TE Bvwg Erkenntnis 2021/5/28 W284 2178641-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 28.05.2021
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Entscheidungsdatum

28.05.2021

Norm

AsylG 2005 §10 Abs1 Z3
AsylG 2005 §11
AsylG 2005 §3 Abs1
AsylG 2005 §3 Abs3
AsylG 2005 §57
AsylG 2005 §8 Abs1
AsylG 2005 §8 Abs3
BFA-VG §9
B-VG Art133 Abs4
FPG §46
FPG §50
FPG §52 Abs2
FPG §52 Abs9
FPG §55 Abs2
FPG §55 Abs3

Spruch


W284 2178641-1/16E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch die Richterin Mag. WAGNER-SAMEK über die Beschwerde von XXXX , geb. XXXX , StA. IRAK, vertreten durch RA Mag.a Nadja LORENZ, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 20.10.2017, Zl. 1093027509-151664864, betreffend Abweisung eines Antrags auf internationalen Schutz und Erlassung einer Rückkehrentscheidung, nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung, zu Recht:

A)

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.


Text


Entscheidungsgründe:

I. Verfahrensgang:

Der Beschwerdeführer, ein irakischer Staatsangehöriger, stellte am 30.10.2015 seinen Antrag auf internationalen Schutz. Es erfolgte am nächsten Tag eine Erstbefragung durch ein Organ des öffentlichen Sicherheitsdienstes. Am 18.07.2017 wurde der Beschwerdeführer vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (im Folgenden: BFA bzw. belangte Behörde vor dem Bundesverwaltungsgericht) niederschriftlich einvernommen.

Mit dem angefochtenen Bescheid des BFA vom 20.10.2017 wurde der Antrag auf internationalen Schutz hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten (Spruchpunkt I.) sowie der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten (Spruchpunkt II.) abgewiesen. Ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen wurde dem Beschwerdeführer nicht erteilt, gegen ihn eine Rückkehrentscheidung erlassen und festgestellt, dass eine Abschiebung in den Irak zulässig sei (Spruchpunkt III.). Dem Beschwerdeführer wurde eine 14-tägige Frist ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung für die freiwillige Ausreise gesetzt (Spruchpunkt IV.).

Gegen diesen Bescheid erhob der Beschwerdeführer fristgerecht vollumfänglich Beschwerde. Darin wurde moniert, dass die Beweiswürdigung der belangten Behörde mangelhaft sei. Weiters stütze sich der Beschwerdeführer auf Ehrenmorde und die schwierige Situation arabischer Sunniten im Irak, welche insbesondere durch die aktuelle Lage im Land gefährdet seien.

Auf Grund einer Verfügung des Geschäftsverteilungsausschusses des Bundesverwaltungsgerichtes vom 01.03.2021 wurde die gegenständliche Rechtssache der nunmehr zuständigen Gerichtsabteilung W284 zugewiesen.

Am 21.04.2021 wurde vor dem Bundesverwaltungsgericht eine mündliche Verhandlung durchgeführt und dem Beschwerdeführer als Partei die Möglichkeit gegeben, seine Fluchtgründe ausführlich darzulegen.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

1.1. Der XXXX geborene und demnach 31-jährige Beschwerdeführer ist Staatsangehöriger des Irak und sunnitischer Moslem. Er verbrachte sein gesamtes Leben in Mossul, wo er mit seinen Eltern, seiner Tante mütterlicherseits und seinen zwei Schwestern lebte. Er besuchte die Schule von XXXX , die er mit Matura abschloss, absolvierte in den Jahren XXXX das Bachelorstudium der Ingenieurswissenschaften und ging keinem Erwerb nach. Der Beschwerdeführer beherrscht die Sprache Arabisch in Wort und Schrift und spricht zudem Deutsch und Englisch. Er verließ den Irak auf legalem Wege von Erbil aus, lebte von XXXX in Jordanien und reiste letztlich im November 2015 nach Österreich.

Festgestellt wird, dass dem Beschwerdeführer keine asylrelevante Bedrohung im Irak droht. Er wird nicht von der Familie seiner ehemaligen Freundin mit dem Tode bedroht, noch drohen ihm sonstige Repressalien für den Fall einer Rückkehr.

Dem Beschwerdeführer droht für den Fall seiner Rückkehr in den Irak keine Folter, unmenschliche oder erniedrigende Behandlung oder Strafe. Ihm wäre auch nicht die notdürftigste Lebensgrundlage entzogen.

Der Beschwerdeführer ist gesund und gehört keiner Risikogruppe für einen schweren Verlauf einer Covid-19-Erkrankung an.

Die Eltern des Beschwerdeführers leben in ihrem Eigentumshaus im Irak und beziehen dort Pensionsleistungen. Auch seine zwei Geschwister leben weiterhin in Mossul. Er steht in regelmäßigem Kontakt zu seiner Mutter und seinen Geschwistern.

Der Beschwerdeführer verfügt im Bundesgebiet über keine familiären oder verwandtschaftlichen Anknüpfungspunkte.

Der Beschwerdeführer befindet sich seit spätestens Oktober 2015 in Österreich und beherrscht die deutsche Sprache auf dem Niveau B2. Er konnte der mündlichen Verhandlung auf Deutsch folgen bzw. auf Deutsch antworten. Der Beschwerdeführer lebt von Leistungen aus der Grundversorgung und ist nicht selbsterhaltungsfähig. Er verrichtet Übersetzungstätigkeiten bei der XXXX auf ehrenamtlicher Basis, wobei er monatlich etwa EUR 200,- verdient und leistet gemeinnützige Tätigkeiten, etwa bei der Stadt XXXX oder im XXXX . Auch nahm er an diversen Workshops der Stadt XXXX teil. Er macht das Masterstudium in Telekommunikation und Internettechnologien an der XXXX . Der Beschwerdeführer verfügt über zwei arbeitsrechtliche Vorverträge und zwar für eine Vollzeitbeschäftigung als Zahnarzt-Rezeptionist oder in der Produktionshilfe. Der Beschwerdeführer lebt seit knapp zwei Jahren in einer Lebensgemeinschaft mit seiner Freundin und verfügt über soziale Kontakte in Österreich. Er ist in Österreich strafrechtlich unbescholten.

1.2. Zur Lage im Irak:

Sicherheitslage Bagdad

Das Gouvernement Bagdad ist das kleinste und am dichtesten bevölkerte Gouvernement des Irak mit einer Bevölkerung von mehr als sieben Millionen Menschen. Die Mehrheit der Einwohner Bagdads sind Schiiten. In der Vergangenheit umfasste die Hauptstadt viele gemischte schiitische, sunnitische und christliche Viertel, der Bürgerkrieg von 2006-2007 veränderte jedoch die demografische Verteilung in der Stadt und führte zu einer Verringerung der sozialen Durchmischung sowie zum Entstehen von zunehmend homogenen Vierteln. Viele Sunniten flohen aus der Stadt, um der Bedrohung durch schiitische Milizen zu entkommen. Die Sicherheit des Gouvernements wird sowohl vom „Baghdad Operations Command“ kontrolliert, der seine Mitglieder aus der Armee, der Polizei und dem Geheimdienst bezieht, als auch von den schiitischen Milizen, die als stärker werdend beschrieben werden (OFPRA 10.11.2017).

Entscheidend für das Verständnis der Sicherheitslage Bagdads und der umliegenden Gebiete sind sechs mehrheitlich sunnitische Regionen (Latifiya, Taji, al-Mushahada, al-Tarmia, Arab Jibor und al-Mada'in), die die Hauptstadt von Norden, Westen und Südwesten umgeben und den sogenannten „Bagdader Gürtel“ (Baghdad Belts) bilden (Al Monitor 11.3.2016). Der Bagdader Gürtel besteht aus Wohn-, Agrar- und Industriegebieten sowie einem Netz aus Straßen, Wasserwegen und anderen Verbindungslinien, die in einem Umkreis von etwa 30 bis 50 km um die Stadt Bagdad liegen und die Hauptstadt mit dem Rest des Irak verbinden. Der Bagdader Gürtel umfasst, beginnend im Norden und im Uhrzeigersinn die Städte: Taji, Tarmiyah, Baqubah, Buhriz, Besmaja und Nahrwan, Salman Pak, Mahmudiyah, Sadr al-Yusufiyah, Fallujah und Karmah und wird in die Quadranten Nordosten, Südosten, Südwesten und Nordwesten unterteilt (ISW 2008).

Fast alle Aktivitäten des Islamischen Staate (IS) im Gouvernement Bagdad betreffen die Peripherie der Hauptstadt, den „Bagdader Gürtel“ im äußeren Norden, Süden und Westen (Joel Wing 5.8.2019; vgl. Joel Wing 16.10.2019; Joel Wing 6.1.2020; Joel Wing 5.3.2020), doch der IS versucht seine Aktivitäten in Bagdad wieder zu erhöhen (Joel Wing 5.8.2019). Die Bestrebungen des IS, wieder in der Hauptstadt Fuß zu fassen, sind Ende 2019 im Zuge der Massenproteste ins Stocken geraten, scheinen aber mittlerweile wieder aufgenommen zu werden (Joel Wing 3.2.2020; vgl. Joel Wing 5.3.2020).

Dabei wurden am 7.und 16.9.2019 jeweils fünf Vorfälle mit „Unkonventionellen Spreng- und Brandvorrichtungen“ (IEDs) in der Stadt Bagdad selbst verzeichnet (Joel Wing 16.10.2019). Seit November 2019 setzt der IS Motorrad-Bomben in Bagdad ein. Zuletzt detonierten am 8. und am 22.2.2020 jeweils fünf IEDs in der Stadt Bagdad (Joel Wing 5.3.2020).

Für den Zeitraum von November 2019 bis Jänner 2020 wurden im Gouvernement Bagdad 60 sicherheitsrelevante Vorfälle mit 42 Toten und 61 Verletzten verzeichnet (Joel Wing 2.12.2019; vgl. Joel Wing 6.1.2020; Joel Wing 3.2.2020), im Februar 2020 waren es 25 Vorfälle mit zehn Toten und 35 Verletzten (Joel Wing 5.3.2020). Die meisten dieser sicherheitsrelevanten Vorfälle werden dem IS zugeordnet, jedoch wurden im Dezember 2019 drei dieser Vorfälle pro-iranischen Milizen der Volksmobilisierungskräfte (PMF) zugeschrieben, ebenso wie neun Vorfälle im Jänner 2020 und ein weiterer im Februar (Joel Wing 6.1.2020; vgl Joel Wing 5.3.2020)

Die Ermordung des iranischen Generals Suleimani und des stellvertretenden Kommandeurs der PMF, Abu Muhandis, durch die USA führte unter anderem in der Stadt Bagdad zu einer Reihe von Vergeltungsschlägen durch pro-iranische PMF-Einheiten. Es wurden neun Raketen und Mörserangriffe verzeichnet, die beispielsweise gegen die Grüne Zone und die darin befindliche US-Botschaft sowie das Militärlager Camp Taji gerichtet waren (Joel Wing 3.2.2020).

Seit 1.10.2019 kommt es in mehreren Gouvernements, darunter auch in Bagdad, zu teils gewalttätigen Demonstrationen.

Gouvernement Ninewa

Der Islamische Staat (IS) hat seine Präsenz in Ninewa durch Kräfte aus Syrien verstärkt und führte seine Operationen hauptsächlich im Süden und Westen des Gouvernements aus (Joel Wing 3.5.2019). Er verfügt aber auch in Mossul über Zellen (Joel Wing 5.6.2019). Es wird außerdem vermutet, dass der IS vorhat in den Badush Bergen, westlich von Mossul, Stützpunkte einzurichten (ISW 19.4.2019).

Für den Zeitraum von November 2019 bis Jänner 2020 wurden im Gouvernement Ninewa 40 sicherheitsrelevante Vorfälle mit 33 Toten und 25 Verletzten verzeichnet (Joel Wing 2.12.2019; vgl. Joel Wing 6.1.2020; Joel Wing 3.2.2020), im Februar 2020 waren es zwölf Vorfälle mit 35 Toten und 15 Verletzten (Joel Wing 5.3.2020). Die meisten der sicherheitsrelevanten Vorfälle in Ninewa ereigneten sich im Süden des Gouvernements (Joel Wing 3.2.2020).

Volksmobilisierungskräfte (PMF) / al-Hashd ash-Sha‘bi

Der Name „Volksmobilisierungskräfte“ (al-hashd al-sha‘bi, engl.: popular mobilization forces bzw. popular mobilization front, PMF oder popular mobilization units, PMU), bezeichnet eine Dachorganisation für etwa 40 bis 70 Milizen und demzufolge ein loses Bündnis paramilitärischer Formationen (Süß 21.8.2017; vgl. FPRI 19.8.2019; Clingendael 6.2018; Wilson Center 27.4.2018). Die PMF wurden vom schiitischen Groß-Ayatollah Ali As-Sistani per Fatwa für den Kampf gegen den Islamischen Staat (IS) ins Leben gerufen (GIZ 1.2020a; vgl. FPRI 19.8.2019; Wilson Center 27.4.2018) und werden vorwiegend vom Iran unterstützt (GS 18.7.2019). PMF spielten eine Schlüsselrolle bei der Niederschlagung des IS (Reuters 29.8.2019). Die Niederlage des IS trug zur Popularität der vom Iran unterstützten Milizen bei (Wilson Center 27.4.2018).

Die verschiedenen unter den PMF zusammengefassten Milizen sind sehr heterogen und haben unterschiedliche Organisationsformen, Einfluss und Haltungen zum irakischen Staat. Sie werden grob in drei Gruppen eingeteilt: Die pro-iranischen schiitischen Milizen, die nationalistisch-schiitischen Milizen, die den iranischen Einfluss ablehnen, und die nicht schiitischen Milizen, die üblicherweise nicht auf einem nationalen Level operieren, sondern lokal aktiv sind. Zu letzteren zählen beispielsweise die mehrheitlich sunnitischen Stammesmilizen und die kurdisch-jesidischen „Widerstandseinheiten Schingal“. Letztere haben Verbindungen zur Kurdischen Arbeiterpartei (PKK) in der Türkei und zu den Volksverteidigungseinheiten (YPG) in Syrien (Clingendael 6.2018). Die PMF werden vom Staat unterstützt und sind landesweit tätig. Die Mehrheit der PMF-Einheiten ist schiitisch, was die Demografie des Landes widerspiegelt. Sunnitische, jesidische, christliche und andere „Minderheiten-Einheiten“ der PMF sind in ihren Heimatregionen tätig (USDOS 11.3.2020; vgl. Clingendael 6.2018). In einigen Städten, vor allem in Gebieten, die früher vom IS besetzt waren, dominieren PMF die lokale Sicherheit. In Ninewa stellen sie die Hauptmacht dar, während die reguläre Armee zu einer sekundären Kraft geworden ist (Reuters 29.8.2019).

Es gibt große, gut ausgerüstete Milizen, quasi militärische Verbände, wie die Badr-Organisation, mit eigenen Vertretern im Parlament, aber auch kleine improvisierte Einheiten mit wenigen Hundert Mitgliedern, wie die Miliz der Schabak. Viele Milizen werden von Nachbarstaaten, wie dem Iran oder Saudi-Arabien, unterstützt. Die Türkei unterhält in Baschika nördlich von Mossul ein eigenes Ausbildungslager für sunnitische Milizen. Die Milizen haben eine ambivalente Rolle. Einerseits wäre die irakische Armee ohne sie nicht in der Lage gewesen, den IS zu besiegen und Großveranstaltungen wie die Pilgerfahrten nach Kerbala mit jährlich bis zu 20 Millionen Pilgern zu schützen. Andererseits stellen die Milizen einen enormen Machtfaktor mit Eigeninteressen dar, was sich in der gesamten Gesellschaft, der Verwaltung und in der Politik widerspiegelt und zu einem allgemeinen Klima der Korruption und des Nepotismus beiträgt (AA 12.1.2019). Vertreter und Verbündete der PMF haben Parlamentssitze inne und üben Einfluss auf die Regierung aus (Reuters 29.8.2019).

Die PMF unterstehen seit 2017 formal dem Oberbefehl des irakischen Ministerpräsidenten, dessen tatsächliche Einflussmöglichkeiten aber weiterhin als begrenzt gelten (AA 12.1.2019; vgl. FPRI 19.8.2019). Leiter der PMF-Dachorganisation, der al-Hashd ash-Sha‘bi-Kommission, ist Falah al-Fayyad, dessen Stellvertreter Abu Mahdi al-Mohandis eng mit dem Iran verbunden war (Al-Tamini 31.10.2017). Viele PMF-Brigaden nehmen Befehle von bestimmten Parteien oder konkurrierenden Regierungsbeamten entgegen, von denen der mächtigste Hadi Al-Amiri ist, Kommandant der Badr Organisation (FPRI 19.8.2019). Obwohl die PMF laut Gesetz auf Einsätze im Irak beschränkt sind, sollen sie, ohne Befugnis durch die irakische Regierung, in einigen Fällen Einheiten des Assad-Regimes in Syrien unterstützt haben. Die irakische Regierung erkennt diese Kämpfer nicht als Mitglieder der PMF an, obwohl ihre Organisationen Teil der PMF sind (USDOS 13.3.2019).

Alle PMF-Einheiten sind offiziell dem Nationalen Sicherheitsberater unterstellt. In der Praxis gehorchen aber mehrere Einheiten auch dem Iran und den iranischen Revolutionsgarden. Es ist keine einheitliche Führung und Kontrolle der PMF durch den Premierminister und die ISF feststellbar, insbesondere nicht der mit dem Iran verbundenen Einheiten. Das Handeln dieser unterschiedlichen Einheiten stellt zeitweise eine zusätzliche Herausforderung in Bezug auf die Sicherheitslage dar, insbesondere - aber nicht nur - in ethnisch und religiös gemischten Gebieten des Landes (USDOS 13.3.2019).

In vielen der irakischen Sicherheitsoperationen übernahm die PMF eine Führungsrolle. Als Schnittstelle zwischen dem Iran und der irakischen Regierung gewannen sie mit der Zeit zunehmend an Einfluss (GS 18.7.2019).

Am 1.7.2019 hat der irakische Premierminister Adel Abdul Mahdi verordnet, dass sich die PMF bis zum 31.7.2019 in das irakische Militär integrieren müssen (FPRI 19.8.2019; vgl. TDP 3.7.2019; GS 18.7.2019), oder entwaffnet werden müssen (TDP 3.7.2019; vgl GS 18.7.2019). Es wird angenommen, dass diese Änderung nichts an den Loyalitäten ändern wird, dass aber die Milizen aufgrund ihrer nun von Bagdad bereitgestellte Uniformen nicht mehr erkennbar sein werden (GS 18.7.2019). Einige Fraktionen werden sich widersetzen und versuchen, ihre Unabhängigkeit von der irakischen Regierung oder ihre Loyalität gegenüber dem Iran zu bewahren (FPRI 19.8.2019). Die Weigerung von Milizen, wie der 30. Brigade bei Mossul, ihre Posten zu verlassen, weisen auf das Autoritätsproblem Bagdads über diese Milizen hin (Reuters 29.8.2019).

Die Schwäche der ISF hat es vornehmlich schiitischen Milizen, wie den vom Iran unterstützten Badr-Brigaden, den Asa‘ib Ahl al-Haqq und den Kata’ib Hisbollah, erlaubt, Parallelstrukturen im Zentralirak und im Süden des Landes aufzubauen. Die PMF waren und sind ein integraler Bestandteil der Anti-IS-Operationen, wurden jedoch zuletzt in Kämpfen um sensible sunnitische Ortschaften nicht an vorderster Front eingesetzt. Es gab eine Vielzahl an Vorwürfen bezüglich Plünderungen und Gewalttaten durch die PMF (AA 12.1.2019).

Die PMF gehen primär gegen Personen vor, denen eine Verbindung zum IS nachgesagt wird, bzw. auch gegen deren Familienangehörigen. Betroffen sind meist junge sunnitische Araber und in einer Form der kollektiven Bestrafung sunnitische Araber im Allgemeinen. Es kann zu Diskriminierung, Misshandlungen und auch Tötungen kommen (DIS/Landinfo 5.11.2018; vgl. USDOS 21.6.2019). Einige PMF gehen jedoch auch gegen ethnische und religiöse Minderheiten vor (USDOS 11.3.2020).

Die PMF sollen, aufgrund guter nachrichtendienstlicher Möglichkeiten, die Fähigkeit haben jede von ihnen gesuchte Person aufspüren zu können. Politische und wirtschaftliche Gegner werden unabhängig von ihrem konfessionellen oder ethnischen Hintergrund ins Visier genommen. Es wird als unwahrscheinlich angesehen, dass die PMF über die Fähigkeit verfügen, in der Kurdischen Region im Irak (KRI) zu operieren. Dementsprechend gehen sie nicht gegen Personen in der KRI vor. Nach dem Oktober 2017 gab es jedoch Berichte über Verstöße von PMF-Angehörigen gegen die kurdischen Einwohner in Kirkuk und Tuz Khurmatu, wobei es sich bei den angegriffenen zumeist um Mitglieder der politischen Partei KDP und der Asayish gehandelt haben soll (DIS/Landinfo 5.11.2018).

Geleitet wurden die PMF von Jamal Jaafar Mohammad, besser bekannt unter seinem Nom de Guerre Abu Mahdi al-Mohandis, einem ehemaligen Badr-Kommandanten, der als rechte Hand von General Qasem Soleimani, dem Chef der iranischen Quds-Brigaden fungierte (GS 18.7.2019). Am 3.1.2020 wurden Abu Mahdi Al-Muhandis und Generalmajor Qassem Soleimani bei einem US-Drohnenangriff in Bagdad getötet (Al Monitor 23.2.2020; vgl. MEMO 21.2.2020). Als Rechtfertigung diente unter anderem ein Raketenangriff, der der Kataib-Hezbollah (KH) zugeschrieben wurde, auf einen von US-Soldaten genutzten Stützpunkt in Kirkuk, bei dem ein Vertragsangestellter getötet wurde (MEMO 21.2.2020). Infolge dessen kam es innerhalb der PMF zu einem Machtkampf zwischen den Fraktionen, die einerseits dem iranischen Obersten Führer Ayatollah Ali Khamenei, andererseits dem irakischen Großayatollah Ali as-Sistani nahestehen (MEE 16.2.2020).

Der iranische Oberste Führer Ayatollah Ali Khamenei ernannte Brigadegeneral Esmail Ghaani als Nachfolger von Soleimani (Al Monitor 23.2.2020). Am 20.2.2020 wurde Abu Fadak Al-Mohammedawi zum neuen stellvertretenden Kommandeur der PMF ernannt (Al Monitor 23.2.2020; vgl. MEMO 21.2.2020). Vier PMF-Fraktionen, die dem schiitischen Kleriker Ayatollah Ali as-Sistani nahestehen, haben sich gegen die Ernennung Mohammadawis ausgesprochen und alle PMF-Fraktionen aufgefordert, sich in die irakischen Streitkräfte unter dem Oberbefehl des Premierministers zu integrieren (Al Monitor 23.2.2020).

Sunnitische Araber

Die arabisch-sunnitische Minderheit, die über Jahrhunderte die Führungsschicht des Landes bildete, wurde nach der Entmachtung Saddam Husseins 2003, insbesondere in der Regierungszeit von Ex-Ministerpräsident Al-Maliki (2006 bis 2014), aus öffentlichen Positionen gedrängt. Mangels anerkannter Führungspersönlichkeiten fällt es den sunnitischen Arabern weiterhin schwer, ihren Einfluss auf nationaler Ebene geltend zu machen. Oftmals werden Sunniten einzig aufgrund ihrer Glaubensrichtung als IS-Sympathisanten stigmatisiert oder gar strafrechtlich verfolgt (AA 12.1.2019). Bei willkürlichen Verhaftungen meist junger sunnitischer Männer wird durch die Behörden auf das Anti-Terror-Gesetz verwiesen, welches das Recht auf ein ordnungsgemäßes und faires Verfahren vorenthält (USDOS 21.6.2019). Zwangsmaßnahmen und Vertreibungen aus ihren Heimatorten richten sich vermehrt auch gegen unbeteiligte Familienangehörige vermeintlicher IS-Anhänger (AA 12.1.2019).

Es gibt zahlreiche Berichte über Festnahmen und die vorübergehende Internierung von überwiegend sunnitisch-arabischen IDPs durch Regierungskräfte, PMF und Peshmerga (USDOS 11.3.2020). Noch für das Jahr 2018 gibt es Hinweise auf außergerichtliche Hinrichtungen von sunnitischen Muslimen in und um Mossul (USCIRF 4.2019).

IDPs und Flüchtlinge

Seit Jänner 2014 hat der Krieg gegen den Islamischen Staat (IS) im Irak die Vertreibung von ca. sechs Millionen Irakern verursacht, rund 15% der Gesamtbevölkerung des Landes (IOM 4.9.2018). Anfang 2019 waren noch etwa 1,8 Millionen Menschen intern Vertrieben (IDPs) (FIS 17.6.2019; vgl. HRW 14.6.2019). Anfang 2020 betrug die Zahl der IDPs noch 1,4 Millionen (IOM 28.2.2020; vgl. UNICEF 31.12.2019; UNOCHA 27.1.2020). Die Zahl der IDPs sinkt seit der zweiten Hälfte des Jahres 2017 sukzessive (IOM 28.2.2020); die Zahl der Rückkehrer ist gestiegen (IOM 10.2019). Die folgende Grafik zeigt die Entwicklung der Zahlen an IDPs im Irak von März 2014 bis Februar 2020. Das Diagramm mit den blauen Balken links unten veranschaulicht die Verteilung der IDPs auf die jeweiligen Gouvernements.

Grafiken ist zu entnehmen, dass die Gouvernements mit den höchsten Zahlen an IDPs Ninewa, gefolgt von Anbar, Salah ad-Din, Kirkuk, Diyala, Bagdad, Erbil und Dohuk sind (IOM 31.12.2019).

Verbesserungen in der Versorgung mit Elektrizität und Wasser haben die Lebensbedingungen für Rückkehrer in einigen Bezirken, darunter auch Ost-Mossul in Ninewa und Khanaqin in Diyala etwas verbessert (IOM 10.2019).

Massive Zerstörung von Wohnungen und Infrastruktur, die Präsenz konfessioneller- oder parteiischer Milizen, sowie die anhaltende Bedrohung durch Gewalt machten es vielen IDPs schwer, nach Hause zurückzukehren (FH 4.3.2020). In einigen Gebieten behindern Gewalt und Unsicherheit sowie langjährige politische, stammes- und konfessionelle Spannungen die Fortschritte bei der nationalen Aussöhnung und erschweren den Schutz von IDPs. Tausende Familien sahen sich aus wirtschaftlichen und sicherheitstechnischen Gründen mit einer neuerlichen Vertreibung konfrontiert. Zwangsvertreibungen, kombiniert mit dem langwierigen und weitgehend ungelösten Problem von Millionen von Menschen, die in den letzten Jahrzehnten entwurzelt wurden, belasten die Kapazitäten der lokalen Behörden (USDOS 11.3.2020).

Rückkehr

Die freiwillige Rückkehrbewegung irakischer Flüchtlinge aus anderen Staaten befindet sich im Vergleich zum Umfang der Rückkehr der Binnenflüchtlinge auf einem deutlich niedrigeren, im Vergleich zu anderen Herkunftsstaaten aber auf einem relativ hohen Niveau. Die Sicherheit von Rückkehrern ist von einer Vielzahl von Faktoren abhängig – u.a. von ihrer ethnischen und religiösen Zugehörigkeit, ihrer politischen Orientierung und den Verhältnissen vor Ort. Zu einer begrenzten Anzahl an Abschiebungen in den Zentralirak kommt es jedenfalls aus Deutschland, Großbritannien, Schweden und Australien. Rückführungen aus Deutschland in die Kurdischen Region im Irak (KRI) finden regelmäßig statt. In der KRI gibt es mehr junge Menschen, die sich nach ihrer Rückkehr organisieren. Eine Fortführung dieser Tendenzen wird aber ganz wesentlich davon abhängen, ob sich die wirtschaftliche Lage in der KRI kurz- und mittelfristig verbessern wird (AA 12.1.2019).

Studien zufolge ist die größte Herausforderung für Rückkehrer die Suche nach einem Arbeitsplatz bzw. Einkommen. Andere Herausforderungen bestehen in der Suche nach einer bezahlbaren Wohnung, psychischen und psychologischen Problemen, sowie negativen Reaktionen von Freunden und Familie zu Hause im Irak (IOM 2.2018; vgl. REACH 30.6.2017).

Die Höhe einer Miete hängt vom Ort, der Raumgröße und der Ausstattung der Unterkunft ab. Außerhalb des Stadtzentrums sind die Preise für gewöhnlich günstiger (IOM 1.4.2019). Die Miete für 250 m² in Bagdad liegt bei ca. 320 USD (Anm.: ca. 296 EUR) (IOM 13.6.2018). Die Wohnungspreise in der KRI sind 2018 um 20% gestiegen, während die Miete um 15% gestiegen ist, wobei noch höhere Preise prognostiziert werden (Ekurd 8.1.2019). In den Städten der KRI liegt die Miete bei 200-600 USD (Anm.: ca. 185-554 EUR) für eine Zweizimmerwohnung. Der Kaufpreis eines Hauses oder Grundstücks hängt ebenfalls von Ort, Größe und Ausstattung ab. Während die Nachfrage nach Mietobjekten stieg, nahm die Nachfrage nach Kaufobjekten ab. Durchschnittliche Betriebskosten betragen pro Monat 15.000 IQD (Anm.: ca. 12 EUR) für Gas, 10.000-25.000 IQD (Anm.: ca. 8-19 EUR) für Wasser, 30.000-40.000 IQD (Anm.: ca. 23-31 EUR) für Strom (staatlich) und 40.000-60.000 IQD (Anm.: ca. 31-46 EUR) für privaten oder nachbarschaftlichen Generatorenstrom. Die Rückkehr von IDPs in ihre Heimatorte hat eine leichte Senkung der Mietpreise bewirkt. Generell ist es für alleinstehende Männer schwierig Häuser zu mieten, während es in Hinblick auf Wohnungen einfacher ist (IOM 1.4.2019).

Die lange Zeit sehr angespannte Lage auf dem Wohnungsmarkt wird zusehends besser, jedoch gibt es sehr viel mehr Kauf- als Mietangebote. In der Zeit nach Saddam Hussen sind die Besitzverhältnisse von Immobilien zuweilen noch ungeklärt. Nicht jeder Vermieter besitzt auch eine ausreichende Legitimation zur Vermietung (GIZ 12.2019).

Im Zuge seines Rückzugs aus der nordwestlichen Region des Irak, 2016 und 2017, hat der Islamische Staat (IS) die landwirtschaftlichen Ressourcen vieler ländlicher Gemeinden ausgelöscht, indem er Brunnen, Obstgärten und Infrastruktur zerstörte. Für viele Bauerngemeinschaften gibt es kaum noch eine Lebensgrundlage (USCIRF 4.2019). Im Rahmen eines Projekts der UN-Agentur UN-Habitat und des Entwicklungsprogramms der Vereinten Nationen (UNDP) wurden im Distrikt Sinjar, Gouvernement Ninewa, binnen zweier Jahre 1.064 Häuser saniert, die während der IS-Besatzung stark beschädigt worden waren. 1.501 Wohnzertifikate wurden an jesidische Heimkehrer vergeben (UNDP 28.4.2019).

Es besteht keine öffentliche Unterstützung bei der Wohnungssuche für Rückkehrer. Private Immobilienfirmen können jedoch helfen (IOM 1.4.2019).

2. Beweiswürdigung:

Infolge Vorlage identitätsbezogener Dokumente im Original (irakischer Personalausweis, irakischer Staatsbürgerschaftsnachweis und Führerschein), die auch das festgesetzte Geburtsdatum des Beschwerdeführers belegen, erweist sich die Identität des Beschwerdeführers als geklärt.

Die Feststellungen zur Herkunft des Beschwerdeführers, seiner Volksgruppen- und Religionszugehörigkeit, den Lebensumständen, der Ausbildung und beruflichen Tätigkeit sowie seinen ungetrübten Gesundheitszustand betreffend, weshalb er auch mit Blick auf COVID-19 keiner Risikogruppe angehört, basieren auf den im Verfahren gleichgebliebenen und daher als glaubwürdig erachteten Angaben des Beschwerdeführers. Dass er sich seit spätestens November 2015 im Bundesgebiet befindet, ergibt sich aus dem Datum seiner Asylantragsstellung.

Dass seine Familie, zu der er in Kontakt steht, auch weiterhin unbehelligt und wirtschaftlich abgesichert in Mossul lebt, ergibt sich aus seinen eigenen Angaben in der durchgeführten Verhandlung (VNS S. 6).

Die strafrechtliche Unbescholtenheit des Beschwerdeführers sowie die Feststellung, dass er Leistungen aus der Grundversorgung bezieht, sind den (mit Stand jeweils vom 08.03.2021) aktuell eingeholten Strafregister- und GVS-Auszügen zu entnehmen. Dass er keinem Erwerb nachgeht und auf staatliche Unterstützung angewiesen ist, gab er damit übereinstimmend auch in der mündlichen Verhandlung zu Protokoll (Verhandlungsniederschrift S. 5).

Die Feststellungen zum Studium des Beschwerdeführers ergeben sich aus den vorgelegten Studienblättern und seinen eigenen Angaben in der mündlichen Verhandlung, wonach er aktuell seine Masterarbeit schreibt (VNS S. 15).

Die sehr guten Deutschkenntnisse des Beschwerdeführers ergeben sich aus dem letztgültig im Akt einliegenden (mit Urkundenvorlage vom 25.10.2020 vorgelegten) Zertifikat vom 20.12.2017 und insbesondere dem in der mündlichen Verhandlung gewonnen Eindruck. Die integrativen Maßnahmen, die er im Bundesgebiet gesetzt hat, ergeben sich aus seinen Angaben in der mündlichen Verhandlung (VNS S. 15) und den zahlreichen in Vorlage gebrachten Unterlagen sein soziales Engagement betreffend, etwa der Bestätigung der Caritas vom 10.07.2017 (AS 93), der Vereinbarung mit dem AWZ Soziales XXXX vom 13.07.2017 (AS 87), den Teilnahmebestätigungen der Stadt XXXX (AS 117-125) sowie den im Akt aufliegenden Unterstützungsschreiben für den Beschwerdeführer.

Die Feststellung, dass der Beschwerdeführer in Österreich eine Beziehung führt, ergibt sich aus seinen eigenen Angaben im Verfahren, welche als glaubhaft zugrunde gelegt wurden. Seine Freundin nahm an der mündlichen Verhandlung als Vertrauensperson teil (VNS S. 4).

Der vom Beschwerdeführer ins Treffen geführte Fluchtgrund, wonach er aufgrund einer unehelichen Beziehung Verfolgung zu fürchten gehabt hätte, hat sich dagegen nicht bewahrheitet:

Im Zuge der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht am 21.04.2021 konnte der Beschwerdeführer keinen glaubwürdigen Eindruck der von ihm geschilderten Verfolgungssituation durch die Familie seiner damaligen Freundin erwecken.

Hierbei muss er sich Diskrepanzen in seinen Aussagen anlasten lassen: Bereits in seiner Erstbefragung vor Organen des öffentlichen Sicherheitsdienstes gab der Beschwerdeführer an, dass er Angst vor dem Islamischen Staat (IS) und einer Zwangsrekrutierung durch diesen, bzw. vor dem Tod für den Fall einer Weigerung habe. Zu den Rückkehrbefürchtungen gab er an, dass der IS ihm per Facebook gedroht habe (AS 11). In seiner Einvernahme vor dem BFA änderte der Beschwerdeführer sein Vorbringen in eklatanter Weise und erwähnte eine konkrete Frucht vor einer Zwangsrekrutierung durch den IS mit keinem Wort mehr. Hingegen begründete er sein Vorbringen mit einer unehelichen Beziehung zu einem Mädchen, die er zwischen 2010 und 2014 geführt habe. Es wird seitens des Gerichtes zwar keinesfalls verkannt, dass die Erstbefragung nicht der Erhebung der Fluchtgründe dient, jedoch sollten die Wesenselemente der fluchtkausalen Ereignisse im gesamten Verfahren übereinstimmend und widerspruchsfrei wiedergegeben werden, was dem Beschwerdeführer nicht gelungen ist. Außerdem ist davon auszugehen, dass eine vor Verfolgung flüchtende Person die erste Gelegenheit nützen würde, ihre Fluchtgeschichte vorzutragen.

Selbst wenn der Beschwerdeführer in der Erstbefragung tatsächlich – wie in der später erfolgten behördlichen Einvernahme behauptet – Angst und zu wenig Zeit gehabt habe (AS 55), weshalb er nur den IS, seine Freundin jedoch mit keinem Wort erwähnt habe, lässt sich dennoch Folgendes nicht erklären: Wenn die Familie seiner Freundin in Verbindung zum IS gestanden sein soll, weshalb der Beschwerdeführer über Facebook bedroht worden sei, lässt sich wiederum logisch nicht erschließen, wieso der IS den Beschwerdeführer – wie in der Erstbefragung behauptet – hätte zwangsrekrutieren wollen. Der Beschwerdeführer behauptete nämlich in seiner Einvernahme und in der mündlichen Verhandlung im völligen Widerspruch hierzu, der IS hätte ihn als Abtrünnigen bezeichnet und mit dem Tod bedroht (AS 53, VNS S. 11). Da diese zwei Behauptungen einander logisch ausschließen, war die Glaubwürdigkeit des Vorbringens des Beschwerdeführers auch aus diesem Grund stark anzuzweifeln.

Auch stimmten die Angaben des Beschwerdeführers in der Chronologie der behaupteten Ereignisse in den unterschiedlichen Befragungen nicht überein. So gab er in seiner Einvernahme vor der belangten Behörde an, seine Freundin und er seien am 29.09.2014 vom Vater erwischt worden. Am 05.10.2014 sei seine Familie zu jener seiner Freundin gegangen, um eine Heirat des Beschwerdeführers und seiner Freundin anzubieten, was erfolglos verlaufen sei und am 07.10.2014 hätten sie eine Vertrauensperson geschickt, was aber ebenso wenig funktioniert hätte. In der mündlichen Verhandlung nach den Geschehnissen gefragt, gab der Beschwerdeführer hingegen an, dass seine Familie erst am 15.10.2014 den Versuch unternommen habe, eine Heirat zu arrangieren (VNS S. 13). Dem Beschwerdeführer sollte es jedoch möglich sein, die von ihm wiedergegebenen Daten in konsistenter Weise wiederzugeben.

Schon aufgrund der widersprüchlichen und nicht kohärenten Angaben des Beschwerdeführers war dem Vorbringen die Glaubwürdigkeit abzusprechen.

Dazu scheinen die Verfolgungsbehauptungen des Beschwerdeführers in Zusammenschau mit den Länderberichten nicht objektivierbar zu sein. Bei Durchsicht dieser können Morde an Männern aufgrund von Ehrenverletzungen, etwa, weil sie eine uneheliche Beziehung führen, schlichtweg nicht festgestellt werden. Vielmehr stellen diese eine wesentlich höhere Gefahr für Frauen dar, zumal zum Großteil Frauen und Homosexuelle davon betroffen sind. Auffallend ist, dass der Beschwerdeführer eine solche Bedrohung seiner Freundin durch ihre Familie aus eigenem zu keinem Zeitpunkt schilderte, sondern beschränkten sich seine Angaben stets auf seine Person. Es ist jedoch keinesfalls nachvollziehbar, dass seine Freundin keine Probleme bekommen haben soll, nachdem ihr Vater sie mit einem fremden Mann im eigenen Wohnzimmer erwischt haben soll, von denen der Beschwerdeführer nicht gewusst hätte. Auch scheint es nicht plausibel, dass sich der Beschwerdeführer zu keinem Zeitpunkt darüber erkundigt hat, wie es seiner Freundin ergangen ist und zu keinem Zeitpunkt ihm Verfahren über ihre Erlebnisse berichtete. In der mündlichen Verhandlung gab er – erst auf Nachfrage – lapidar zu Protokoll, dass er sich nicht bei ihr gemeldet habe, weil er angenommen habe, sie würde kein Handy mehr haben und das Problem nur „noch größer“ werden könne, wenn er anrufen würde (VNS S. 11). Dass er sich aber kein einziges Mal nach ihr erkundigt, sei es direkt bei seiner Freundin, oder über ihren Freundes- und Bekanntenkreis, mindert die Glaubwürdigkeit der behaupteten Geschehnisse erheblich.

Der Beschwerdeführer war zudem schon in der behördlichen Einvernahme nicht in der Lage, detaillierte Angaben zu seiner Freundin zu tätigen, mit welcher er vier Jahre zusammen gewesen sein will. Auf entsprechenden Vorhalt in der mündlichen Verhandlung gab er an, dass man ihn beim BFA nicht näher befragt habe, weshalb die Details ausgeblieben seien (VNS, S. 12). Dem ist klar zu entgegnen, dass es nicht Aufgabe der belangten Behörde ist, Fluchtgründe zu erfragen, die nicht vorgebracht werden. Auch durch die verhandlungsführende Richterin zu seiner damaligen Beziehung gefragt, antwortete der Beschwerdeführer nur knapp, stets auf Nachfrage (VNS S. 11) und vermittelte nicht den Eindruck, emotional involviert zu sein. Würde die Fluchtgeschichte des Beschwerdeführers der Wahrheit entsprechen, so würden seine Erzählungen auch persönlicher gestaltet sein und aus mehr Interaktion zwischen den Betroffenen bestehen; letztere ließ er in seinen Darstellungen gänzlich vermissen. So schilderte der Beschwerdeführer zum Beispiel mit keinem einzigem Wort die Reaktion seiner Freundin, als sie angeblich von ihrem Vater erwischt worden seien.

Selbiges gilt für seine Schilderungen zum Vorfall, wonach eine Gruppe bewaffneter Männer zu ihnen nachhause gekommen sei, um nach dem Beschwerdeführer zu suchen. Dabei blieben seine Angaben sehr vage und unkonkret – weder gab er an, wie viele Männer es gewesen sein sollen, noch was für Waffen sie bei sich getragen hätten. Selbst nach mehrmaliger Nachfrage in der mündlichen Verhandlung, vermochte der Beschwerdeführer die Situation mit den Bedrohern nicht zu konkretisieren und gab danach gefragt, welche Waffen diese Männer bei sich trugen nur allgemein gehalten an, dass „Waffen einfach nur Waffen“ gewesen seien und er nicht in der Lage gewesen sei, seine Mutter nach Einzelheiten zu fragen (VNS S. 9). Um die Gefahr jedoch richtig einschätzen zu können wäre aus der allgemeinen Lebenserfahrung zu erwarten gewesen, dass er genauere Fragen zur Bedrohungssituation stellt und wie sich diese genau abgespielt haben soll, insbesondere da es sich bei ihm um eine höher gebildete Person handelt. Schließlich sollen diese Ereignisse die Flucht des Beschwerdeführers verursacht haben; wieso er nicht versucht hat, sich ein besseres Bild über die Situation zu verschaffen, kann - insbesondere vor seinem Bildungshintergrund - nicht nachvollzogen werden und spricht klar gegen die Glaubhaftigkeit des geschilderten Geschehens.

Zudem gestaltete sich die behauptete Bedrohung über Facebook als äußerst vage und nicht plausibel. Zum einen konnte der Beschwerdeführer in diesem Zusammenhang nicht nachvollziehbar erklären, wieso er die Daten/die Nachricht zu keinem Zeitpunkt sicherstellte, um auch nach seiner Flucht Zugriff auf diese zu haben. Der Beschwerdeführer versuchte dies mit der Deaktivierung seines Accounts zu erklären, jedoch kann dieser leicht wiederhergestellt werden. Dass es sich beim Beschwerdeführer um einen Studenten der Fachrichtung „Telekommunikation und Internettechnologien“ handelt, möge an dieser Stelle neuerlich Erwähnung finden.

Aufgrund der nicht nachvollziehbaren Angaben des Beschwerdeführers sowie seinem persönlich vermittelten Eindruck während der bloß abstrakten Schilderung der fluchtkausalen Ereignisse in der Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht konnte die behaupteten Verfolgungs- und/oder Bedrohungssituation keiner positiven Feststellung zugeführt werden.

Mit Blick darauf, dass arabisch-sunnitische, alleinstehende, körperlich leistungsfähige Männer im arbeitsfähigen Alter in der Stadt Bagdad aber ohnehin losgelöst von einer Unterstützung durch ihre Familie bzw. ihren Stamm bestehen können (verwiesen wird hierzu auf die folgende rechtliche Beurteilung), muss dem Beschwerdeführer selbst bei Wahrunterstellung des Vorbringens entgegen gehalten werden, dass er sich auch nach Bagdad hätte begeben können, um einer Verfolgung durch die Familie seiner Freundin zu entkommen. Im Hinblick auf die Größe der Stadt und darauf, dass er auch längere Zeit in Erbil und auch legal aus dem Irak ausreisen konnte (VNS S. 6), ist nicht davon auszugehen, dass die Familie seiner Freundin, oder etwa der gesamte Stamm der Al JIBURY in Bagdad nach ihm gesucht hätte.

Sohin ist selbst bei hypothetischer Wahrunterstellung des Fluchtvorbringens des Beschwerdeführers für das Bundesverwaltungsgericht nicht ersichtlich, weshalb ihm nicht eine innerstaatliche Fluchtalternative in Form einer Ansiedelung in Bagdad möglich sein soll. Als junger, arbeitsfähiger und nicht ernstlich kranker, lediger und kinderloser arabischer Sunnit ohne besondere Vulnerabilität, ist es dem Beschwerdeführer in Entsprechung der Auffassung des UNHCR möglich, sich in Bagdad (wieder-) anzusiedeln, selbst wenn er keine familiären Anknüpfungspunkte hätte.

Soweit im Vorbringen auf konfessionelle Spannungen zwischen Sunniten und Schiiten verwiesen wird, ist anzumerken, dass der Beschwerdeführer seine Fluchtgeschichte von sich aus gar nicht darauf gründete, dass er Sunnit sei; dies wurde erstmals lediglich mit der Stellungnahme zu den Länderfeststellungen vom 20.07.2017 (AS 153) in den Vordergrund gerückt. Den Angaben des Beschwerdeführers zufolge wurde er verfolgt, weil er eine uneheliche Beziehung geführt habe und die Familie von seiner Freundin nun Ehrenmord fordere. Eine Begründung, die rein auf seine sunnitische Religionszugehörigkeit fußt (worauf sich auch die Beschwerdeerhebung vordergründig stützt), führte der Beschwerdeführer auch im Laufe der Verhandlung von selbst nicht ins Treffen. Sofern im Gesamtvorbringen jedoch auf konfessionelle Spannungen zwischen Sunniten und Schiiten hingewiesen wird, ist ausdrücklich zu betonen, dass eine landesweite und systematische Verfolgung von Angehörigen der sunnitischen Glaubensgemeinschaft, welche mit einem Anteil von ca. 35% bis 40% der Gesamtbevölkerung die größte Gruppe der Minderheiten des Irak darstellen und in allen Gesellschaftsbereichen als auch in der Politik vertreten sind, im Irak nicht existiert (vgl. dazu VwGH 25.04.2017, Ra 2017/18/0014, in welchem einer behaupteten Gruppenverfolgung von Sunniten in einer Revisionssache nicht nähergetreten wurde, oder VwGH 29.06.2018, Ra 2018/18/0138, wo eine Gruppenverfolgung von Sunniten in Bagdad ausdrücklich verneint wurde). Es stünde dem Beschwerdeführer sohin auch mit Blick auf die Möglichkeit einer innerstaatlichen Fluchtalternative offen, sich etwa in einem mehrheitlich sunnitisch geprägten Stadtteil von Bagdad niederzulassen. Im Falle des jungen, erwerbsfähigen, ledigen und kinderlosen Beschwerdeführers ist damit auch das Bestehen einer innerstaatlichen Fluchtalternative im Lichte der von UNHCR vertretenen Auffassung (Erwägungen zum Schutzbedarf von Personen, die aus dem Irak fliehen, S 141) sowie der von EASO vertretenen Auffassung (EASO Country Guidance Iraq, S 106 ff), wonach zwar willkürliche Gewalt in Bagdad Stadt vorkommt, aber nicht auf einem hohen Niveau und daher ein höherer Grad individueller Elemente erforderlich ist um begründet anzunehmen, dass eine Zivilperson, die in dieses Gebiet zurückkehrt, einem realen Risiko eines ernsten Schadens iSd Art 15 (c) der Status-RL ausgesetzt wäre, zu bejahen, zumal beim Beschwerdeführer keine individuellen Umstände zu berücksichtigen sind, die auf eine bestimmte Vulnerabilität seiner Person hindeuten würden.

Die Feststellungen zum Irak stützen sich auf die angeführten Quellen. Es handelt sich um Berichte verschiedener anerkannter und teilweise vor Ort agierender staatlicher und nichtstaatlicher Institutionen und Personen, die in ihren Aussagen ein übereinstimmendes, schlüssiges Gesamtbild der Situation im Irak ergeben. Angesichts der Seriosität der darin angeführten Erkenntnisquellen und der Plausibilität der überwiegend übereinstimmenden Aussagen besteht kein Grund, an der Richtigkeit der Angaben zu zweifeln.

3. Rechtliche Beurteilung:

Mangels abweichender Regelung im AsylG, entscheidet das Bundesverwaltungsgericht gemäß § 6 BVwGG durch Einzelrichter.

Zu A)

Abweisung der Beschwerde:

1. Status des Asylberechtigten (Spruchpunkt I. des angefochtenen Bescheides):

Gemäß § 3 Abs. 1 AsylG ist einem Fremden, der in Österreich einen Asylantrag gestellt hat, soweit der Antrag nicht wegen Drittstaatsicherheit oder wegen Zuständigkeit eines anderen Staates zurückzuweisen ist, der Status des Asylberechtigten zuzuerkennen, wenn glaubhaft ist, dass ihm im Herkunftsstaat Verfolgung iSd Art. 1 Abschnitt A Z 2 der Konvention über die Rechtsstellung der Flüchtlinge BGBl. 55/1955 (Genfer Flüchtlingskonvention, GFK) droht. Gemäß § 3 Abs. 3 AsylG ist der Asylantrag bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten abzuweisen, wenn dem Fremden eine innerstaatliche Fluchtalternative (§ 11 AsylG) offen steht, oder wenn er einen Asylausschlussgrund (§ 6 AsylG) gesetzt hat.

Flüchtling iSd Art. 1 Abschnitt A Z 2 GFK ist, wer sich aus wohlbegründeter Furcht, "aus Gründen" der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder der politischen Gesinnung verfolgt zu werden, außerhalb seines Heimatlandes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, sich des Schutzes dieses Landes zu bedienen.

Zentraler Aspekt der in Art. 1 Abschnitt A Z 2 GFK definierten Verfolgung im Herkunftsstaat ist die wohlbegründete Furcht davor. Eine Furcht kann nur dann wohlbegründet sein, wenn sie im Licht der speziellen Situation des Asylwerbers unter Berücksichtigung der Verhältnisse im Verfolgerstaat objektiv nachvollziehbar ist. Es kommt nicht darauf an, ob sich eine bestimmte Person in einer konkreten Situation tatsächlich fürchtet, sondern ob sich eine mit Vernunft begabte Person in dieser Situation aus Konventionsgründen fürchten würde. Unter Verfolgung ist ein ungerechtfertigter Eingriff von erheblicher Intensität in die zu schützende persönliche Sphäre des Einzelnen zu verstehen. Erhebliche Intensität liegt vor, wenn der Eingriff geeignet ist, die Unzumutbarkeit der Inanspruchnahme des Schutzes des Heimatstaates zu begründen. Die Verfolgungsgefahr steht mit der wohlbegründeten Furcht in engstem Zusammenhang und ist Bezugspunkt der wohlbegründeten Furcht. Eine Verfolgungsgefahr ist dann anzunehmen, wenn eine Verfolgung mit einer maßgeblichen Wahrscheinlichkeit droht; die entfernte Möglichkeit einer Verfolgung genügt nicht (vgl. VwGH 05.09.2016, Ra 2016/19/0047 unter Hinweis auf VwGH 28.05.2009, 2008/19/1031).

Da der Beschwerdeführer die behaupteten Fluchtgründe nicht hat glaubhaft machen können, liegt die Voraussetzung für die Gewährung von Asyl, die Gefahr einer aktuellen Verfolgung aus einem der in der GFK genannten Gründe, nicht vor.

Hinsichtlich des bloßen Umstands der sunnitischen Religionszugehörigkeit ist darauf hinzuweisen, dass sich entsprechend der herangezogenen Länderberichte und aktuellen Medienberichte die Situation für sunnitische Araber nicht derart gestaltet, dass von Amts wegen aufzugreifende Anhaltspunkte dafür existieren, dass gegenwärtig Personen sunnitischer Religionszugehörigkeit im Irak generell mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit allein aufgrund ihrer Religionszugehörigkeit einer eine maßgebliche Intensität erreichenden Verfolgung ausgesetzt bzw. staatlichen Repressionen unterworfen sein würden.

Weiters muss das Vorbringen des Asylwerbers, um eine maßgebliche Wahrscheinlichkeit und nicht nur eine entfernte Möglichkeit einer Verfolgung glaubhaft zu machen, eine entsprechende Konkretisierung aufweisen. Die allgemeine Behauptung von Verfolgungssituationen, wie sie in allgemein zugänglichen Quellen auffindbar sind, wird grundsätzlich zur Dartuung von selbst Erlebtem nicht genügen (vgl. VwGH 15.3.2016, Ra 2015/01/0069). Die vom Beschwerdeführer in seiner Beschwerde zitierten Auszüge aus verschiedenen Berichten zum Irak, genügen vor dem Hintergrund der fehlenden Individualisierung und der mangelnden Glaubhaftmachung des individuellen Vorbringens daher nicht, um eine maßgeblich wahrscheinliche Verfolgung des Beschwerdeführers annehmen zu können.

Da eine aktuelle oder zum Fluchtzeitpunkt bestehende asylrelevante Verfolgung auch sonst im Rahmen des Ermittlungsverfahrens nicht hervorgekommen, notorisch oder amtsbekannt ist, ist davon auszugehen, dass dem Beschwerdeführer keine Verfolgung aus in den in der Genfer Flüchtlingskonvention genannten Gründen droht. Nachteile, die auf die in einem Staat allgemein vorherrschenden politischen, wirtschaftlichen und sozialen Lebensbedingungen zurückzuführen sind, stellen ebenso wie allfällige persönliche und wirtschaftliche Gründe keine Verfolgung im Sinne der Genfer Flüchtlingskonvention dar. Es besteht im Übrigen keine Verpflichtung, Asylgründe zu ermitteln, die der Asylwerber gar nicht behauptet hat (VwGH 21.11.1995, 95/20/0329 mwN).

Es liegen keine Anhaltspunkte dafür vor, dass dem Beschwerdeführer eine über die allgemeinen Gefahren der im Irak gebietsweise herrschenden bürgerkriegsähnlichen Situation hinausgehende Gruppenverfolgung droht. Dass im Irak eine generelle und systematische Verfolgung von Arabern sunnitischer Glaubensrichtung stattfindet, kann aus den länderkundlichen Feststellungen zur Lage im Irak nicht abgeleitet werden. Wenn auch eine sunnitenfeindliche Politik im Irak vorherrscht und es in unterschiedlicher Intensität zu Vertreibungen mit dem Ziel einer religiösen Homogenisierung oder von Entführungen kommt, kann noch nicht von einer zielgerichteten und systematischen Verfolgung von Muslimen sunnitischer Glaubensrichtung in einer asylrelevanten Intensität ausgegangen werden. Der Beschwerdeführer hat demnach nicht bereits aufgrund seiner sunnitischen Glaubensrichtung eine individuell gegen seine Person gerichtete Verfolgung zu befürchten.

Es gibt bei Zugrundelegung des Gesamtvorbringens des Beschwerdeführers keine konkreten Anhaltspunkte dafür, dass der Beschwerdeführer bei einer Rückkehr in den Irak maßgeblich wahrscheinlich Gefahr laufen würde, einer asylrelevanten Bedrohung oder Verfolgung ausgesetzt zu sein. Die entfernte Möglichkeit einer Verfolgung genügt jedenfalls nicht, um den Status des Asylberechtigten zu erhalten (VwGH 15.12.2015, Ra 2015/18/0100).

2. Status des subsidiär Schutzberechtigten (Spruchpunkt II. des angefochtenen Bescheides):

Gemäß § 8 Abs. 1 AsylG ist einem Fremden, der in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, wenn dieser in Bezug auf die Zuerkennung des Status des Asylberechtigten abgewiesen wird (Z 1) oder dem der Status des Asylberechtigten aberkannt worden ist (Z 2), der Status des subsidiär Schutzberechtigten zuzuerkennen wenn eine Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Fremden in seinen Herkunftsstaat eine reale Gefahr einer Verletzung von Art. 2 EMRK, Art. 3 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention bedeuten würde oder für ihn als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes mit sich bringen würde.

Gemäß § 8 Abs. 2 AsylG ist die Entscheidung über die Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten nach Abs. 1 mit der abweisenden Entscheidung nach § 3 oder der Aberkennung des Status des Asylberechtigten nach § 7 zu verbinden.

Gemäß § 8 Abs. 3 AsylG sind Anträge auf internationalen Schutz bezüglich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten abzuweisen, wenn eine innerstaatliche Fluchtalternative im Sinne des § 11 offen steht.

Die Zuerkennung von subsidiärem Schutz setzt somit voraus, dass die Abschiebung des Beschwerdeführers in seine Heimat entweder eine reale Gefahr einer Verletzung insbesondere von Art. 2 oder 3 EMRK bedeuten würde oder für ihn eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes in der Irak mit sich bringen würde.

Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes setzt die Beurteilung eines drohenden Verstoßes gegen Art. 2 oder 3 EMRK eine Einzelfallprüfung voraus, in deren Rahmen konkrete und nachvollziehbare Feststellungen zu der Frage zu treffen sind, ob einer Person im Fall der Rückkehr in ihren Herkunftsstaat die reale Gefahr ("real risk") insbesondere einer gegen Art. 2 oder 3 EMRK verstoßenden Behandlung droht. Es bedarf einer ganzheitlichen Bewertung der möglichen Gefahren, die sich auf die persönliche Situation des Betroffenen in Relation zur allgemeinen Menschenrechtslage im Zielstaat zu beziehen hat (vgl. etwa VwGH 19.06.2017, Ra 2017/19/0095, mit weiteren Nachweisen). Zu berücksichtigen ist auch, ob solche exzeptionellen Umstände vorliegen, die dazu führen, dass der Betroffene im Zielstaat keine Lebensgrundlage vorfindet (VwGH 19.11.2015, Ra 2015/20/0236 mwN).

Um von der realen Gefahr ("real risk") einer drohenden Verletzung der durch Art. 2 oder 3 EMRK garantierten Rechte eines Asylwerbers bei Rückkehr in seinen Heimatstaat ausgehen zu können, reicht es nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes nicht aus, wenn eine solche Gefahr bloß möglich ist. Es bedarf vielmehr einer darüber hinausgehenden Wahrscheinlichkeit, dass sich eine solche Gefahr verwirklichen wird (vgl. etwa VwGH 13.12.2017, Ra 2017/01/0187, mwN).

Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) erkennt in ständiger Rechtsprechung, dass ein "real risk" (reales Risiko) vorliegt, wenn stichhaltige Gründe ("substantial grounds") dafür sprechen, dass die betroffene Person im Falle der Rückkehr in die Heimat das reale Risiko (insbesondere) einer Verletzung ihrer durch Art. 3 EMRK geschützten Rechte zu gewärtigen hätte. Dafür spielt es grundsätzlich keine Rolle, ob dieses reale Risiko in der allgemeinen Sicherheitslage im Herkunftsstaat, in individuellen Risikofaktoren des Einzelnen oder in der Kombination beider Umstände begründet ist. Allerdings betont der EGMR in seiner Rechtsprechung auch, dass nicht jede prekäre allgemeine Sicherheitslage ein reales Risiko iSd Art. 3 EMRK hervorruft. Im Gegenteil lässt sich seiner Judikatur entnehmen, dass eine Situation genereller Gewalt nur in sehr extremen Fällen ("in the most extreme cases") diese Voraussetzung erfüllt (vgl. etwa EGMR vom 28. November 2011, Nr. 8319/07 und 11449/07, Sufi und Elmi gg. Vereinigtes Königreich, RNr. 218 mit Hinweis auf EGMR vom 17. Juli 2008, Nr. 25904/07, NA gg. Vereinigtes Königreich). In den übrigen Fällen bedarf es des Nachweises von besonderen Unterscheidungsmerkmalen ("special distinguishing features"), aufgrund derer sich die Situation des Betroffenen kritischer darstellt als für die Bevölkerung im Herkunftsstaat im Allgemeinen (vgl. etwa EGMR Sufi und Elmi, RNr. 217).

In Bezug auf die Corona-Pandemie hat der Verwaltungsgerichtshof jüngst klargestellt (vgl. VwGH vom 05.02.2021, Ra 2020/19/0322, Rz 23 ff) dass auch hinsichtlich der Thematik „spürbare Auswirkungen der Corona-Pandemie“ bei der Beurteilung einer möglichen Verletzung des Art. 3 EMRK eine Einzelfallprüfung vorzunehmen ist, in deren Rahmen konkrete und nachvollziehbare Feststellungen zu der Frage zu treffen sind, ob einer Person im Fall der Rückkehr in ihren Herkunftsstaat die reale Gefahr („real risk“) einer gegen Art. 3 EMRK verstoßenden Behandlung droht. Diesem Judikat folgend, gelingt es mit dem bloßen Hinweis auf spürbare Auswirkungen der COVID-19-Pandemie auf die Bewegungsfreiheit der Menschen im Irak und auf die Versorgungslage vor Ort jedoch nicht aufzuzeigen, warum bei einem gesunden, erwerbsfähigen und volljährigen Mann diese Gefahr schlagend werden sollte.

Der Tatbestand einer ernsthaften Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit einer Zivilperson infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes in § 8 Abs. 1 Z 2 Asyl 2005 orientiert sich an Art. 15 lit. c der Statusrichtlinie (Richtlinie 2011/95/EU) und umfasst - wie der Gerichtshof der Europäischen Union (EuGH) erkannt hat - eine Schadensgefahr allgemeiner Art, die sich als "willkürlich" erweist, also sich auf Personen ungeachtet ihrer persönlichen Situation erstrecken kann. Entscheidend für die Annahme einer solchen Gefährdung ist nach den Ausführungen des EuGH, dass der den bewaffneten Konflikt kennzeichnende Grad willkürlicher Gewalt ein so hohes Niveau erreicht, dass stichhaltige Gründe für die Annahme bestehen, eine Zivilperson liefe bei einer Rückkehr in das betreffende Land oder gegebenenfalls die betroffene Region allein durch ihre Anwesenheit im Gebiet dieses Landes oder dieser Region tatsächlich Gefahr, einer ernsthaften Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit ausgesetzt zu sein. Dabei ist zu beachten, dass der Grad willkürlicher Gewalt, der vorliegen muss, damit der Antragsteller Anspruch auf subsidiären Schutz hat, umso geringer sein wird, je mehr er möglicherweise zu belegen vermag, dass er aufgrund von seiner persönlichen Situation innewohnenden Umständen spezifisch betroffen ist (vgl. EuGH vom 17. Februar 2009, C- 465/07, Elgafaji, und vom 30. Jänner 2014, C-285/12, Diakite).

Nach der dargestellten Rechtsprechung sowohl des EGMR als auch des EuGH ist von einem realen Risiko einer Verletzung der durch Art. 2 oder 3 EMRK garantierten Rechte einerseits oder von einer ernsthaften Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit einer Person infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konflikts andererseits auszugehen, wenn stichhaltige Gründe für eine derartige Gefährdung sprechen.

Herrscht im Herkunftsstaat eines Asylwerbers eine prekäre allgemeine Sicherheitslage, in der die Bevölkerung durch Akte willkürlicher Gewalt betroffen ist, so liegen stichhaltige Gründe für die Annahme eines realen Risikos bzw. für die ernsthafte Bedrohung von Leben oder Unversehrtheit eines Asylwerbers bei Rückführung in diesen Staat dann vor, wenn diese Gewalt ein solches Ausmaß erreicht hat, dass es nicht bloß möglich, sondern geradezu wahrscheinlich erscheint, dass auch der betreffende Asylwerber tatsächlich Opfer eines solchen Gewaltaktes sein wird. Davon kann in einer Situation allgemeiner Gewalt nur in sehr extremen Fällen ausgegangen werden, wenn schon die bloße Anwesenheit einer Person in der betroffenen Region Derartiges erwarten lässt. Davon abgesehen können aber besondere in der persönlichen Situation der oder des Betroffenen gelegene Umstände (Gefährdungsmomente) dazu führen, dass gerade bei ihr oder ihm ein - im Vergleich zur Bevölkerung des Herkunftsstaates im Allgemeinen - höheres Risiko besteht, einer dem Art. 2 oder 3 EMRK widersprechenden Behandlung ausgesetzt zu sein bzw. eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit befürchten zu müssen. In diesem Fall kann das reale Risiko der Verletzung von Art. 2 oder 3 EMRK oder eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit einer Person infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konflikts bereits in der Kombination der prekären Sicherheitslage und der besonderen Gefährdungsmomente für die einzelne Person begründet liegen (vgl. VwGH 25.04.2017, Ra 2017/01/0016, mwN).

Für den vorliegenden Fall bedeutet dies:

Im gegenständlichen Fall gehört der Beschwerdeführer keiner Personengruppe mit speziellem Risikoprofil an, weshalb sich daraus kein zu berücksichtigender Sachverhalt ergibt, der gemäß § 8 Abs. 1 AsylG zur Unzulässigkeit der Abschiebung, Zurückschiebung oder Zurückweisung in den Herkunftsstaat führen könnte.

Dass der Beschwerdeführer im Fall der Rückkehr in seinen Herkunftsstaat Folter, einer erniedrigenden oder unmenschlichen Behandlung oder Strafe ausgesetzt sein könnte, konnte im Rahmen des Ermittlungsverfahrens nicht festgestellt werden. Durch eine Rückführung in den Herkunftsstaat würde der Beschwerdeführer somit nicht in Rechten nach Art. 2 und 3 EMRK oder ihren relevanten Zusatzprotokollen verletzt werden. Weder droht im Herkunftsstaat durch direkte Einwirkung noch durch Folgen einer substantiell schlechten oder nicht vorhandenen Infrastruktur ein reales Risiko einer Verletzung der oben genannten von der EMRK gewährleisteten Rechte.

Es kann auch nicht erkannt werden, dass dem Beschwerdeführer im Falle einer Rückkehr in den Irak die notdürftigste Lebensgrundlage entzogen und die Schwelle des Art. 3 EMRK überschritten wäre (vgl. VwGH 16.07.2003, 2003/01/0059). Der Beschwerdeführer hat auch nicht vorgebracht, dass ihm im Falle einer Rückführung in den Irak jegliche Existenzgrundlage fehlen würde und er in Ansehung existentieller Grundbedürfnisse (wie etwa Versorgung mit Lebensmitteln oder einer Unterkunft) einer lebensbedrohenden Situation ausgesetzt wäre.

UNHCR vertritt die Ansicht, dass arabisch-sunnitische, alleinstehende, körperlich leistungsfähige Männer im arbeitsfähigen Alter in der Lage sind, in der Stadt Bagdad auch ohne Unterstützung durch ihre Familie bzw. Stamm zu bestehen. Dem Beschwerdeführer ist daher jedenfalls eine Ansiedlung in Bagdad zumutbar.

Im Fall des Beschwerdeführers kann davon ausgegangen werden, da er den Großteil seines Lebens im Irak verbracht hat, dort aufgewachsen und somit ortskundig ist. Er lebte zwar in Mossul (wo seine Familie weiterhin unbehelligt lebt), jedoch sind ihm das Land und dessen Gepflogenheiten nicht unbekannt, weshalb ihm jedenfalls zumutbar ist, dort zurückzukehren und in weiterer Folge das Auslangen zu finden und den notwendigsten Lebensunterhalt zu erwirtschaften, etwa durch Gelegenheitsjobs. Der Beschwerdeführer ist auch vor seiner Ausreise nach Erbil und Jordanien gezogen und konnte dort das Auslangen finden. Er ist gesund, nicht für Kinder sorge- bzw. unterhaltspflichtig und könnte daher bei Rückkehr in den Irak die lebensnotwenigen Grundbedürfnisse abdecken. Neben seiner grundsätzlichen Teilnahmemöglichkeit am Erwerbsleben verfügt der Beschwerdeführer darüber hinaus über ein hohes Bildungs-Level sowie über eine in Österreich angeeignete höhere Bildung und Arbeitserfahrung, wenn auch ehrenamtlich, weshalb insgesamt betrachtet keine Gründe/Hindernisse ersichtlich sind, weshalb er sich nicht neuerlich erfolgreich im Irak, dessen Werte- und Orientierungshaltung er von klein auf erlernt hat und dessen Landessprache er fließend spricht, wiedereingliedern können sollte.

Durch eine Rückführung in den Herkunftsstaat würde der Beschwerdeführer somit nicht in Rechten nach Art. 2 und 3 EMRK oder den relevanten Zusatzprotokollen Nr. 6 und Nr. 13 verletzt werden. Weder droht im Herkunftsstaat durch direkte Einwirkung noch durch Folgen einer substantiell schlechten oder nicht vorhandenen Infrastruktur ein reales Risiko einer Verletzung der oben genannten von der EMRK gewährleisteten R

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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