Entscheidungsdatum
04.05.2021Norm
AsylG 2005 §3 Abs1Spruch
W138 2203522-1/11E
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. Klaus HOCHSTEINER über die Beschwerde des XXXX geb. XXXX , StA.: Afghanistan, vertreten durch RA Mag. Robert BITSCHE, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 13.07.2018, XXXX , nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 01.04.2021:
A)
I. den Beschluss gefasst:
Das Verfahren wird infolge Zurückziehung der Beschwerde gegen die Spruchpunkte I. und II. des angefochtenen Bescheides gemäß §§ 28 Abs. 1 und 31 Abs. 1 VwGVG insoweit eingestellt.
II. zu Recht erkannt:
1. Die Beschwerde gegen Spruchpunkt III. wird abgewiesen.
2. Der Beschwerde gegen Spruchpunkt IV. des angefochtenen Bescheides wird gemäß § 28 Abs 2 VwGVG stattgegeben und es wird festgestellt, dass gemäß § 9 BFA-VG die Erlassung einer Rückkehrentscheidung gegen den Beschwerdeführer auf Dauer unzulässig ist.
Gemäß § 55 Abs 1 AsylG wird XXXX der Aufenthaltstitel "Aufenthaltsberechtigung" für die Dauer von zwölf Monaten erteilt.
3. Die Spruchpunkt V. und VI. des angefochtenen Bescheides werden ersatzlos behoben.
B)
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Text
Entscheidungsgründe:
I. Verfahrensgang:
1. Der Beschwerdeführer, ein afghanischer Staatsangehöriger, stellte am 13.11.2015 in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz.
2. Mit Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl (im Folgenden auch: "BFA") wurde der Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz gemäß § 3 Abs. 1 i.V.m. § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten (Spruchpunkt I.) und gemäß § 8 Abs. 1 i.V.m. § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG bezüglich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Afghanistan (Spruchpunkt II.) abgewiesen. Gemäß § 57 AsylG wurde ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen nicht erteilt und gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG i.V.m. § 9 BFA-VG gegen den Beschwerdeführer eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG erlassen wobei gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt wurde, dass die Abschiebung des Beschwerdeführers gemäß § 46 FPG nach Afghanistan zulässig sei (Spruchpunkt III.-V.) Gemäß Spruchpunkt VI. betrage die Frist für die freiwillige Ausreise 14 Tage ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung.
3. Gegen diesen Bescheid erhob der Beschwerdeführer mit Schriftsatz der Rechtsvertretung vom 13.08.2018 Beschwerde gegen alle Spruchpunkte.
4. Am 01.04.2021 fand vor dem Bundesverwaltungsgericht eine mündliche Verhandlung statt, an welcher der Beschwerdeführer, sein Rechtsvertreter, sowie eine Dolmetscherin für die Sprache Dari teilnahmen. Die belangte Behörde ist entschuldigt nicht erschienen.
Der Beschwerdeführer zog in der mündlichen Verhandlung nach Rücksprache mit seinem Rechtsvertreter die Beschwerde gegen Spruchpunkt I. und II. des angefochtenen Bescheides zurück.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1. Feststellungen (Sachverhalt):
Der Beschwerdeführer ist Angehöriger der Volksgruppe der Hazara und schiitischer Moslem. Der BF stammt aus der Provinz Sar-e Pol. Der BF besuchte lediglich ein paar Monate die Schule und arbeitete in der Landwirtschaft und im Baugewerbe. Der BF hat kein Verwandten mehr in Afghanistan zu denen er Kontakt hat.
Die Eltern und die Schwester des BF mit deren Kindern leben in Österreich. Der BF besucht seine Eltern und seine Schwester jede Woche. Die Ehefrau des BF hat sich vom BF getrennt und der BF führt mit seiner Ehefrau seit mehreren Jahren keinen gemeinsamen Haushalt mehr. Die Frau und der Sohn des BF leben getrennt vom BF in Österreich. Der BF hat regelmäßigen Kontakt zu seinem Sohn. Der Sohn des BF verbringt jedes Wochenende und auch regelmäßig unter der Woche tageweise beim BF. Der Beschwerdeführer, zeigt nachweislich erhebliches Interesse an seinem Sohn, nimmt seine Fürsorge- und Erziehungsaufgaben wahr und kümmert sich um seinen Sohn. Der Beschwerdeführer ist für seinen Sohn eine wichtige Bezugsperson. Er ist auch eine große Stütze für seine Eltern und seine Schwester. Die Eltern des BF unterstützen den BF bei der Betreuung seines Sohnes.
Der Beschwerdeführer ist strafrechtlich unbescholten, jung, gesund und arbeitsfähig.
Der BF hat einen Deutschkurs A1 abgeschlossen. Der BF ist regemäßig gemeinnützig tätig. Der BF geht keiner erlaubten Erwerbstätigkeit nach.
In der mündlichen Verhandlung vor dem BVwG wurde die Beschwerde gegen Spruchpunkt I. und II. des angefochtenen Bescheides zurückgezogen.
2. Beweiswürdigung:
Der oben angeführte Verfahrensgang ergibt sich aus dem unbedenklichen und unzweifelhaften Akteninhalt des vorgelegten Verwaltungsaktes der belangten Behörde und des Verfahrensaktes des Bundesverwaltungsgerichts.
Die Feststellungen zur Identität, Nationalität, Volksgruppe, Herkunft und zu den Familienverhältnissen des Beschwerdeführers gründen sich auf seinen unbedenklichen und im gesamten Verfahren gleichbleibenden Angaben. Die Feststellungen gelten ausschließlich für die Identifizierung der Person im Asylverfahren.
Die Feststellung zur Schulbildung und Berufserfahrung des Beschwerdeführers folgt dessen Aussagen im behördlichen bzw. gerichtlichen Verfahren.
Die Feststellung zur strafgerichtlichen Unbescholtenheit des BF ergeben sich aus einem amtswegig eingeholten Strafregisterauszug.
Die Feststellung zu den Lebensverhältnissen des Beschwerdeführers und seinem Privat- und Familienleben in Österreich, ergeben sich aus seinen diesbezüglichen Angaben im Zuge der mündlichen Verhandlung am 01.04.2021, die insoweit kohärent und widerspruchsfrei waren und einem Auszug aus dem Melderegister. Der BF gab ausdrücklich an, dass sich seine Ehefrau von ihm getrennt habe und kein gemeinsames Familienleben zu seiner Ehefrau mehr bestehe. Sie würden nun getrennte voneinander leben.
3. Rechtliche Beurteilung:
Gemäß § 6 BVwGG, BGBl. I Nr. 10/2013, entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist. Eine derartige Regelung wird in den einschlägigen Normen (VwGVG, BFA-VG, AsylG 2005) nicht getroffen und es liegt somit Einzelrichterzuständigkeit vor.
Das Verfahren der Verwaltungsgerichte mit Ausnahme des Bundesfinanzgerichtes ist durch das VwGVG, BGBl. I 33/2013 idF BGBl. I 24/2017, geregelt (§ 1 leg. cit.). Gemäß § 58 Abs. 2 VwGVG bleiben entgegenstehende Bestimmungen, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes bereits kundgemacht wurden, in Kraft.
Gemäß § 17 VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles, die Bestimmungen der Bundesabgabenordnung – BAO, BGBl. 194/1961, des Agrarverfahrensgesetzes – AgrVG, BGBl. 173/1950, und des Dienstrechtsverfahrensgesetzes 1984 – DVG, BGBl. 29/1984, und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in den dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte (siehe insbesondere § 1 BFA-VG, BGBl. I 87/2012 idF BGBl. I 25/2016).
Gemäß § 3 BFA-G, BGBl. I 87/2012 idF BGBl. I 70/2015, obliegt dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl die Vollziehung des BFA-VG (Z 1), die Vollziehung des Asylgesetzes 2005 (AsylG 2005), BGBl. I Nr. 100 (Z 2), die Vollziehung des 7., 8. und 11. Hauptstückes des Fremdenpolizeigesetzes 2005 (FPG), BGBl. I Nr. 100 (Z 3) und die Vollziehung des Grundversorgungsgesetzes – Bund 2005, BGBl. I Nr. 100 (Z 4).
Gemäß § 7 Abs. 1 Z 1 BFA-VG entscheidet das Bundesverwaltungsgericht über Beschwerden gegen Bescheide des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl.
Gemäß § 28 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht, sofern die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder das Verfahren einzustellen ist, die Rechtssache durch Erkenntnis zu erledigen.
Gemäß § 28 Abs. 2 VwGVG hat das Verwaltungsgericht über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG dann in der Sache selbst zu entscheiden, wenn der maßgebliche Sachverhalt feststeht oder die Feststellung des maßgeblichen Sachverhalts durch das Verwaltungsgericht selbst im Interesse der Raschheit gelegen oder mit einer erheblichen Kostenersparnis verbunden ist.
Zu A I.):
Zur Beschwerde gegen Spruchpunkt I. und II. des angefochtenen Bescheides:
Gemäß § 28 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht die Rechtssache durch Erkenntnis zu erledigen, sofern die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder das Verfahren einzustellen ist.
Eine Einstellung eines Verfahrens ist dann vorzunehmen, wenn ein Erledigungsanspruch nach Beschwerdeeinbringung verloren gegangen ist. Dies liegt unter anderem dann vor, wenn eine Beschwerde zurückgezogen wird. (Fister/Fuchs/Sachs, Das neue Verwaltungsgerichtsverfahren, 2013, zu § 28 VwGVG Rz 5).
§ 7 Abs. 2 VwGVG, BGBl. I Nr. 33/2013 idF BGBl. I Nr. 24/2017 (im Folgenden: VwGVG), normiert, dass eine Beschwerde nicht mehr zulässig ist, wenn die Partei nach Zustellung oder Verkündung des Bescheids ausdrücklich auf die Beschwerde verzichtet hat.
Eine Zurückziehung der Beschwerde durch die beschwerdeführende Partei ist in jeder Lage des Verfahrens ab Einbringung der Beschwerde bis zur Erlassung der Entscheidung möglich. Mit der Zurückziehung ist das Rechtsschutzinteresse der beschwerdeführenden Partei weggefallen, womit einer Sachentscheidung die Grundlage entzogen und die Einstellung des betreffenden Verfahrens - in dem von der Zurückziehung betroffenen Umfang - auszusprechen ist (vgl. Götzl/Gruber/Reisner/Winkler, Das neue Verfahrensrecht der Verwaltungsgerichte, 2015, § 7 VwGVG, Rz 20; Eder/Martschin/Schmid, Das Verfahrensrecht der Verwaltungsgerichte, 2013, § 7 VwGVG, K 5 ff.).
Die Annahme, eine Partei ziehe die von ihr erhobene Beschwerde zurück, ist nur dann zulässig, wenn die entsprechende Erklärung keinen Zweifel daran offen lässt. Maßgebend ist daher das Vorliegen einer in dieser Richtung eindeutigen Erklärung (vgl. zu Berufungen Hengstschläger/Leeb, AVG, § 63, Rz 75 mit zahlreichen Hinweisen zur Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes).
Eine solche Erklärung liegt im vorliegenden Fall vor, weil der rechtsfreundlich vertretene Beschwerdeführer die Zurückziehung seiner Beschwerde nach eingehender Beratung mit seinem Rechtsvertreter in der mündlichen Verhandlung aus freien Stücken klar zum Ausdruck gebracht hat; einer Sachentscheidung durch das Gericht ist damit die Grundlage entzogen.
Das Beschwerdeverfahren ist daher mit Beschluss einzustellen (vgl. dazu VwGH 29.04.2015, 2014/20/0047, wonach aus den Bestimmungen des § 28 Abs. 1 und § 31 Abs. 1 VwGVG hervorgeht, dass eine bloß formlose Beendigung [etwa durch Einstellung mittels Aktenvermerkes] eines nach dem VwGVG vom Verwaltungsgericht geführten Verfahrens nicht in Betracht kommt).
Im vorliegenden Fall hat der BF seine Beschwerde gegen Spruchpunkt I. und II. des gegenständlichen Bescheides in der mündlichen Verhandlung vor dem BVwG vom 01.04.2021 nach eingehender Beratung mit seinem Rechtsberater zurückgezogen, womit die Voraussetzung für die Einstellung des Verfahrens in Bezug auf die Beschwerde gegen Spruchpunkt I. und II. des gegenständlichen Bescheides gegeben ist.
Eine Rückziehung der Beschwerde des BF gegen Spruchpunkt I und II. war möglich, da der BF und seine Ehefrau kein Familienleben nach 8 EMRK führen und daher die Bestimmungen des Familienverfahrens isd § 34 AsylG gemäß § 34 Abs 6 AsylG auf den BF nicht anwendbar sind.
Dem BF konnte somit auch nicht der an seine Ehefrau mit Erkenntnis vom 15.04.2021, GZ W138 2203524-1/16Z und W138 2203523-1/14Z zuerkannte Asylstatus im Familienverfahren zuerkannt werden. Überdies hat auch der Sohn des BF den Status des Asylberechtigten mit Erkenntnis vom 15.04.2021, GZ W138 2203524-1/16Z und W138 2203523-1/14Z nur von seiner Mutter im Familienverfahren abgeleitet bekommen, weshalb eine Ableitung auf seinen Vater im Familienverfahren ebenfalls nicht möglich war.
§ 34 Abs 6 Z 2. Und 3. AsylG bestimmt folgendes: Die Bestimmungen dieses Abschnitts sind nicht anzuwenden 2. auf Familienangehörige eines Fremden, dem der Status des Asylberechtigten oder der Status des subsidiär Schutzberechtigten im Rahmen eines Verfahrens nach diesem Abschnitt zuerkannt wurde, es sei denn es handelt sich bei dem Familienangehörigen um ein minderjähriges lediges Kind; 3. im Fall einer Aufenthaltsehe, Aufenthaltspartnerschaft oder Aufenthaltsadoption (§ 30 NAG).
Der Tatbestand des § 30 Abs. 1 NAG 2005 ist ua dann erfüllt, wenn sich der Ehegatte zur Erteilung eines Aufenthaltstitels auf eine Ehe beruft, obwohl kein gemeinsames Familienleben iSd Art. 8 MRK geführt wird. Dabei erfordert § 30 Abs. 1 NAG 2005 nicht, dass die Ehe - quasi in Missbrauchsabsicht - zu dem Zweck geschlossen wurde, einen Aufenthaltstitel zu erlangen, sondern dass zum Zeitpunkt der Entscheidung der Behörde oder des VwG kein gemeinsames Familienleben iSd Art. 8 MRK (mehr) geführt wird (vgl. VfGH B 20. Juli 2016, VwGH Ra 2016/22/0058).
Im Zusammenhang mit § 30 Abs. 1 NAG 2005 reicht ein formales Band der Ehe nicht aus, um aufenthaltsrechtliche Wirkungen zugunsten des ausländischen Ehegatten abzuleiten (vgl. VwGH 27.4.2017, Ro 2016/22/0014).
Die nach § 30 Abs. 1 NAG 2005 relevante Frage, ob Ehegatten ein gemeinsames Familienleben iSd. Art. 8 MRK führen oder nicht, kann nicht auf die bloße Beurteilung von Rechtsfragen reduziert werden, sondern kommt der Verschaffung eines persönlichen Eindrucks in Bezug auf die für die Abwägung nach Art. 8 MRK relevanten Umstände besondere Bedeutung zu (vgl. VwGH 3.6.2020, Ra 2019/22/0156).
Da der BF und seine Ehefrau nachweislich getrennt leben und kein gemeinsames Familienleben mehr führen und der Sohn des BF seinen Asylstatus nicht originär erhalten hat, waren die jeweiligen Verfahren nicht als Familienverfahren nach § 34 AsylG zu führen.
Zu A II.)
Zur Beschwerde gegen Spruchpunkt III.-VI. des angefochtenen Bescheides:
Gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG 2005 ist eine Entscheidung nach diesem Bundesgesetz mit einer Rückkehrentscheidung oder einer Anordnung zur Außerlandesbringung gemäß dem 8. Hauptstück des FPG zu verbinden, wenn der Antrag auf internationalen Schutz sowohl bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten als auch der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten abgewiesen wird und von Amts wegen ein Aufenthaltstitel gemäß § 57 AsylG 2005 nicht erteilt wird sowie kein Fall der §§ 8 Abs. 3a oder 9 Abs. 2 AsylG 2005 vorliegt.
Gemäß § 57 Abs. 1 AsylG 2005 ist im Bundesgebiet aufhältigen Drittstaatsangehörigen von Amts wegen oder auf begründeten Antrag eine "Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz" zu erteilen:
1. wenn der Aufenthalt des Drittstaatsangehörigen im Bundesgebiet gemäß § 46a Abs. 1 Z 1 oder Abs. 1a FPG seit mindestens einem Jahr geduldet ist und die Voraussetzungen dafür weiterhin vorliegen, es sei denn, der Drittstaatsangehörige stellt eine Gefahr für die Allgemeinheit oder Sicherheit der Republik Österreich dar oder wurde von einem inländischen Gericht wegen eines Verbrechens (§ 17 StGB) rechtskräftig verurteilt. Einer Verurteilung durch ein inländisches Gericht ist eine Verurteilung durch ein ausländisches Gericht gleichzuhalten, die den Voraussetzungen des § 73 StGB entspricht,
2. zur Gewährleistung der Strafverfolgung von gerichtlich strafbaren Handlungen oder zur Geltendmachung und Durchsetzung von zivilrechtlichen Ansprüchen im Zusammenhang mit solchen strafbaren Handlungen, insbesondere an Zeugen oder Opfer von Menschenhandel oder grenzüberschreitendem Prostitutionshandel oder
3. wenn der Drittstaatsangehörige, der im Bundesgebiet nicht rechtmäßig aufhältig oder nicht niedergelassen ist, Opfer von Gewalt wurde, eine einstweilige Verfügung nach §§ 382b oder 382e EO, RGBl. Nr. 79/1896, erlassen wurde oder erlassen hätte werden können und der Drittstaatsangehörige glaubhaft macht, dass die Erteilung der "Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz" zum Schutz vor weiterer Gewalt erforderlich ist.
Der BF befindet sich seit November 2015 im Bundesgebiet und sein Aufenthalt ist nicht geduldet. Er ist nicht Zeuge oder Opfer von strafbaren Handlungen und auch kein Opfer von Gewalt. Die Voraussetzungen für die amtswegige Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß § 57 AsylG 2005 liegen daher nicht vor, wobei dies weder im Verfahren noch in der Beschwerde auch nur behauptet wurde.
Die Beschwerde gegen Spruchpunkt III. des angefochtenen Bescheides war daher abzuweisen.
Gemäß § 52 Abs. 2 FPG hat das Bundesamt gegen einen Drittstaatsangehörigen unter einem (§ 10 AsylG 2005) mit Bescheid eine Rückkehrentscheidung zu erlassen, wenn dessen Antrag auf internationalen Schutz sowohl bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten als auch der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten abgewiesen wird, und kein Fall der §§ 8 Abs. 3a oder 9 Abs. 2 AsylG 2005 vorliegt und ihm kein Aufenthaltsrecht nach anderen Bundesgesetzen zukommt. Dies gilt nicht für begünstigte Drittstaatsangehörige.
Der BF ist als Staatsangehöriger von Afghanistan kein begünstigter Drittstaatsangehöriger und es kommt ihm kein Aufenthaltsrecht nach anderen Bundesgesetzen zu, da mit der erfolgten Abweisung seines Antrags auf internationalen Schutz durch das BFA das Aufenthaltsrecht nach § 13 AsylG 2005 nach der Rückziehung der Beschwerde des BF gegen Spruchpunkt I. und II. endete.
Gemäß § 55 Abs. 1 AsylG 2005 ist im Bundesgebiet aufhältigen Drittstaatsangehörigen von Amts wegen oder auf begründeten Antrag eine "Aufenthaltsberechtigung plus" zu erteilen, wenn 1. dies gemäß § 9 Abs. 2 BFA-VG zur Aufrechterhaltung des Privat- und Familienlebens im Sinne des Art. 8 EMRK geboten ist und 2. der Drittstaatsangehörige das Modul 1 der Integrationsvereinbarung gemäß § 9 Integrationsgesetz (IntG), BGBl. I Nr. 68/2017, erfüllt hat oder zum Entscheidungszeitpunkt eine erlaubte Erwerbstätigkeit ausübt, mit deren Einkommen die monatliche Geringfügigkeitsgrenze (§ 5 Abs. 2 Allgemeines Sozialversicherungsgesetz (ASVG), BGBl. Nr. 189/1955) erreicht wird. Nach § 55 Abs. 2 AsylG 2005, ist eine "Aufenthaltsberechtigung" zu erteilen, wenn nur die Voraussetzung des Abs. 1 Z 1 vorliegt.
§ 9 Abs. 1 bis 3 BFA-VG lautet:
(1) Wird durch eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG, eine Anordnung zur Außerlandesbringung gemäß § 61 FPG, eine Ausweisung gemäß § 66 FPG oder ein Aufenthaltsverbot gemäß § 67 FPG in das Privat- oder Familienleben des Fremden eingegriffen, so ist die Erlassung der Entscheidung zulässig, wenn dies zur Erreichung der im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Ziele dringend geboten ist.
(2) Bei der Beurteilung des Privat- und Familienlebens im Sinne des Art. 8 EMRK sind insbesondere zu berücksichtigen:
1. die Art und Dauer des bisherigen Aufenthaltes und die Frage, ob der bisherige Aufenthalt des Fremden rechtswidrig war,
2. das tatsächliche Bestehen eines Familienlebens,
3. die Schutzwürdigkeit des Privatlebens,
4. der Grad der Integration,
5. die Bindungen zum Heimatstaat des Fremden,
6. die strafgerichtliche Unbescholtenheit,
7. Verstöße gegen die öffentliche Ordnung, insbesondere im Bereich des Asyl-, Fremdenpolizei- und Einwanderungsrechts,
8. die Frage, ob das Privat- und Familienleben des Fremden in einem Zeitpunkt entstand, in dem sich die Beteiligten ihres unsicheren Aufenthaltsstatus bewusst waren,
9. die Frage, ob die Dauer des bisherigen Aufenthaltes des Fremden in den Behörden zurechenbaren überlangen Verzögerungen begründet ist.
(3) Über die Zulässigkeit der Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG ist jedenfalls begründet, insbesondere im Hinblick darauf, ob diese gemäß Abs. 1 auf Dauer unzulässig ist, abzusprechen. Die Unzulässigkeit einer Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG ist nur dann auf Dauer, wenn die ansonsten drohende Verletzung des Privat- und Familienlebens auf Umständen beruht, die ihrem Wesen nach nicht bloß vorübergehend sind. Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn die Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG schon allein auf Grund des Privat- und Familienlebens im Hinblick auf österreichische Staatsbürger oder Personen, die über ein unionsrechtliches Aufenthaltsrecht oder ein unbefristetes Niederlassungsrecht (§§ 45 und 48 oder §§ 51 ff Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz (NAG), BGBl. I Nr. 100/2005) verfügen, unzulässig wäre.
Aufenthaltsbeendende Maßnahmen stellen regelmäßig einen Eingriff in das Privatleben dar, weil sie die betroffene Person aus ihrem sozialen Umfeld herausreißen. Nach der Rechtsprechung des EGMR hängt es von den Umständen des jeweiligen Falles ab, ob es angebracht ist, sich eher auf den Gesichtspunkt des Familienlebens zu konzentrieren als auf den des Privatlebens (EGMR 23.04.2015, 38030/12, Khan, Rn. 38; 05.07.2005, Große Kammer, 46410/99, Üner, Rn. 59). Die Prüfung am Maßstab des Privatlebens ist jedoch weniger streng als jene am Maßstab des Familienlebens, weshalb letztere in der Praxis im Vordergrund steht (Ewald Wiederin, Schutz der Privatsphäre, in: Merten/Papier/Kucsko-Stadlmayer [Hg.], Handbuch der Grundrechte VII/1, 2. Aufl., § 10, Rn. 52).
Unter dem „Privatleben“ sind nach der Rechtsprechung des EGMR persönliche, soziale und wirtschaftliche Beziehungen, die für das Privatleben eines jeden Menschen konstitutiv sind, zu verstehen (vgl. EGMR 16.06.2005, Sisojeva ua gg Lettland, Nr. 60654/00, EuGRZ 2006, 554).
Zum Familienleben ist grundsätzlich auszuführen, dass das Recht auf Achtung des Familienlebens im Sinne des Art. 8 EMRK das Zusammenleben der Familie schützt. Es umfasst jedenfalls alle durch Blutsverwandtschaft, Eheschließung oder Adoption verbundenen Familienmitglieder, die effektiv zusammenleben; das Verhältnis zwischen Eltern und minderjährigen Kindern auch dann, wenn es kein Zusammenleben gibt. Der Begriff des Familienlebens ist nicht auf Familien beschränkt, die sich auf eine Heirat gründen, sondern schließt auch andere de facto Beziehungen ein, sofern diese Beziehungen eine gewisse Intensität erreichen. Als Kriterium hiefür kommt etwa das Vorliegen eines gemeinsamen Haushaltes, die Dauer der Beziehung, die Demonstration der Verbundenheit durch gemeinsame Kinder oder die Gewährung von Unterhaltsleistungen in Betracht (vgl. EGMR 13. 6. 1979, Marckx, EuGRZ 1979).
Der BF lebt von seiner Ehefrau getrennt und sie führen keine gemeinsame Beziehung mehr. Es besteht daher kein schützenswertes Familienleben zu seiner Ehefrau und auch kein Familienverfahren iSd § 34 AsylG.
Die Eltern und die Schwester des BF leben ebenfalls in Österreich. Der BF besucht seine Eltern und seine Schwester regelmäßig und sie haben einen intensiven Kontakt. Der BF unterstützt seine Eltern, wenn diese Hilfe benötigen und die Eltern des BF unterstützen den BF bei der Betreuung seines Sohnes. Es besteht daher ein schützenswertes Familienleben des BF zu seinen Eltern. Selbst wenn die Beziehung zu seinen Eltern und seiner Schwester kein ausreichend intensives Maß erreicht, besteht unbestritten zwischen dem minderjährigen Sohn des BF und dem BF ein unter dem Gesichtspunkt des Kindeswohls schützenswertes familiäres Band. Wie der EGMR in seinem Urteil vom 12.07.2001, Rs 25702/94 in Rz 150 ausführt, bedarf es aber auch hier einer Beurteilung faktischer Umstände ("…the existence or non-existence of "family life" is essentially a question of fact depending upon the real existence in practice of close personal ties").
Es ist auch bei der nach § 9 BFA-VG vorzunehmenden Interessenabwägung notwendig, sich mit den Auswirkungen einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme auf das Kindeswohl auseinanderzusetzen (vgl. etwa VwGH 24.9.2019, Ra 2019/20/0420; 20.9.2017, Ra 2017/19/0163; jeweils mwN). Der Verwaltungsgerichtshof hat in seiner Judikatur eine Trennung von Familienangehörigen, mit denen ein gemeinsames Familienleben im Herkunftsland nicht zumutbar ist, im Ergebnis nur dann für gerechtfertigt erachtet, wenn dem öffentlichen Interesse an der Vornahme einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme insgesamt ein sehr großes Gewicht beizumessen ist, wie dies insbesondere bei Straffälligkeit des Fremden oder bei einer von Anfang an beabsichtigten Umgehung der Regeln über den Familiennachzug der Fall ist (VwGH 24.9.2019, Ra 2019/20/0274; 20.8.2019, Ra 2019/18/0046; jeweils mwN). Insbesondere schwerwiegende kriminelle Handlungen - etwa nach dem SMG -, aus denen sich eine vom Fremden ausgehende Gefährdung ergibt, können die Erlassung einer Rückkehrentscheidung daher auch dann tragen, wenn diese zu einer Trennung von Familienangehörigen führt (vgl. vgl. VwGH, 28.11.2019, Ra 2019/19/0359 und 0369; VwGH 5.10.2017, Ra 2017/21/0174; 26.6.2019, Ra 2019/21/0034; jeweils mit weiteren Hinweisen).
§ 138 ABGB (samt Überschrift) lautet:
"Kindeswohl
§ 138. In allen das minderjährige Kind betreffenden Angelegenheiten, insbesondere der Obsorge und der persönlichen Kontakte, ist das Wohl des Kindes (Kindeswohl) als leitender Gesichtspunkt zu berücksichtigen und bestmöglich zu gewährleisten. Wichtige Kriterien bei der Beurteilung des Kindeswohls sind insbesondere
1. eine angemessene Versorgung, insbesondere mit Nahrung, medizinischer und sanitärer Betreuung und Wohnraum, sowie eine sorgfältige Erziehung des Kindes;
2. die Fürsorge, Geborgenheit und der Schutz der körperlichen und seelischen Integrität des Kindes;
3. die Wertschätzung und Akzeptanz des Kindes durch die Eltern;
4. die Förderung der Anlagen, Fähigkeiten, Neigungen und Entwicklungsmöglichkeiten des Kindes;
5. die Berücksichtigung der Meinung des Kindes in Abhängigkeit von dessen Verständnis und der Fähigkeit zur Meinungsbildung;
6. die Vermeidung der Beeinträchtigung, die das Kind durch die Um- und Durchsetzung einer Maßnahme gegen seinen Willen erleiden könnte;
7. die Vermeidung der Gefahr für das Kind, Übergriffe oder Gewalt selbst zu erleiden oder an wichtigen Bezugspersonen mitzuerleben;
8. die Vermeidung der Gefahr für das Kind, rechtswidrig verbracht oder zurückgehalten zu werden oder sonst zu Schaden zu kommen;
9. verlässliche Kontakte des Kindes zu beiden Elternteilen und wichtigen Bezugspersonen sowie sichere Bindungen des Kindes zu diesen Personen;
10. die Vermeidung von Loyalitätskonflikten und Schuldgefühlen des Kindes;
11. die Wahrung der Rechte, Ansprüche und Interessen des Kindes sowie
12. die Lebensverhältnisse des Kindes, seiner Eltern und seiner sonstigen Umgebung."
Dass diese Bestimmung auch im Bereich verwaltungsrechtlicher Entscheidungen, in denen auf das Kindeswohl Rücksicht zu nehmen ist, als Orientierungsmaßstab dient, hat der Verwaltungsgerichtshof in seiner Rechtsprechung bereits festgehalten (vgl. etwa betreffend das in seinem § 28 Abs. 1 Z 2 ausdrücklich auf das Kindeswohl abstellende Staatsbürgerschaftsgesetz 1985 VwGH 15.5.2019, Ra 2018/01/0076; in diesem Erkenntnis hat der Verwaltungsgerichtshof betont, für die Auslegung der Wendung "wenn es dem Kindeswohl entspricht", ist "der durch das Kindschafts- und Namensrechts-Änderungsgesetz 2013, BGBl. I Nr. 15/2013, neugefasste § 138 ABGB heranzuziehen"). Die Gerichtshöfe des öffentlichen Rechts haben wiederholt die Notwendigkeit der Auseinandersetzung mit den Auswirkungen einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme auf das Kindeswohl bei der nach § 9 BFA-VG vorzunehmenden Interessenabwägung zum Ausdruck gebracht (vgl. VwGH 26.6.2019, Ra 2019/21/0034; 7.3.2019, Ra 2018/21/0141, mwN, insbesondere auch aus der Rechtsprechung des VfGH).
Wie der Verfassungsgerichtshof in seinem Erkenntnis VfSlg 17.340/2004 ausgeführt hat, darf eine Aufenthaltsbeendigung nicht verfügt werden, wenn dadurch das Recht auf Schutz des Privat- und Familienlebens des Betroffenen verletzt würde. Bei der Beurteilung nach Art. 8 EMRK ist eine Interessenabwägung vorzunehmen (vgl die in VfSlg 18.223/2007 und 18.224/2007 wiedergegebene Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte). Im Rahmen dieser Interessenabwägung sind die Auswirkungen der Entscheidung und die Konsequenzen einer Außerlandesbringung des Beschwerdeführers auf das Familienleben und auf das Kindeswohl etwaiger Kinder des Betroffenen zu erörtern (vgl hiezu VfGH 24.9.2018, E1416/2018; 26.2.2019, E3079/2018; zur Bedeutung der mit einer Trennung des Beschwerdeführers von seinem Kind verbundenen Auswirkungen vgl VfSlg 19.362/2011). Einer mit der Ausweisung verbundenen Trennung von Familienmitgliedern kommt eine entscheidungswesentliche Bedeutung zu (vgl VfSlg 18.388/2008, 18.389/2008, 18.392/2008). Die Intensität der privaten und familiären Bindungen im Inland ist dabei zu berücksichtigen (VfSlg 18.748/2009).
Nach ständiger Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte entsteht ein von Art. 8 Abs. 1 EMRK geschütztes Familienleben zwischen Eltern und Kind mit dem Zeitpunkt der Geburt (vgl EGMR 21.6.1988, Fall Berrehab, Appl 10.730/84 [Z21]; 26.5.1994, Fall Keegan, Appl 16.969/90 [Z44]). Diese besonders geschützte Verbindung kann in der Folge nur unter außergewöhnlichen Umständen als aufgelöst betrachtet werden (vgl EGMR 19.2.1996, Fall Gül, Appl 23.218/94 [Z32]). Ferner ist es nach Auffassung des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte ein grundlegender Bestandteil des Familienlebens, dass sich Eltern und Kinder der Gesellschaft des jeweiligen anderen Teiles erfreuen können; die Familienbeziehung wird insbesondere nicht dadurch beendet, dass das Kind in staatliche Pflege genommen wird (vgl VfSlg 16.777/2003 mit Hinweis auf EGMR 25.2.1992, Fall Margareta und Roger Andersson, Appl 12963/87 [Z72] mwN; zu den Voraussetzungen für ein [potentielles] Familienleben zwischen einem Kind und dessen Vater siehe auch EGMR 15.9.2011, Fall Schneider, Appl 17.080/07 [Z81] mwN). Davon ausgehend kann eine unzureichende Berücksichtigung des Kindeswohles zur Fehlerhaftigkeit der Interessenabwägung und somit zu einer Verletzung des Art. 8 EMRK führen (vgl VfGH 28.2.2012, B1644/2000 mit Hinweis auf EGMR 31.1.2006, Fall Rodrigues da Silva und Hoogkamer, Appl 50.435/99, sowie insbesondere EGMR 28.6.2011, Fall Nunez, Appl 55.597/09; 12.10.2016, E1349/2016).
Nach der Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes sind die konkreten Auswirkungen einer Aufenthaltsbeendigung für ein Elternteil auf das Wohl eines Kindes zu ermitteln und bei der Interessenabwägung nach Art. 8 Abs. 2 EMRK zu berücksichtigen (vgl VfSlg 19.362/2011; VfGH 25.2.2013, U2241/2012; 19.6.2015, E426/2015; 9.6.2016, E2617/2015; 12.10.2016, E1349/2016; 14.3.2018, E3964/2017; 11.6.2018, E343/2018, E345/2018; 11.6.2018, E435/2018). Der Verfassungsgerichtshof erachtet die Annahme als lebensfremd, dass der Kontakt zwischen einem Kleinkind und einem Elternteil über Telekommunikation und elektronische Medien aufrechterhalten werden könne (vgl dazu VfGH 25.2.2013, U2241/2012; 19.6.2015, E426/2015; 12.10.2016, E1349/2016; 11.6.2018, E343/2018, E345/2018).
Bei der Abwägung der betroffenen Rechtsgüter zur Prüfung der Notwendigkeit und Verhältnismäßigkeit des staatlichen Eingriffes ist immer auf die besonderen Umstände des Einzelfalls im Detail abzustellen. Eine Ausweisung hat daher immer dann zu unterbleiben, wenn ihre Auswirkungen auf die Lebenssituation des Fremden und seiner Familie schwerer wiegen würden als die nachteiligen Folgen der Abstandnahme von ihrer Erlassung.
Im Sinne der oben zitierten Rechtsprechung ist es notwendig, sich mit dem Kindeswohl sowie mit den Auswirkungen der Trennung des Beschwerdeführers von seinem in Österreich lebenden Sohn auseinanderzusetzen. § 138 Z 9 ABGB sieht „verlässliche Kontakte des Kindes zu beiden Elternteilen und wichtigen Bezugspersonen sowie sichere Bindungen des Kindes zu diesen Personen“ als eine Komponente des Kindeswohls. Der nunmehr zehnjährige Sohn des Beschwerdeführers ist mit dem Beschwerdeführer als Vater aufgewachsen. Bis vor zwei Jahren lebte der BF in einem gemeinsamen Haushalt mit seinem Sohn. Der BF lebt aufgrund der Trennung von der Mutter seines Sohnes nun nicht mehr im selben Haushalt wie sein Sohn, hat aber nach wie vor regelmäßigen Kontakt zu seinem Sohn. Der Sohn des BF verbringt jedes Wochenende beim BF. Auch unter der Woche verbringt der BF regelmäßig Zeit mit seinem Sohn. Der BF stellt eine wichtige Bezugsperson in der derzeit (klein-)kindlichen Entwicklung seines Sohnes dar und bildet damit ebenso einen wesentlichen Teil seines Alltags. Der BF konnte glaubhaft darlegen, dass er seinen Pflichten bei der Erziehung und Beaufsichtigung seines Sohnes in einem entscheidungsrelevanten Ausmaß nachkommt. Die Fortsetzung des gemeinsamen Familienlebens in Afghanistan erscheint aus Sicht des Kindeswohls, nicht zumutbar, zumal es dadurch zu einer Trennung zwischen dem Sohn des BF und seiner Mutter kommen würde. Eine Trennung hätte im gegenständlichen Fall massive Auswirkungen auf das Kindeswohl, da eine Kommunikation über Medien keinen hinreichenden Ersatz für die Fortführung der Beziehung darstellt. Es kann nicht ausgeschlossen werden, dass es durch die Ausweisung des Vaters zu einer Traumatisierung des Kindes kommen wird, bzw. würde durch eine Ausweisung ein zweifellos enges Familienband zerrissen (siehe dazu auch EGMR Urteil vom 2.4.2015, Sarközi und Mahran gegen Österreich). Das verfahrensgegenständliche Familienleben weist zweifelsfrei die erforderliche Intensität im Sinne des Art 8 EMRK auf.
Die Gesamtschau der zu berücksichtigenden Faktoren ergibt daher, dass - trotz der erheblichen öffentlichen Interessen an einem geordneten Fremdenwesen - die Interessensabwägung zu Gunsten des Beschwerdeführers ausfällt, dies vor allem angesichts des intensiven, dauerhaften Familienlebens, der Interessen seines Kindes und auch seiner Integration, belegt durch seine Deutschkenntnisse und seine Arbeitswilligkeit.
Das Bundesverwaltungsgericht kommt daher aufgrund der vorgenommenen Interessenabwägung unter Berücksichtigung der genannten besonderen Umstände dieses Beschwerdefalles zum Ergebnis, dass eine Rückkehrentscheidung gegen den Beschwerdeführer unzulässig ist. Des Weiteren ist davon auszugehen, dass die drohende Verletzung des Privat- und Familienlebens auf Umständen beruht, die ihrem Wesen nach nicht bloß vorübergehend, sondern auf Dauer sind.
Der Beschwerde gegen Spruchpunkt IV. des angefochtenen Bescheides war somit stattzugeben und festzustellen, dass die Rückkehrentscheidung auf Dauer unzulässig ist.
Es ist daher nach § 58 Abs. 2 AsylG von Amts wegen die Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß § 55 AsylG zu prüfen.
Gemäß § 55 Abs. 1 AsylG ist einem im Bundesgebiet aufhältigen Drittstaatsangehörigen von Amts wegen oder auf begründeten Antrag eine „Aufenthaltsberechtigung plus“ zu erteilen, wenn
1. dies gemäß § 9 Abs. 2 BFA-VG zur Aufrechterhaltung des Privat- und Familienlebens im Sinne des Art 8 EMRK geboten ist und
2. der Drittstaatsangehörige das Modul 1 der Integrationsvereinbarung gemäß § 9 Integrationsgesetz (IntG), BGBl. I Nr. 68/2017, erfüllt hat oder zum Entscheidungszeitpunkt eine erlaubte Erwerbstätigkeit ausübt, mit deren Einkommen die monatliche Geringfügigkeitsgrenze (§ 5 Abs. 2 Allgemeines Sozialversicherungsgesetz (ASVG), BGBl. I Nr. 189/1955) erreicht wird.
Liegt gemäß Abs. 2 leg. cit. nur die die Voraussetzung des Abs. 1 Z 1 vor, ist eine „Aufenthaltsberechtigung“ zu erteilen.
Gemäß § 54 Abs. 2 AsylG ist eine "Aufenthaltsberechtigung" und eine „Aufenthaltsberechtigung plus“ für die Dauer von zwölf Monaten beginnend mit dem Ausstellungsdatum auszustellen.
Im vorliegenden Fall ist davon auszugehen, dass für die Erteilung einer „Aufenthaltsberechtigung plus“ die Voraussetzungen nach Z 1 und Z 2 des § 55 Abs. 1 AsylG kumulativ vorliegen müssen und ist daher nicht nur zu prüfen, ob die Erteilung eines Aufenthaltstitels für die Beschwerdeführer zur Aufrechterhaltung deren Privat- und Familienlebens im Sinne des Art. 8 EMRK geboten ist, sondern auch, ob der Beschwerdeführer das Modul 1 der Integrationsvereinbarung gemäß § 9 Integrationsgesetz erfüllt.
Im gegenständlichen Fall bedeutet dies:
Der Beschwerdeführer verfügt lediglich über ein Deutsch Zertifikat A1 des ÖSD, ausgestellt am 05.12.2019 und übt zum Entscheidungszeitpunkt keine erlaubte Erwerbstätigkeit aus, mit deren Einkommen die monatliche Geringfügigkeitsgrenze erreicht wird. Der BF erfüllt somit nicht die Voraussetzungen des § 55 Abs 1 Z 2 AsylG, weshalb dem BF eine "Aufenthaltsberechtigung" und keine „Aufenthaltsberechtigung plus“ zu erteilen ist.
Das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl wird daher - unter der Voraussetzung der Erfüllung der allgemeinen Mitwirkungspflicht im Sinne des § 58 Abs. 11 AsylG - dem Beschwerdeführer den Aufenthaltstitel im Sinne des § 58 Abs. 4 AsylG auszufolgen haben.
Der Aufenthaltstitel gilt gemäß § 54 Abs. 2 AsylG 2005 zwölf Monate lang, beginnend mit dem Ausstellungsdatum.
Angesichts des erteilten Aufenthaltstitels können die weiteren durch die belangte Behörde getroffenen Feststellung der Zulässigkeit der Abschiebung des Beschwerdeführers keinen Bestand haben. Aufgrund der auf Dauer unzulässigen Rückkehrentscheidung und des erteilten Aufenthaltstitels liegt die Voraussetzung für eine Fristsetzung für eine freiwillige Ausreise aus dem österreichischen Bundesgebiet nicht mehr vor.
Die Spruchpunkte V. und VI. des angefochtenen Bescheides waren daher ersatzlos zu beheben.
Zu B) Unzulässigkeit der Revision:
Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor, zumal der vorliegende Fall vor allem im Bereich der Tatsachenfragen anzusiedeln ist. Die maßgebliche Rechtsprechung wurde bei den Erwägungen zu den einzelnen Spruchpunkten zu Spruchteil A wiedergegeben. Insoweit die in der rechtlichen Beurteilung angeführte Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes zu früheren Rechtslagen ergangen ist, ist diese nach Ansicht des Bundesverwaltungsgerichts auf die inhaltlich meist völlig gleichlautenden Bestimmungen der nunmehr geltenden Rechtslage unverändert übertragbar.
Schlagworte
Aufenthaltsberechtigung plus Deutschkenntnisse Integration Interessenabwägung Kindeswohl Privat- und Familienleben Rückkehrentscheidung auf Dauer unzulässig Teileinstellung teilweise BeschwerderückziehungEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:BVWG:2021:W138.2203522.1.00Im RIS seit
20.08.2021Zuletzt aktualisiert am
20.08.2021