Entscheidungsdatum
17.05.2021Norm
AsylG 2005 §10Spruch
L512 2124282-2/2E
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag. Marlene JUNGWIRT als Einzelrichterin über die Beschwerde von XXXX , geb. XXXX , StA. der islamischen Republik Pakistan, vertreten durch Rechtsanwälte Dr. Peter LECHENAUER, Dr. Margrit SWOZIL, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl, Erstaufnahmestelle West, vom XXXX , Zl. XXXX , zu Recht erkannt:
A) Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
B) Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Text
Entscheidungsgründe:
I. Verfahrensgang:
I.1. Der Beschwerdeführer (in weiterer Folge kurz als „BF“ bezeichnet), ein Staatsangehöriger der islamischen Republik Pakistan, (in weiterer Folge „Pakistan“ genannt) stellte am XXXX nach illegaler Einreise einen Antrag auf internationalen Schutz.
Im Rahmen der Erstbefragung am 26.12.2015 brachte der BF vor, er sei verheiratet sei, habe zwei Söhne und zwei Töchter. Alle würden noch in Pakistan leben. Er habe acht Jahre lang die Grundschule besucht und den Beruf des Kraftfahrers ausgeübt. In Österreich habe er keine Verwandten.
Als Grund für die Ausreise führte der BF an, dass er als Busfahrer gearbeitet und Kinder in die Schule und Studenten in die Uni gebracht habe. Eines Tages seien die Taliban persönlich zu ihm gekommen und hätten ihm verboten weiterhin mit dem Bus zu fahren. Er sei jedoch weiter seinem Beruf nachgegangen. In der Folge hätten die Taliban den Bus während einer Fahrt überfallen. Der BF sei mit Gewehren geschlagen und in den linken Fuß geschossen worden. Den Bus hätten sie in Brand gesteckt. Es seien dabei drei Leute getötet und viele verletzt worden. Der Bus sei die Existenzgrundlage des BF gewesen. Nun fürchte er in Pakistan um sein Leben.
Am 16.03.2016 wurde der BF vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (im Folgenden BFA) niederschriftlich einvernommen. Der BF gab unter anderem an, dass er nicht geplant habe Pakistan zu verlassen, jedoch aufgrund der Drohungen dies notwendig gewesen sei. Er habe am XXXX Mädchen von der High-School nach Hause gebracht habe, dabei habe er durch XXXX fahren müssen. Plötzlich seien die Taliban auf der Straße gestanden und hätten den Bus beschossen. Sie hätten seinen Fuß getroffen, weshalb er nicht rechtzeitig anhalten habe können und habe er dabei auch einige der Taliban mit dem Bus erfasst. Danach sei eine Bombe explodiert. Insgesamt seien drei Taliban gestorben und zwei andere seien geflüchtet. Die Bombe habe sich bei einem der Taliban befunden, die er überfahren habe. Drei Mädchen im Bus seien durch die Schüsse auf den Bus verstorben, die restlichen Mädchen und er selbst seien noch aus dem Bus gekommen, danach explodierte der Bus durch eine Bombe, welche sich darunter befunden habe. In weiterer Folge seien Leute aus dem Dorf gekommen und hätten die Verletzten ins Krankenhaus gebracht. Der BF selbst sei nach Hause gefahren, habe seine Sachen gepackt und sei verschwunden, da er befürchtet habe, dass die Taliban nun hinter ihm her sein würden. Erst nach seiner Ausreise habe er die Drohung durch die Taliban erhalten. Der Brief sei zu ihm ca. XXXX nach Hause geschickt worden und habe ihm sein Sohn diesen Brief per E-Mail übermittelt. In dem Drohbrief habe gestanden, dass, wenn er in XXXX noch mal gesehen werde, er erschossen werden würde. Des Weiteren würde es auch einen Haftbefehl wider den BF geben, weil aufgrund der verstorbenen Mädchen Anzeige gegen ihn erstattet worden sei. Dies habe er wiederum nach seiner Ausreise durch Freunde erfahren.
Mit Bescheid des BFA vom XXXX , XXXX , wurde der Antrag des BF auf internationalen Schutz hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 (Spruchpunkt I.) sowie hinsichtlich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Pakistan gemäß § 8 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 (Spruchpunkt II.) abgewiesen. Ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen wurde gemäß § 57 AsylG 2005 nicht erteilt. Gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG 2005 iVm § 9 BFA-VG wurde gegen den Beschwerdeführer eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG erlassen und gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass die Abschiebung des Beschwerdeführers nach Pakistan gemäß § 46 FPG zulässig sei (Spruchpunkt III.). Gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG (Spruchpunkt IV.) wurde ausgesprochen, dass die Frist für die freiwillige Ausreise zwei Wochen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung betrage.
Beweiswürdigend führte das BFA aus, dass eine Verfolgung des BF durch die Taliban in seinem Heimatland Pakistan nicht festgestellt werden konnte. Das Fluchtvorbringen und die Angaben des BF im Verfahren seien keinesfalls glaubwürdig gewesen. Die Schilderungen hätten sich nicht durch Lebenserfahrung ausgezeichnet und habe sich der BF in Widersprüchen verstrickt.
Gegen den Bescheid des BFA vom XXXX erhob der BF fristgerecht Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht.
Am XXXX wurde vor dem Bundesverwaltungsgericht eine mündliche Beschwerdeverhandlung im Beisein des BF und seines rechtsfreundlichen Vertreters durchgeführt.
Mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom XXXX , GZ: XXXX , wurde die Beschwerde als unbegründet abgewiesen. Es wurde zudem festgestellt, dass die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig sei.
Gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom XXXX wurde seitens des BF Beschwerde beim Verfassungsgerichtshof erhoben. Mit Beschluss des Verfassungsgerichtshofes vom XXXX , GZ: XXXX , wurde die Behandlung der Beschwerde abgelehnt. Die Beschwerde wurde dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung abgetreten.
I.2. Mit Schriftsatz des BFA vom 10.11.2020, zugestellt am 16.11.2020, wurde dem BF mitgeteilt, dass in seinem Fall die Erlassung einer Rückkehrentscheidung und eines Einreiseverbotes beabsichtigt sei. Dazu wurde dem BF die Möglichkeit eingeräumt innerhalb einer Frist von 14 Tagen eine Stellungnahme abzugeben.
I.3. Mit Stellungnahme vom 24.11.2020 gab der BF unter anderem bekannt, dass er weiterhin vertreten sei. Bis dato habe er alle Ladungen des BFA wahrgenommen. Er sei freiwillig bei der pakistanischen Botschaft gewesen. Die Botschaft habe ihm aber bis dato nichts ausgestellt. Sein Lebensmittelpunkt sei seit knapp 5 Jahren in Österreich. Alle seine Freunde und Bekannten würden im Bundesgebiet leben. Der BF sei unbescholten und stelle daher keine tatsächliche oder gegenwärtige Gefahr für die Republik Österreich dar, sondern versuche vielmehr ein dienliches Mitglied der Österreichischen Gesellschaft zu sein. Sein Privatleben würde ausschließlich in Österreich stattfinden. Ein Leben außerhalb Österreichs könne er sich nicht mehr vorstellen.
I.4. Mit Bescheid des BFA vom XXXX , Zl. XXXX , wurde ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG nicht erteilt (Spruchpunkt I.). Gemäß § 10 Abs. 2 AsylG iVm § 9 BFA-VG wurde gegen den BF eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 1 Z 1 FPG erlassen (Spruchpunkt II.) und gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass eine Abschiebung nach Pakistan gemäß § 46 FPG zulässig sei (Spruchpunkt III.). Gemäß § 53 Absatz 1 iVm Absatz 2 FPG wurde gegen den BF ein auf die Dauer von 2 Jahren befristetes Einreiseverbot erlassen (Spruchpunkt IV.). Gemäß § 55 Absatz 4 FPG wurde eine Frist für die freiwillige Ausreise nicht gewährt (Spruchpunkt V.). Einer Beschwerde wurde gegen diese Rückkehrentscheidung gemäß § 18 Absatz 2 Ziffer BFA-VG die aufschiebende Wirkung aberkannt (Spruchpuntk VI.) (AS 37 ff.).
I.4.1. Im Rahmen der Beweiswürdigung verwies die belangte Behörde unter anderem darauf, dass die familiären und privaten Bindungen in Österreich vom BF glaubhaft und widerspruchsfrei dargelegt wurden. Die Ausreiseverpflichtung ergebe sich aus der Entscheidung, dass dem BF aufgetragen wurde, innerhalb einer Frist von 14 Tagen aus dem österreichischen Bundesgebiet auszureisen.
I.4.2. Zur asyl- und abschiebungsrelevanten Lage in Pakistan traf die belangte Behörde ausführliche, aktuelle Feststellungen mit nachvollziehbaren Quellenangaben.
I.4.3. Rechtlich führte die belangte Behörde aus, dass sich keine Hinweise auf einen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG ergeben hätten und stelle die Rückkehrentscheidung auch keinen ungerechtfertigten Eingriff in Art. 8 EMRK dar. Zudem sei die Abschiebung zulässig, da kein Sachverhalt im Sinne des § 50 Abs 1, 2 und 3 FPG vorliege. Es würden die Voraussetzungen für ein Einreiseverbot gemäß § 53 Absatz 2 FPG vorliegen und wäre die sofortige Ausreise des BF im Interesse der öffentlichen Ordnung oder Sicherheit erforderlich.
I.5. Gegen den Bescheid des BFA vom XXXX wurde mit im Akt ersichtlichen Schriftsatz innerhalb offener Frist wegen Rechtswidrigkeit in Folge von Verletzung von Verfahrensvorschriften, bei deren Einhaltung die belangte Behörde zu einem anderen Bescheid hätte kommen müssen, Beschwerde erhoben (AS 1 ff.).
I.6. Hinsichtlich des Verfahrensherganges im Detail wird auf den Akteninhalt verwiesen.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1. Feststellungen:
II.1.1. Der Beschwerdeführer
Die Identität des BF steht nicht fest. Der BF ist pakistanischer Staatsangehöriger, sunnitischen Glaubens und Angehöriger der Volksgruppe der Paschtunen. Er stammt aus einem Dorf im XXXX in der Provinz Khyber Pakhtunkhwa. Der BF besuchte die Grundschule und hat zuletzt in Pakistan als Busfahrer gearbeitet.
Der BF ist Drittstaatsangehöriger. Der BF leidet an keiner chronischen sowie schweren oder lebensbedrohlichen Erkrankung. Er ist arbeitsfähig.
Der BF ist verheiratet und hat vier Kinder. Die Ehegattin, die Kinder des BF, die Mutter und die vier Geschwister des BF halten sich in Pakistan auf. Der BF hat zu Familienangehörigen im Herkunftsstaat unregelmäßig Kontakt
Der BF verfügt im Herkunftsstaat über eine – wenn auch auf niedrigerem Niveau als in Österreich - gesicherten Existenzgrundlage.
Der BF möchte offensichtlich sein künftiges Leben in Österreich gestalten. Der BF reiste im Dezember 2015 illegal in das österreichische Bundesgebiet ein.
Der BF stellte am XXXX nach illegaler Einreise einen Antrag auf internationalen Schutz. Mit Bescheid des BFA vom XXXX , XXXX , wurde der Antrag des BF auf internationalen Schutz hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 sowie hinsichtlich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Pakistan gemäß § 8 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 abgewiesen. Ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen wurde gemäß § 57 AsylG 2005 nicht erteilt. Gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG 2005 iVm § 9 BFA-VG wurde gegen den Beschwerdeführer eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG erlassen und gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass die Abschiebung des Beschwerdeführers nach Pakistan gemäß § 46 FPG zulässig sei. Gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG wurde ausgesprochen, dass die Frist für die freiwillige Ausreise zwei Wochen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung betrage.
Mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom XXXX , GZ: XXXX , wurde die Beschwerde gegen den Bescheid vom XXXX als unbegründet abgewiesen. Es wurde zudem festgestellt, dass die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig sei. Dieses Erkenntnis erwuchs am XXXX in Rechtskraft.
In Österreich leben keine Verwandten des BF.
Der BF lebte seit seiner Einreise bis zum XXXX von verschiedenen Leistungen der Grundversorgung.
Seit XXXX geht der BF einer gewerblich selbstständigen Erwerbstätigkeit nach. Vor der Corona-Krise verteilte er Werbemittel. Seither ist er für die Nachtzustellung von Zeitungen auf selbstständiger Basis beschäftigt.
Der BF bewegt sich in Österreich überwiegend in pakistanischen Kreisen. Der BF hat durch seine Tätigkeit als Zeitungszusteller Kontakte zu Österreichern. Der BF verfügt in Österreich über keinerlei nennenswerte Beziehungen oder Kontakte. Er ist kein Mitglied eines Vereins. Der BF hat nur einfache Kenntnisse in der deutschen Sprache.
Der BF wurde mit Urteil des XXXX vom XXXX wegen § 288 Abs 4 StGB (Vergehen der falschen Beweisaussage), § 288 Abs 1 StGB (Vergehen der falschen Beweisaussage) und §§ 15 Abs 1, 299 StGB (Vergehen der Begünstigung) zu einer bedingten Freiheitsstrafe von 3 Monaten unter Bestimmung einer Probezeit von 3 Jahren verurteilt.
Der BF wurde weiters mit Urteil des XXXX vom XXXX wegen §§ 223, Abs 2, 224 StGB (Vergehen der Fälschung besonders geschützter Urkunden) zu einer bedingten Freiheitsstrafe von 3 Monaten unter Bestimmung einer Probezeit von 3 Jahren verurteilt.
II.1.2. Die Lage im Herkunftsstaat Pakistan
NGOs und Menschenrechtsaktivisten
Nichtregierungs- und Menschenrechtsorganisationen - auch regierungskritische - können sich in Pakistan betätigen, unterliegen jedoch einer geheimdienstlichen Überwachung und Kontrolle. Bedrohungen und Einschränkungen können erfolgen, wenn ihre Arbeit die staatlichen Sicherheitsorgane tangiert (AA 21.8.2018, vgl. USDOS 20.4.2018).
Die Regierung schränkt die operativen Möglichkeiten von zivilgesellschaftlichen Organisationen mittels Durchsetzung strenger Regulatorien und Überwachung durch Geheimdienste signifikant ein. Internationale und lokale Organisationen müssen vor dem Start unterschiedlicher Projekte offizielle „no-objection certificates“ (NOC) einholen (FH 1.2019; vgl. HRW 17.1.2019). Seit 2015 müssen sich ausländische NGOs einem aufwendigen Wiederregistrierungsprozess unterziehen. Auch inländische NGOs werden, trotz Vorliegen aller Genehmigungen, staatlicherseits schikaniert (USDOS 13.3.2019). Die Regelungen verbieten vage definierte „politische Aktivitäten“ oder Arbeit außerhalb des genehmigten Arbeitsplanes. Ein Verstoß kann dazu führen, dass die Registrierung der Organisation annulliert wird. Im Oktober 2018 lehnte das Innenministerium von Pakistan die Registrierungsanträge von 18 internationalen NGOs ab. Die daraufhin eingelegten Rechtsmittel wurden ohne Angabe von Gründen zurückgewiesen (AI 2.2019).
Sowohl für Menschenrechts- als auch für Hilfsorganisationen ist die Arbeit nicht nur in den [ehem.] Stammesgebieten (FATA), sondern auch in Belutschistan nur sehr eingeschränkt möglich; mehrere Entführungen und Ermordungen von Aktivisten in den vergangenen Jahren haben dazu geführt, dass die meisten Organisationen ihre Arbeit in diesen Landesteilen eingestellt haben (AA 21.8.2018). Laut der Aid Worker Security Database wurde im Jahr 2018 eine Mitarbeiterin einer Hilfsorganisation getötet. Im Vergleich dazu wurden im Jahr 2017 fünf Mitarbeiter getötet (AWSD 3.3.2019).
Die angesehene Nichtregierungsorganisation Human Rights Commission of Pakistan (HRCP) befasst sich mit der Aufklärung und Bekämpfung von Menschenrechtsverletzungen jeder Art. In allen Landesteilen gibt es Provinzbüros und freiwillige Helfer, die Menschenrechtsverletzungen anzeigen oder ihnen angezeigte Fälle aufnehmen, Fakten sammeln und gegebenenfalls die Fälle der Justiz zuführen. Neben der HRCP beschäftigt sich eine Vielzahl weiterer Organisationen und engagierter Einzelpersonen mit verschiedenen Aspekten des Schutzes der Menschenrechte (AA 21.8.2018).
Die Österreichische Botschaft Islamabad hält fest, dass es für im Ausland tätige Menschenrechtsaktivisten bislang zu keinen ha. bekannten Problemen bei der Rückkehr gekommen ist. Auch der im Rückkehrbereich langjährig tätigen International Organization for Migration (IOM) liegen keine diesbezüglichen Fälle vor (ÖB 10.2018).
Quellen:
? AA – Auswärtiges Amt der Bundesrepublik Deutschland (21.8.2018): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Islamischen Republik PAKISTAN (Stand: August 2018), https://www.ecoi.net/en/file/local/1442726/4598_1536328003_deutschland-auswaertiges-amt-bericht-ueber-die-asyl-und-abschiebungsrelevante-lage-in-der-islamischen-republik-pakistan-stand-august-2018-21-08-2018.pdf, Zugriff 21.2.2019
? AI – Amnesty International (2.2019): Laws Designed to Silence: The Global Crackdown on Civil Society Organizations, https://www.amnesty.ch/de/themen/menschenrechtsverteidiger/dok/2019/ngo-unter-druck-gesetze-bedrohen-menschenrechtsarbeit-weltweit/201902_report_laws_designed_to_silence.pdf, Zugriff 12.3.2019
? AWSD – Aid Worker Security Database (3.3.2019): The Aid Worker Security Database, 1997-present, https://aidworkersecurity.org/incidents/search?start=2017&detail=1&country=PK, Zugriff 12.3.2019
? FH – Freedom House (1.2019): Freedom in the World 2019 – Pakistan, https://freedomhouse.org/report/freedom-world/2019/pakistan, Zugriff 12.3.2019
? HRW – Human Rights Watch (17.1.2019): World Report 2019 – Pakistan, https://www.ecoi.net/de/dokument/2002256.html, Zugriff 12.3.2019
? ÖB – Österreichische Botschaft Islamabad (10.2018): Asylländerbericht Pakistan [Arbeitsversion]
? USDOS – US Department of State (13.3.2019): Country Reports on Human Rights Practices for 2018 – Pakistan https://www.state.gov/documents/organization/289500.pdf, Zugriff 14.3.2019
Allgemeine Menschenrechtslage
Der Schutz der Menschenrechte ist in der Verfassung verankert: Grundrechte, Schutz der körperlichen Unversehrtheit und Selbstbestimmung, Schutz vor willkürlicher Verhaftung, des persönlichen Ansehens sowie das Recht auf Freiheit und Eigentum, Gleichheit aller Bürger vor dem Gesetz; Verbot willkürlicher Verhaftungen und Tötungen ohne gesetzliche Grundlage (die Todesstrafe ist in Pakistan nach wie vor nicht abgeschafft) (AA 21.8.2018).
Allerdings weichen der Anspruch der Verfassung und die gesellschaftliche Realität voneinander ab. Die nachhaltige Entwicklung einer liberalen Demokratie mit effektivem Rechtsstaat und Schutz der Menschenrechte wird weiterhin behindert durch Extremismus/Islamismus, Korruption, die starke Stellung des Militärs, den Einfluss von Feudal/Stammes-Strukturen in Politik und Gesellschaft, sowie ein in Pakistan oft geleugnetes, aber weiterhin wirksames, durch religiöse Intoleranz angereichertes Kastenwesen. Korruption ist weit verbreitet. Die pakistanischen Gerichte sind überlastet. Die Judikative ist nicht in der Lage, Menschenrechte besser zu schützen (AA 5.3.2019).
Die Menschenrechtslage in Pakistan bleibt kritisch. Grundsätzlich bekennt sich die pakistanische Regierung zu den Menschenrechten. In vielen Fällen fehlt ihr jedoch der politische Wille, Menschenrechtsverletzungen vorzubeugen, sie aufzuklären und Rechtsbrecher zur Verantwortung zu ziehen. Die Schwäche der staatlichen Institutionen, nicht zuletzt im Bereich der Justiz, führt in vielen Fällen dazu, dass dem Recht keine Geltung verschafft wird. Bei der Bekämpfung von Terrorismus und Militanz werden Menschenrechtsverletzungen in Kauf genommen. Führenden Politikern fehlt vielfach das Grundverständnis für die Relevanz menschenrechtlicher und anderer völkerrechtlicher Normen, zu deren Einhaltung sich Pakistan verpflichtet hat (AA 21.8.2018).
Die größten Probleme im Bereich Menschenrechte sind u.a. extralegale und gezielte Tötungen, erzwungenes Verschwindenlassen, Folter, willkürliche und überlange Untersuchungshaft, willkürliche und ungesetzliche Verletzung der Privatsphäre, Zensur, Blockieren von Webseiten, willkürliche Einschränkungen der Bewegungsfreiheit von Journalisten, schwere Schikanen und Einschüchterungen und medienwirksame Angriffe gegen Journalisten und Medienherausgeber, staatliche Einschränkungen der Vereinigungsfreiheit inklusive übermäßig restriktive Gesetze gegen internationale NGOs, Einschränkungen der Religionsfreiheit und Diskriminierung religiöser Minderheiten, Einschränkung der Bewegungsfreiheit, Korruption in den Behörden, Rekrutierungen und Einsatz von Kindersoldaten durch nichtstaatliche militante Gruppen, fehlende Ermittlungen und Rechenschaftspflicht in Fällen von Vergewaltigung, sexueller Belästigung, sogenannter Ehrverbrechen, weiblicher Genitalverstümmelung und Gewaltverbrechen aufgrund von Geschlecht, Genderidentität und sexueller Orientierung, gesetzliches Verbot gleichgeschlechtlicher Handlungen, Zwangsarbeit und Schuldknechtschaft, transnationaler Menschenhandel und die schlimmsten Formen von Kinderarbeit (USDOS 13.3.2019). Wegen fehlender Rechenschaftspflicht der Regierung bleiben Vergehen oft ungeahndet, was zu einer Kultur der Straflosigkeit der Täter führt, unabhängig davon, ob es sich um staatliche oder nicht-staatliche Täter handelt. Die Behörden bestrafen Beamte nur selten für Verstöße gegen die Menschenrechte (USDOS 13.3.2019; vgl. HRW 17.1.2019, AI 21.2.2018).
Gemäß Angaben der vom Innenministerium eingesetzten Kommission zur Ermittlung erzwungenen Verschwindens (COIOED) wurden im Zeitraum 2011 bis 31.1.2019 COIOED 5.777 Fälle zur Kenntnis gebracht und davon 3.599 Fälle abgeschlossen; 2.178 Fälle sind noch offen (COIOED 1.2.2019). Im Jahr 2018 wurden von COIOED 1.098 neue Fälle registriert und 671 Fälle abgeschlossen; 2017 wurden 868 neue Fälle aufgenommen und 555 Fälle abgeschlossen (COIOED 23.2.2019).
Extralegale Tötungen kommen vor allem in Form der sogenannten „police encounters“ vor, d.h. bei Zusammenstößen zwischen mutmaßlichen Straftätern, Militanten oder Terroristen und der Polizei oder paramilitärischen Sicherheitskräften, die mit dem Tod des mutmaßlich Straffälligen enden. Laut der NGO „Human Rights Commission of Pakistan“ kamen 2017 landesweit hunderte Personen bei „police encounters“ ums Leben. In der Regel werden diese Fälle nicht gerichtlich untersucht (AA 21.8.2018). Im Jänner 2019 wurde im Punjab vier Personen, darunter Eltern und ihre Tochter, von der Polizei erschossen. Gemäß offiziellen Angaben waren die Toten Mitglieder des Islamischen Staates, Zeugenaussagen und Amateurvideos geben jedoch an, dass die Familie, die mit dem Auto unterwegs war, grundlos beschossen wurde. Nachdem die Videos veröffentlicht wurden, ordnete der Provinzminister eine Untersuchung, sowie die Verhaftung aller am Ereignis beteiligten Beamten an (Dawn 20.1.2019).
In zahlreichen Fällen bleiben Strafgefangene über viele Jahre hinweg widerrechtlich inhaftiert, obwohl ihre Haftstrafe bereits verbüßt ist. Ein häufiger Grund ist, dass die Strafgefangenen oder ihre Familienangehörigen nicht die notwendigen Mittel aufbringen können, die gleichzeitig mit der Haftstrafe verhängte Geldbuße nach Ablauf der Haftzeit zu begleichen. Ein anderer Grund ist, dass Gerichtsurteile nicht konsequent umgesetzt werden. Andere Personen werden, ohne dass gegen sie eine Haftstrafe verhängt wurde, nur deshalb in Haft genommen, weil sie nicht in der Lage sind, gegen sie verhängte Bußgelder zu begleichen (AA 21.8.2018).
Willkürliche Festnahmen kommen insbesondere aufgrund der weit verbreiteten Korruption innerhalb der Polizei vor. Selbst bei offensichtlich unbegründeten Beschuldigungen kann eine lange Inhaftierung erfolgen, ohne dass es dabei zu einer Haftprüfung kommt. Beispiel hierfür sind Blasphemiefälle. Auch die Sicherheitsdienste greifen in Fällen mit terroristischem Hintergrund oder in Fällen von Landesverrat auf willkürlichen und rechtswidrigen Gewahrsam zurück (AA 21.8.2018).
Der Senat und die ständigen Komitees der Nationalversammlung zu Recht, Justiz, Minderheiten und Menschenrechten halten Anhörungen zu einer breiten Reihe von Problemen mit Bezug auf die Menschenrechte ab. Per Gesetz von 2012 wurde 2015 die Nationale Kommission für Menschenrechte als unabhängiges Komitee eingerichtet. Im November 2015 wurde wieder ein unabhängiges Ministerium für Menschenrechte eingerichtet (USDOS 13.3.2019).
Quellen:
? AA – Auswärtiges Amt der Bundesrepublik Deutschland (21.8.2018): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Islamischen Republik PAKISTAN (Stand: August 2018), https://www.ecoi.net/en/file/local/1442726/4598_1536328003_deutschland-auswaertiges-amt-bericht-ueber-die-asyl-und-abschiebungsrelevante-lage-in-der-islamischen-republik-pakistan-stand-august-2018-21-08-2018.pdf, Zugriff 21.2.2019
? AA – Auswärtiges Amt der Bundesrepublik Deutschland (5.3.2019): Pakistan: Staatsaufbau und Innenpolitik, https://www.auswaertiges-amt.de/de/aussenpolitik/laender/pakistan-node/pakistan--innenpolitik/205010, Zugriff 12.3.2019
? AI - Amnesty International (21.2.2018): Amnesty International Report 2017/18 - The State of the World's Human Rights – Pakistan, https://www.amnesty.org/en/countries/asia-and-the-pacific/pakistan/report-pakistan/, Zugriff 4.4.2018
? COIOED – Commission of Inquiry on Enforced Disappearances (1.2.2019): Monthly Progress on Cases of Alleged Enforced Disappearances – January 2019, http://coioed.pk/wp-content/uploads/2019/02/20190101SUBMISSION-OF-MONTHLY-SUMMARY-JANUARY-2019.doc, Zugriff 12.3.2019
? COIOED – Commission of Inquiry on Enforced Disappearances (23.2.2019): Month Wise Receipt/Disposal of Cases by COIOED, http://coioed.pk/wp-content/uploads/2019/02/MONTH-WISE-RECEIPT-DISPOSAL-OF-CASES-BY-COIOED-2nd.doc, Zugriff 12.3.2019
? Dawn (20.1.2019): Outrage over family’s killing by Punjab police, https://www.dawn.com/news/1458676/outrage-over-familys-killing-by-punjab-police, Zugriff 12.3.2019
? HRW – Human Rights Watch (17.1.2019): World Report 2019 – Pakistan, https://www.ecoi.net/de/dokument/2002256.html, Zugriff 12.3.2019
? USDOS – US Department of State (13.3.2019): Country Reports on Human Rights Practices for 2018 – Pakistan https://www.state.gov/documents/organization/289500.pdf, Zugriff 14.3.2019
Bewegungsfreiheit
Das Gesetz gewährleistet die Bewegungsfreiheit im Land sowie uneingeschränkte internationale Reisen, Emigration und Repatriierung (USDOS 13.3.2019). Die Regierung schränkt den Zugang zu bestimmten Gebieten der ehemaligen FATA und Belutschistan aufgrund von Sicherheitsbedenken ein (USDOS 13.3.2019; vgl. FH 1.2019, HRCP 3.2019). Es gibt einzelne rechtliche Einschränkungen, Wohnort, Arbeits- oder Ausbildungsplatz zu wechseln (FH 1.2019)
Die Regierung verbietet Reisen nach Israel. Regierungsangestellte und Studenten müssen vor Reisen ins Ausland ein „no objection certificate“ einholen, doch von Studenten wird dies selten verlangt. Personen auf der Exit Control List ist es verboten, ins Ausland zu reisen. Diese Liste soll Personen, welche in staatsfeindliche Aktivitäten und Terrorismus involviert sind oder in Verbindung zu einer verbotenen Organisation stehen bzw. jene, gegen die ein Kriminalverfahren vor höheren Gerichten anhängig ist, von Auslandsreisen abhalten (USDOS 13.3.2019). Die NGO HRCP gibt an, dass Personen aus politischen Gründen auf die Exit Control List gesetzt werden und die genauen Voraussetzungen, wann eine Person auf diese Liste kommt, nicht transparent sind (HRCP 3.2019).
Reisebewegungen von bestimmten religiösen und Gender-Minderheiten bleiben gefährlich (HRCP 3.2019). Seit 2009 haben pakistanische Bürger das Recht, sich in Gilgit Baltistan anzusiedeln, jedoch gibt es weiterhin Einschränkungen für eine Ansiedlung in Azad-Jammu und Kaschmir (FH 1.2018). Einschränkungen der Bewegungsfreiheit gibt es für Bewohner der ehemaligen FATA durch Ausgangssperren, Umzäunungen und eine starke Zunahme an Kontrollpunkten (ICG 20.8.2018).
Quellen:
? FH – Freedom House (1.2018): Freedom in the World 2018 – Pakistani Kashmir, https://freedomhouse.org/report/freedom-world/2018/pakistani-kashmir, Zugriff 26.2.2019
? FH – Freedom House (1.2019): Freedom in the World 2019 – Pakistan, https://freedomhouse.org/report/freedom-world/2019/pakistan, Zugriff 12.3.2019
? HRCP – Human Rights Commission of Pakistan (3.2019): State of Human Rights in 2018, http://hrcp-web.org/hrcpweb/wp-content/uploads/2019/04/State-of-Human-Rights-in-2018-English-1.pdf, Zugriff 23.4.2019
? ICG – International Crisis Group (20.8.2018): Shaping a New Peace in Pakistan’s Tribal Areas, https://www.ecoi.net/en/file/local/1442284/5351_1535998887_b150-shaping-a-new-peace-in-pakistans-tribal-areas.pdf, Zugriff 19.3.2019
? USDOS – US Department of State (13.3.2019): Country Reports on Human Rights Practices for 2018 – Pakistan https://www.state.gov/documents/organization/289500.pdf, Zugriff 14.3.2019
Meldewesen
Pakistan verfügt über eine der weltweit umfangreichsten Bürger-Registrierungssysteme. Die zuständige Behörde ist die National Database & Registration Authority (NADRA) (PI 1.2019). Um als Wähler in einem Wahlkreis registriert zu werden, muss man mittels Digitaler Nationaler Identitätskarte (CNIC) nachweisen, Bewohner dieses Wahlkreises zu sein (ECP o.D.). Auf der CNIC ist neben der permanenten Adresse auch die derzeitige Wohnadresse der Person angeführt (VB 4.11.2018).
IRBC gibt an, dass die Provinzen Belutschistan, Khyber Pakhtunkhwa, Punjab und Sindh sowie das Hauptstadtterritorium Islamabad ein System für die Registrierung der Bewohner haben. IRBC konnte keine Quellen zu solchen Systemen in Azad-Jammu und Kaschmir, Gilgit-Baltistan und die ehem. FATA finden. Die Meldung der Bewohner ist verpflichtend. Die Gesetze werden nur lückenhaft umgesetzt, aber Vergehen werden in allen Provinzen streng geahndet. Die zuständige Behörde zur Erhebung der Meldedaten ist die Polizei. Die Distriktleiter der Polizei sind für die lückenlose Erfassung der Bewohner in ihren Distrikten verantwortlich (IRBC 23.1.2018).
Bei gemieteten Wohnungen und Häusern ist der Bewohner, Vermieter oder Wohnungsvermittler verantwortlich, der Polizei den Mietvertrag sowie Kopien der CNIC aller Bewohner zu übermitteln. Wenn einer der drei zuerst genannten dies erledigt, müssen das die anderen nicht mehr machen. In den Provinzen Belutschistan und Khyber Pakhtunkhwa müssen zusätzlich noch zwei Referenzpersonen genannt werden, die den Bewohner identifizieren können. Hotels sind verpflichtet, Informationen über ihre Gäste zu übermitteln sowie diese Informationen zu archivieren und für die Polizei jederzeit einsehbar zu halten (IRBC 23.1.2018).
Quellen:
? PI – Privacy International (1.2019): State of Privacy Pakistan, https://privacyinternational.org/state-privacy/1008/state-privacy-pakistan, Zugriff 21.2.2019
? ECP – Election Commission of Pakistan (o.D): How To Register, https://www.ecp.gov.pk/frmGenericPage.aspx?PageID=4, Zugriff 18.3.2019
? IRBC - Immigration and Refugee Board of Canada (23.1.2018): Pakistan: Tenant registration systems, including implementation; whether authorities share information on tenant registration (2015-December 2017), https://www.refworld.org/docid/5aa8d84a7.html, Zugriff 9.4.2019
? VB – Büro des Verbindungsbeamten des BM.I in Islamabad (4.11.2018): Auskunft einer pakistanischen Anwaltskanzlei, per E-Mail.
Grundversorgung
Pakistan ist mit ca. 207 Millionen Einwohnern (PBS 2017a) der sechst-bevölkerungsreichste Staat der Erde. Über die Hälfte der Bevölkerung ist unter 25 Jahre alt, der Abhängigenquotient [Bevölkerung bis 14 und ab 65 Jahre / Bevölkerung 15-64 Jahre] liegt bei 65 % (CIA 5.2.2019).
Pakistans Wirtschaft hat wegen einer günstigen geographischen Lage, Ressourcenreichtum, niedrigen Lohnkosten, einer jungen Bevölkerung und einer wachsenden Mittelschicht Wachstumspotenzial. Dieses Potenzial ist jedoch aufgrund jahrzehntelanger Vernachlässigung der sozialen und wirtschaftlichen Infrastruktur, periodisch wiederkehrender makroökonomischer sowie politischer Instabilität und schwacher institutioneller Kapazitäten nicht ausgeschöpft. Als größte Wachstumshemmnisse gelten Korruption, ineffiziente Bürokratie, ein unsicheres regulatorisches Umfeld, eine trotz Verbesserungen in den letzten Jahren relativ teure bzw. unzureichende Energieversorgung und eine – trotz erheblicher Verbesserung seit 2014 – teils fragile Sicherheitslage (AA 5.3.2019).
Der wichtigste Wirtschaftssektor in Pakistan ist der Dienstleistungssektor (Beitrag zum BIP 59 %; der Sektor umfasst u. a. auch den überproportional großen öffentlichen Verwaltungsapparat). Auch der Industriesektor ist von Bedeutung (Beitrag zum BIP 21 %). Der bei weitem wichtigste Exportsektor ist die Textilbranche. Einen dem Industriesektor vergleichbaren Beitrag zum BIP (20 %) leistet die Landwirtschaft, in der jedoch 42 % der arbeitenden Bevölkerung tätig ist. Etwa 60 % der ländlichen Bevölkerung hängen direkt oder indirekt vom landwirtschaftlichen Sektor ab. Die Provinz Punjab gehört unter anderem bei Getreideanbau und Viehzucht zu den weltweit größten Produzenten (AA 5.3.2019; vgl. GIZ 2.2019a).
Die pakistanische Wirtschaft wächst bereits seit Jahren mit mehr als vier Prozent. Für 2018 gibt der Internationale Währungsfonds (IWF) sogar ein Plus von 5,6 Prozent an. Das Staatsbudget hat sich stabilisiert und die Börse in Karatschi hat in den vergangenen Jahren einen Aufschwung erlebt. Erreicht wurde dies durch einschneidende Reformen, teilweise unterstützt durch den IWF. In der Vergangenheit konnte Pakistan über die Jahrzehnte hinweg jedoch weder ein solides Wachstum halten noch die Wirtschaft entsprechend diversifizieren. Dies kombiniert mit anderen sozioökonomischen und politischen Faktoren führte dazu, dass immer noch etwa ein Drittel der pakistanischen Bevölkerung unter der Armutsgrenze lebt (GIZ 2.2019a).
Die Arbeitslosigkeit in Pakistan liegt Stand 2017 offiziell etwa bei 6 % (CIA 5.2.2019). CIA hält fest, dass die offiziellen Arbeitslosenzahlen die Situation nicht vollständig beschreiben können, da ein großer Teil der Wirtschaft informell und die Unterbeschäftigung hoch ist (CIA 5.2.2019a; vgl. GIZ 2.2019). Kritisch ist vor allem die Situation von jungen erwerbslosen/arbeitslosen Männern zwischen 15 und 30 Jahren. Als Folge dieser hohen Arbeitslosigkeit gepaart mit einer Verknappung natürlicher Ressourcen, vor allem auf dem Land, kommt es zu einer verstärkten Arbeitsmigration nicht nur in die großen Städte, sondern traditionell auch in die Golfstaaten. Rücküberweisungen von Arbeitsmigranten und Gastarbeitern nach Pakistan belaufen sich gegenwärtig auf ca. 5% des BIP (GIZ 2.2019a). Für das Finanzjahr 2019 (Juli 2018 bis Juni 2019) werden Rücküberweisungen von 22 Milliarden US-Dollar erwartet (KT 30.10.2018).
Gemäß dem Global Education Monitoring Report 2017/18 der UNESCO stellen sich die Bildungserfolge Pakistans relativ schwach dar. Die Einschulungs- und Alphabetisierungsrate Pakistans zählt zu den niedrigsten der Welt, Lediglich rund 60 Prozent der Bevölkerung (Frauen: 46%) können lesen und schreiben. Nur etwas über zwei Prozent des Bruttosozialprodukts werden in Bildung investiert. Weiterhin bleiben große Diskrepanzen in der Alphabetisierungs- und Bildungspolitik zwischen Provinzen sowie zwischen ländlichen und städtischen Gebieten bestehen. Das pakistanische Bildungssystem spiegelt die anhaltende soziale Ungleichheit in der Gesellschaft wider (GIZ 2.2019b).
Zwar hat die aktuelle Regierung die staatlichen Ausgaben für Gesundheit deutlich gesteigert, doch sind sie weiterhin zu niedrig, um eine flächendeckende Versorgung zu gewährleisten. Die öffentlichen Gesundheitsausgaben betragen 0,92 % des Bruttoinlandsprodukts (GIZ 2.2019b).
Das Programm Tameer-e-Pakistan soll Personen bei der Arbeitssuche unterstützen (IOM 2018). Das Kamyab Jawan Programme, eine Kooperation des Jugendprogrammes des Premierministers und der Small and Medium Enterprises Development Authority (SMEDA), soll durch Bildungsprogramme für junge Menschen im Alter zwischen 15 und 29 die Anstellungsmöglichkeiten verbessern (Dawn 11.2.2019).
Etwa 7,1 Millionen Arbeitskräfte in Pakistan hatten 2016 Zugang zum Sozialversicherungssystem (HRCP 5.2017). Etwa drei Millionen Personen leben in sklavenähnlichen Beschäftigungsverhältnissen (HRCP 3.2019).
Es gibt einen Mangel von zehn Millionen Wohnungen landesweit, was zu Obdachlosigkeit, illegalen Siedlungen und überhöhten Mieten führt (BTN 12.2.2019). Im Oktober 2018 kündigte Premierminister Imran Khan den Bau von fünf Millionen Wohneinheiten für Niedrigverdiener in den kommenden fünf Jahren an. Unter dem staatlichen Programm Naya Pakistan Housing Scheme (Dawn 10.10.2018; vgl. NPHS 13.10.2018) soll ein Haus 1,65 bis 2,1 Millionen Rupien kosten (BTN 12.2.2019). Die Teilnehmer am Programm bezahlen 20 Prozent des Kaufpreises im Voraus und den restlichen Betrag über 20 Jahre (NPHS 6.11.2018; vgl. BTN 12.2.2019) in monatlichen Raten zu ca. 18.500 Rupien, was ungefähr einer monatlichen Miete entspricht. Das Haus geht nach 18 Monaten ins Eigentum des Bewohners über (BTN 12.2.2019). Personen, die bereits ein Haus besitzen, können nicht am Naya Pakistan Housing Scheme teilnehmen (NPHS 13.10.2018). Der Baubeginn für die ersten 135.000 Wohneinheiten wurde für den 17.4.2019 in Islamabad und Belutschistan angekündigt (Dawn 9.4.2019).
Quellen:
? AA – Auswärtiges Amt der Bundesrepublik Deutschland (5.3.2019): Pakistan: Wirtschaft, https://www.auswaertiges-amt.de/de/aussenpolitik/laender/pakistan-node/wirtschaft/204976, Zugriff 21.3.2019
? BTN Marketing Consultants (12.2.2019): The “Naya Pakistan Housing Scheme” and All There Is To Know About It, https://btnconsultants.com.pk/naya-pakistan-housing-scheme-know/, Zugriff 9.4.2019
? CIA - Central Intelligence Agency (5.2.2019): World Factbook - Pakistan, https://www.cia.gov/library/publications/the-world-factbook/geos/pk.html, Zugriff 21.2.2019
? Dawn (10.10.2018): 'I will steer you out of this difficult time': PM Khan addresses economic uncertainty, https://www.dawn.com/news/1438116, Zugriff 9.4.2019
? Dawn (11.2.2019): Govt aims to create 'a million jobs' for youth under Kamyab Jawan Programme, https://www.dawn.com/news/1463174, Zugriff 15.5.2019
? Dawn (9.4.2019): 135,000 apartments to be built in first phase of Naya Pakistan Housing project: Fawad Chaudhry, https://www.dawn.com/news/1474958, Zugriff 9.4.2019
? GIZ – Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (2.2019a): Pakistan – Wirtschaft & Entwicklung, https://www.liportal.de/pakistan/wirtschaft-entwicklung/, Zugriff 21.3.2019
? GIZ – Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (2.2019b): Pakistan – Gesellschaft, https://www.liportal.de/pakistan/gesellschaft/, Zugriff 21.3.2019
? HRCP – Human Rights Commission of Pakistan (3.2019): State of Human Rights in 2018, http://hrcp-web.org/hrcpweb/wp-content/uploads/2019/04/State-of-Human-Rights-in-2018-English-1.pdf, Zugriff 23.4.2019
? HRCP - Human Rights Commision of Pakistan (5.2017): State of Human Rights in 2016, http://hrcp-web.org/hrcpweb/wp-content/uploads/2017/05/State-of-Human-Rights-in-2016.pdf, Zugriff 21.3.2019
? IOM – International Organization for Migration (2018): Länderinformationsblatt Pakistan 2018, http://files.returningfromgermany.de/files/CFS_2018_Pakistan_DE.pdf, Zugriff 21.3.2019
? KT - Khaleej Times (30.10.2018): Pakistan remittances may hit $22 billion in 2018-19, https://www.khaleejtimes.com/business/economy/Pakistan-remittances-may-hit-$22-billion-in-2018-19-, Zugriff 9.4.2019
? NPHS – Naya Pakistan Housing Scheme (13.10.2018): Who is eligible to apply for Naya Pakistan Housing Scheme?, http://nphp.pk/who-is-eligible-to-apply-for-naya-pakistan-housing-scheme/, Zugriff 9.4.2019
? NPHS – Naya Pakistan Housing Scheme (6.11.2018): Buyers must pay 20pc upfront to join PM housing scheme, http://nphp.pk/buyers-must-pay-20pc-upfront-to-join-pm-housing-scheme/, Zugriff 9.4.2019
? PBS - Pakistan Bureau of Statistics (2017a): Press Release on Provisional Results of 6th Population and Housing Census – 2017, http://www.statistics.gov.pk/assets/publications/Population_Results.pdf, Zugriff 1.4.2019
Sozialbeihilfen
Die Provinzen sind für die Einhebung und Verteilung von Zakat und Ushr zuständig. Die Mittel sind für die Unterstützung bedürftiger Muslime vorgesehen und sollen die extreme Armut in Übereinstimmung mit den Regeln des Islam reduzieren. Ein Teil des Wertes von elf verschiedenen Vermögensarten wird durch Banken, Firmen und anderen Finanzinstitutionen verpflichtend eingehoben. Die Vergabe der Geldmittel erfolgt an die Zakat-Kommitees gemäß Bevölkerungszahl der Distrikte und die Auszahlung des Zakat wird auf lokaler Ebene entschieden (Gov PJ o.D.).
Mit einer Verfassungsänderung im Jahr 2010 wurde die Gesetzgebung im Arbeits- und Sozialbereich vom Bund an die Provinzen übertragen. Einige Provinzen haben bereits Gesetze dazu erlassen, dabei jedoch wichtige Bereiche vom ehemaligen Bundesgesetz übernommen. Das frühere Bundesgesetz bleibt in Provinzen gültig, die noch keine entsprechende gesetzliche Grundlage geschaffen haben (ILO 2017).
Pensionsberechtigt sind Männer ab 60 und Frauen ab 55 Jahren mit mindestens 15 Beitragsjahren. Im Pensionssystem sind Angestellte von Unternehmen mit mehr als fünf Personen erfasst (USSSA 3.2017). Die Pensionsberechtigung ist auf den formellen Sektor beschränkt (HRCP 3.2019). In Pakistan kommen 2,3 % der Bevölkerung im Pensionsalter in den Genuss von Alterspension (ILO 2017). Es gibt Berichte, dass im formellen Sektor die Pensionsauszahlung verspätet erfolgt (HRCP 3.2019).
Bei Mutterschaft wird 12 Wochen lang durch den Arbeitgeber das volle Gehalt bezahlt (ILO 2017; vgl. USSSA 3.2017).
Es gibt keine Arbeitslosenunterstützung (ILO 2017). Unternehmen mit mehr als 20 Mitarbeitern bezahlen den Gehalt der letzten 30 Tage des Dienstverhältnisses multipliziert mit der Dauer des Dienstverhältnisses in Jahren als Abfindung (USSSA 3.2017; vgl. ILO 2017).
Der staatliche Wohlfahrtsverband überprüft an Hand spezifischer Kriterien, ob eine Person für den Eintritt in das Sozialversicherungssystem geeignet ist. Die Sozialversicherung ist mit einer Beschäftigung im privaten oder öffentlichen Sektor verknüpft (IOM 2018). Das Benazir Income Support Program und das Pakistan Bait-ul-Mal vergeben ebenfalls Unterstützungsleistungen (USSSA 3.2017).
Pakistan Bait-ul-Mal ist eine autonome Behörde, die Finanzierungsunterstützung an Notleidende, Witwen, Waisen, Invalide, Kranke und andere Bedürftige vergibt. Eine Fokussierung liegt auf Rehabilitation, Bildungsunterstützung, Unterkunft und Verpflegung für Bedürftige, medizinische Versorgung für mittellose kranke Menschen, der Aufbau kostenloser medizinischer Einrichtungen, Berufsweiterbildung sowie die finanzielle Unterstützung für den Aufbau von selbständigen Unternehmen (PBM o.D).
Das Benazir Income Support Programme zielt auf verarmte Haushalte insbesondere in abgelegenen Regionen ab. Durch Vergabe von zinsfreien Krediten an Frauen zur Unternehmensgründung, freie Berufsausbildung, Versicherungen zur Kompensation des Verdienstausfalles bei Tod oder Krankheit des Haupternährers und Kinderunterstützungsgeld sollen insbesondere Frauen sozial und ökonomisch ermächtigt werden (ILO 2017).
Die Edhi Foundation ist die größte Wohlfahrtstiftung Pakistans. Sie gewährt u.a. Unterkunft für Waisen und Behinderte, eine kostenlose Versorgung in Krankenhäusern und Apotheken, sowie Rehabilitation von Drogenabhängigen, kostenlose Heilbehelfe, Dienstleistungen für Behinderte sowie Hilfsmaßnahmen für die Opfer von Naturkatastrophen (Edih o.D.).
Die pakistanische Entwicklungshilfeorganisation National Rural Support Programme (NRSP) bietet Mikrofinanzierungen und andere soziale Leistungen zur Entwicklung der ländlichen Gebiete an. Sie ist in 70 Distrikten der vier Provinzen – inklusive Azad Jammu und Kaschmir – aktiv. NRSP arbeitet mit mehr als 3,4 Millionen armen Haushalten zusammen, welche ein Netzwerk von ca. 217.000 kommunalen Gemeinschaften bilden (NRSP o.D).
Quellen:
? Edhi (o.D.): About Edhi Foundation, https://edhi.org/about-us/, Zugriff 26.3.2019
? Gov PJ – Government of the Punjab (o.D., letztes Referenzdatum 2018): Zakat & Ushr Department - Overview & Functions, https://zakat.punjab.gov.pk/overview, Zugriff 26.3.2019
? HRCP – Human Rights Commission of Pakistan (3.2019): State of Human Rights in 2018, http://hrcp-web.org/hrcpweb/wp-content/uploads/2019/04/State-of-Human-Rights-in-2018-English-1.pdf, Zugriff 23.4.2019
? ILO – International Labour Organization (2017): World Social Protection Report 2017–19 - Universal social protection to achieve the Sustainable Development Goals, https://www.ilo.org/wcmsp5/groups/public/---dgreports/---dcomm/---publ/documents/publication/wcms_604882.pdf, Zugriff 26.3.2019
? IOM – International Organization for Migration (2018): Länderinformationsblatt Pakistan 2018, http://files.returningfromgermany.de/files/CFS_2018_Pakistan_DE.pdf, Zugriff 21.3.2019
? NRSP - National Rural Support Programme (o.D.b): About NRSP, http://www.nrsp.org.pk/about.html, Zugriff 26.3.2019
? PBM - Pakistan Bait-ul-Mal (o.D.): Pakistan Bait-ul-Mal, http://www.pbm.gov.pk/pbm.html, Zugriff 26.3.2018
? USSSA – US Social Security Administration (3.2017): Social Security Programs Throughout the World: Asia and the Pacific, 2016, S 187ff, https://www.ssa.gov/policy/docs/progdesc/ssptw/2016-2017/asia/ssptw16asia.pdf, Zugriff 22.2.2019
Medizinische Versorgung
Die medizinische Versorgung ist in weiten Landesteilen unzureichend und entspricht medizinisch, hygienisch, technisch und organisatorisch meist nicht europäischem Standard. Die Versorgung mit zuverlässigen Medikamenten und eine ununterbrochene Kühlkette sind nicht überall gesichert (AA 13.3.2019).
In Islamabad und Karatschi ist die medizinische Versorgung in allen Fachdisziplinen meist auf einem hohen Niveau und damit auch teuer (AA 13.3.2019). In modernen Krankenhäusern in den Großstädten konnte – unter dem Vorbehalt der Finanzierbarkeit – eine Behandlungsmöglichkeit für die am weitesten verbreiteten Krankheiten festgestellt werden. Auch die meisten Medikamente, wie z. B. Insulin, können in den Apotheken in ausreichender Menge und Qualität erworben werden und sind für weite Teile der Bevölkerung erschwinglich (AA 21.8.2018).
In staatlichen Krankenhäusern, die i.d.R. europäische Standards nicht erreichen, kann man sich bei Bedürftigkeit kostenlos behandeln lassen. Da Bedürftigkeit offiziell nicht definiert ist, reicht die Erklärung aus, dass die Behandlung nicht bezahlt werden kann. Allerdings trifft dies auf schwierige Operationen, z.B. Organtransplantationen, nicht zu. Hier können zum Teil gemeinnützige Stiftungen die Kosten übernehmen (AA 21.8.2018).
Im Verhältnis gibt es einen Arzt für 957 Personen, ein Krankenhausbett für 1.500-1.600 Personen und einen Zahnarzt für 9.730 Personen. Das relative Verhältnis des medizinischen Personals zur Bevölkerungszahl hat sich in den vergangenen Jahren leicht verbessert (HRCP 3.2019; vgl. HRCP 18.4.2018).
Das Gesundheitswesen fällt vorwiegend in die Zuständigkeit der Provinzen. In der Organisation wird zwischen Primär-, Sekundär- und Tertiärversorgung unterschieden. Die Primärversorgung erfolgt in Basic Health Units (BHU) und Rural Health Centers mit einem Einzugsbereich von 25.000 bis 100.000 Menschen. Die Sekundärversorgung erfolgt in Tehsil Head Quarters und District Head Quarters mit einem Einzugsbereich von 500.000 bis 3 Millionen Menschen. Diese Einrichtungen bieten eine große Zahl ambulanter und stationärer Behandlungen an. Der tertiäre Sektor bietet eine hoch spezialisierte stationäre Versorgung; in der Regel werden Patienten vom primären und sekundären Einrichtungen überwiesen (IJARP 10.2017).
Zugänglichkeit und Leistbarkeit für Gesundheitsdienste sind insbesondere für die ländliche Bevölkerung problematisch, da es einen ernsten Mangel an qualifiziertem Gesundheitspersonal und unzureichende Finanzierung der primären Versorgungsebene gibt (IJARP 10.2017). Eine ständig steigende Bevölkerungszahl in Zusammenhang mit ineffizienter und missbräuchlicher Verwendung ohnehin beschränkter finanzieller Mittel werden als Hauptgründe für den relativ schlechten Zustand des Gesundheitswesens gesehen (SBP 1.2018).
Trotz Verbesserungen in den letzten Jahren (HRCP 3.2019) führt der Großteil der öffentlichen Gesundheitseinrichtungen keine zufriedenstellende Behandlung durch. Die Menschen tendieren dazu, private Einrichtungen aufzusuchen (Kurji et al 2016; vgl. HRCP 3.2019). Diese sind jedoch für die ärmere Bevölkerung unleistbar (Kurji et al 2016). Ebenso suchen viele Menschen traditionelle Heiler (Hakims), Homöopathen und Quacksalber auf (RPHS 19.6.2016).
Mehr als 15 Millionen Menschen in Pakistan leiden an einer psychischen Erkrankung, jedoch gibt es nur fünf staatliche psychiatrische Krankenhäuser und es gibt weniger als 300 qualifizierte Psychiater, die in Pakistan praktizieren. In konservativen Regionen ist eine psychische Erkrankung mit einem sozialen Stigma verbunden (BBC 29.9.2016).
73 % der Bevölkerung sind ohne staatliche Krankenversicherung; 57 % in den Städten und 83 % am Land (ILO 2017). Es gibt staatliche Sozialleistungen für Angestellte in Betrieben mit mehr als fünf Mitarbeitern und bis zu einem Gehalt von 15.000 Rupien pro Monat (18.000 in Punjab) sowie für von ihnen abhängige Personen. Ausgenommen von den Sozialleistungen sind Mitarbeiter in Familienbetrieben und Selbständige. Für Mitarbeiter im öffentlichen Dienst und der Eisenbahn sowie Mitglieder der Armee, der Polizei und der örtlichen Verwaltung gibt es eigene Systeme. Begünstigte erhalten allgemeinmedizinische Leistungen, Medikamente, Krankenhausbehandlungen und Krankentransporte. Während der Krankheit wird 75 % des Gehalts weiterbezahlt (100 % bei Tuberkulose und Krebs; in den Provinzen Belutschistan und Khyber Pakhtunkhwa generell 50 % Gehaltsfortzahlung). Die Begünstigung setzt sich bei Beendigung des Dienstverhältnisses für sechs Monate oder für die Dauer der Krankheit (je nachdem, welcher Zeitpunkt früher eintritt) fort (USSSA 3.2017).
Das staatliche Wohlfahrts-Programm Bait-ul-Mal vergibt Unterstützungsleistungen und fördert die Beschaffung von Heilbehelfen (PBM o.D.).
Die nichtstaatliche Entwicklungshilfeorganisation Aga Khan Development Network betreibt landesweit 450 Kliniken, fünf Krankenhäuser sowie ein Universitätskrankenhaus in Karatschi und fördert zahlreiche Projekte auf lokaler Ebene, um den Zugang zur Grundversorgung zu verbessern (AKDN o.D.).
Quellen:
? AA - Auswärtiges Amt Deutschland (13.3.2019): Länderinformationen – Pakistan – Reise- und Sicherheitshinweise, http://www.auswaertiges-amt.de/DE/Laenderinformationen/00-SiHi/Nodes/PakistanSicherheit_node.html#doc344284bodyText7, Zugriff 3.4.2019
? AA – Auswärtiges Amt der Bundesrepublik Deutschland (21.8.2018): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Islamischen Republik PAKISTAN (Stand: August 2018), https://www.ecoi.net/en/file/local/1442726/4598_1536328003_deutschland-auswaertiges-amt-bericht-ueber-die-asyl-und-abschiebungsrelevante-lage-in-der-islamischen-republik-pakistan-stand-august-2018-21-08-2018.pdf, Zugriff 21.2.2019
? AKDN – Aga Khan Development Network (o.D.): Pakistan – Health, https://www.akdn.org/where-we-work/south-asia/pakistan/health-pakistan, Zugriff 22.2.2019
? BBC (29.9.2016): Why Pakistan's poor seek mental health cure at shrine, https://www.bbc.com/news/world-asia-37495538, Zugriff 22.2.2019
? HRCP – Human Rights Commission of Pakistan (3.2019): State of Human Rights in 2018, http://hrcp-web.org/hrcpweb/wp-content/uploads/2019/04/State-of-Human-Rights-in-2018-English-1.pdf, Zugriff 23.4.2019
? HRCP - Human Rights Commission of Pakistan (18.4.2018): State of Human Rights in 2017, http://hrcp-web.org/publication/wp-content/uploads/2018/04/State-of-Human-Rights-in-2017.pdf, Zugriff 10.4.2019
? IJARP – International Journal of Advanced Research and Publications (10.2017): Healthcare System of Pakistan, http://www.ijarp.org/published-research-papers/oct2017/Healthcare-System-Of-Pakistan.pdf, Zugriff 22.2.2019
? ILO – International Labour Organization (2017): World Social Protection Report 2017–19 - Universal social protection to achieve the Sustainable Development Goals, https://www.ilo.org/wcmsp5/groups/public/---dgreports/---dcomm/---publ/documents/publication/wcms_604882.pdf, Zugriff 26.3.2019
? Kujri Zohra, Zahra Shaheen Premani, Yasmin Mithani (2016): Analysis of the Health Care System of Pakistan: Lessons Learnt and Way Forward, https://pdfs.semanticscholar.org/178f/79039bb1c5cb826d957d27825f8a692020c9.pdf, Zugriff 22.2.2019
? PBM – Pakistan Bait-ul-Mal (o.D.): How To Get Assistance, http://www.pbm.gov.pk/forms.html, Zugriff 22.2.2019
? RPHS – Research in Pharmacy and Health Sciences (19.6.2016): Health Care System in Pakistan – a Review, https://www.researchgate.net/publication/321376296_Health_Care_System_in_Pakistan_A_review, Zugriff 22.2.2019
? SBP – State Bank of Pakistan (1.2018): State of Health Sector in Pakistan, http://www.sbp.org.pk/publications/staff-notes/State-of-Health-Sector-in-Pakistan-(06-04-2018).pdf, Zugriff 22.2.2019
? USSSA – US Social Security Administration (3.2017): Social Security Programs Throughout the World: Asia and the Pacific, 2016, S 187ff, https://www.ssa.gov/policy/docs/progdesc/ssptw/2016-2017/asia/ssptw16asia.pdf, Zugriff 22.2.2019
Poliomyelitis
Pakistan ist eines von drei verbleibenden Ländern weltweit, in denen Polio [Anm.: Poliomyelitis, (spinale) Kinderlähmung, Heine-Medin-Krankheit] endemisch ist, allen voran in Karatschi sowie in Grenzgebieten zu Afghanistan (PGEI 1.2019). Das Virus wird insbesondere durch unkontrollierte Grenzübertritte mit Afghanistan, wo das Virus ebenfalls endemisch ist, verbreitet (Guardian 20.2.2019).
2017 wurden landesweit acht Fälle von Polio-Infektionen gemeldet, das ist ein Rückgang von 98 % seit 2014, als über 300 gemeldet wurden. Die Impfakzeptanz ist auf 95 % gestiegen (HRCP 4.2018). 2018 wurden landesweit zwölf Neuinfektionen registriert, davon elf in den Grenzgebieten zu Afghanistan (Guardian 20.2.2019; vgl. HRCP 3.2019). Im Jahr 2019 wurden bis Stand 11. Mai 15 Infektionen gemeldet; zehn aus Khyber Pakhtunhkwa (davon vier aus den Stammesdistrikten), drei aus dem Punjab und zwei aus dem Sindh (Dawn 11.5.2019).
Im Jahr 2018 kam es landesweit zu zwei terroristischen Angriffen auf Polio-Impfteams mit insgesamt vier Toten (PIPS 1.2019), im Jahr davor gab es drei Angriffe auf Gesundheitseinrichtungen bzw. Polio-Impfpersonal mit zwei Todesopfern (PIPS 7.1.2018). Im April 2019 wurden mindestens drei Mitarbeiter von Impfteams getötet und tausende Eltern verweigerten die Impfungen ihrer Kinder. Die Impfkampagne wurde auf unbestimmte Zeit ausgesetzt und landesweit wurden 270.000 Außendienstmitarbeiter abgezogen (DW 27.4.2019). Zuvor verbreiteten Impfgegner in sozialen Medien, dass die Impfungen verschiedene Krankheiten auslösen und die Kinder impotent machen würden (Dawn 11.5.2019).
Quellen:
? Dawn (11.5.2019): Two more polio cases confirmed taking year’s total to 15, https://www.dawn.com/news/1481516, Zugriff 15.5.2019
? DW – Deutsche Welle (27.4.2019): Pakistan suspends polio vaccine drive after health worker attacks, https://www.dw.com/en/pakistan-suspends-polio-vaccine-drive-after-health-worker-attacks/a-48510718, Zugriff 15.5.2019
? Guardian, the (20.2.2019): Polio spreads in Afghanistan and Pakistan 'due to unchecked borders', https://www.theguardian.com/global-development/2019/feb/20/polio-spreads-in-afghanistan-and-pakistan-due-to-unchecked-borders, Zugriff 22.2.2019
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