TE Bvwg Erkenntnis 2021/5/3 L510 2197478-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 03.05.2021
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Entscheidungsdatum

03.05.2021

Norm

AsylG 2005 §10
AsylG 2005 §13
AsylG 2005 §3
AsylG 2005 §57
AsylG 2005 §8
BFA-VG §9
B-VG Art133 Abs4
FPG §46
FPG §52
FPG §55

Spruch


L510 2197478-1/30E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch den Richter Mag. INDERLIETH als Einzelrichter über die Beschwerde von XXXX , geb. am XXXX , StA. Irak, vertreten durch die Bundesagentur für Betreuungs- und Unterstützungsleistungen GmbH, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 26.04.2018, Zahl: XXXX , nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 19.02.2021 zu Recht:

A)

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

B)

Die Revision ist gemäß Art 133 Abs 4 B-VG nicht zulässig.


Text


Entscheidungsgründe:

I. Verfahrenshergang

1. Die beschwerdeführende Partei (bP), ein Staatsangehöriger des Irak, stellte nach nicht rechtmäßiger Einreise in das Bundesgebiet am 04.09.2015 einen Antrag auf internationalen Schutz.

1.1 Ihre Erstbefragung durch ein Organ des öffentlichen Sicherheitsdienstes fand am 04.09.2015 statt (AS 1ff). Im Zuge ihrer Erstbefragung gab die bP zum Fluchtgrund an, dass sie von Milizen bedroht worden sei, dies jedoch nicht ernst genommen habe. Vor drei Monaten seien die Milizen zu ihr gekommen, hätten ihr Geschäft demoliert, ihren Arm gebrochen und sie erneut bedroht. Weil sie Angst gehabt habe, sei sie nach Bagdad geflohen und habe zu ihren Eltern gesagt, sie sollen ihr Geschäft verkaufen. Ihre Eltern hätten daraufhin das Geschäft verkauft und ihr das Geld nach Bagdad geschickt. Im Falle einer Rückkehr in ihre Heimat habe die bP Angst um ihr Leben.

1.2. Mit Schreiben vom 20.05.2016 und 13.09.2016 erklärte die bP ihre beabsichtigte freiwillige Rückkehr in den Irak (AS 23f, 37f).

1.3. Mit Urteil des LG XXXX vom 21.06.2016, XXXX , wurde die bP wegen „Gefährlicher Drohung“ rechtskräftig zu einer Freiheitsstrafe von drei Monaten verurteilt, wobei die Strafe für die Dauer einer Probezeit von drei Jahren bedingt nachgesehen wurde (AS 27ff).

1.4. Mit Schreiben vom 26.07.2016 und 03.11.2016 brachte die bP durch ihre Rechtsvertretung ihren Personalausweis und einen Staatsbürgerschaftsnachweis in Original in Vorlage, sowie eine Kopie ihres Reisepasses (AS 33f, 43ff).

1.5. Am 06.12.2017 erklärte die bP erneut, dass sie das österreichische Bundesgebiet freiwillig verlassen möchte und beantragte eine unterstützte freiwillige Rückkehrhilfe. Mit der Unterstützung wolle sie einen Friseursalon im Irak eröffnen (AS 91ff).

1.6. Mit Erklärung vom 14.12.2017 widerrief die bP ihre Absicht, freiwillig in den Irak zurückkehren zu wollen (AS 77ff).

1.7. Am 23.04.2018 wurde die bP vom Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (BFA) niederschriftlich einvernommen (AS 135ff). Bei ihrer niederschriftlichen Einvernahme führte sie zu ihren Fluchtgründen befragt im Wesentlichen aus, dass sie im Irak Probleme mit den führenden Parteien gehabt habe. Weiters sei sie alkoholsüchtig gewesen. Sie sei aufgrund ihres Alkoholkonsums dreimal verprügelt sowie einmal inhaftiert worden. Die bP sei im Irak verlobt gewesen. Am Vorabend ihrer Hochzeit habe in ihrem XXXX ein Polterabend stattgefunden, wobei Musik gespielt, getanzt sowie Alkohol getrunken worden sei. Um ca. 22:30 Uhr oder 23:00 Uhr sei eine Gruppe von vermummten Männern, ungefähr fünf bis sechs Personen, mit Landcruiser Pickups gekommen und hätten den XXXX gestürmt. Sie sei mit einem Fußtritt angegriffen worden und zu Boden gestürzt, wobei sie sich die Hand gebrochen habe. Ein anderer Mann habe ihr dann anschließend mit dem Kolben ihrer Waffe auf ihre Wange geschlagen. Ihre Freunde seien daraufhin geflüchtet und sie sei dann alleine im XXXX gewesen und habe geschrien. Nachdem die bewaffneten Männer den XXXX verlassen hätten, habe sie dann alle Bilder von Schiitenführern, welche auf den Straßen hingen, heruntergerissen. Im Anschluss habe sie ihr Schwager ins Krankenhaus gebracht. Während sie im Krankenhaus gewesen sei, hätten die bewaffneten Unbekannten erfahren, dass sie diese Bilder heruntergerissen habe, seien zurück zum XXXX gefahren und hätten das ganze Geschäft zerstört. Die Männer seien auch in das Haus ihrer Eltern gegenüber gestürmt und hätten ihren Bruder sowie ihre Eltern geschlagen. Ihre Schwester habe sie telefonisch vorgewarnt, dass die Männer auch zu ihnen ins Krankenhaus kommen würden, weswegen sie dieses ohne Behandlung verlassen hätten. Ihr Schwager habe ihr anschließend geholfen nach Bagdad zu gelangen, wo sie bis zur Ausreise bei ihrer Tante gelebt habe. In den letzten 20 Tagen vor der Ausreise habe sie in Bagdad in einem XXXX arbeiten können.

Im Zuge der Einvernahme legte die bP ihren irakischen Reisepass Nr. XXXX , ausgestellt am 19.04.2012, im Original vor.

Mit Verfahrensanordnung vom 23.04.2018 wurde der bP der Verlust ihres Aufenthaltsrechts wegen Straffälligkeit mitgeteilt (AS 140, 295f).

2. Mit Bescheid vom 26.04.2018, Zahl: XXXX , wies das BFA den Antrag (I.) gemäß § 3 Abs 1 iVm § 2 Abs 1 Z 13 AsylG 2005 (AsylG) bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten und (II.) gemäß § 8 Abs 1 iVm § 2 Abs 1 Z 13 AsylG bezüglich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Irak ab. Das BFA erteilte (III.) keinen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG, erließ (IV.) gemäß § 10 Abs 1 Z 3 AsylG iVm § 9 BFA-VG eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs 2 Z 2 FPG, stellte (V.) gemäß § 52 Abs 9 FPG fest, dass die Abschiebung in den Irak gemäß § 46 FPG zulässig sei, sprach (VI.) aus, dass gemäß § 55 Abs 1 bis 3 FPG die Frist für die freiwillige Ausreise 14 Tage ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung betrage und stellte fest (VII.), dass die bP gemäß § 13 Abs 2 Z 1 AsylG ihr Recht zum Aufenthalt im Bundesgebiet ab dem 21.06.2016 verloren habe (AS 305ff).

Das BFA gelangte im Wesentlichen zur Erkenntnis, dass hinsichtlich der Gründe für die Zuerkennung des Status eines asyl- oder subsidiär Schutzberechtigten eine aktuelle und entscheidungsrelevante Bedrohungssituation nicht glaubhaft gemacht worden sei. Ein relevantes, die öffentlichen Interessen übersteigendes, Privat- und Familienleben würde nicht vorliegen.

Mit Verfahrensanordnung vom 26.04.2018 wurde der bP ein Rechtsberater von Amts wegen zur Seite gestellt (AS 415f).

3. Gegen den genannten Bescheid wurde innerhalb offener Frist Beschwerde erhoben (AS 449ff).

4. Mit Schreiben vom 21.06.2018 wurden fremdsprachige Unterlagen im Original vorgelegt, bei welchen es sich nach Angaben der bP um eine Anzeige bei der Polizei sowie einen Arztbrief vom 18.05.2015 handeln solle (OZ 3). Am 22.08.2018 langte die ersuchte Übersetzung der Dokumente ein (OZ 8).

5. Mit Urteil des Landesgerichtes XXXX vom 10.02.2020, XXXX , wurde die bP wegen Nötigung rechtskräftig zu einer Freiheitsstrafe von fünf Monaten verurteilt, wobei die Strafe für die Dauer einer Probezeit von drei Jahren bedingt nachgesehen wurde und für die Dauer der Probezeit Bewährungshilfe angeordnet (OZ 11-18).

6. Am 09.02.2021 langte ein weiteres Schreiben ein, mit welchem fremdsprachige Unterlagen vorgelegt wurden, wobei es sich dabei um medizinische sowie polizeiliche Dokumente aus dem Irak handeln solle (OZ 24). Am 15.02.2021 langte die ersuchte Übersetzung der Dokumente ein (OZ 26).

7. Am 19.02.2021 führte das Bundesverwaltungsgericht in Anwesenheit der bP, ihrer Rechtsvertreterin und eines Vertreters der belangten Behörde eine Verhandlung durch.

Mit der Ladung zu dieser Verhandlung wurde die bP umfassend auf ihre Mitwirkungsverpflichtung im Beschwerdeverfahren hingewiesen und sie zudem auch konkret aufgefordert, insbesondere ihre persönlichen Fluchtgründe und sonstigen Rückkehrbefürchtungen durch geeignete Unterlagen bzw. Bescheinigungsmittel glaubhaft zu machen.

Zugleich mit der Ladung wurden der bP ergänzend Berichte zur aktuellen Lage im Irak übermittelt, welche das BVwG in die Entscheidung miteinbezieht. Eine schriftliche Stellungnahmefrist bis zum Verhandlungstermin oder eine Stellungnahmemöglichkeit in der Verhandlung wurden dazu eingeräumt. Eine schriftliche Stellungnahme wurde nicht abgegeben und auch in der mündlichen Verhandlung wurde den Berichten nicht entgegengetreten.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen (Sachverhalt)

1.1. Zur Person der beschwerdeführenden Partei:

Die bP ist irakischer Staatsangehöriger, führt den im Spruch angeführten Namen und das dort angeführte Geburtsdatum, gehört der arabischen Volksgruppe und der muslimischen Glaubensgemeinschaft schiitischer Glaubensausrichtung an (AS 1, 137f, VHS S 6). Ihre Identität steht fest (als authentisch qualifizierter Staatsbürgerschaftsnachweis, Personalausweis und Reisepass, AS 43-49, 53-61, 83ff, 297-303, 445ff). Die bP ist ledig und hat keine Kinder (AS 1, 137).

Die bP stammt aus Basra. Sie lebte bereits in verschiedenen Bezirken von Basra, zuletzt in XXXX . Die bP war bis zur Ausreise aus dem Irak in der Lage, im Herkunftsstaat ihre Existenz zu sichern und war mehrere Jahre als XXXX tätig (AS 1f, 138f, VHS S 6f). Den Irak verließ die bP am 23.08.2015, Anfang September 2015 reiste die bP in Österreich ein (137ff, VHS S 7).

Die bP verfügt im Herkunftsstaat noch über ein familiäres bzw. verwandtschaftliches Netz. Ihre Eltern, ihr Bruder und fünf Schwestern sowie mehrere Onkel und Tanten leben noch im Herkunftsort. Ihre Mutter ist Hausfrau. Ihr Vater ist in der Pension uns bezieht Rente. Ihr Bruder arbeitet in einer Bäckerei. Ihre Schwestern sind alle verheiratet und leben bei deren Männern. Einer seiner Schwager ist Mechaniker, einer arbeitet im öffentlichen Bereich in einer Stromabteilung, einer arbeitet freiberuflich in verschiedenen Bereichen und zwei sind Polizisten. Die Eltern der bP leben seit Anfang 2016 gemeinsam mit ihrem Bruder in einem Haus zur Miete im Bezirk XXXX , XXXX Basra. Die bP hat regelmäßig telefonischen Kontakt zu ihrer Mutter (AS 138, VHS S 6).

Aktuell liegen keine relevanten behandlungsbedürftigen Krankheiten vor. Die bP ist gesund. Ein beim Fußballspielen erlittener Beinbruch wurde medizinisch behandelt und ist verheilt (AS 137, VHS S 3, 10).

Die bP geht in Österreich keiner Erwerbstätigkeit nach und ist zur Sicherung ihres Lebensunterhaltes in Österreich seit ihrer Ankunft auf staatliche Zuwendungen angewiesen (GVS, VHS S 4).

Abgelegte Deutschprüfungen oder absolvierte Deutschkurse wurden nicht nachgewiesen, die bP war jedoch für die ÖIF Integrationsprüfung A2 am 22.03.2021 angemeldet. Die bP brachte diesbezüglich kein Zertifikat einer positiven Absolvierung in Vorlage. Sie kann sich auf einfache Art und Weise auf Deutsch verständigen (VHS S 5, VHS Beilage).

In Österreich leben keine Familienangehörigen der bP. Sie hat in Österreich keinen Freundeskreis. In ihrer Freizeit macht sie Sport oder lernt die deutsche Sprache. Die meiste Zeit verbringt sie alleine (VHS S 4). Mitgliedschaften in Vereinen wurden keine vorgebracht. Ehrenamtliche Tätigkeiten konnten nicht festgestellt werden.

Die bP hat bisher bereits dreimal eine freiwillige Heimreise beantragt. Zuletzt erklärte die bP am 06.12.2017, dass sie das österreichische Bundesgebiet freiwillig verlassen möchte und beantragte eine unterstützte freiwillige Rückkehrhilfe. Mit der Unterstützung wolle sie einen XXXX im Irak eröffnen. Nur wenige Tage später, am 14.12.2017, widerrief sie erneut ihre Absicht, freiwillig in den Irak zurückkehren zu wollen (AS 23f, 37f, 77ff, 91ff, VHS S 10).

In den Unterkünften ist es wiederholt zu Problemen mit der bP gekommen. Die bP konsumierte unter anderem mehrmals übermäßig Alkohol, verhielt sich anderen gegenüber aggressiv, drohte den Betreuern, verweigerte den Putzdienst, rauchte im Zimmer und war in eine Schlägerei verwickelt (GVS-Auszüge).

Mit seit 21.06.2016 rechtskräftigem Urteil des Landesgerichtes XXXX vom 21.06.2016, XXXX , wurde die bP wegen der Vergehen der gefährlichen Drohung nach § 107 Abs 1 und 2 erster Fall StGB gemäß § 107 Abs 1 StGB zu einer Freiheitsstrafe von drei Monaten verurteilt, wobei die Strafe für die Dauer einer Probezeit von drei Jahren bedingt nachgesehen wurde. Der Verurteilung lag zu Grunde, dass die bP persönlich gegenüber ihren beiden Opfern und in weiterer Folge bei ihrer polizeilichen Befragung sinngemäß äußerte, dass sie die beiden Opfer umbringen werde, wobei sie ihre Ankündigungen teils unter Verwendung eines Brotmessers untermauerte (AS 27ff).

Mit seit 10.02.2020 rechtskräftigem Urteil des Landesgerichtes XXXX vom 10.02.2020, XXXX , wurde die bP wegen dem Vergehen der Nötigung nach § 105 Abs 1 StGB zu einer Freiheitsstrafe von fünf Monaten sowie zum Ersatz der Kosten des Strafverfahrens verurteilt, wobei die Strafe für die Dauer einer Probezeit von drei Jahren bedingt nachgesehen und für die Dauer der Probezeit Bewährungshilfe angeordnet wurde. Die Vorhaft von 09.01.2020, 14:50 Uhr, bis 10.02.2020, 09:35 Uhr, wurde angerechnet. Der Verurteilung lag zu Grunde, dass die bP ihrem Opfer (Ihrer Quartierbetreiberin) durch die (sinngemäße) Äußerung, sie werde, wenn sie keinen Transfer bekomme, alles niederbrennen bzw. dann gehe alles in Flammen auf, sowie die Äußerung, sie schwöre bei ihrer Mutter, sie werde sie töten, somit indem sie zumindest mit der Zufügung einer Körperverletzung und einer Sachbeschädigung drohte, zu einer Handlung, nämlich zur Veranlassung einer Überstellung in eine andere Unterkunft, zu nötigen versuchte.

Strafmildernd wurde ein reumütiges und zur Wahrheitsfindung beitragendes Geständnis gewertet, sowie der Umstand, dass es beim Versuch geblieben ist. Erschwerend stand dem gegenüber, dass es bereits eine einschlägige Vorstrafe gab (OZ 11-18).

Am 01.09.2020 reiste die bP ohne gültiges Reisedokument nach Deutschland wo sie von der Polizei aufgegriffen wurde. Wenige Tage später kehrte sie zurück nach Österreich und ersuchte am 07.09.2020 um Wiederaufnahme im Quartier XXXX (GVS, VHS S 11).

1.2. Zu den angegebenen Gründen für das Verlassen des Herkunftsstaates:

Die bP hat nicht glaubhaft dargelegt und kann auch sonst nicht festgestellt werden, dass sie vor ihrer Ausreise aus ihrer Heimat in dieser einer aktuellen sowie unmittelbaren persönlichen und konkreten Verfolgung, Bedrohung oder sonstigen Gefährdung ausgesetzt war oder sie im Falle ihrer Rückkehr dorthin mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit einer solchen ausgesetzt wäre oder in eine lebens- bzw. existenzbedrohliche Notlage geraten würde.

1.3. Zur asyl- und abschiebungsrelevanten Lage im Herkunftsstaat:

Die im Irak anhaltenden sektiererischen Spannungen führten zum Aufstieg von Da'esh (auch als islamischer Staat bekannt), einer militanten Salafi Dschihadistengruppe, die einer fundamentalistischen Version des sunnitischen Islam folgt. Der IS besetze große Teile des Irak im Jahr 2014. Auf seinem Höhepunkt besaß der IS ungefähr 40 Prozent des irakischen Territoriums. Während seiner Besatzung verübte er zahlreiche Gräueltaten, insbesondere gegen Minderheitengruppen, einschließlich Massenmord und sexuelle Versklavung. Der IS besiegte die irakischen Sicherheitskräfte in mehreren Schlachten und kam 50 Kilometer bis an Bagdad heran, bevor er von den regulären irakischen Streitkräften gestoppt werden konnte, unterstützt von einer durch die USA geführten Internationalen Koalition und irregulärer Volksmobilisierungskräfte (PMF). Nach drei Jahren Konflikt erklärte die Regierung im Dezember 2017 den endgültigen Sieg über den IS, nachdem die letzten vom IS kontrollierten Gebiete entlang der syrischen Grenze zurückerobert worden waren. Der Konflikt mit dem IS hat die irakische Wirtschaft erheblich geschädigt und der IS stellt weiterhin eine Sicherheitsbedrohung innerhalb des Landes dar (Australian Government – Department of Foreign Affairs and Trade, Country Information Report Iraq, 17.08.2020).

Demografische Daten für den Irak sind unzuverlässig, aber die meisten Schätzungen gehen davon aus, dass die Bevölkerung des Landes zwischen 38 und 40 Millionen liegt. Das geschätzte Bevölkerungswachstum des Landes liegt bei rund 2,8 Prozent pro Jahr und liegt damit in den Top 20 der am schnellsten wachsenden Länder weltweit. Der Irak ist ein junges Land: Fast 60 Prozent der Iraker sind den Berichten zufolge unter 25 Jahre alt. Ungefähr 70 Prozent der Iraker leben in städtischen Gebieten. Der Irak hat eine 3-prozentige jährliche Urbanisierungsrate. Bagdad ist die Hauptstadt und größte Stadt mit einer Bevölkerung zwischen 6 und 7 Millionen Einwohner. Die Städte Basra und Mosul haben beide mehr als 2 Millionen Einwohner, während Erbil, Kirkuk, Sulaymaniyah und Hilla jeweils mehr als 1 Million Einwohner haben. Die irakische Bevölkerung ist stark konzentriert im Norden, in der Mitte und im Osten des Landes, mit vielen größeren städtischen Ballungsräumen entlang der ausgedehnten Teile des Tigris und des Euphrat. Ein Großteil der westlichen und südlichen Gebiete des Irak ist Wüste und dünn besiedelt oder unbewohnt (Australian Government – Department of Foreign Affairs and Trade, Country Information Report Iraq, 17.08.2020).

Die irakische Verfassung garantiert grundlegende Menschenrechten einschließlich Rechtsstaatlichkeit, Gleichheit vor dem Gesetz, Chancengleichheit, Privatsphäre, Unabhängigkeit der Justiz, Versammlungsfreiheit, Freiheit der Religionsausübung und Schutz der Kultstätten, Vereinigungs- Gedanken- und Meinungsfreiheit. Zahlreiche Gesetze schützen diese verfassungsmäßige Freiheiten. Artikel 2 Absatz 1 der Verfassung besagt, dass der Islam die offizielle Religion des Staates ist. Der zweite Teil von Artikel 2 garantiert das Recht auf Glaubens- und Religionsfreiheit, insbesondere unter Erwähnung von Christen, Jesiden und Sabäer-Mandäer (Australian Government – Department of Foreign Affairs and Trade, Country Information Report Iraq, 17.08.2020).

Artikel 102 der Verfassung garantiert die Unabhängigkeit der irakischen Hohen Kommission für Menschenrechte (IHCHR), die vom Repräsentantenrat überwacht wird. Das Gesetz über die Tätigkeit des IHCHR sieht 12 Vollzeitkommissare und drei Reservekommissare mit einer Laufzeit von vier Jahren vor. Das Gesetz überträgt der IHCHR eine breite Befugnis, einschließlich des Rechts auf Empfang und Untersuchung von Menschenrechtsbeschwerden, Durchführung unangekündigter Besuche in Justizvollzugsanstalten und Überprüfung der Gesetzgebung. Die Unabhängige Menschenrechtskommission der Region Kurdistan (IHRCKR) führt ein ähnliches Verfahren durch. Beide Organisationen veröffentlichen regelmäßig Berichte zu Menschenrechtsfragen und führen Schulungen für staatliche Sicherheitsbehörden durch (Australian Government – Department of Foreign Affairs and Trade, Country Information Report Iraq, 17.08.2020).

Al-Araby Al-Jadeed berichtet im Oktober 2018, dass sich PMF-Milizen im Norden und im Westen des Landes ohne spezielle Anordnung der irakischen Regierung wieder ausbreiten. Laut einem ranghohen Mitarbeiter von Premierminister Al-Abadi sind 80 Prozent der PMF-Milizen im Norden und Westen des Irak stationiert. Der Artikel erwähnt, ohne dabei Quellen zu nennen, die Präsenz von Milizen in 20 Städten und Distrikten, insbesondere in den Provinzen Anbar, Diyala Salahaddin, Kirkuk und Ninawa sowie an der Grenze zu Syrien. Zudem gibt es Stützpunkte in Tadschi (bei Bagdad) sowie in Nasiriya zum Schutz schiitischer Pilger. Die Milizen stellen Checkpoints und Sicherheitsbarrieren auf, führen Hausdurchsuchungen und Razzien durch und übernehmen damit Aufgaben aus dem Zuständigkeitsbereich der irakischen Armee. Genannt werden die Milizen Asa’ib Ahl Al-Haqq, Kata’ib Hisbollah, Saraya Al-Khorasani; Badr, Hisbollah Al-Nudschaba, Kata’ib Imam Ali, die Abbas-Kampfdivision und weitere (Al-Araby Al-Jadeed, 18. Oktober 2018). Ein weiterer Artikel von Al-Araby Al-Jadeed beschreibt unter Verweis auf Informationen aus staatlichen Quellen und aus PMF-Kreisen die Anfang 2019 begonnene Initiative zur Errichtung und Erweiterung bereits bestehender Stützpunkte von PMF-Milizen in den Provinzen Anbar, Diyala, Ninawa, Kirkuk und Salahaddin sowie im Bagdad-Gürtel (Umland der Hauptstadt). Sie liegen in der nahen Umgebung von Städten. In Diyala wird Camp Aschraf zum Hauptstützpunkt der PMF ausgebaut. In Anbar gibt es sechs Stützpunkte (drei im Umland von Falludscha, im Gebiet „160 Kilo“ westlich von Ramadi, im Gebiet der Phosphatgruben und beim Grenzübergang Al-Rutba); in Ninawa fünf Hauptstützpunkte (nahe Mossul, Tel Afar, Sindschar, Baadsch und Rabia); in Salahaddin gibt es Stützpunkte in Tikrit, Baidschi, Siniya, Balad und Duluiya und in der Provinz Kirkuk bei den Hamrin-Bergen, Umm al-Khanadschir, Riyad, bei al-Hawidscha und im Westen von Dibis. Einige dieser Stützpunkte sind reine PMF-Stützpunkte, andere werden mit Einheiten der Bundespolizei geteilt (Al-Araby Al-Jadeed, 12. Februar 2019).

Im Juli 2018 wird ein Demonstrant in Nadschaf beim Versuch, in den Stützpunkt der Asa’ib Ahl al-Haqq einzudringen, erschossen (Baghdad Post, 14. Juli 2018). Bei einem ähnlichen Vorfall im Rahmen von Demonstrationen gegen Korruption wird im Juli 2018 ein Demonstrant von einem Wächter vor dem Hauptquartier der Badr-Organisation in Diwaniya (Provinz Qadisiya) erschossen (France 24, 20. Juli 2018). Laut einem Artikel von NAS News vom Dezember 2018 warnt der Anführer der Abbas-Kampfdivision vor einer „Verletzung der Heiligkeit der Stadt Kerbela“, wo ein Weihnachts- bzw. Neujahrsfest geplant ist, und droht, die Namen der Organisatoren zu veröffentlichen (NAS News, 9. Dezember 2018). Im Februar 2019 wird in Basra ein Anführer der Kata’ib Hisbollah von unbekannten Angreifern erschossen (Elaph, 10. Februar 2019). Im April 2019 berichtet NAS News, dass Kata’ib Hisbollah die EinwohnerInnen aus Dschurf Al-Sakhr in der Provinz Babil weiterhin an ihrer Rückkehr hindert (NAS News, 20. April 2019) (ACCORD, ecoi.net-Themendossier zum Irak: Schiitische Milizen, 22.07.2019).

Im ersten Quartal 2020 wurden in der Provinz Basra 96 sicherheitsrelevante Vorfälle mit 20 Todesopfern erfasst (ACCORD – Austrian Centre for Country of Origin & Asylum Research and Documentation: Irak, 1. Quartal 2020: Kurzübersicht über Vorfälle aus dem Armed Conflict Location & Event Data Project (ACLED) 23.06.2020).

Im zweiten Quartal 2020 wurden in der Provinz Basra 80 sicherheitsrelevante Vorfälle mit 6 Todesopfern erfasst (ACCORD – Austrian Centre for Country of Origin & Asylum Research and Documentation: Irak, 2. Quartal 2020: Kurzübersicht über Vorfälle aus dem Armed Conflict Location & Event Data Project (ACLED) 28.10.2020).

Der IS hat im April 2020 eine neue Gewaltoffensive gestartet, die in der dritten Woche des Mai ihren Höhepunkt erreichte. Es wurden dabei die gleich hohe Anzahl von Attacken wie zuletzt zur selben Zeit 2018. In der vierten Mai-Woche gingen die Attacken wieder zurück (Musings on Iraq, 01.06.2020).

Die Gewalt im Irak ist auf ein sehr niedriges Niveau zurückgekehrt. In der dritten Woche in Folge gab es kaum Vorfälle. Das kam nachdem der Islamische Staat von April bis Mai 2020 eine neue Offensive angekündigt hatte, bei der die Angriffe auf das Niveau von 2018 stiegen. Die Regierung startete auch eine aggressive Reihe von Sicherheitsmaßnahmen, die auch die Operationen der Aufständischen niedrig gehalten haben. Vom 15. bis 21. Juni wurden in den Medien nur 16 Sicherheitsvorfälle gemeldet. Das war die gleiche Zahl wie in der Woche zuvor. Zwei von den Vorfällen waren pro-iranische Gruppen, die Raketen auf Ziele in Bagdad abfeuerten, in denen Amerikaner untergebracht waren, sowie ein Dritter, bei welchem Raketen entdeckt wurden, bevor sie ins Leben gerufen wurden. Diese Art von Angriffen entstand, als die irakische Regierung Gespräche über eine neue Sicherheitsvereinbarung mit den Vereinigten Staaten aufgenommen hat. Teheran versucht die Botschaft zu senden, dass die Amerikaner jederzeit ins Visier genommen werden können und das Land verlassen sollten. Damit blieben 13 Vorfälle durch den IS wahrscheinlich, gegenüber 12 in der Woche zuvor und 17 in der ersten Juniwoche. Die Vorfälle verteilten sich auf nur fünf Provinzen, eine in Kirkuk, vier in Bagdad und Diyala, zwei in Ninewa und fünf in Salahaddin. Diese führten zu 11 Todesfällen und 19 Verwundeten. 1 Zivilist, 4 irakische Sicherheitskräfte (ISF) und 6 Hashd al-Shaabi kamen ums Leben, weitere 5 Sicherheitskräfte, 7 Zivilisten und 7 Hashd wurden verletzt. Salahaddin hatte mit 19 die meisten Verluste, gefolgt von 6 in Diyala, 4 in Ninewa und 1 in Bagdad. Obwohl die Verluste gering waren, litten die Sicherheitskräfte mehr als die Zivilbevölkerung darunter, was in den letzten zwei Monaten eine entscheidende Veränderung war. Es scheint, dass der IS versucht, die militärische Überlegenheit gegenüber den ländlichen Gebieten, in denen sie tätig sind, zu etablieren, indem sie danach streben die Polizei, Armee und Hashd einzuschüchtern. Seit der IS letztes Jahr sein letztes Stück Territorium in Syrien verloren hat, zieht er Männer und Material aus dem Land in den Irak, weitgehend über Anbar. Als Reaktion darauf tätigt die Regierung ständige Sicherheitsoperationen in den großen unbewohnten Gebieten der Provinz. Dort gab es sieben solche während der Woche durch die Wüstengebiete, die Grenze und das Hit-Viertel. In Diyala gab es während der Woche vier Zwischenfälle. Eine Militärpatrouille wurde von einem IED getroffen, eine Gruppe von Zivilisten wurde angegriffen, ein IS-Scharfschütze tötete einen Hashd und verwundete einen Soldaten, alles im Bezirk Muqdadiya im Zentrum. Ein Infiltrationsversuch wurde im Bezirk Khanaqin im Nordosten vereitelt. Diese Provinz ist das Zentrum der IS-Aktivitäten im Irak, weshalb es regelmäßig zu einer hohen Anzahl von Vorfällen kommt. 3 Personen, die Wochen zuvor entführt worden waren, wurden von den Sicherheitskräften in einem Dorf im Bezirk Daquq im Süden von Kirkuk gerettet. Der IS wurde nie aus der südlichen Region des Gouvernements vertrieben, weshalb sich dort fast alle Vorfälle ereignen. In Ninewa führten zwei IEDs, die sich gegen Zivilisten richteten, zu insgesamt vier Verwundeten. Beide ereigneten sich im Bezirk Qayara südlich von Mosul. Salahaddin war das gewalttätigste Gebiet im Irak. Es gab fünf Vorfälle, darunter IEDs, die auf einen Armeekonvoi und eine Hashd-Patrouille abzielten. Der Anführer von Hashd wurde ermordet und es wurde auf einen Kontrollpunkt geschossen. Das größte Ereignis war jedoch ein Angriff auf ein Hashd-Hauptquartier im Samarra Bezirk, der 6 Opfer hinterließ. Der IS hat in den letzten Wochen seine Aktivitäten in der Provinz stark aufgenommen. Als Antwort gab es eine Reihe von Sicherheitsmaßnahmen, drei im Osten, eine im Westen von Samarra im Zentrum und die letzte in Yathrib im Süden (Musings on Iraq, 23. Juni 2020).

Die Gewalt im Irak erreichte in der vierten Juniwoche einen Tiefpunkt. Die Angriffe des Islamischen Staates waren dort einstellig. Vom 22. bis 28. Juni 2020 wurden in den Medien im Irak insgesamt 10 Sicherheitsvorfälle gemeldet. Einer davon war ein Raketenangriff auf den Internationalen Flughafen Bagdad von pro-iranischen Gruppen, die hoffen, inmitten der amerikanisch-irakischen Verhandlungen um eine neue Sicherheitsvereinbarung, eine Nachricht an die USA zu senden. Das waren nur 9 Vorfälle des Islamischen Staates. Dies war die niedrigste Zahl seit 8 Vorfällen in der zweiten Woche im November 2019. Gewalt trat nur in vier Provinzen auf. Es gab jeweils einen Vorfall in Kirkuk und Salahaddin, zwei in Bagdad und sechs in Diyala. 8 Menschen starben und 13 wurden verwundet. Das waren 2 Hashd al-Shaabi und 6 Polizisten, die ihr Leben verloren haben, zusammen mit 5 Polizisten und 8 Hashd, die verletzt wurden. Die Sicherheitskräfte waren weiterhin das Hauptziel der Militanten. Jetzt versucht der IS, seine militärische Dominanz über die ländlichen Gebiete, in denen er arbeitet, durch Einschüchterung der Armee, Polizei und Hashd zu behaupten. Alle Opfer gab es in Salahaddin mit 10 und Diyala mit 11. Anbar bleibt ein Schwerpunkt der Regierung. In der vergangenen Woche gab es 7 Sicherheitsoperationen. In der folgenden Woche gab es gerade eine in der Wüstenregion Nukhaib im Süden an der Grenze zu Nadschaf. Die Provinz sieht relativ wenig aufständische Aktivitäten, ist aber die Hauptschmuggelroute des IS. Es gab zwei Zwischenfälle in Bagdad. Neben dem Raketenangriff warf ein Polizist zwei Granaten auf sein Haus im Adhamiya Distrikt im Norden. Im Juni wurden fast alle Angriffe, 8 von 10, im Gouvernement der Hauptstadt von proiranischen Gruppen durchgeführt, die Raketen in Bereichen abfeuerten, in denen amerikanisches Personal untergebracht ist. Dies führte dazu, dass die Regierung die Büros der Kataib Hisbollah überfiel, die dafür verantwortlich gemacht wurde. Diyala ist die Hauptbasis für den Aufstand im Irak. Es war diesen Monat relativ ruhig, weil die Regierungstruppen anwesend waren. Während der Woche gab es sechs Vorfälle, die meisten in diesem Monat. Dazu gehörten zwei Städte im Waqf-Becken, welche von Mörsern getroffen wurden, zwei Angriffe auf Kontrollpunkte, ein Angriff auf ein Dorf und es wurde ein Polizist erschossen. All dies geschah im Muqdadiya Bezirk in der Mitte. Die Regierung startete außerdem sechs Operationen im Norden, Süden, Nordosten und Zentrum. Die Hälfte davon war auf wenige Dörfer beschränkt, während die anderen größere Regionen abdeckten. Die Kerngebiete des Islamischen Staates in Muqdadiya und Khanaqin wurden jede Woche durchsucht, was erklärt, warum die Vorfälle relativ gering waren. Die stetigen Operationen in letzter Zeit haben dazu geführt, dass nicht so viele Angriffe wie üblich ausgeführt werden konnten. Im südlichen Makhmour-Distrikt von Erbil gab es eine Sicherheitsoperation. Seit einigen Monaten trifft der IS diesen Bereich, weil es ein umstrittenes Gebiet ist und es Lücken in der Berichterstattung zwischen den irakischen Streitkräften und Peshmerga gibt. Die dritte Phase der Heroes of Iraq-Kampagne begann Anfang der Woche in Salahaddin. Vier verschiedene Bereiche in der Mitte und im Osten waren betroffen. Es wurden mehrere IEDs entdeckt, die 2 Hashd töteten und 8 weitere verwundeten. Es gab keine Zwischenfälle in Kirkuk oder Ninewa und keine Regierungsaktivitäten. Dies war ein weiteres Zeichen dafür, dass sich der IS im Juni reduzierte. Der Rückgang der Ereignisse im Juni zeigt, dass der Aufstand militärisch immer noch sehr begrenzt ist und große Operationen nicht lange aufrechterhalten werden können. Die Regierung war auch sehr aggressiv (Musings on Iraq, 30. Juni 2020).

Bis Ende April 2020 wurden etwa 4,7 Millionen Personen im Irak gezählt, die nach Vertreibung an ihren gewöhnlichen Wohnsitz rückkehrten; diese verteilten sich auf 8 Gouvernements, 38 Distrikte und über 2.000 Orte. In den Monaten März und April 2020 wurden über 44.000 neue Rückkehrer registriert. Diese Anzahl ist niedriger als zuletzt, was auf die von den Behörden erlassenen Mobilitätbeschränkungen aufgrund des Coronavirus zurückzuführen ist. Die meisten Rückkehrer wurden in den Gouvernements Anbar, Ninewa und Salah al-Din gezählt. Die Gesamtzahl der gezählten Binnenvertriebenen belief sich im März und April 2020 auf etwa 1,4 Millionen Personen, aufgeteilt auf 18 Gouvernements, 104 Bezirke und knapp 3.000 Orte. Trotz des kontinuierlichen Rückgangs von Binnenvertriebenen (etwa -9.600 Personen im Vergleich zur Zählung in den Monaten Jänner und Februar 2020) wurden in den Monaten März und April 2020 knapp 2.700 neue Binnenvertriebene gezählt, welche überwiegend bereits zum zweiten Mal vertrieben wurden. 60% der in den Monaten März und April 2020 gezählten Binnenvertriebenen stammten aus dem Gouvernement Ninewa (die meisten aus Mossul, Sinjar und Al-Ba’aj), jeweils 11% stammten aus den Gouvernements Salah al-Din und Anbar (Displacement Tracking Matrix, Iraq Master List Report 115, March-April 2020).

Im Jahr 2015 gab es in Barsa 1.800 öffentliche Schulen für etwa 800.000 Schüler, weitere 700 Schulen wurden [2015] laut dem irakischen Bildungsministerium benötigt. Die Überbelegung führte zu Schichtbetrieb von Klassen. Es wurde berichtet, dass im Oktober 2018 unter anderem für 500 Schüler aus Basra beim Bildungsministerium der Kurdischen Autonomieregierung ein Antrag auf Schulwechsel gestellt wurde. Während Kinder aus Familien der unteren und mittleren Schichten öffentliche Schulen besuchen, hat der Anteil an Privatschulbildung zugenommen. Im Jahr 2015 besuchten etwa 20 Prozent der Kinder in Basra Privatschulen. Einer der Quellen zufolge erteilte die Regierung im Jahr 2017 die Genehmigung zur Eröffnung einer privaten, gemischten christlichen Schule in Basra. Gemischt christliche Kindergärten existieren bereits.

In Basra sind die meisten Nahrungsmittel für den Grundbedarf verfügbar, die Märkte sind funktionstüchtig. Die Preise auf den Märkten von Basra sind vergleichsweise höher als im Umland, insbesondere für lokal angebaute Produkte, bedingt durch eine Reduktion des Anbaus von Nutzpflanzen wegen der Wasserknappheit seit 2018 (Anfragebeantwortung der Staatendokumentation, Irak: Lage von Kindern in Basra, 21.10.2019).

Im Süden des Irak, einschließlich der Städte Najaf und Basra, ist die Bevölkerung überwiegend schiitisch, und Sunniten können im Allgemeinen diskriminiert oder aus konfessionellen Gründen ins Visier genommen werden (Anfragebeantwortung der Staatendokumentation, Irak: Stamm/Clan Halbous, Involvierung in sicherheitsrelevante Vorfälle Juni bis Ende Dezember 2014, ab Juni 2019, 13.12.2019).

Wie andere Plätze im überwiegend schiitischen Süden des Irak, ist der Tahrir zu einem sozialen Experiment geworden, zu einem Freiraum, in dem konservative Normen gestürzt wurden. Die Jugend singt gegen eine einst unantastbare Gruppe von Politikern und paramilitärischen Befehlshabern an, und Frauen verbringen die Nächte in Zelten neben erwachsenen Männern. Studenten widersetzen sich dem Befehl, in die Hörsäle zurückzukehren, und in Vierteln, die einst als gefährlich galten, wimmelt es nur so von Menschen, die auf dem Weg zu den Demonstrationen sind. (…) Hiyyam Shayea, eine 50-jährige Lehrerin in der von Protesten heimgesuchten Provinz Diwaniyah, kann dies bezeugen. „Es gab einige große, überraschende Veränderungen in vielen sozialen Bereichen“, sagte Shayea, die bei einer Kundgebung in ihrer Heimatstadt eine traditionelle schwarze Robe trug. Das ist im Süden, wo Stammesbräuche über dem staatlichen Gesetz stehen und die öffentliche Rolle der Frauen einschränken, lange unvorstellbar gewesen. Aber die Veränderungen fordern einen hohen Preis.

Rund 550 Menschen wurden bei Gewalt im Zusammenhang mit den Protesten getötet und 30.000 verwundet. „Das war alles für ein Heimatland – eines, das zivilisiert und bürgerlich ist, nicht rückständig und veraltet“, sagte Shayea. (…)

Nur wenige der derzeitigen Demonstranten sind alt genug, um sich an Saddam zu erinnern – 60 Prozent der Bevölkerung sind unter 25 Jahre alt – und machen die Älteren dafür verantwortlich, ihnen den Irak mit einem zerbrochenen politischen System hinterlassen zu haben. Die Kundgebungen offenbarten „eine riesige Kluft“ zwischen den beiden Generationen, sagte der irakische Forscher Khaled Hamza gegenüber der AFP. „Wir befinden uns mitten in einer spontanen Bewegung von Jugendlichen, von denen nicht erwartet wurde, dass sie dafür verantwortlich fühlen, das zu erreichen, was unsere Generation nicht erreichen konnte“, sagte Hamza, der in seinen 60ern ist. Die Demonstranten sehen das ähnlich. In Bagdad trug eine Frau mit einem rosa Kopftuch ein Schild mit der Aufschrift: „Letzten Endes habe ich eine Revolution gemacht. Was haben Sie getan?“ (mena-watch: Was die Protestbewegung im Irak bis jetzt erreicht hat, 20.02.2020).

Seit Anfang Oktober 2019 kommt es im Irak vermehrt zu Protesten. Neben der Hauptstadt Bagdad gibt es auch in anderen irakischen Provinzen und Städten, wie Nasiriya, Basra und Najaf, größere Proteste. Auslöser ist die andauernde Unzufriedenheit der Bevölkerung mit der Regierung (mangelhafte staatliche Dienstleistungen, Regierungs-und Administrationsreformen, mangelnde Beschäftigungsmöglichkeiten, Korruption, mangelnde Versorgung mit Wasser und Elektrizität vor allem in den südlichen Teilen des Landes). Die Reaktion der Regierung umfasst hartes Eingreifen der Sicherheitskräfte, Ausgangssperren und das Blockieren von Kommunikationskanälen. Seit Beginn der Massenunruhen in Bagdad und im Südirak Anfang Oktober, den größten Demonstrationen seit dem Sturz von Saddam Hussein im Jahr 2003, sind mindestens 330 Menschen im Zuge der Proteste getötet worden. Demonstranten haben in Basra Regierungsgebäude und Autos in Brand gesteckt, Reifen verbrannt und Straßen blockiert. Es kommt zu Gewaltanwendung durch die Sicherheitskräfte (Einsatz von scharfer Munition, Gummigeschossen und Tränengas), die wiederholt zu Todesfällen unter den Demonstranten führte. Bis zu 18 Menschen wurden getötet, als Sicherheitskräfte die einwöchige Hafenblockade von Umm Qasr und die Demonstration in Basra City auflösten. Eine weitere Quelle erwähnt am 9.11. bis zu zwölf Todesfälle in Basra in den vorangegangenen Tagen, ein Artikel vom 24.11. berichtet von sieben Toten in Basra. Es wird außerdem über willkürliche Festnahmen von Demonstranten, u.a. in Basra, Bagdad und Najaf berichtet.

Soziale Frustration ist der Hauptgrund der aktuellen Proteste in Basra. Experten haben lange vor einem Ausbruch von Unzufriedenheit gewarnt, besonders bei der irakischen Jugend, die stark von Arbeitslosigkeit betroffen ist. Als Gründe für die Unzufriedenheit nennen Quellen u.a. die folgenden: mangelnde Stromversorgung, mangelnde öffentliche Dienstleistungen, Schwäche des staatlichen Systems, angeschlagene Wirtschaft, Armut, hohe Arbeitslosigkeit, Korruption, Unterfinanzierung des öffentlichen Bereichs und der Infrastruktur, und eine durch Jahrzehnt des Krieges verursachte Krise der psychischen Gesundheit.

Zur Trinkwasserversorgung in Basra berichten nachfolgend zitierte Quellen von fehlenden Veränderungen. Obwohl im vergangenen Jahr abermals Änderungen versprochen wurden, komme aus dem Wasserhahn weiterhin unsauberes Wasser, und kein Trinkwasser. Eine Quelle von Juli 2019 berichtet, dass die Behörden weiterhin Aktivitäten erlauben oder ignorieren, die die Wasserressourcen von Basra verschmutzen. Die versprochenen Regierungsprojekte zur Verbesserung der Wasserqualität wurden aufgrund von Misswirtschaft und Korruption nicht verwirklicht. Die Behörden haben es auch versäumt, den Anwohnern ausreichende Informationen zur Verfügung zu stellen, um sich im Falle einer zukünftigen Krise, die Experten für unvermeidlich halten, zu schützen. Eine weitere Quelle von Anfang September 2019 berichtet von hunderten Schulen ohne fließendem Wasser. Bis zu 40 Prozent der Provinz Basra sind nach wie vor nicht an das Kanalisationsnetz angeschlossen, und die meisten Menschen sind gezwungen, Wasser von privaten Lastwagen oder abgefülltes Wasser zu kaufen. Auch die schlechte Abfallwirtschaft ist in Basra ein Thema. Basra verfügt über 339 Werke zur Wasseraufbereitung; jedoch könne selbst behandeltes Wasser aufgrund von Korrosion von Rohren oder Tanks, zu hohem Salzgehalt und unzureichenden Mengen an zugegebenem Chlor unsicher sein. Eine Quelle zitiert den chaldäischen Erzbischof von Basra, der außerdem von überfüllten Krankenhäusern und Engpässen bei der Medikamentenversorgung berichtet (Anfragebeantwortung der Staatendokumentation, Irak: Sicherheits- und Versorgungslage in den Provinzen Najaf/Nadschaf und Basra, 02.12.2019).

COVID-19 – Aktuelle Lage im Irak

Laut worldometers.info, Stand 28.04.2021, gibt es im Irak 1,05 Mio. Coronavirus-Fälle. Es gibt 15.348 Todesfälle. 921.000 Personen sind wieder genesen.

Aufgrund der Verbreitung des Coronavirus kommt es zu Einschränkungen im Flug- und Reiseverkehr. Die internationalen Flughäfen Bagdad, Najaf und Basra sind für kommerzielle Linienflüge offen. Alle Landgrenzen sind bis auf weiteres geschlossen. Reisen in den Iran sind aus dem Irak und der Region Kurdistan wieder gestattet.

Passagiere, die in den Irak einreisen wollen, müssen maximal 72 Stunden vor Abflug über einen negativen COVID-19-Test verfügen. Passagiere, die ein negatives COVID-19-Testergebnis haben, müssen den Test nicht am Flughafen ablegen. Sie werden jedoch unter Quarantäne gestellt. Alle Passagiere, die ohne PCR-Test ankommen, müssen sich dem Test des medizinischen Teams des Flughafens unterziehen und die Kosten sind vom Passagier zu tragen (USD 50). Der Irak hat das Einreiseverbot aus folgenden Ländern wieder aufgehoben:

Australien, Österreich, Belgien, Brasilien, Dänemark, Finnland, Frankreich, Georgien, Deutschland, Griechenland, Indien, Irland, Japan, Luxemburg, der Slowakei, Südafrika, Spanien, Großbritannien, den USA und Sambia.

Diplomaten, offizielle Regierungsdelegationen, internationale Organisationen und Experten, die an Serviceprojekten arbeiten, sind vom Einreiseverbot ausgenommen, sofern sie einen negativen PCR-Test vorlegen, der 72 Stunden vor ihrer Ankunft durchgeführt wurde. Passagiere, die in Erbil einreisen wollen, brauchen einen negativen COVID-19-Test, der nicht älter als 48 Stunden ist. Alle ankommenden Passagiere müssen sich bei Ankunft am Flughafen einem COVID19-Test unterziehen und es gilt eine 2-tägige Quarantäne. Die Kosten sind von den Reisenden zu tragen. Wenn das Ergebnis positiv ist, muss der/die Reisende ein Formular ausfüllen, um zu erklären, dass er/sie in einer 14-tägigen Quarantäne bleiben wird. Bei Auftreten von Symptomen muss das kurdische Gesundheitsministerium kontaktiert werden.

Ab dem 13.04.2021 wird die nächtliche Ausgangssperre wiedereingeführt: Von 20:00 – 05:00 Uhr dürfen Einwohner ihre Häuser/ Wohnungen nicht verlassen. An Freitagen und Samstagen gilt die komplette Ausgangssperre. Die irakische Regierung beschränkt das Reisen zwischen Provinzen nicht, aber die Einreise in den Irak zu touristischen und religiösen Zwecken ist verboten. Schulen und Universitäten unterrichten bis auf weiteres, 4 Tage die Woche Online und einen Tag vor Ort. Ministerien sind mit Mindestkapazität und verkürzter Arbeitszeit wieder geöffnet, Maskenpflicht für alle. Ab dem 20.04. wird nur geimpften Personen oder Personen mit einem negativen PCR Test in Ministerien und Regierungsbehörden der Zutritt erlaubt. Einkaufszentren, Supermärkte sind unter Auflagen des Gesundheitskomitees geöffnet. Restaurants, Cafés und Bars sind während des Fastenmonats geschlossen. Ab 15.02 sind Veranstaltungen und Feierlichkeiten jeglicher Art und Trauerversammlungen bis auf weiteres verboten. Moscheen sind geöffnet. Taxis, dürfen nicht mehr als 3 Personen (inklusive Fahrer) transportieren (https://www.wko.at/service/aussenwirtschaft/coronavirus-situation-im-irak.html, Abruf 28.04.2021).

2. Beweiswürdigung

Beweis erhoben wurde im gegenständlichen Beschwerdeverfahren durch Einsichtnahme in den Verfahrensakt des Bundesamtes unter zentraler Berücksichtigung der niederschriftlichen Angaben der bP, der von ihr vorgelegten Beweismittel, des bekämpften Bescheides, des Beschwerdeschriftsatzes, durch die Durchführung einer mündlichen Verhandlung vor dem BVwG und die Einsichtnahme in die vom Bundesverwaltungsgericht beigeschafften länderkundlichen aktuellen Informationen zur allgemeinen Lage im Herkunftsstaat der bP, welche im Vorfeld der hg. mündlichen Verhandlung, wie bereits ausgeführt, übermittelt wurden.

2.1 Zur Person der beschwerdeführenden Partei

Die personenbezogenen Feststellungen hinsichtlich der bP und jenen zu ihren Familienangehörigen ergeben sich aus ihren in diesen Punkten einheitlichen, im Wesentlichen widerspruchsfreien Angaben sowie ihren im Verfahren dargelegten Sprach- und Ortskenntnissen und dem seitens der bP vorgelegten Reisepass sowie dem Staatsbürgerschaftsnachweis und Personalausweis.

Die einfachen Deutschkenntnisse der bP wurden aufgrund der Wahrnehmung des erkennenden Richters im Rahmen der mündlichen Verhandlung festgestellt (OZ 28).

Die Feststellungen zu den Verurteilungen der bP basieren auf den zitierten Strafanträgen AS 27ff, OZ 12, 13), Strafkarten (AS 31f, OZ 16, 17), Urteilen (OZ 15, 18) und dem Strafregisterauszug (OZ 27).

Die Feststellungen zu der mehrmals beantragten freiwilligen Heimreise basieren auf den diesbezüglichen im Akt befindlichen Dokumenten (AS 23f, 37f, 77ff, 91ff, VHS S 10).

Das Verhalten der bP in den Unterkünften ergibt sich aus dem GVS Auszug.

Der Gesundheitszustand der bP wurde auf Basis ihrer eigenen, diesbezüglich glaubhaften Angaben festgestellt.

In der Einvernahme vor dem BFA gab die bP an, Kollegen unentgeltlich die Haare zu schneiden sowie im Seniorenheim die alten Menschen zu frisieren. In der mündlichen Verhandlung erwähnte die bP derlei Aktivitäten nicht mehr. Auch diesbezügliche Bestätigungsschreiben wurden keine vorgebracht, weswegen keine ehrenamtlichen Tätigkeiten der bP festgestellt werden konnten.

2.2. Zu den angegebenen Gründen für das Verlassen des Herkunftsstaates

Zu Beginn ist darauf hinzuweisen, dass die bP in der Einvernahme vor der belangten Behörde zuerst versuchte Verständigungsprobleme mit dem Dolmetscher in der Erstbefragung geltend zu machen. Nachdem diese Versuche erfolglos blieben, gestand die bP ein, unrichtige Angaben bei der Befragung gemacht zu haben. So habe sie angegeben, illegal aus dem Irak ausgereist zu sein und ihren Reisepass dort gelassen zu haben, obwohl sie in Wahrheit legal und mit ihrem Reisepass aus dem Irak ausgereist sei. Die bP schreckt somit offensichtlich nicht davor zurück, in ihrem Asylverfahren falsche Angaben zu machen, was ihre persönliche Glaubwürdigkeit bereits massiv mindert.

Im Verfahren ergaben sich zudem maßgebliche Unplausibilitäten im Kernvorbringend der bP, wie folgend dargelegt wird.

Auf das Wesentliche zusammengefasst begründete die bP ihre Ausreise in der Einvernahme vor dem BFA damit, dass am Vorabend ihrer Hochzeit in ihrem XXXX ein Polterabend stattgefunden habe, wobei Musik gespielt, getanzt sowie Alkohol getrunken worden sei. Um ca. 22:30 Uhr oder 23:00 Uhr sei eine Gruppe von vermummten Männern, ungefähr fünf bis sechs Personen, mit Landcruiser Pickups gekommen und hätten den XXXX gestürmt. Sie sei mit einem Fußtritt angegriffen worden und zu Boden gestürzt, wobei sie sich die Hand gebrochen habe. Ein anderer Mann habe ihr dann anschließend mit dem Kolben ihrer Waffe auf ihre Wange geschlagen. Ihre Freunde seien daraufhin geflüchtet. Nachdem die bewaffneten Männer den XXXX verlassen hätten, habe sie dann alle Bilder von Schiitenführern, welche auf den Straßen hingen, heruntergerissen. Im Anschluss habe sie ihr Schwager ins Krankenhaus gebracht. Während sie im Krankenhaus gewesen sei, hätten die bewaffneten Unbekannten erfahren, dass sie diese Bilder heruntergerissen habe, seien zurück zum XXXX gefahren und hätten das ganze Geschäft zerstört. Die Männer sein auch in das Haus ihrer Eltern gegenüber gestürmt und hätten ihren Bruder sowie ihre Eltern geschlagen. Ihre Schwester habe sie telefonisch vorgewarnt, dass die Männer auch zu ihnen ins Krankenhaus kommen würden, weswegen sie dieses ohne Behandlung verlassen hätten. Ihr Schwager habe ihr anschließend geholfen nach Bagdad zu gelangen, wo sie bis zur Ausreise bei ihrer Tante gelebt habe. Weiters sei die bP alkoholsüchtig gewesen. Sie sei aufgrund ihres Alkoholkonsums dreimal verprügelt sowie einmal inhaftiert worden.

Aus den Angaben der bp vor der Behörde und ihren Angaben in der mündlichen Verhandlung ergaben sich erhebliche Widersprüche und Ungereimtheiten im Kernvorbringen, auf welche wie folgt eingegangen wird:

So ist es bereits nicht glaubhaft, dass die bP im Irak Eigentümer eines XXXX gewesen ist. Während sie in der Einvernahme angab, sie habe das Geschäft von 2005 bis 2015 geführt, erklärte sie in der Verhandlung, dass sie von 2009 bis 2015 als XXXX gearbeitet habe und lediglich in den letzten Jahren vor der Ausreise, von 2011 bis 2015 selbstständig als XXXX gearbeitet und dafür ein Geschäftslokal gemietet habe. Auch die Angaben der bP bezüglich der Besitzverhältnisse wechselten im Laufe des Verfahrens mehrfach. In der Erstbefragung gab sie an, ihre Eltern hätten das Geschäft verkauft und ihr das Geld nach Bagdad geschickt. In der Einvernahme vor der Behörde erklärte sie, sie „hatte ein eigenes Geschäft in Basra“, dieses sei jedoch am 18.05.2015 von den Milizen zerstört worden. In der mündlichen Verhandlung führte die bP zuerst aus, die Milizen hätten ihren XXXX vereinnahmt, erklärte jedoch später, dass es sich bei dem Geschäft um ein Mietobjekt gehandelt habe und dieses später seitens des Besitzers weitervermietet worden sei. Darüber hinaus brachte die bP während des gesamten Verfahrens keinerlei Beweismittel bezüglich des Geschäfts in Vorlage (Mietvertrag bzw. Kaufvertrag), obwohl sie mehrfach auf ihre Mitwirkungspflicht aufmerksam gemacht wurde und der angebliche Angriff auf ihren XXXX einen wesentlichen Aspekt ihres Fluchtvorbringens darstellt.

Widersprüche im Vorbringen der bP finden sich auch bezüglich der zeitlichen Komponente. So gab die bP vor dem BFA an, es habe am Vortag der Hochzeit einen Polterabend gegeben und sei diese Feier um ca. 22:30 Uhr oder 23:00 Uhr gestürmt worden. In der mündlichen Verhandlung erklärte die bP hingegen, es habe am Tag der Hochzeit eine Feier stattgefunden, welche von Unbekannten gestürmt worden sei. Sie sei anschließend ins Krankenhaus gefahren. Am selben Tag, spät am Abend, habe ihr Schwager sie dann nach Bagdad gebracht. Diese unterschiedlichen Schilderungen des Angriffs durch die Milizen sind nicht nachvollziehbar, handelt es sich doch dabei um jenen Vorfall, der zur Ausreise der bP geführt habe. Die bP tätigte darüber hinaus jedoch auch divergierende Aussagen bezüglich der Beschädigung ihres XXXX . Gegenüber dem BFA gab sie an, die bewaffneten Männer seien nach dem Angriff wieder verschwunden. Nachdem sie jedoch die Plakate auf der Straße heruntergerissen habe, seien diese Personen in das Geschäft zurückgekehrt und hätten es zerstört, während die bP gerade im Krankenhaus gewesen sei. Mit dem nicht übereinstimmend gab die bP in der mündlichen Verhandlung an, dass die bewaffneten Personen in das Geschäft gekommen seien, sie mit dem Fuß zu Boden getreten sowie einen Schlag mit dem Gewehrkolben verpasst hätten und anschließend damit begonnen hätten, das Geschäft zu zerstören.

Weiters gab die bP nicht übereinstimmend an, wer sie von einer (möglichen) Rückkehr der bewaffneten Männer gewarnt habe. In der Einvernahme gab die bP an, dass, nachdem sie die Plakate auf der Straße heruntergerissen habe, die Männer zurückgekehrt seien und das Geschäft zerstört hätten. Anschließend seien sie in das gegenüberliegende Elternhaus der bP gestürmt und hätten dort sowohl ihren Bruder, als auch ihre Eltern geschlagen. Ihre Schwester habe sie dann telefonisch gewarnt, dass die Männer auch zu ihr ins Krankenhaus kommen würden. Gänzlich widersprüchlich erklärte die bP in der mündlichen Verhandlung hingegen, dass ihr Bruder ihren Schwager angerufen hätte und diesen aufgefordert habe, sie nach Hause zu bringen, da die Männer „vielleicht“ kommen würden. Ein erneutes Erscheinen der Personen erwähnte die bP in der Verhandlung nicht, genauso wenig, dass ihre Familie von diesen Personen angegriffen worden sei.

Es verwundert auch, dass die bP angab im Irak verlobt gewesen zu sein und einen Tag vor ihrer Hochzeit nach Bagdad sowie anschließend nach Europa flüchten habe zu müssen, im Verfahren jedoch keinerlei Angaben zu ihrer Verlobten machen konnte und scheinbar hier in Österreich auch keinen Kontakt mehr zu dieser pflegte. Die bP erwähnte während des gesamten Verfahrens mit keinem Wort, dass sie telefonischen Kontakt zu ihrer Verlobten habe oder diese vermisse. Auch wie es mit der Verlobung weiterging, ob diese aufgelöst worden oder immer noch aufrecht sei, vermochte die bP nicht anzugeben. Zum Zeitpunkt der Einvernahme im April 2018 gab die bP hingegen an, aktuell eine Geliebte hier in Österreich zu haben.

Ebenfalls verwunderlich ist, dass die bP ihre anstehende Hochzeit lediglich mit zwei Freunden im XXXX gefeiert habe, ihr Bruder und ihr Schwager jedoch nicht dabei gewesen seien, obwohl ihr Bruder nach eigenen Angaben lediglich aufgrund der bevorstehenden Hochzeit zu Besuch gewesen sei.

Nicht nachvollziehbar sind darüber hinaus die Angaben der bP, wonach ihr Bruder den Vorfall bei der Polizei angezeigt habe, obwohl dieser den Vorfall nicht persönlich miterlebt habe. Die Angaben der bP, dass ihr Bruder dies gemacht habe, da sie schnell weg habe müssen, da der Schwager gewarnt worden sei, vermögen diese Ungereimtheit nicht zu erklären, zumal sie nach eigenen Angaben drei Monate lang in Bagdad lebte und somit mehr als genug Zeit gehabt hätte eine Anzeige zu erstatten. Noch unverständlicher werden diese Angaben der bP, bedenkt man, dass mehrere ihrer Schwager Polizisten sind und einer davon sie bis nach Bagdad begleitet habe. Es wäre somit der bP jedenfalls möglich gewesen Anzeige zu erstatten.

Die bP brachte zum Beweis ihres Fluchtvorbringens mehrere fremdsprachige Unterlagen in Vorlage, bei welchen es sich nach Angaben der bP um ärztliche Bestätigungen sowie Anzeigebestätigungen handeln soll. Den Übersetzungen dieser Dokumente sind mehrere Divergenzen zum Vorbringen der bP zu entnehmen:

So gab die bP vor dem BFA bspw. an, dass die bewaffneten Männer ihre Hand gebrochen hätten, diese jedoch im Krankenhaus nicht behandelt worden sei, da sie das Krankenhaus schnell verlassen und nach Bagdad fliehen habe müssen. In der mündlichen Verhandlung erklärte sie widersprüchlich, dass sie einen Gips bekommen habe, die Hand jedoch „nicht richtig“ behandelt worden sei. Aus dem vorgelegten Arztbrief ergibt sich wiederum, dass die bP sehr wohl behandelt worden sei. Dem Arztbrief zufolge sei sie untersucht, geröntgt sowie anschließend operiert worden und sei ihre Hand dann in Gips gelegt worden. Die bP habe Medikamente erhalten und sei erst aus dem Krankenhaus entlassen worden, als ihr gesundheitlicher Zustand stabil gewesen sei. Eine unvollständige Behandlung der Hand oder gar eine vorzeitige Flucht aus dem Krankenhaus ist dem vorgelegten Arztbrief nicht zu entnehmen.

Die Schilderungen des Vorfalls im XXXX in den polizeilichen Berichten und Anzeigenbestätigungen stimmen ebenfalls nicht mit dem Vorbringen der bP überein und erzählen beinahe eine gänzlich andere Geschichte. So habe laut diesen Dokumenten auch der Bruder der bP im XXXX gearbeitet und sei dieser zum Zeitpunkt des Angriffs anwesend gewesen. Es sei nur ein Auto vorgefahren, niemand hätte das Geschäft betreten und eine Person habe von außen mit einer Kalaschnikow auf die beiden Brüder geschossen. Durch die Schüsse seien Fenster zerbrochen, die Fassade beschädigt und die Möbel zerstört worden, sowie in weiterer Folge die Hand der bP gebrochen. Widersprüchlich zum Vorbringend der bP wurde dort auch festgehalten, dass ihr Bruder die bP zum Krankenhaus gebracht habe. Vor dem Angriff sei eine Drohnachricht durch die Türe des XXXX geworfen worden. Darin würden die beiden Brüder aufgefordert werden die Arbeit im XXXX zu beenden, ansonsten würden sie getötet werden, was die beiden jedoch nicht ernst genommen hätten. Die Drohung habe sich somit nicht nur gegen die bP gerichtet, sondern auch gegen ihren Bruder, was jedoch die Frage aufkommen lässt, warum in diesem Fall nur die bP ihr Heimatland verlassen habe müssen, ihr Bruder jedoch problemlos weiterhin dort leben könne.

Gegen eine tatsächliche Bedrohungssituation im Irak spricht auch der Umstand, dass die bP mehrfach versuchte freiwillig dorthin zurückzukehren, wenngleich sie ihre Anträge auf unterstützte freiwillige Rückkehrhilfe immer wieder zurückzog. In ihrem Antrag vom 06.12.2017 erklärte die bP erneut, dass sie das österreichische Bundesgebiet freiwillig verlassen möchte und gab an, mit der Unterstützung einen XXXX im Irak eröffnen zu wollen. Der Wunsch der bP in den Irak zurückzukehren und dort einen XXXX zu eröffnen lässt eindeutig erkennen, dass diese im Falle ihrer Rückkehr in den Irak keine Angst um ihr Leben oder ihre körperliche Unversehrtheit hat. In der Einvernahme vor der Behörde, befragt warum sie den Antrag auf Rückkehr im Dezember 2017 widerrufen habe, erklärte die bP, dass sie Angst gehabt hatte ihr Gesicht zu verlieren. Von Befürchtungen betreffend Verfolgung im Heimatstaat berichtete die bP nicht. Sie führte weiters aus, nicht mehr nach Hause zurückkehren zu wollen, seitdem sie erfahren habe, dass das Haus der Eltern weggenommen worden sei. Bezüglich dem Elternhaus gab die bP jedoch in der mündlichen Verhandlung widersprüchlich an, dass ihre Eltern nie ein eigenes Haus besessen, sondern in einem Mietshaus gelebt hätten und umziehen hätten müssen, wenn die Mietverträge abgelaufen seien.

Widersprüchlich waren auch ihre Angaben, wie es nach dem Vorfall weitergegangen sei. Während sie in der Einvernahme angab, nach dem Vorfall ca. drei Monate in Bagdad bei ihrer Tante gelebt zu haben und dort auch die letzten 20 Tage vor ihrer Ausreise in einem XXXX habe arbeiten können, erklärte sie in der mündlichen Verhandlung, dass sie in den drei Monaten bei ihrer Tante keinen einzigen Tag das Haus verlassen habe.

Zu Beginn der Verhandlung wurde die bP gefragt, ob sie die Dolmetscherin gut verstehe, was diese bejahte. Am Ende der Verhandlung wurde die bP nochmals gefragt, ob sie die Dolmetscherin gut verstanden habe, woraufhin sie knapp antwortete, sie glaube es habe „Sachen“ gegeben, die die Dolmetscherin nicht verstanden habe. Befragt, was für „Sachen“ dies seien, erklärte die bP: „Z.B. die ganzen Sachen die im XXXX abgelaufen sind. Sie hat z.B. den Bruder mit dem Schwager verwechselt. Auch bzgl. der Produkte, die noch im Geschäft waren, diese hat meine Familie genommen, nicht die Miliz.“ Die von der bP genannten Beispiele wurden jedoch sehr wohl richtig dokumentiert. So wurde weder der Bruder mit dem Schwager verwechselt (die Angaben bzgl. Schwager und Bruder decken sich größtenteils auch mit dem Protokoll der behördlichen Einvernahme), noch wurde protokolliert, dass die Miliz die Produkte des Geschäftes genommen hätte, sondern wie die bP selbst angab, dass diese Produkte von der Familie genommen worden seien. Der erkennende Richter hatte in der mündlichen Verhandlung nicht den Eindruck, dass sich bei der Übersetzung Ungereimtheiten ergeben hätten und auch die Rechtsvertretung gab auf Nachfrage an, nicht den Eindruck von Verständigungsschwierigkeiten zwischen der bP und der Dolmetscherin gehabt zu haben. Nach Rückübersetzung der Niederschrift hatte die bP die Möglichkeit auf etwaige Fehler hinzuweisen, dabei tätigte sie lediglich eine Berichtigung der Niederschrift und zwar dahingehend, dass ihr Bruder nicht gegenüber vom Geschäft gelebt habe, sondern an diesem Tag nur zu Besuch bei den Eltern gewesen sei. Ansonsten hatte sie keine Einwendungen gegen die Vollständigkeit und Richtigkeit der Niederschrift. Dies zeigt, dass falsche Übersetzungen tatsächlich nicht stattgefunden haben.

Seitens des BVwG ist somit zusammenfassend festzustellen, dass die bP in Kernpunkten ihres Fluchtvorbringens nicht nachvollziehbare, unstimmige und widersprüchliche Angaben tätigte. Die in Vorlage gebrachten Beweismittel schildern zudem einen gänzlich anderen Sachverhalt als diesen die bP vorbrachte. Es ist somit nicht glaubhaft, dass die bP bedroht sowie angegriffen worden ist und somit aufgrund der von ihr geschilderten Gründe ihren Herkunftsstaat verlassen hat. Vor dem Hintergrund der hier insgesamt getroffenen Ausführungen hat die bP somit nicht glaubhaft dargelegt und es ergibt sich auch sonst nicht, dass sie im Falle einer Rückkehr in ihrer Heimat mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit einer atuellen sowie unmittelbaren persönlichen und konkreten Verfolgung, ausgesetzt wäre.

2.3. Zur asyl- und abschiebungsrelevanten Lage im Herkunftsstaat:

Die getroffenen Feststellungen zur allgemeinen Lage im Herkunftsstaat ergeben sich aus den angeführten herkunftsstaatsbezogenen Erkenntnisquellen. Die Länderfeststellungen basieren auf vielgestaltigen Quellen, denen keine Voreingenommenheit unterstellt werden kann. Das BVwG hat diesbezüglich das Parteiengehör gewahrt. Die bP ist diesen Quellen nicht entgegengetreten.

Die Feststellungen zur Lage im Irak in Bezug auf den Coronavirus COVID-19 werden aufgrund der übereinstimmenden Feststellungen einer Vielzahl von öffentlich zugänglichen Quellen als notorisch bekannt angesehen.

3. Rechtliche Beurteilung

Gemäß § 6 BVwGG entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist. Gegenständlich liegt s

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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