TE Bvwg Erkenntnis 2021/5/3 W102 2205627-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 03.05.2021
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Entscheidungsdatum

03.05.2021

Norm

AsylG 2005 §3 Abs1
AsylG 2005 §55 Abs1 Z1
AsylG 2005 §55 Abs1 Z2
AsylG 2005 §8 Abs1
BFA-VG §9
B-VG Art133 Abs4
EMRK Art8

Spruch


W102 2205627-1/19E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Dr. Werner ANDRÄ als Einzelrichter über die Beschwerde von XXXX , geb. XXXX (alias XXXX ), StA. Afghanistan, vertreten durch MigrantInnenverein St. Marx, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl, Regionaldirektion Salzburg, vom 08.08.2018, Zl. XXXX , nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 07.04.2021 zu Recht erkannt:

A)       

I.       Die Beschwerde wird hinsichtlich der Spruchpunkte I. und II. des angefochtenen Bescheides gemäß §§ 3 Abs. 1 und 8 Abs. 1 AsylG 2005 als unbegründet abgewiesen.

II.      Der Beschwerde wird hinsichtlich der Spruchpunkte III. bis VI. des angefochtenen Bescheides stattgegeben und festgestellt, dass eine Rückkehrentscheidung gemäß § 9 BFA-VG iVm Art. 8 EMRK auf Dauer unzulässig ist.

III.     XXXX wird gemäß § 55 Abs. 1 Z 1 und 2 erster Fall AsylG 2005 der Aufenthaltstitel „Aufenthaltsberechtigung plus“ für die Dauer von 12 Monaten erteilt.

B)       Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.



Text


Entscheidungsgründe:

I. Verfahrensgang:

1.       Der Beschwerdeführer, ein afghanischer Staatsangehöriger und Angehöriger der Volksgruppe der Tadschiken, reiste unter Umgehung der Grenzkontrollen in die Republik Österreich ein und stellte am 25.12.2016 erstmals im Bundesgebiet einen Antrag auf internationalen Schutz.

Im Rahmen der Erstbefragung am 26.12.2016 gab der Beschwerdeführer zum Fluchtgrund befragt im Wesentlichen an, er habe sich in ein Mädchen verliebt und sie heiraten wollen. Ihre Familie sei gegen die Hochzeit gewesen, sie sei zur Hochzeit mit einem anderen Mann gezwungen worden, mit welchem sie dann ca. 16 Monate zuvor nach Deutschland geflüchtet sei. Jetzt lebe sie in Düsseldorf und sie hätten ein Kind zusammen. Sie habe gesagt, sie würde sich scheiden lassen, wenn er nach Deutschland komme. Er wolle mit ihr zusammen sein und habe deswegen nach Deutschland gewollt.

In der niederschriftlichen Einvernahme vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl am 05.01.2018 führte der Beschwerdeführer zu seinen Fluchtgründen auf das Wesentliche zusammengefasst aus, er habe eine Nachbarin gehabt. Sie hätten sich, als er 15 gewesen sei, ineinander verliebt und Kontakt gehabt und miteinander gesprochen. Gegenüber dem Haus sei ein Fluss gewesen, dort habe sie ihre Kleider und Töpfe gewaschen. Als er 18 gewesen sei, seien sie umgezogen. Sie hätten weiterhin telefonischen Kontakt gehabt. Etwa ein Jahr später habe er eines Tages mit ihr telefoniert, die Verbindung sei auf einmal weggewesen. Als er nochmal angerufen habe, habe der Bruder abgehoben und ihn am Telefon beschimpft. Er habe aufgelegt. Er habe seinen Eltern von ihr erzählt und diese seien am nächsten Tag zu ihr gegangen und hätten um ihre Hand angehalten. Der Bruder des Mädchens habe sie unhöflich behandelt, die Eltern seien beleidigt gewesen und zurückgekommen. Sie hätten beschlossen, ein paar Wochen später nochmal zu gehen. Das Geschäft des Beschwerdeführers sei 15 Minuten zu Fuß von zuhause entfernt gewesen. Er habe immer gegen 19 Uhr zugesperrt und sei heimgegangen. Eines Tages habe er ein Auto gesehen, er sei daran vorbeigegangen. Man habe ihn dann von hinten festgehalten, der Vater des Mädchens habe ihn auf den Mund geschlagen, der Bruder habe ihn auch geschlagen. Dann sei ein weiteres Auto gekommen, während sie ihn geschlagen hätten. Sie seien dann geflohen und die vom anderen Auto hätten ihm geholfen und ihn auch heimgebracht. Den Eltern sei es sehr schlecht gegangen, sie hätten geweint, als sie ihn in diesem Zustand gesehen hätten. Als ihr Vater und Bruder ihn geschlagen hätten, hätten sie gedroht, sie würden ihn umbringen, wenn er wieder zu ihr ginge. Sie hätten aber wieder Kontakt zueinander gehabt. Als die Eltern um ihre Hand angehalten hätten, zwei Wochen später sei sie verheiratet worden. Auch danach hätten sie noch Kontakt gehabt. Vor zwei Jahren und drei Monaten habe sie Schwierigkeiten bekommen, sie sei Lehrerin gewesen und bedroht worden und habe mit ihrem Mann Afghanistan verlassen. Eine Nacht vor ihrer Ausreise, die sie bei ihrem Vater verbracht habe, habe sie den Beschwerdeführer angerufen und geweint, weil sie so weit voneinander entfernt leben würden. Sie seien am Telefonieren gewesen, als der Vater ins Zimmer gekommen sei, Sie habe gehört, wie ihr Vater gefragt habe, ob sie noch Kontakt zum Beschwerdeführer habe. Daraufhin habe er aufgelegt. Er habe dies seiner Mutter erzählt. Sie habe einen Freund des Vaters angerufen, bei diesem habe er drei Monate verbracht. Der Bruder habe das Geschäft verkauft. Dann habe er Afghanistan verlassen. Sie lebe jetzt in Deutschland, sie hätten noch Kontakt und wollten heiraten. Es sei eine Straftat und verboten, eine verheiratete Frau zu kontaktieren. Ihr Vater werde ihn umbringen.

Mit Schreiben vom 08.01.2018 übermittelte die belangte Behörde dem Beschwerdeführer Länderberichte und gab ihm die Gelegenheit zur Stellungnahme. Am 22.01.2018 langte eine Stellungnahme des Beschwerdeführers bei der belangten Behörde ein, in der dieser ausführt, in Afghanistan sei Kontakt zwischen Frauen und Männern, die nicht verheiratet seien, verboten. Wenn nicht verheiratete Paare miteinander ertappt würden, bedeute dies Gefahr für Leib und Seele. Frauen würden, wenn sie bei unehelichen Kontakten erwischt würden, gesteinigt, Männern drohe ebenso Gefängnisstrafe bis hin zum Tod. Die Familie werde nicht ruhen, bevor sie sich gerächt habe. Er könne keinen Schutz vor der Polizei erwarten, weil diese an diesem Brauch festhalte. In Afghanistan gebe es, wie der Webseite des Bundesministeriums für Europa, Integration und Äußeres zu entnehmen sei, große Gefahren für Leben und Freiheit. Das Ministerium gebe eine Warnung für Afghanistan aus, da mögliche Gefahr wie Terrorattacken, Entführung, Mord und Vergewaltigung nach wie vor in ganz Afghanistan und nicht nur vereinzelt möglich seien.

2.       Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid vom 08.08.2018, zugestellt am 24.08.2018, wies die belangte Behörde den Antrag des Beschwerdeführers hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 AsylG 2005 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 (Spruchpunkt I.) sowie hinsichtlich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten § 8 Abs. 1 AsylG 2005 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG ab (Spruchpunkt II.), erteilte dem Beschwerdeführer keinen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG 2005 (Spruchpunkt III.), erließ gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG iVm § 9 BFA-VG eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG (Spruchpunkt IV.) und stellte gemäß § 52 Abs. 9 FPG fest, dass die Abschiebung des Beschwerdeführers gemäß § 46 FPG nach Afghanistan zulässig sei (Spruchpunkt V.). Die Frist für die freiwillige Ausreise gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG wurde mit 14 Tagen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung festgesetzt (Spruchpunkt VI.). Begründend führte die belangte Behörde aus, die Schilderungen würden nicht ausreichen, um eine Verfolgungshandlung in solcher Intensität glaubhaft zu machen. Sie würden als unglaubwürdig gewertet. Es hätten sich Widersprüche ergeben. Aus der Familienanamnese gehe klar hervor, dass der Beschwerdeführer kein „high value target“ sei. Die behaupteten Schwierigkeiten mit der Familie der angeblichen Freundin würden nicht ausreichen, um landesweite Verfolgung durch deren Vater und Bruder geltend zu machen. Eine Rückkehr nach Herat sei ohne weiteres möglich, eine innerstaatliche Fluchtalternative in Kabul sei dem Beschwerdeführer zumutbar.

3.       Gegen die Spruchpunkte I. bis IV. des oben dargestellten Bescheides des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 08.08.2018 richtet sich die am 31.08.2018 bei der belangten Behörde eingelangte Beschwerde, in der im Wesentlichen ausgeführt wird, der Beschwerdeführer sei Aufgrund der vorgeworfenen Verletzung der Familienehre massiven Todesdrohungen ausgesetzt gewesen, vor denen ihn zu beschützen die afghanischen Behörden weder in der Lage noch willig gewesen seien. Die Polizei würde in einem solchen Fall nicht helfen, sondern bestrafen. Unter anderem deshalb bestehe für den Beschwerdeführer in ganz Afghanistan Lebensgefahr. Er sei aufgrund spezifischer Drohungen gegen sein Leben und des Vorwurfes einer verwestlichten Lebenseinstellung aufgrund des bereits langen Auslandsaufenthaltes und seiner Entwurzelung besonders gefährdet, Verfolgungshandlungen ausgesetzt zu sein. Die Sicherheitslage sei schlecht. Der Beschwerdeführer habe sich intensiv um seine Integration bemüht. Beantragt wurde zudem, einen landeskundigen Sachverständigen zu beauftragen, der sich mit der aktuellen Situation in Afghanistan und den spezifischen vom Beschwerdeführer vorgebrachten Punkten befasst.

Mit Verfügung des Geschäftsverteilungsausschusses vom 12.10.2020 wurde die gegenständliche Rechtssache der bis dahin zuständigen Gerichtabteilung abgenommen und der nunmehr zuständigen Gerichtsabteilung zugewiesen.

Mit Ladung vom 15.03.2021 (OZ 13) brachte das Bundesverwaltungsgericht folgende Länderberichte in das Verfahren ein:

?        Länderinformationsblatt der Staatendokumentation: Afghanistan, Gesamtaktualisierung: 16.12.2020

?        EASO COI Report: Afghanistan. Security situation von September 2020

?        EASO COI Report: Afghanistan. Key socio-economic indicators. Focus on Kabul City, Mazar-e Sharif and Herat City von August 2020

?        EASO COI Report: Afghanistan. State Structure and Security Forces von August 2020

?        EASO COI Report: Afghanistan. Regierungsfeindliche Elemente (AGE) von August 2020

?        EASO COI Report: Afghanistan. Criminal law, customary justice and informal dispute resolution von Juli 2020

?        EASO, Country Guidance: Afghanistan von Dezember 2020 (in der Folge: EASO Country Guidance)

?        UNHCR-Richtlinien zur Feststellung des internationalen Schutzbedarfs afghanischer Asylsuchender von 30.08.2018 (in der Folge: UNHCR-Richtlinien)

?        EASO COI Report: Afghanistan. Gezielte Gewalt bewaffneter Akteure gegen Individuen von Dezember 2017

?        EASO COI Report: Afghanistan. Gezielte Gewalt gegen Individuen aufgrund gesellschaftlicher und rechtlicher Normen von Dezember 2017

und gab dem Beschwerdeführer und der belangten Behörde die Gelegenheit zur Stellungnahme.

Am 30.03.2021 langte eine Stellungnahme des Beschwerdeführers am Bundesverwaltungsgericht ein, in der ausgeführt wird, in den Länderberichten sei die Verfolgung, der der Beschwerdeführer im Fall einer Abschiebung nach Afghanistan ausgesetzt wäre, deutlich ersichtlich. Die Coronoavirus-Epidemie sei in Afghanistan außer Kontrolle, schon aus diesem Grund sei davon auszugehen, dass der Beschwerdeführer im Fall einer Abschiebung in eine existenzielle Notlage geraten werde. Die Entwicklung der Epidemie sei nicht absehbar und bereite jedenfalls berechtigten Grund zur Sorge auch für Personen, die keiner „Risikogruppe“ angehören würden, da verschiedene Studien zeigen würden, dass auch jüngere Leute lebenslange gesundheitliche Probleme von einer Infektion davontragen könnten und die medizinische Infrastruktur in Afghanistan unzureichend sei. Die Sicherheitslage habe sich verschlechtert. Die Wirtschaftslage sei katastrophal. Sicherheit in den Städten, die als innerstaatliche Fluchtalternative in Frage kämen, sei nicht gegeben. Der Beschwerdeführer könne auch aus wirtschaftlicher Sicher nicht überleben. Es bestehe die Gefahr einer Verletzung der durch Art. 2 und 3 EMRK geschützten Rechte. Der Beschwerdeführer habe große Anstrengungen zu seiner Integration unternommen, die deutsche Sprache erlernt und soziale Kontakte geknüpft. Er sei arbeitsfähig und –willig.

Das Bundesverwaltungsgericht führte zur Ermittlung des entscheidungswesentlichen Sachverhaltes am 07.04.2021 eine öffentliche mündliche Verhandlung durch, an der der Beschwerdeführer, sein bevollmächtigter Rechtsvertreter, ein Vertreter der belangten Behörde und eine Dolmetscherin für die Sprache Dari teilnahmen. Die belangte Behörde verzichtete auf die Teilnahme. Im Zuge der mündlichen Verhandlung brachte das aktuelle Länderinformationsblatt der Staatendokumentation, Afghanistan, Stand 01.04.2021 (in der Folge: Länderinformationsblatt) in das Verfahren ein.

Im Zuge der mündlichen Verhandlung wurde der Beschwerdeführer zu seinen Fluchtgründen befragt und hielt sein Vorbringen, er werde wegen Kontaktes zu einem Mädchen von deren Angehörigen verfolgt, im Wesentlichen aufrecht.

Der Beschwerdeführer legte im Lauf des Verfahrens folgende Dokumente vor:

?        Tazkira des Beschwerdeführers

?        Afghanische Gewerbeanmeldung

?        ÖSD-Zertifikat A1

?        Teilnahmebestätigung für Werte- und Orientierungskurs

?        Empfehlungsschreiben

?        Teilnahmebestätigungen für Deutschkurse und einen Workshop

?        Pflichtschulabschlusszeugnis

?        Bestätigung über gemeinnützige Tätigkeit

?        Lohn/Gehaltsabrechnungen

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

1.1.    Zu Person und Lebensumständen des Beschwerdeführers

Der Beschwerdeführer trägt den im Spruch angeführten Namen, geboren am XXXX und ist Staatsangehöriger der Islamischen Republik Afghanistan, Angehöriger der Volksgruppe der Tadschiken und bekennt sich zur schiitischen Glaubensrichtung des Islam. Die Muttersprache des Beschwerdeführers ist Dari.

Der Beschwerdeführer ist gesund und in Österreich strafgerichtlich unbescholten.

Der Beschwerdeführer hat vier Brüder und drei Schwestern. Der Vater des Beschwerdeführers ist bereits verstorben.

Der Beschwerdeführer stammt aus einem Dorf im Distrikt Injil, Provinz Herat und zog später in ein anderes Dorf um. Die Familie besitzt in beiden Dörfern Häuser. Der Beschwerdeführer hat zehn Jahre die Schule besucht und anschließend ein Geschäft betrieben, er verkaufte zuerst etwa zwei Jahre Damenschuhe und dann etwa fünf Jahre Damenunterwäsche. Der Vater des Beschwerdeführers war Tischler. Zwei der Brüder des Beschwerdeführers sind im Großhandel tätig, einer betreibt ein Geschäft und der vierte ist als Lehrer tätig. Dass die Angehörigen des Beschwerdeführers in den Iran ausgereist sind, wird nicht festgestellt. Kontakt besteht.

Der Beschwerdeführer hält sich seit seiner Einreise im Dezember 2016 durchgehend im Bundesgebiet auf, er hat Deutschkurse besucht. Im Jahr 2017 hat erdie Deutschprüfung für das Niveau A1 des gemeinsamen europäischen Referenzrahmens für Sprachen bestanden und einen Werte- und Orientierungskurs besucht. Im Jahr 2019 hat der Beschwerdeführer die Pflichtschulabschluss-Prüfung erfolgreich abgelegt und dabei im Fach „Deutsch – Kommunikation und Gesellschaft“ die Note „Befriedigend grundlegend“ erhalten.

Von September 2020 bis März 2021 war der Beschwerdeführer als Küchenhilfe unselbstständig erwerbstätig und hat hierfür ein monatliches Nettogehalt von etwa EUR 1.300,–. Seither bezieht der Beschwerdeführer keine Grundversorgung mehr.

Von November 2018 bis November 2019 hat der Beschwerdeführer in einem Jugendtreff gemeinnützige Arbeit geleistet. Außerdem ist der Beschwerdeführer seit dem Jahr 2017 in einem Schachverein aktiv und hat bei dessen internen Meisterschaften und Turnieren mitgespielt und wird von dessen „Sektionsleiter“ sehr positiv beschrieben. Bedingt durch die Covid-19-Pandemie sind die Vereinsaktivitäten jedoch aktuell eingestellt.

Seit etwa einem Jahr führt der Beschwerdeführer eine Beziehung mit einer afghanischen Staatsangehörigen. Sie haben sich über das Internet kennengelernt und haben im März 2021 die Ehe nach dem islamischen Ritus geschlossen. Der „Ehefrau“ des Beschwerdeführers wurde mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 29.09.2017, W163 2145161-1/9E gemäß § 3 Abs. 1 AsylG 2005 der Status der Asylberechtigten zuerkannt.

1.2.    Zu den Fluchtgründen des Beschwerdeführers

Der Beschwerdeführer hat sich, als er etwa 15 Jahre alt war, in ein Nachbarsmädchen verliebt, mit dem er in der Folge mehrere Jahre heimlichen telefonischen Kontakt pflegte. Als der Beschwerdeführer etwa 19 Jahre alt war und mit dem Mädchen telefonierte, brach das Telefonat ab. Als der Beschwerdeführer erneut anrief, hob der Bruder des Mädchens ab und beschimpfte den Beschwerdeführer. In der Folge erzählte der Beschwerdeführer seinen Eltern von dem Mädchen, die bei deren Familie für den Beschwerdeführer um die Hand des Mädchens anhielten. Sie wurden jedoch unhöflich behandelt.

Etwas später wurde der Beschwerdeführer abends auf dem Heimweg von seinem Geschäft von Bruder und Vater des Mädchens verprügelt. Das Mädchen wurde mit einem anderen Mann verheiratet. Die beiden hielten weiter Kontakt.

In der Folge verließt sie mit ihrem Mann Afghanistan und reiste nach Deutschland. Sie rief den Beschwerdeführer in der Nacht vor ihrer Ausreise an. Während des Telefonats kam der Vater ins Zimmer und fragte, ob noch Kontakt zum Beschwerdeführer bestehe. Der Beschwerdeführer legte auf. Drei Monate später reiste der Beschwerdeführer aus. Ein konkreter Auslöser hierfür kann nicht festgestellt werden.

Dass Leute zum Haus der Familie des Beschwerdeführers kamen und nach dem Beschwerdeführer fragten, der Bruder in der Folge deshalb von einem Auto angefahren wurde und die Familie schließlich wegen der Bedrohungen ausreisen musste, wird nicht festgestellt.

Es wird nicht festgestellt, dass der Beschwerdeführer im Fall der Rückkehr in sein Herkunftsdorf Übergriffen durch Angehörige des Mädchens ausgesetzt wäre.

1.3.    Zur Rückkehr in den Herkunftsstaat

Afghanistan ist von einem innerstaatlichen bewaffneten Konflikt zwischen der afghanischen Regierung und Aufständischen betroffen. Die Betroffenheit von Kampfhandlungen sowie deren Auswirkungen für die Zivilbevölkerung sind regional unterschiedlich.

Herat zählt zu den relativ ruhigen Provinzen im Westen Afghanistans, einige Distrikte sind umkämpft oder werden von den Taliban kontrolliert. Für das Jahr 2020 sind in der Provinz Herat 339 zivile Opfer (124 Tote und 215 Verletzte) dokumentiert, dies entspricht einem Rückgang von 15% gegenüber dem Jahr 2019. Hauptursachen waren Bodenkämpfe, gefolgt von gezielten Tötungen und improvisierten Sprengkörpern. Im Jahr 2020 wurden mehr Fälle von zivilen Opfern aufgrund von Luftangriffen gemeldet. Es kommt zu Kämpfen zwischen Regierungstruppen und Taliban, Angriffen auf Regierungseinrichtungen und Operationen von Regierungstruppen.

Herat (Stadt) steht unter Regierungskontrolle. Die Stadt verfügt über einen internationalen Flughafen. Es kam zu einer Serie von Sicherheitsvorfällen, darunter gezielte Tötungen und Angriffe auf die Polizei Ende 2019 und zu Beginn des Jahres 2020. Das Kriminalitätsniveau ist hoch. Es kommt in Herat (Stadt) nicht zu groß angelegten Angriffen oder offenen Kämpfen.

Der Distrikt Injil umgibt Herat (Stadt) und steht ebenso unter Kontrolle der afghanischen Regierung. Für das Jahr 2019 und 2020 sind für den Distrikt Injil nach der Globalincidentmap keine Vorfälle verzeichnet, nach ACLED sind für das Jahr 2019 zwei und für das Jahr 2020 sechs Vorfälle verzeichnet.

Der durch die afghanische Regierung geleistete Menschenrechtsschutz ist trotz ihrer ausdrücklichen Verpflichtungen, nationale und internationale Menschenrechtsverpflichtungen einzuhalten, inkonsistent. Menschenrechtsverletzungen an der Zivilbevölkerung finden unabhängig von der tatsächlichen Kontrolle über das betreffende Gebiet durch den Staat und seine Vertreter, regierungsnahe Gruppen und regierungsfeindliche Gruppierungen statt. Straflosigkeit ist weit verbreitet. Besonders schwere Menschenrechtsverletzungen sind insbesondere in umkämpften Gebieten verbreitet. Das formale Justizsystem ist schwach ausgeprägt, Korruption, Drohungen, Befangenheit und politische Einflussnahme sind weit verbreitet, es mangelt an ausgebildetem Personal und Ressourcen. Die Sicherheitskräfte wenden unverhältnismäßige Gewalt an, Folter ist in Haftanstalten weit verbreitet.

Afghanistan ist eines der ärmsten Länder der Welt. Die Grundversorgung ist für große Teile der Bevölkerung eine tägliche Herausforderung, dies gilt in besonderem Maße für Rückkehrer. Diese bereits prekäre Lage hat sich seit März 2020 durch die Covid-19-Pandemie stetig weiter verschärft. In urbanen Gebieten leben rund 41,6% unter der nationalen Armutsgrenze. Die afghanische Wirtschaft stützt sich hauptsächlich auf den informellen Sektor (einschließlich illegaler Aktivitäten), der 80 bis 90 % der gesamten Wirtschaftstätigkeit ausmacht und weitgehend das tatsächliche Einkommen der afghanischen Haushalte bestimmt. Während der Covid-19-Pandemie ist insbesondere die Situation für Tagelöhner schwierig, viele Wirtschaftszweige wurden durch Sperr- und Restriktionsmaßnahmen negativ beeinflusst. Das Wirtschaftswachstum konnte sich zuletzt aufgrund der besseren Witterungsbedingungen für die Landwirtschaft erholen und lag 2019 laut Weltbank-Schätzungen bei 2,9%. Für 2020 geht die Weltbank Covid-19-bedingt von einer Rezession (bis zu -8% BIP) aus. 2016/2017 waren rund 45 % der Menschen von anhaltender oder vorrübergehender Lebensmittelunsicherheit betroffen. Auch aktuell verschlechtert sich die aktuelle Ernährungsunsicherheit infolge der Covid-19-Pandemie, bis März 2021 wurde ein Anstieg auf 42 % prognostiziert. Die Krise führte zu einem deutlichen Anstieg der Lebensmittelpreise, die Preise für Weizenmehl waren von November bis Dezember 2020 stabil, allerdings auf einem Niveau, das 11% über dem des letzten Jahres und 27% über dem Dreijahresdurchschnitt lag.

Der Arbeitsmarkt ist durch eine niedrige Erwerbsquote, hohe Arbeitslosigkeit, sowie Unterbeschäftigung und prekäre Arbeitsverhältnisse charakterisiert. Die Arbeitslosenquote innerhalb der erwerbsfähigen Bevölkerung liegt auf hohem Niveau und und ist infolge der Pandemie auf 37,9 % gestiegen, gegenüber 23,9 % im Jahr 2019. Bei der Arbeitssuche spielen persönliche Kontakte eine wichtige Rolle. Ohne Netzwerke, ist die Arbeitssuche schwierig. Arbeitgeber bewerten persönliche Beziehungen und Netzwerke höher als formelle Qualifikationen.

Finanzielle oder sonstige Unterstützung bei Arbeitslosigkeit existiert nicht. Ein Mangel an Bildung korreliert mit Armut, wobei ein niedriges Bildungsniveau und Analphabetismus immer noch weit verbreitet sind.

Herat weist historisch im Vergleich mit anderen Teilen des Landes wirtschaftlich und sicherheitstechnisch relativ gute Bedingungen auf. Aufgrund der sehr jungen Bevölkerung ist der Anteil der Personen im erwerbsfähigen Alter in Herat – wie auch in anderen afghanischen Städten – vergleichsweise klein. Herat gilt als Hotspot für Tagelöhner – die Hälfte der arbeitenden Bevölkerung in Herat sind Tagelöhner, welche Schwankungen auf dem Arbeitsmarkt in besonderem Ausmaß ausgesetzt sind. Die Verbreitung von Tagelohnarbeit ist zum Teil eine Folge der massiven Bevölkerungsbewegungen – insbesondere des Zustroms von Zehntausenden von Menschen, die vor allem durch den Konflikt zwischen 2012 und 2019 vertrieben wurden. Diese Bevölkerungsbewegungen, insbesondere von Binnenflüchtlingen, haben die Provinz Herat, vor allem ihre Hauptstadt Herat-Stadt, zu einem zunehmend schwierigen Lebens- und Arbeitsraum gemacht. Die Herater Wirtschaft bietet seit langem Arbeitsmöglichkeiten im Handel, darunter den Import und Export von Waren mit dem benachbarten Iran, wie auch Bergbau und Produktion. Die Industrie der kleinen und mittelständischen Unternehmen ist insbesondere im Handwerksbereich und in der Seiden- und Teppichproduktion gut entwickelt. Manche alten Handwerksberufe (Teppichknüpfereien, Glasbläsereien, die Herstellung von Stickereien) haben es geschafft zu überleben, während sich auch bestimmte moderne Industrien entwickelt haben (z.B. Lebensmittelverarbeitung und Verpackung). Die Arbeitsplätze sind allerdings von der volatilen Sicherheitslage bedroht (insbesondere Entführungen von Geschäftsleuten oder deren Angehörigen durch kriminelle Netzwerke, im stillen Einverständnis mit der Polizei). Als weitere Probleme werden Stromknappheit bzw. -ausfälle, Schwierigkeiten, mit iranischen oder anderen ausländischen Importen zu konkurrieren und eine steigende Arbeitslosigkeit genannt.

Die schnelle Ausbreitung des COVID-19 Virus hat starke Auswirkungen auf Rückkehrer, da sie nur begrenzten Zugang zu grundlegenden Dienstleistungen haben und zudem aufgrund der landesweiten Abriegelung Einkommens- und Existenzverluste hinnehmen müssen. Ohne familiäre Netzwerke kann es sehr schwer sein, sich selbst zu erhalten, da in Afghanistan vieles von sozialen Netzwerken abhängig ist. Viele Rückkehrer sind weniger selbsterhaltungsfähig als die meisten anderen Afghanen. Rückkehrerinnen sind von diesen Problemen im Besonderen betroffen. „Erfolglosen“ Rückkehrern aus Europa haftet oft das Stigma des „Versagens“ an. Sie werden von der afghanischen Gesellschaft häufig misstrauisch wahrgenommen. Wirtschaftlich befinden sich viele der Rückkehrer in einer schlechteren Situation als vor ihrer Flucht nach Europa, was durch die aktuelle Situation im Hinblick auf die COVID-19-Pandemie noch verschlimmert wird. Soziale, ethnische und familiäre Netzwerke sind für einen Rückkehrer unentbehrlich. Ein Mangel an Netzwerken stellt eine der größten Herausforderungen für Rückkehrer dar. Der Zugang zum Arbeitsmarkt hängt maßgeblich von lokalen Netzwerken ab.

Afghanistan ist von der COVID-Pandemie betroffen. Die fortgesetzte Ausbreitung der Krankheit in den letzten Wochen des Jahres 2020 hat zu einem Anstieg der Krankenhauseinweisungen geführt, wobei jene Einrichtungen die als COVID-19-Krankenhäuser in den Provinzen Herat, Kandahar und Nangarhar gelten, nach Angaben von Hilfsorganisationen seit Ende Dezember voll ausgelastet sind. Gesundheitseinrichtungen sehen sich auch zu Beginn des Jahres 2021 großen Herausforderungen bei der Aufrechterhaltung oder Erweiterung ihrer Kapazitäten zur Behandlung von Patienten mit COVID-19 sowie bei der Aufrechterhaltung grundlegender Gesundheitsdienste gegenüber, insbesondere, wenn sie in Konfliktgebieten liegen. Die Infektionen steigen weiter an und bis zum 17.3.2021 wurden der WHO 56.016 bestätigte Fälle von COVID-19 mit 2.460 Todesfällen gemeldet, wobei die tatsächliche Zahl der positiven Fälle um ein Vielfaches höher eingeschätzt wird. Im Februar 2021 hat Afghanistan mit seiner COVID-19-Impfkampagne begonnen. Bis zum 10.3.2021 wurden insgesamt 34.743 Impfstoffdosen verabreicht. Ein „Lockdown“ oder Beschränkungen der Bewegungsfreiheit sind in Mazar-e Sharif, Herat oder Kabul aktuell nicht in Kraft. Teehäuser und andere Unterkunftsmöglichkeiten sind derzeit nur für Geschäftsreisende geöffnet. Für Rückkehrer unter der Schirmherrschaft von IOM, die eine Unterkunft benötigen, kann IOM ein Hotel buchen.

Die Verfügbarkeit und Qualität der medizinischen Grundbehandlung ist durch Mangel an gut ausgebildeten Ärzten, Ärztinnen und Assistenzpersonal (v.a. Hebammen), mangelnde Verfügbarkeit von Medikamenten, schlechtes Management sowie schlechte Infrastruktur begrenzt. Die COVID-19-Pandemie hat sich negativ auf die Bereitstellung und Nutzung grundlegender Gesundheitsdienste in Afghanistan ausgewirkt. In großen Städten ist die medizinische Versorgung grundsätzlich sichergestellt.

Etwa 99% der afghanischen Bevölkerung sind Muslime. Die Sunniten werden auf 80 bis 89,7% der Gesamtbevölkerung geschätzt. 35 % der Gesamtbevölkerung sind Tadschiken, sie sind die zweitgrößte Volksgruppe Afghanistans und sprechen Dari. Offizielle Landessprachen sind Dari und Paschtu.

2. Beweiswürdigung:

2.1.    Zu Person und Lebensumständen des Beschwerdeführers

Die Feststellungen zu Identität, Staatsangehörigkeit, Volksgruppenzugehörigkeit und Muttersprache des Beschwerdeführers beruhen auf seinen gleichbleibenden und plausiblen Angaben im Lauf des Verfahrens. Auch die belangte Behörde legte diese Angaben des Beschwerdeführers ihrer Entscheidung zugrunde. Sein Geburtsdatum hat der Beschwerdeführer im Zuge der niederschriftlichen Einvernahme durch die belangte Behörde am 05.01.2018 konkret angegeben (AS 73), während in der Erstbefragung – wie sich aus der Protokollierung XXXX erschließen lässt – nur ein Geburtsjahr oder Alter protokolliert wurde. Motive für eine falsche Angabe des Beschwerdeführers im Zuge der niederschriftlichen Einvernahme am 05.01.2018 sind auch nicht ersichtlich, wobei sich aus Beweiswürdigung und Feststellungen des angefochtenen Bescheides keinerlei Auseinandersetzung mit dem Geburtsdatum des Beschwerdeführers findet, sondern lediglich die nicht weiter begründete Feststellung des in der Erstbefragung protokollierten Geburtsdatums. Diesbezüglich geht das Bundesverwaltungsgericht von einem Versehen aus.

Dass der Beschwerdeführer gesund ist, beruht darauf, dass anderslautendes Vorbringen nicht erstattet und medizinische Unterlagen, die eine gesundheitliche Beeinträchtigung des Beschwerdeführers nachweisen würden, nicht vorgelegt wurden. Er bestätigte auch in der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht am 07.04.2021, er sei gesund (OZ 17, S. 2).

Die Feststellung der Unbescholtenheit des Beschwerdeführers beruht auf dem im Akt einliegenden aktuellen Auszug aus dem Strafregister.

Seine Geschwister hat der Beschwerdeführer im Lauf des Verfahrens gleichbleibend angegeben. Dass der Vater verstorben ist, gab der Beschwerdeführer im Lauf des Verfahrens ebenso durchgehend und gleichbleibend an. Seine Lebensverhältnisse im Herkunftsstaat hat der Beschwerdeführer im Zuge der niederschriftlichen Einvernahme durch die belangte Behörde am 05.01.2018 umfassend dargelegt (AS 73-75 sowie AS 81, wo der Beschwerdeführer seinen Geschäftsgegenstand nochmals konkretisierte) und zu seiner Berufstätigkeit auch eine „Gewerbeanmeldung“ vorgelegt (AS 85).

Dass Kontakt besteht, gab der Beschwerdeführer in der niederschriftlichen Einvernahme durch die belangte Behörde am 05.01.2018 an (AS 75) und bestätigte dies nochmals im Zuge der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht (OZ 17, S. 3). Im Hinblick auf die im Zuge der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht am 07.04.2021 behauptete Ausreise der Familie in den Iran (OZ 17, S. 3 und 4-5) wird auf die Beweiswürdigung zum Fluchtvorbringen verwiesen.

Das Antragsdatum des Beschwerdeführers ist aktenkundig, wobei Hinweise auf eine zwischenzeitige Ausreise nicht hervorgekommen sind. Zum Deutschkurs hat der Beschwerdeführer eine Teilnahmebestätigung vorgelegt (AS 101). Außerdem sein ÖSD-Zertifikat für das Niveau A1 vom 19.06.2017 (AS 89) und eine Teilnahmebestätigung für einen Werte- und Orientierungskurs (AS 93). Das Pflichtschulabschluss-Prüfungs-Zeugnis des Beschwerdeführers ist ebenso (mehrfach) aktenkundig (etwa OZ 8). Zu seiner Tätigkeit als Küchenhilfe hat der Beschwerdeführer seine Lohn-/Gehaltsabrechnungen von September 2020 bis Februar 2021 vorgelegt (OZ 11 und 12) und bestätigte auch der Vertreter der belangten Behörde im Zuge der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht am 07.04.2021, ihm sei ein Beschäftigungsverhältnis des Beschwerdeführers bis März 2021 aus dem Auszug der Sozialversicherungsträger bekannt (OZ 17, S. 5). Dass der Beschwerdeführer seit September 2020 keine Grundversorgung mehr bezieht, geht aus dem im Akt einliegenden aktuellen Speicherauszug aus dem Betreuungsinformationssystem hervor.

Zu seiner gemeinnützigen Tätigkeit hat der Beschwerdeführer eine Bestätigung vorgelegt (Beilage zu OZ 17). Zum Schachverein hat der Beschwerdeführer eine Bestätigung bzw. ein Empfehlungsschreiben vorgelegt, sowie die Endstandsliste eines Turniers (Beilagen zu OZ 17).

Von seiner „Ehefrau“ wurde der Beschwerdeführer in die mündliche Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht am 07.04.2021 begleitet und hat hier angegeben, wie sie sich kennengelernt haben. Zur Eheschließung nach islamischem Ritus hat der Beschwerdeführer eine Heiratsurkunde vorgelegt. Die Feststellung zum Asylstatus der „Ehefrau“ des Beschwerdeführers beruht auf dem Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 29.09.2017, W163 2145161-1/9E, wobei am Rande anzumerken ist, dass der Vertreter der belangten Behörde in diesem Zusammenhang offenkundig irrtümlich die Geschäftszahl des die Mutter der Lebensgefährtin des Beschwerdeführers betreffenden Erkenntnisses anführt (OZ 17, S. 5).

2.2.    Zu den Fluchtgründen des Beschwerdeführers

Die Feststellungen zum Kontakt des Beschwerdeführers mit dem Mädchen beruhen auf seinen umfassenden Angaben in der niederschriftlichen Einvernahme durch die belangte Behörde am 05.01.2018 (AS 76-77). Diese Schilderung des Beschwerdeführers, die dieser im Zuge der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht am 07.04.2021 zwar mit wesentlich geringerer Tiefe präsentierte (OZ 17, S. 3-4), zog auch der in der mündlichen Verhandlung anwesende Vertreter der belangten Behörde nicht in Zweifel, bestritt jedoch ein hieraus resultierendes Bedrohungsszenario für den Fall der Rückkehr des Beschwerdeführers (OZ 17, S. 4). Das Bundesverwaltungsgericht teilt diese Einschätzung.

So geht zwar aus den UNHCR-Richtlinien generell hervor, dass auch Männer, die gegen vorherrschende Gebräuche verstoßen, einem Misshandlungsrisiko ausgesetzt sein könnten, insbesondere in Fällen von mutmaßlichem Ehebruch und außerehelichen sexuellen Beziehungen (Abschnitt III. Internationaler Schutzbedarf, Kapitel 8. Frauen und Männer, die vermeintlich gegen die sozialen Sitten verstoßen, S. 87-91). Auch die EASO Country Guidance bestätigt, dass Personen, deren Handlungen gegen sittliche Normen verstoßen und als Verletzung der Familienehre wahrgenommen werden können, Übergriffen ausgesetzt sein könnten (Abschnitt Common analysis: Afghanistan, Kapitel 2.12 Individuals perceived to have transgressed moral codes, S. 79-80). Die UNHCR-Richtlinien betonen allerdings, dass von Bestrafungen wegen „Verstößen gegen die Sittlichkeit“, die Anlass zu Gewalt oder Ehrenmorden geben würden, insbesondere und überproportional Frauen betroffen seien (Abschnitt III. Internationaler Schutzbedarf, Kapitel 8. Frauen und Männer, die vermeintlich gegen die sozialen Sitten verstoßen, insbesondere S. 88 und 90). Auch die EASO Country Guidance betonen, dass sich Gewalt im Namen der Ehre insbesondere, wenngleich nicht ausschließlich, gegen Frauen richte. Die Anschuldigung der Ehrlosigkeit gegen eine Frau bringe Schande über die Familie und könne zu Todesdrohung, Gewalt im Namen der Ehre und Ehrenmord führen (Abschnitt Common analysis: Afghanistan, Kapitel 2.12 Individuals perceived to have transgressed moral codes, S. 79). Auch aus dem EASO COI Report: Afghanistan. Gezielte Gewalt gegen Individuen aufgrund gesellschaftlicher und rechtlicher Normen von Dezember 2017 geht hervor, dass zur Widerherstellung der Familienehre nach Zina-„Delikten“ insbesondere die Frau einem Ehrenmord zum Opfer falle (Kapitel 3.6.6 Gezielte Gewalt gegen Paare und Männer wegen Zina, S. 55). In der Schilderung des Beschwerdeführers kommt allerdings keinerlei nach den Länderberichten zu erwartender Übergriff gegen das Mädchen durch ihre eigene Familie oder später durch ihren Ehemann vor. Der Beschwerdeführer gibt viel mehr an, sie sei mit ihrem Ehemann nach Deutschland ausgereist. Anzumerken ist überdies, dass der vom Beschwerdeführer geschilderte bloß telefonische Kontakt nicht jene Beziehungsintensität erreicht, die den herangezogenen Länderberichten zufolge zur Ermordung der Frau oder des Paares führt. So geht aus den UNHCR-Richtlinien hervor, Männer seien wegen eines „Verstoßes gegen die Sittlichkeit“ insbesondere in Fällen von mutmaßlichem Ehebruch und außerehelichen sexuellen Beziehungen einem Misshandlungsrisiko ausgesetzt (Abschnitt III. Internationaler Schutzbedarf, Kapitel 8. Frauen und Männer, die vermeintlich gegen die sozialen Sitten verstoßen, S. 90). Dass eine über den telefonischen Kontakt hinausgehende Beziehung bestand, hat der Beschwerdeführer allerdings nicht behauptet und scheint dieser Vorwurf, nachdem der Beschwerdeführer keinerlei wie bereits angemerkt nach den Länderberichten zu erwartender Übergriff gegen das Mädchen durch ihren Vater und Bruder oder den „betrogenen“ Ehemann schildert, auch nicht aufgekommen zu sein.

Weiter geht aus dem EASO COI Report: Afghanistan. Gezielte Gewalt gegen Individuen aufgrund gesellschaftlicher und rechtlicher Normen von Dezember 2017 hervor, dass derartige Ehrverletzungen auch unter Einbeziehung der erweiterten Familie geregelt würden, wobei nicht nur der männliche Täter selbst, sondern auch seine Familienangehörigen in Gefahr seien (Kapitel 3.6.6 Gezielte Gewalt gegen Paare und Männer wegen Zina, S. 55). Zwar behauptete der Beschwerdeführer in der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht am 07.04.2021 erstmals, dass inzwischen Leute zum Haus der Familie des Beschwerdeführers gekommen und nach dem Beschwerdeführer gefragt hätten, der Bruder in der Folge deshalb von einem Auto angefahren worden sei und die Familie schließlich wegen der Bedrohungen habe ausreisen müssen (OZ 17, S. 4-5). In der niederschriftlichen Einvernahme am 05.01.2018 machte der Beschwerdeführer allerdings noch keinerlei Angaben zu einer allfälligen, auch gegen seine Familie gerichtete Bedrohung, sondern gab an, diese halte sich (unverändert) in Herat auf und schildert detailliert deren Lebensumstände (AS 73). Dass es zu einer Bedrohung der Familie des Beschwerdeführers erst so lange nach der Ausreise des Beschwerdeführers gekommen sein soll, ohne dass der Beschwerdeführer dies weiter begründet, erscheint allerdings angesichts der behauptet großen Ehrverletzung und den nach den Länderberichten zu erwartenden gravierenden Folgen unplausibel. Im Hinblick auf die Fotos, die der Beschwerdeführer im Zuge der mündlichen Verhandlung vorgelegt hat, die seinen Angaben zufolge seinen verletzten Bruder zeigen (Beilagen zu OZ 17) ist anzumerken, dass sich anhand dieser Fotos weder verifizieren lässt, ob tatsächlich der Bruder des Beschwerdeführers abgebildet ist, noch, dass dieser Verletzungen hat, die davon herrühren, dass dieser von einem Auto angefahren wurde und ebenso wenig, warum dieser von einem Auto angefahren wurde. Diese sind daher nicht geeignet, die anhand der Länderberichte bereits dargelegte Einschätzung, dass das Fluchtvorbringen nicht glaubhaft ist, in Zweifel zu ziehen. Im Übrigen verblieb der Beschwerdeführer auch selbst noch drei Monate lang in Herat, ohne selbst – trotz der behaupteten großen Bedrohung – von Angehörigen des Mädchens behelligt zu werden. Insgesamt erweist sich damit als nicht glaubhaft, dass dem Beschwerdeführer hieraus im Fall der Rückkehr noch Übergriffe durch Angehörige des Mädchens drohen. Zudem konnte der Beschwerdeführer – nachdem deren Anlass nicht glaubhaft ist und der Beschwerdeführer sonstige Gründe nicht vorbringt – auch die zwischenzeitige Ausreise seiner Familie in den Iran nicht glaubhaft machen. Folglich wurden auch unter 3.1. den Angaben des Beschwerdeführers in der niederschriftlichen Einvernahme entsprechende Feststellungen getroffen.

Soweit der Beschwerdeführer beantragt, einen landeskundigen Sachverständigen zu beauftragen, der sich mit der aktuellen Situation in Afghanistan und den spezifischen vom Beschwerdeführer vorgebrachten Punkten befasst, ist anzumerken, dass das Bundesverwaltungsgericht in den oben umfassend zitierten Berichten umfassende Informationen zu jenen Themenkreisen, die das Fluchtvorbringen des Beschwerdeführers berührt, gefunden hat, während die Beurteilung der Glaubwürdigkeit der spezifischen Angaben des Beschwerdeführers nicht in das Aufgabengebiet eines Sachverständigen fällt, sondern dem Kernbereich der richterlichen Beweiswürdigung zuzurechnen ist (VwGH 22.01.2021, Ra 2020/01/0482). Die Bestellung eines landeskundigen Sachverständigen ist daher, nachdem die Situation in Afghanistan in den ins Verfahren eingebrachten Länderberichten ausreichend dargestellt wird, nicht erforderlich.

2.3.    Zur Rückkehr in den Herkunftsstaat

Die Feststellung zum internationalen bewaffneten Konflikt in Afghanistan beruht auf dem Länderinformationsblatt, der EASO Country Guidance und den UNHCR-Richtlinien.

Die Feststellungen zur Sicherheitslage in Herat beruhen auf der EASO Country Guidance, Abschnitt Common analysis: Afghanistan, Kapitel 3.3. Article 15 (c) QD, Abschnitt Herat, S. 126-127, sowie auf dem Länderinformationsblatt, Kapitel 5.13 Herat. Dass der Distrikt Injil Herat (Stadt) umgibt, ist etwa auf der Karte der Provinz im EASO COI Report: Afghanistan. Security situation von September 2020 ersichtlich (Kapitel 2.13 Herat, S. 148). Dass er unter Kontrolle der afghanischen Regierung steht, geht aus dem Länderinformationsblatt, Kapitel 5.13. Herat, Abschnitt Hintergrundinformationen zum Konflikt und Akteure, hervor.

Die Feststellungen zur Menschenrechtslage beruhen auf den UNHCR-Richtlinien, Kapitel II. Überblick über die Situation in Afghanistan, Unterkapitel C. Die Menschenrechtssituation, S. 26 ff., sowie dem damit übereinstimmenden Länderinformationsblatt, Kapitel 7. Rechtsschutz/Justizwesen, 9. Folter und unmenschliche Behandlung und 13. Allgemeine Menschenrechtslage. Mangels konkreter Anhaltspunkte im Vorbringen des Beschwerdeführers wurden genauere Feststellungen zu den jeweiligen Themenkreisen nicht getroffen.

Die Feststellungen zur Wirtschaftslage beruhen auf dem Länderinformationsblatt, Kapitel 23. Grundversorgung.

Die Feststellungen zur Situation von Rückkehrern beruhen auf dem Länderinformationsblatt, Kapitel 25. Rückkehr.

Die Feststellungen zur COVID-19-Pandemie und ihren Folgen beruhen auf dem Länderinformationsblatt, Kapitel 3. COVID-19.

Die Feststellungen zur medizinischen Versorgung beruhen auf dem Länderinformationsblatt, Kapitel 24. Medizinische Versorgung.

Die Feststellung zur Verbreitung der sunnitischen Glaubenszugehörigkeit in Afghanistan beruht auf dem Länderinformationsblatt, Kapitel 18. Religionsfreiheit. Die Feststellung zum Anteil der Tadschiken an der Gesamtbevölkerung beruhen auf dem Länderinformationsblatt, Kapitel 19.2. Tadschiken, zu den Landessprachen auf Kapitel 19. Relevante ethnische Minderheiten.

Zur Plausibilität und Seriosität der herangezogenen Länderinformationen zur Lage im Herkunftsstaat ist auszuführen, dass die im Länderinformationsblatt zitierten Unterlagen von angesehen Einrichtungen stammen. Es ist auch darauf hinzuweisen, dass die Staatendokumentation des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl nach § 5 Abs. 2 BFA-VG verpflichtet ist, gesammelte Tatsachen nach objektiven Kriterien wissenschaftlich aufzuarbeiten und in allgemeiner Form zu dokumentieren. Auch das European Asylum Support Office (EASO) ist nach Art. 4 lit. a Verordnung (EU) Nr. 439/2010 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 19. Mai 2010 zur Einrichtung eines Europäischen Unterstützungsbüros für Asylfragen bei seiner Berichterstattung über Herkunftsländer zur transparent und unparteiisch erfolgende Sammlung von relevanten, zuverlässigen, genauen und aktuellen Informationen verpflichtet. Damit durchlaufen die länderkundlichen Informationen, die diese Einrichtungen zur Verfügung stellen, einen qualitätssichernden Objektivierungsprozess für die Gewinnung von Informationen zur Lage im Herkunftsstaat. Den UNHCR-Richtlinien ist nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes besondere Beachtung zu schenken („Indizwirkung"), wobei diese Verpflichtung ihr Fundament auch im einschlägigen Unionsrecht findet (Art. 10 Abs. 3 lit. b der Richtlinie 2013/32/EU [Verfahrensrichtlinie] und Art. 8 Abs. 1 und 2 der Richtlinie 2011/95/EU [Statusrichtlinie]; VwGH 07.06.2019, Ra 2019/14/0114) und der Verwaltungsgerichtshof auch hinsichtlich der Einschätzung von EASO von einer besonderen Bedeutung ausgeht und eine Auseinandersetzung mit den „EASO-Richtlinien“ verlangt (VwGH 17.12.2019, Ra 2019/18/0405). Das Bundesverwaltungsgericht stützt sich daher auf die angeführten Länderberichte, wobei eine beweiswürdigende Auseinandersetzung im Detail oben erfolgt ist.

3. Rechtliche Beurteilung:

3.1.    Zu Spruchpunkt I. des angefochtenen Bescheides (Asyl)

Gemäß § 3 Abs. 1 Asylgesetz 2005 (in der Folge AsylG) ist einem Fremden, der in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat der Status des Asylberechtigten zuzuerkennen, wenn glaubhaft ist, dass ihm im Herkunftsstaat Verfolgung im Sinne des Art. 1 Abschnitt A Z 2 Genfer Flüchtlingskonvention droht, dem Fremden keine innerstaatliche Fluchtalternative gemäß § 11 AsylG offen steht und dieser auch keinen Asylausschlussgrund gemäß § 6 AsylG gesetzt hat.

Verfolgung im Sinne des Art. 1 Abschnitt A Z 2 Genfer Flüchtlingskonvention droht einer Person, wenn sie sich aus wohlbegründeter Furcht, aus Gründen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder der politischen Gesinnung verfolgt zu werden, außerhalb des Herkunftsstaates befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, sich des Schutzes dieses Landes zu bedienen.

3.1.1.  Zur behaupteten Verfolgungsgefahr wegen einer Ehrverletzung

Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes kommt einer von Privatpersonen bzw. privaten Gruppierung ausgehenden, auf einem Konventionsgrund beruhenden Verfolgung Asylrelevanz zu, wenn der Staat nicht gewillt oder nicht in der Lage ist, diese Verfolgungshandlungen hintanzuhalten (VwGH 08.09.2015, Ra 2015/18/0010 mwN).

Von einer mangelnden Schutzfähigkeit des Staates kann nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht bereits dann gesprochen werden, wenn der Staat nicht in der Lage ist, seine Bürger gegen jedwede Übergriffe seitens Dritter präventiv zu schützen. Entscheidend für die Frage, ob eine ausreichend funktionierende Staatsgewalt besteht, ist vielmehr, ob für einen von dritter Seite Verfolgten trotz staatlichen Schutzes der Eintritt eines – asylrelevante Intensität erreichenden – Nachteiles aus dieser Verfolgung mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit zu erwarten ist (VwGH 30.08.2018, Ra 2017/18/0119 mwN).

Der Verwaltungsgerichtshof geht in seiner Judikatur grundsätzlich im Fall einer drohenden Ermordung durch Familienangehörige der „Geliebten“ bzw. von im Herkunftsstaat drohenden schweren gerichtlichen Strafen wegen außerehelichem Geschlechtsverkehr („Zina“) bzw. einer außerehelichen Beziehung bei Vorliegen einer religiösen Motivation der Verfolger davon aus, dass ein Asylgrund im Sinne der GFK gegeben ist (VwGH 28.04.2015, Ra 2014/18/0141). Der EASO Country Guidance zufolge kann eine allfällige Verfolgung wegen der Überschreitung moralischer Normen im Zusammenhang mit der Religion, einer (unterstellter) politischer Gesinnung oder der Zugehörigkeit zu einer sozialen Gruppe stehen (Abschnitt Common analysis: Afghanistan, Kapitel 2.12 Individuals perceived to have transgressed moral codes, S. 80).

Wie festgestellt und beweiswürdigend ausgeführt konnte der Beschwerdeführer jedoch nicht glaubhaft machen, dass ihm im Fall der Rückkehr in den Herkunftsstaat Übergriffe durch Angehörige des Mädchens, mit dem er telefonischen Kontakt gepflegt hat, drohen. Eine asylrelevante Verfolgungsgefahr im Sinne der oben zitierten Rechtsprechung ist damit nicht glaubhaft.

3.1.2.  Zur behaupteten Verfolgungsgefahr wegen einer „verwestlichten Lebenseinstellung“

Im Hinblick auf die behauptete Verfolgung wegen einer verwestlichten Lebenseinstellung des Beschwerdeführers wird angemerkt, dass dieses Vorbringen sich auf die Schriftsätze seiner Rechtsvertretung beschränkt und in den Angaben des Beschwerdeführers in der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht keinen Niederschlag findet.

Weiter muss das Vorbringen eines Asylwerbers, um eine maßgebliche Wahrscheinlichkeit und nicht nur eine entfernte Möglichkeit einer Verfolgung glaubhaft zu machen, eine entsprechende Konkretisierung aufweisen. Die allgemeine Behauptung von Verfolgungssituationen, wie sie in allgemein zugänglichen Quellen auffindbar sind, wird grundsätzlich zur Dartuung von selbst Erlebtem nicht genügen (VwGH 21.12.2020, Ra 2020/14/0445).

Das auf „Verwestlichung“ bezogene Vorbringen des Beschwerdeführers geht über unsubstantiierte, pauschale Behauptungen nicht hinaus und genügt damit dem Maßstab der oben zitierten Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht.

Die war daher im Ergebnis hinsichtlich Spruchpunkt I. der angefochtenen Bescheide als unbegründet abzuweisen.

3.2.    Zu Spruchpunkt II. des angefochtenen Bescheides (Subsidiärer Schutz)

Gemäß § 8 Abs. 1 AsylG ist einem Fremden der Status des subsidiär Schutzberechtigten zuzuerkennen, wenn er in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, wenn dieser in Bezug auf die Zuerkennung des Status des Asylberechtigten abgewiesen wird, oder dem der Status des Asylberechtigten aberkannt worden ist, wenn eine Zurückweisung oder Zurückschiebung oder Abschiebung des Fremden in seinen Herkunftsstaat eine reale Gefahr einer Verletzung von Art. 2 EMRK, Art. 3 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention bedeuten würde oder für ihn als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes mit sich bringen würde.

Zwar widerspricht es nach der die Rechtsprechung des EuGH berücksichtigenden Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes der Statusrichtlinie, einem Fremden den Status des subsidiär Schutzberechtigten unabhängig von einer Verursachung durch Akteure oder eine Bedrohung in einem bewaffneten Konflikt im Herkunftsstaat zuzuerkennen (VwGH 06.11.2018, Ra 2018/01/0106). Nachdem aber eine mit der Statusrichtlinie im Einklang stehende Interpretation des § 8 Abs. 1 AsylG 2005 die Grenzen der Auslegung nach den innerstaatlichen Auslegungsregeln überschreiten und zu einer Auslegung contra legem führen würde, hielt der Verwaltungsgerichtshof an seiner Rechtsprechung fest, wonach eine reale Gefahr („real risk“) einer Verletzung von Art. 2 und 3 EMRK durch eine Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Fremden in seinen Herkunftsstaat – auch wenn diese Gefahr nicht durch das Verhalten eines Dritten (Akteurs) bzw. die Bedrohungen in einem bewaffneten Konflikt verursacht wird – die Zuerkennung subsidiären Schutzes nach § 8 Abs. 1 AsylG 2005 begründen kann (VwGH 21.05.2019, Ro 2019/19/0006).

Um von einer solchen realen Gefahr ausgehen zu können, reicht es nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht aus, wenn eine solche Gefahr bloß möglich ist. Es bedarf vielmehr einer darüberhinausgehenden Wahrscheinlichkeit, dass sich eine solche Gefahr verwirklichen wird (jüngst etwa VwGH 17.10.2019, Ra 2019/18/0372).

Im Hinblick auf das Vorliegen einer allgemein prekären Sicherheitslage ist nach der ständigen, auf die Rechtsprechung von EGMR und EuGH bezugnehmenden Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes, die Voraussetzung des „real risk“ iSd Art. 3 EMRK nur in sehr extremen Fällen erfüllt. In den übrigen Fällen bedarf es des Nachweises von besonderen Unterscheidungsmerkmalen, aufgrund derer sich die Situation des Betroffenen kritischer darstellt, als für die Bevölkerung im Herkunftsstaat im Allgemeinen (VwGH 12.12.2019, Ra 2019/01/0243).

Im Hinblick auf den Distrikt Injil ist dem festgestellten Sachverhalt zu entnehmen, dass dieser unter Kontrolle der afghanischen Regierung steht und kaum von Sicherheitsvorfällen betroffen ist. Ebenso steht die Stadt Herat, an die der Distrikt unmittelbar angrenzt, unter Regierungskontrolle und kann über ihren internationalen Flughafen erreicht werden. Die Stadt ist von Sicherheitsvorfällen betroffen, jedoch relativ sicher.

So ist der Einschätzung der EASO Country Guidance zufolge ist das Gewaltniveau in Herat (Stadt) so niedrig, dass generell nicht von einem „real risk“ iSd Art. 3 EMRK (Abschnitt Common analysis: Afghanistan, Kapitel 3.3 Article 15(c) QD, Abschnitt Herat, S. 127) bzw. einem extremen Fall im Sinne der oben zitierten Rechtsprechung des Verwaltungsgerichthofes auszugehen ist. Eine Anreise nach Injil über den internationalen Flughafen von Maza-e Sharif ist damit sicher möglich.

Die übrige Provinz Herat – damit auch der Distrikt Injil – ist der Einschätzung der EASO Country Guidance zufolge von willkürlicher Gewalt betroffen, das Gewaltniveau sei jedoch nicht hoch und daher im Hinblick auf ein „real risk“ ein höherer Anteil individueller Umstände ausschlaggebend (Abschnitt Common analysis: Afghanistan, Kapitel 3.3 Article 15(c) QD, Abschnitt Herat, S. 127). Gegenständlich stammt der Beschwerdeführer selbst aus Injil und verfügt damit über Ortskenntnisse, sowie soziale Anknüpfungspunkte. So ist die Familie des Beschwerdeführers noch im Herkunftsdorf, in das der Beschwerdeführer zurückkehren kann, aufhältig. Weiter zählt der Beschwerdeführer als junger gesunder Mann nicht zu einer vulnerablen Personengruppe. Damit ist im Einklang mit der Einschätzung der EASO Country Guidance unter Berücksichtigung der individuellen Rückkehrsituation des Beschwerdefühers nicht davon auszugehen, dass er einem durch die Sicherheitslage bedingten „real risk“ ausgesetzt wäre und ist nicht ersichtlich, warum sich die Situation im Sinne der oben zitierten Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes für den Beschwerdeführer kritischer darstellen sollte, als für die übrige Bevölkerung.

Auch bedarf es nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes im Zuge der Entscheidung über die Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten erforderlichen Beurteilung einer Auseinandersetzung mit der allgemeinen Menschenrechtslage im Zielstaat (VwGH 27.04.2020, Ra 2019/19/0455). Im Hinblick auf die Menschenrechtslage in Afghanistan ist auszuführen, dass der Beschwerdeführer kein Vorbringen erstattete, dass seine aktuelle, konkrete und individuelle Betroffenheit wahrscheinlich erscheinen ließe.

Nach österreichischer Rechtslage (Vgl. nochmals VwGH 21.05.2019, Ro 2019/19/0006) ist zudem zu prüfen, ob dem Beschwerdeführer im Fall der Rückkehr unabhängig von Akteuren oder dem bewaffneten Konflikt eine reale Gefahr („real risk“) einer Verletzung von Art. 2 und 3 EMRK droht.

Nach der Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes, der auf die Entscheidungen des EGMR Bezug nimmt, hat ein Fremder im Allgemeinen kein Recht, in einem fremden Aufenthaltsstaat zu verbleiben, bloß um dort medizinisch behandelt zu werden, und zwar selbst dann nicht, wenn er an einer schweren Krankheit leidet oder selbstmordgefährdet ist. Dass die Behandlung im Zielland nicht gleichwertig, schwerer zugänglich oder kostenintensiver ist, ist unerheblich, solange es grundsätzlich Behandlungsmöglichkeiten im Zielstaat bzw. in einem bestimmten Teil des Zielstaates gibt. Nur bei Vorliegen außergewöhnlicher Umstände führt die Abschiebung zu einer Verletzung in Art. 3 EMRK. Solche liegen etwa vor, wenn ein lebensbedrohlich Erkrankter durch die Abschiebung einem realen Risiko ausgesetzt würde, unter qualvollen Umständen zu sterben (VfGH 06.03.2008, B2400/07 mwN).

Auch in der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist in Hinblick auf den anzuwendenden Prüfungsmaßstab des Art. 3 MRK anerkannt, dass es unter Berücksichtigung der Judikatur des EGMR Ausnahmefälle geben kann, in denen durch eine schwere Erkrankung bzw. einen fehlenden tatsächlichen Zugang zur erforderlichen Behandlung im Herkunftsstaat die Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten begründet wird (VwGH 21.05.2019, Ro 2019/19/0006).

Nachdem der Beschwerdeführer gesund ist, ist im Hinblick auf den individuellen Gesundheitszustand vor dem Hintergrund der grundsätzlichen Verfügbarkeit medizinischer Grundversorgung eine reale Gefahr einer Verletzung des Art. 3 EMRK nicht ersichtlich. Soweit der Beschwerdeführer vorbringt, die Entwicklung der COVID-19-Pandemie sei nicht absehbar und bereite jedenfalls berechtigten Grund zur Sorge auch für Personen, die keiner „Risikogruppe“ angehören würden, da verschiedene Studien zeigen würden, dass auch jüngere Leute lebenslange gesundheitliche Probleme von einer Infektion davontragen könnten und die medizinische Infrastruktur in Afghanistan unzureichend sei, ist anzumerken, dass es konkrete Anhaltpunkte für eine zu erwartende Infektion des Beschwerdeführers mit einem in der Folge schweren Verlauf nicht gibt. Dies liegt zwar im Bereich des Möglichen, nach der bereits oben zitierten Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes reicht die bloße Möglichkeit der Gefahr einer Verletzung der Art. 2 oder 3 EMRK garantierten Rechte jedoch nicht aus, es muss viel mehr eine darüberhinausgehende Wahrscheinlichkeit bestehen, dass sich eine solche Gefahr verwirklicht wird (VwGH 17.10.2019, Ra 2019/18/0372). Dies wurde jedoch nicht konkret dargetan und ist auch nicht ersichtlich.

Nach der auf die Judikatur des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte bezugnehmenden ständigen Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes kann die Außerlandesschaffung eines Fremden in den Herkunftsstaat auch dann eine Verletzung von Art. 3 EMRK bedeuten, wenn der Betroffene dort keine Lebensgrundlage vorfindet, also die Grundbedürfnisse der menschlichen Existenz (bezogen auf den Einzelfall) nicht gedeckt werden können. Eine solche Situation ist nur unter exzeptionellen Umständen anzunehmen. Die bloße Möglichkeit einer durch die Lebensumstände bedingten Verletzung des Art. 3 EMRK ist nicht ausreichend. Vielmehr ist es zur Begründung einer drohenden Verletzung von Art. 3 EMRK notwendig, detailliert und konkret darzulegen, warum solche exzeptionellen Umstände vorliegen (VwGH 25.04.2017, Ra 2016/01/0307 mwN).

Derartige exzeptionelle Umstände hat der Beschwerdeführer allerdings nicht konkret dargetan und sie diese auch nicht ersichtlich. So haben sich Hinweise auf einen Zusammenbruch der Grundversorgung nicht ergeben, mögen wirtschaftliche und die Versorgungssituation auch angespannt sein.

So stellen UNHCR und EASO im Zusammenhang mit der Prüfung der Zumutbarkeit einer innerstaatlichen Fluchtalternative – die auch die nach nationaler Rechtlage bereits im Zusammenhang mit dem „real risk“ zu prüfende Frage der Schaffung einer Lebensgrundlage umfasst – im Hinblick auf die persönlichen Umstände auf Alter, Geschlecht, Gesundheitszustand, ethnischer und sprachlicher Hintergrund, Religion, das Vorhandensein von Identitätsdokumenten, Kenntnisse der lokalen Gegebenheiten, sozialer und ökonomischer Hintergrund, Bildungshintergrund, Zugang zu einem sozialen Unterstützungsnetzwerk und Religion ab (EASO Country Guidance, Abschnitt Common analysis: Afghanistan, Kapitel 5. Internal protection alternative, Abschnitt Reasonableness to settle, S. 166 ff. und UNHCR-Richtlinien, Kapitel III. Internationaler Schutzbedarf, Unterkapitel C. Interne Flucht-, Neuansiedlungs- oder Schutzalternative, Unterkapitel 2. Analyse der Zumutbarkeit, Buchstabe a) Die persönlichen Umstände des Antragstellers, S. 122).

EASO führt zudem konkrete Personenprofile samt Schlussfolgerungen an, wobei gegenständlich das Profil „Single able-bodied men“ (EASO Country Guidance, Abschnitt Common analysis: Afghanistan, Kapitel 5. Internal protection alternative, Abschnitt Reasonableness to settle, S. 166 ff., Unterabschnitt Conclusions on reasonableness: particular profiles encountered in practice, S. 174) in Betracht kommt.

Beim Beschwerdeführer handelt es sich um einen jungen gesunden Mann, der bereits in Afg

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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