben gemacht werden.

(2) Die Angaben und Zeichen auf Zusatztafeln müssen leicht verständlich sein. Insbesondere kann auch durch Pfeile in die Richtung der Gefahr oder des verkehrswichtigen Umstandes gewiesen werden.

[…]

§ 94b. Zuständigkeit der Bezirksverwaltungsbehörde

(1) Behörde im Sinne dieses Bundesgesetzes ist, sofern der Akt der Vollziehung nur für den betreffenden politischen Bezirk wirksam werden soll und sich nicht die Zuständigkeit der Gemeinde oder – im Gebiet einer Gemeinde, für das die Landespolizeidirektion zugleich Sicherheitsbehörde erster Instanz ist – der Landespolizeidirektion ergibt, die Bezirksverwaltungsbehörde

[…]

b) für die Erlassung von Verordnungen und Bescheiden,

[…]“

§ 99. Strafbestimmungen.

[…]

(3) Eine Verwaltungsübertretung begeht und ist mit einer Geldstrafe bis zu 726 Euro, im Fall ihrer Uneinbringlichkeit mit Freiheitsstrafe bis zu zwei Wochen, zu bestrafen,

a) wer als Lenker eines Fahrzeuges, als Fußgänger, als Reiter oder als Treiber oder Führer von Vieh gegen die Vorschriften dieses Bundesgesetzes oder der auf Grund dieses Bundesgesetzes erlassenen Verordnungen verstößt und das Verhalten nicht nach den Abs. 1, 1a, 1b, 2, 2a, 2b, 2c, 2d, 2e oder 4 zu bestrafen ist,

[…]“

3.1.    Mit Verordnung der belangten Behörde vom 28. April 2004, Zl. *** wurde für die Landstraße *** zwischen km *** und km *** ein Fahrverbot für Lastkraftfahrzeuge mit einem höchsten zulässigen Gesamtgewicht von mehr als 3,5 t erlassen. Dieses Verbot galt für Fahrzeuge aus Richtung Osten kommend mit dem Fahrziel westlich von *** und für Fahrzeuge aus Richtung Westen kommend mit dem Fahrziel östlich von ***.

3.2.    Mit Verordnung der belangten Behörde vom 3. Juli 2008, ZI. *** wurde der Geltungsbereich der Verordnung dahingehend abgeändert, dass die östliche Grenze des Fahrverbotes von km *** nach *** der Landstraße *** versetzt wurde. Der geänderte Verordnungstext lautet:

„Für die Landstraße *** zwischen km *** und km *** (das ist unmittelbar östlich der Autobahnanschlussstelle ***) wird ein Fahrverbot für Lastkraftfahrzeuge mit einem höchsten zulässigen Gesamtgewicht von mehr als 3,5 t sowie für mitgeführte Anhänger mit einem höchsten zulässigen Gesamtgewicht von mehr als 3,5 t erlassen.

Dieses Verbot gilt für

-    Fahrzeuge aus Richtung Osten kommend mit dem Fahrziel westlich von ***,

-    Fahrzeuge aus Richtung Westen kommend mit dem Fahrziel östlich von ***.

Diese Verkehrsbeschränkung ist durch das Verkehrszeichen gemäß § 52 lit. a Z 7a 2. Bild StVO 1960 und die entsprechenden Zusatztafeln (bei km *** Zusatz: „Mit dem Fahrziel westlich von ***“, bei km *** Zusatz „Mit dem Fahrziel östlich von ***“) sowie jeweils mit dem Zusatz „Gilt nicht zu den Verbotszeiten laut Ferienreiseverordnung“ kundzumachen.“

Als Rechtsgrundlage ist § 43 Abs. 1 und 2 StVO 1960 angeführt. Weiters wird angeordnet, dass die (geänderte) Verordnung mit der Aufstellung der Verkehrszeichen in Kraft und gleichzeitig der mit der geänderten Verordnung in Widerspruch stehende Passus der Stammfassung (also der Verordnung vom 28. April 2004) außer Kraft treten soll.

3.3.    Die Kundmachung der Verordnung aus dem Westen kommend (also in Fahrtrichtung ***) erfolgte zunächst durch das folgende Verkehrszeichen samt Zusatztafel (Abbildung 1):

[Abweichend vom Original – Bild nicht wiedergegeben]

„…

…“

                           Abb. 1

Das Verkehrszeichen wurde 76 m östlich eine Schildes mit der Angabe „Rampe *** km ***, *** ***“, das sich unmittelbar an der Ostseite der Einmündung der ***-Abfahrt *** in die *** befindet, aufgestellt. Der Straßenkilometer *** der *** ist durch ein Schild ausgewiesen, das sich in Fahrtrichtung *** 83 m nach dem Verbotszeichen befindet. Das Verkehrszeichen befindet sich daher etwa bei Straßenkilometer ***, also 19 m westlich des Aufstellungsortes laut Verordnungstext (km ***). Entgegen diesem Text ist außerdem keine Zusatztafel mit dem Text „Gilt nicht zu den Verbotszeiten laut Ferienreiseverordnung“ angebracht.

3.4.    Das Fahrverbot dürfte von Westen kommend Richtung *** noch ein weiteres Mal durch das gleiche Verkehrszeichen kundgemacht worden sein (Abbildungen 2 bis 4):

[Abweichend vom Original – Bilder nicht wiedergegeben]

„…

…“

Abb. 2    Abb. 3         Abb. 4

Dieses weitere Verbotszeichen gemäß § 52 lit. a Z 7a 2. Bild StVO 1960 mit der Zusatztafel „mit dem Fahrziel östlich von ***“ befindet sich – wie auch im Schreiben der der Polizeiinspektion *** vom 19. Juli 2020 beschrieben (oben I.3.) – in Fahrtrichtung *** in einer Entfernung von 26 m westlich zu dem nachfolgend ausgewiesenen Straßenkilometer ***. Das Verkehrszeichen wurde – ohne entsprechende Anordnung im Verordnungstext – daher ungefähr bei Straßenkilometer *** aufgestellt (unmittelbar östlich der Einmündung der Zufahrtsstraße zum ***, in welchem sich das Firmengelände der D GmbH befindet). Ein Hinweis „Gilt nicht zu den Verbotszeiten laut Ferienreiseverordnung“ ist wiederum nicht angebracht.

Wie aus den Abbildungen 3 und 4 ersichtlich, war dieses Verkehrszeichen im Zeitpunkt der Besichtigung durch das Landesverwaltungsgericht Niederösterreich umgefallen, was die Folge eines Bruches der tragenden Metallstange gewesen sein dürfte. Zu den angelasteten Tatzeitpunkten dürfte das Verkehrszeichen – wie die Stellungnahme der Polizeiinspektion zeigt – jedoch intakt gewesen sein.

3.5.    Von Osten kommend (also Richtung ***) wurde die Verordnung durch das folgende Verkehrszeichen kundgemacht (Abbildung 5):

[Abweichend vom Original – Bild nicht wiedergegeben]

„…

…“

Abb. 5

Dieses Verkehrszeichen wurde 44 m östlich vom durch ein Schild ausgewiesenen Straßenkilometer *** angebracht. Das Verkehrszeichen befindet sich daher etwa bei Straßenkilometer ***, also 16 m westlich des Aufstellungsortes laut Verordnungstext (km ***). Hier ist die Zusatztafel „Gilt nicht zu den Verbotszeiten laut Ferienreiseverordnung“ vorhanden.

V.       Zulässigkeit der Beschwerden

Die beiden Beschwerden wurden fristgerecht eingebracht. Es liegen keine Umstände vor, die ihre Zulässigkeit in Frage stellen würden. Daher hat das Landesverwaltungsgericht Niederösterreich darüber gemäß § 50 Abs. 1 VwGVG in der Sache selbst zu entscheiden.

VI.      Zulässigkeit und Umfang des Antrages sowie Konsequenzen der Feststellung der Gesetzwidrigkeit

1.       Gemäß Art. 139 Abs. 1 Z 1 B-VG erkennt der Verfassungsgerichtshof über die Gesetzwidrigkeit von Verordnungen auf Antrag eines Gerichts. Nach Art. 135 Abs. 4 iVm Art. 89 Abs. 2 B-VG hat ein Verwaltungsgericht den Antrag auf Aufhebung von Verordnungsbestimmungen beim Verfassungsgerichtshof zu stellen, wenn es gegen deren Anwendung aus dem Grund der Gesetzwidrigkeit Bedenken hat. In den Fällen des Art. 139 Abs. 3 Z 3 B-VG hat der Verfassungsgerichtshof die gesamte Verordnung als gesetzwidrig aufzuheben.

2.       Gegenstand der vom Landesverwaltungsgericht Niederösterreich zu treffenden Sachentscheidung sind Bestrafungen der Beschwerdeführer nach § 99 Abs. 3 lit. a StVO 1960 iVm der auf Grundlage des § 43 Abs. 1 und 2 StVO 1960 erlassenen Verordnung der Bezirkshauptmannschaft Melk vom 28. April 2004, Zl. ***, idF der Verordnung vom 3. Juli 2008, ***.

Durch diese Verordnung wird für die Landstraße *** zwischen km *** und km *** ein Fahrverbot für Lastkraftfahrzeuge mit einem höchsten zulässigen Gesamtgewicht von mehr als 3,5 t sowie für mitgeführte Anhänger mit einem höchsten zulässigen Gesamtgewicht von mehr als 3,5 t erlassen. Dieses Verbot gilt für Fahrzeuge aus Richtung Osten kommend mit dem Fahrziel westlich von *** und für Fahrzeuge aus Richtung Westen kommend mit dem Fahrziel östlich von ***.

Die von den Beschwerdeführern zu den angelasteten Tatzeiten gelenkten Anhänger hatten ein höchstzulässiges Gesamtgewicht von mehr als 3,5 t und befuhren zu den angelasteten Tatzeiten unbestritten den Streckenabschnitt von km *** bis km *** (also in Richtung Osten). Unmittelbar vor km *** (bei der Ausfahrtsstraße aus dem ***, aus der beide Beschwerdeführer in die *** einbogen) war die Verordnung durch das zweite Verkehrszeichen gemäß § 52 lit. a Z 7a 2. Bild StVO 1960 in Fahrtrichtung *** (Richtung Osten) nochmals kundgemacht (oben IV.3.4.).

Auf Grund dieser und der weiteren bereits erörterten Kundmachungen durch Straßenverkehrszeichen (oben IV. 3.3. und IV.3.5.) hat die Verordnung ein Mindestmaß an Publizität erreicht, sodass sie das Landesverwaltungsgericht bei der Prüfung der Beschwerden anzuwenden hat (vgl. dazu etwa VfGH 11.06.2019, V 61/2018, mwN).

3.       Das Landesverwaltungsgericht hegt Bedenken insbesondere hinsichtlich der gesetzmäßigen Kundmachung der angefochtenen Verordnung, sodass auf Grund des Art. 139 Abs. 3 Z 3 B-VG beantragt wird, die gesamte Verordnung als gesetzwidrig aufzuheben.

4.       Im Falle der begehrten Aufhebung der angefochtenen Verordnung wegen Gesetzwidrigkeit hätten die Beschwerdeführer das damit angeordnete Fahrverbot nicht verletzt. Die angefochtenen Straferkenntnisse wären daher dem Beschwerdebegehren entsprechend aufzuheben.

VII.     Bedenken

1. Aufstellungsorte

Die in § 43 StVO 1960 bezeichneten Verordnungen sind gemäß § 44 StVO 1960 grundsätzlich durch Straßenverkehrszeichen oder Bodenmarkierungen kundzumachen. Im konkreten Fall wurde das gemäß § 43 Abs. 1 und 2 StVO 1960 verordnete Fahrverbot durch Straßenverkehrszeichen gemäß § 52 lit. a Z 7a 2. Bild StVO 1960 kundgemacht.

Der Vorschrift des § 44 Abs. 1 StVO 1960 ist immanent, dass die Straßenverkehrs-zeichen dort anzubringen sind, wo der räumliche Geltungsbereich der Verordnung beginnt und endet. Es lässt sich § 44 Abs. 1  StVO 1960 zwar nicht entnehmen, dass sich eine Verpflichtung zur „zentimetergenauen“ Einhaltung des in einer Verordnung verfügten räumlichen Geltungsbereiches für die Aufstellung entsprechender Verkehrszeichen ergibt (VwGH 25.01.2002, 99/02/0014, mwN); differiert der Aufstellungsort eines Verkehrszeichens von der getroffenen Verordnungsregelung allerdings um 5 m, kann von einer gesetzmäßigen Kundmachung keine Rede sein (VwGH 25.06.2014, 2013/07/0294; ähnlich zuletzt VfGH 26.02.2021, V 427/2020; beide mwN).

Das erste Verkehrszeichen von Westen kommend Richtung *** (Abb. 1) befindet sich laut den vor Ort durchgeführten Messungen mittels Lasermessgerät ungefähr bei Straßenkilometer ***, somit 19 m vom Beginn des örtlichen Geltungsbereiches entfernt.

Das Verkehrszeichen von Osten kommend Richtung *** (Abb. 5) befindet sich nach den Messungen vor Ort ungefähr bei Straßenkilometer ***, somit erst 16 m nach dem Beginn des örtlichen Geltungsbereiches.

Schon auf Grund dieser – nach der zitierten Rechtsprechung erheblichen –Abweichung der Aufstellungsorte bezweifelt das erkennende Gericht die gesetzmäßige Kundmachung des Fahrverbots in beiden Richtungen.

2. Zusatztafeln

2.1 fehlende Zusatztafel

Ein Fahrverbotszeichen nach § 52 lit. a. Z 1 StVO 1960 stellt in Verbindung mit einer dieses einschränkenden Zusatztafel eine Einheit dar (vgl. VwGH 25.04.1985, 84/02/0267, mwN; ebenso VfSlg 5289/1966).

Bei beiden Verkehrszeichen von Westen kommend Richtung *** (Abb. 1 und 2) fehlt die laut Verordnung kundzumachende Zusatztafel mit dem Text „Gilt nicht zu den Verbotszeiten laut Ferienreiseverordnung“.

Darin liegt nach Ansicht des Landesverwaltungsgerichtes Niederösterreich eine weitere Gesetzwidrigkeit der Kundmachung des Fahrverbotes (vgl. zuletzt zu fehlenden Zusatztafeln VfGH 10.03.2020, V 100/2019, mwN).

2.2 Leichte und rechtzeitige Erkennbarkeit

Das Gebot der leichten und rechtzeitigen Erkennbarkeit für den Lenker iSd § 48 Abs. 1 StVO 1960 gilt für den gesamten Verordnungsinhalt, somit für das Straßenverkehrszeichen samt allfälliger Zusatztafel (vgl. VwGH 23.05.2016, Ra 2016/02/0088, unter Verweis auf das vorzitierte Erk. vom 25.04.1985). Dies bringt der Gesetzgeber auch durch § 54 Abs. 2 StVO 1960 klar zum Ausdruck, wo er eine leichte Verständlichkeit der Angaben auf einer Zusatztafel anordnet.

Ein Verkehrszeichen muss in seiner Gesamtheit (also einschließlich der Zusatztafel) von einem herannahenden Fahrzeuglenker leicht und rechtzeitig erkannt, dh dessen Inhalt vollständig erfasst werden können. Ist dies nicht gewährleistet, fehlt es an der gehörigen Kundmachung der zugrundliegenden Verordnung (wiederum VwGH 25.04.1985, 84/02/0267).

2.2.1 Verweise auf Ferienreiseverordnung

Gemäß der angefochtenen Verordnung ist das Fahrverbot mit einer Zusatztafel mit dem Text „Gilt nicht zu den Verbotszeiten laut Ferienreiseverordnung“ kundzumachen.

Im Sinne der vorzitierten Rechtsprechung bestehen beim Landesverwaltungsgericht Niederösterreich Bedenken, ob ein Verweis auf einem Zusatzschild auf eine bloß mit dem Kurztitel bezeichnete Verordnung (konkret gemeint ist die Ferienreiseverordnung BGBl. 259/1993 idF BGBl. II 139/2000) dem Gebot der leichten und rechtzeitigen Erkennbarkeit nach § 48 Abs. 1 StVO 1960 genügt. Durch einen solchen Verweis wird der Inhalt der (verwiesenen) Verordnung dem Lenker nicht bekannt. Gerade durch diesen Inhalt wird aber der zeitliche Geltungsbereich der angefochtenen (verweisenden) Verordnung beschränkt.

2.2.2 Ortsgebiet/Gemeindegebiet

Ähnliche Bedenken im Hinblick auf § 48 Abs. 1 bzw. § 54 Abs. 2 StVO 1960 bestehen auch hinsichtlich der Zusatztafeln „Mit dem Fahrziel westlich von ***“ und „Mit dem Fahrziel östlich von ***“. Wie der Sachverhalt der beiden Beschwerdeverfahren anschaulich zeigt, herrschte offenbar zunächst selbst bei den vollziehenden Organen des öffentlichen Sicherheitsdienstes keine Klarheit darüber, ob mit den Ortsbezeichnungen „***“ bzw. „***“ das Gemeindegebiet der jeweiligen Gemeinde oder das kundgemachte Ortsgebiet iSd § 2 Abs. 1 Z 15 StVO 1960 gemeint ist. Die belangte (=verordnungserlassende) Behörde hat dazu schließlich die Auffassung vertreten, dass das kundgemachte Ortsgebiet gemeint sei.

Ohne eine nähere Auseinandersetzung bzw. Nachfrage bei der belangten Behörde scheint es einem LKW-Fahrer nicht möglich und auch nicht zumutbar, den Inhalt der durch das Verkehrszeichen samt Zusatztafeln kundgemachten Verordnung zu erkennen. Dies steht mit dem Gebot der leichten und rechtzeitigen Erkennbarkeit (§ 48 Abs. 1 bzw. § 54 Abs. 2 StVO 1960) nicht im Einklang.

3. Zusätzliche Kundmachung

Eine Kundmachung der angefochtenen Verordnung bei km *** (oben IV.3.4., Abbildungen 2 bis 4) ist im Verordnungstext nicht angeordnet. Nun ist die Kundmachung einer Verordnung nach § 43 StVO 1960 durch zusätzliche Verkehrszeichen grundsätzlich nicht als gesetzwidrig anzusehen (in diesem Sinne auch § 48 Abs. 2 zweiter Satz StVO 1960; weiters VwGH 23.11.2001, 98/02/0292). Dies kann freilich nur insoweit gelten, als durch die zusätzliche Kundmachung nicht ein anderer als der verordnete Inhalt kundgemacht wird.

Mit der angefochtenen Verordnung sollte – wie auch die Erläuterungen zur Novellierung vom 3. Juli 2008 deutlich machen – ein Durchfahrverbot für den bezeichneten Streckenabschnitt, nicht aber ein generelles Fahrverbot für LKW bzw. Anhänger über 3,5 t höchstzulässiges Gesamtgewicht auf diesem Streckenabschnitt erlassen werden.

Erlaubt ist nach dem Verordnungstext somit die Fahrt zu einem Fahrziel innerhalb dieses Streckenabschnittes oder auch zu einem Fahrziel, das durch Verlassen der *** innerhalb des Streckenabschnittes angefahren wird. Dasselbe muss für Fahrten gelten, die von einem solchen Ort angetreten werden (also insbesondere auch für das Wegfahren von zunächst zulässigerweise angefahrenen Zielen).

Durch die zusätzliche Kundmachung des Fahrverbotes bei Straßenkilometer *** wird das verordnete Durchfahrverbot jedoch um ein – nicht verordnetes – weiteres Durchfahrverbot bereits für westlich von km *** (oder auf Abzweigungen, die zwischen km *** und km *** liegen) begonnene Fahrten ergänzt. Das Abfahren insbesondere von der D GmbH wäre – wie es auch von der belangten Behörde in den angefochtenen Straferkenntnissen vertreten wurde – nur mehr in Richtung Westen zulässig, da (jedenfalls zu den angelasteten Tatzeitpunkten) direkt bei der Einmündung der Zufahrtsstraße zum *** Richtung Osten das Verkehrszeichen gemäß § 52 lit. a Z 7a 2. Bild StVO 1960 mit der Zusatztafel „mit dem Fahrziel östlich von ***“ wiederholt wird und kein Ziel in diesem „zusätzlichen Durchfahrtverbot“ vorliegt. Dies entspricht weder dem Zweck noch dem Wortlaut der Verordnung.

Das Landesverwaltungsgericht Niederösterreich erachtet daher auch durch diese zusätzliche Kundmachung die angefochtene Verordnung insgesamt als gesetzwidrig kundgemacht.

4. Fehlendes Ermittlungsverfahren

Nach der ständigen Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes hat die Behörde vor Erlassung einer verkehrsbeschränkenden Verordnung die im Einzelnen umschriebenen Interessen an der Verkehrsbeschränkung mit dem Interesse an der ungehinderten Benützung der Straße abzuwägen und dabei die (tatsächliche) Bedeutung des Straßenzuges zu berücksichtigen. Die sohin gebotene Interessenabwägung erfordert sowohl die nähere sachverhaltsmäßige Klärung der Gefahren oder Belästigungen für Bevölkerung und Umwelt, vor denen die Verkehrsbeschränkung schützen soll, als auch eine Untersuchung der Verkehrsbeziehungen und der Verkehrserfordernisse durch ein entsprechendes Anhörungs- und Ermittlungsverfahren. Die Gefahrensituation muss sich für die betreffende Straße deutlich von der allgemeinen, für den Straßenverkehr typischen Gefahrenlage unterscheiden. Bei der Prüfung der Erforderlichkeit einer Verordnung nach § 43 StVO 1960 sind die bei der bestimmten Straße oder Straßenstrecke, für die die Verordnung erlassen werden soll, anzutreffenden, für den spezifischen Inhalt der betreffenden Verordnung relevanten Umstände mit jenen Umständen zu vergleichen, die für eine nicht unbedeutende Anzahl anderer Straßen zutreffen.

Der Verfassungsgerichtshof geht somit in ständiger Rechtsprechung davon aus, dass die Behörde bei Anwendung der vom Gesetzgeber mit unbestimmten Begriffen umschriebenen Voraussetzungen für die Erlassung von Verkehrsbeschränkungen oder -verboten durch Verordnung einen Vergleich der Verkehrs- und Umweltverhältnisse anzustellen hat: Die betreffenden Verhältnisse an den Straßenstrecken, für welche beispielsweise ein Halte- und Parkverbot in Betracht gezogen wird, müssen derart beschaffen sein, dass sie gegenüber anderen Straßen die Verhängung eines Halte- und Parkverbotes gebieten.

Das Ermittlungsverfahren dient dem Zweck, eine Untersuchung der Verkehrsbeziehungen und der Verkehrsverhältnisse sowie eine sachverhaltsmäßige Klärung der Gefahren oder Belästigungen für Bevölkerung und Umwelt, vor denen die Verkehrsbeschränkung schützen soll, zu ermöglichen, damit die Behörde auf dieser Grundlage die gemäß § 43 StVO 1960 vor Verordnungserlassung gebotene Interessenabwägung zwischen den Interessen an der Verkehrsbeschränkung und dem Interesse an der ungehinderten Benützung der Straße vornehmen kann (VfGH 21.09.2020, V 77/2019, mwN).

Im vorliegenden Fall ist den vorgelegten Verordnungsakten weder die Durchführung einer Grundlagenforschung (Untersuchung der Verkehrsbeziehungen und -erfordernisse) noch einer Interessensabwägung zu entnehmen. Dies gilt sowohl für die Erlassung der Stammfassung der Verordnung im Jahr 2004 als auch für die Novellierung 2008.

Auch aus diesem Grund erscheint die angefochtenen Verordnung daher gesetzwidrig.

VIII.   Ergebnis

1.       Gemäß Art. 139 Abs. 1 Z 1 und Abs. 4 iVm Art. 135 Abs. 4 und Art. 89 Abs. 2 B-VG sieht sich das Landesverwaltungsgericht Niederösterreich verpflichtet, die Aufhebung der Verordnung der Bezirkshauptmannschaft Melk vom 28. April 2004, ME-*** idF der Verordnung vom 3. Juli 2008, ***, gegen deren Gesetzmäßigkeit es Bedenken hegt, beim Verfassungsgerichtshof zu beantragen.

2.       Gemäß § 57 Abs. 3 des Verfassungsgerichtshofgesetzes 1953 (VfGG), BGBl. 85 idF BGBl. I 92/2014, dürfen in den beim Landesverwaltungsgericht Niederösterreich anhängigen Beschwerdeverfahren bis zur Verkündung bzw. Zustellung des Erkenntnisses des Verfassungsgerichtshofes nur solche Handlungen vorgenommen oder Anordnungen und Entscheidungen getroffen werden, die durch das Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes nicht beeinflusst werden können oder die die Frage nicht abschließend regeln und keinen Aufschub gestatten.

Daher sind die Beschwerdeverfahren bis zum Vorliegen einer Entscheidung des Verfassungsgerichtshofes zu unterbrechen und erst danach fortzusetzen. Die Dauer der Unterbrechung ist in die Verjährungsfristen nach § 31 Abs. 2 VStG bzw. § 43 VwGVG nicht einzurechnen.

3.       Die dem Landesverwaltungsgericht Niederösterreich von der belangten Behörde vorgelegten Verwaltungsakten sowie die vorgelegten Verordnungsakten sind dem Antrag in Kopie angeschlossen.

Anhang (Bedienungsanleitung Entfernungsmessgerät):

[Abweichend vom Original – Bilder nicht wiedergegeben]

„…

…“

Schlagworte

Verkehrsrecht; Verordnung; Fahrverbot; Antrag; Aufhebung; Gesetzwidrigkeit;

Anmerkung

VfGH 01.03.2022, V 223/2021-13, V 238/2021-5, V 240/2021-5, die [näher bezeichneten] Wort- und Zeichenfolgen der [näher bezeichneten] VO der BH Melk waren gesetzwidrig
Im Übrigen Anträge zurückgewiesen

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:LVWGNI:2021:LVwG.S.818.002.2021

Zuletzt aktualisiert am

16.03.2022
Quelle: Landesverwaltungsgericht Niederösterreich LVwg Niederösterreic, http://www.lvwg.noe.gv.at
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