TE Bvwg Erkenntnis 2021/5/31 L504 2239170-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 31.05.2021
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Entscheidungsdatum

31.05.2021

Norm

AsylG 2005 §10
AsylG 2005 §3
AsylG 2005 §57
AsylG 2005 §8
BFA-VG §9
B-VG Art133 Abs4
FPG §46
FPG §52
FPG §55

Spruch


L504 2239170-1/3E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. R. ENGEL als Einzelrichter über die Beschwerde von XXXX , XXXX geb., alias XXXX , XXXX geb., StA. Irak, vertreten durch BBU Bundesagentur für Betreuungs- und Unterstützungsleistungen GmbH, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 15.12.2020, Zl. XXXX , zu Recht erkannt:

A) Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

B) Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.



Text


Entscheidungsgründe:

I. Verfahrensgang

Die beschwerdeführende Partei [bP] stellte am 11.05.2020 einen Antrag auf internationalen Schutz.

Es handelt sich dabei um einen Mann, welcher seinen Angaben nach Staatsangehöriger des Iraks mit sunnitischem Glaubensbekenntnis ist, der Volksgruppe der Kurden angehört und aus XXXX im Nordirak stammt.

In der von einem Organ des öffentlichen Sicherheitsdienstes durchgeführten Erstbefragung am 12.05.2020 gab die bP zu ihrer Ausreisemotivation aus dem Herkunftsstaat Folgendes an (Auszug aus der Niederschrift):

„(…)

„F: Warum haben Sie ihr Land verlassen (Fluchtgrund)?

A: Ich habe in meinem Heimatland kein Leben gehabt. Ich hatte viele Probleme, es gab familiäre Streitigkeiten und mein Verhältnis zu meinem Vater war sehr schlecht. Dadurch konnte ich nicht länger dort blieben und musste das Land verlassen. Ich habe hiermit alle meine Gründe und die dazugehörenden Ereignisse angegeben, warum ich nach Österreich gereist bin! Ich habe keine weiteren Gründe einer Asylantragstellung.

F: Was befürchten Sie bei einer Rückkehr in Ihre Heimat?

A: Ich habe Angst von meiner Familie. Es kann sein, dass mir mein Vater und Onkel etwas antun werden.“

(…)“

Sie sei mit einem irakischen Reisepass mit dem Flugzeug vom Irak aus legal in die Türkei gereist und durch mehrere Länder, ua. europäische Staaten, in weiterer Folge schlepperunterstützt nach Österreich gelangt. Der Reisepass sei ihr vom Schlepper abgenommen worden.

Zur Frage nach der Organisation der Ausreise gab die bP an, dass der Vater Kontakte mit den Schleppern geknüpft habe, dies auf Wunsch der Mutter. Die Reise sei von ihrem eigenen Geld bezahlt worden. Auf die Frage, wie hoch die Kosten der Reise gewesen wären, gab die bP an, dass sie dies nicht wisse, da der Vater für sie bezahlt habe.

Es liegen zwei EURODAC Treffer für Ungarn (Februar 2020) und Griechenland (August 2019) der Kategorie 2 vor.

Am 18.07.2020 um ca. 2h früh wurde die bP von der deutschen Bundespolizei rückübernommen. Da sie keine Dokumente mit sich führte, welche den rechtmäßigen Aufenthalt im Bundesgebiet begründeten, wurde die bP nach den Bestimmungen des § 39 FPG festgenommen und einer Personendurchsuchung gemäß SPG unterzogen. Erst im Zuge der späteren erkennungsdienstlichen Behandlung stellte sich heraus, dass die bP mit anderen Identitätsdaten in Österreich einen Asylantrag gestellt hat und wurde sie dann aus der Anhaltung entlassen. Im Rahmen der in diesem Zusammenhang durchgeführten Einvernahme gab die bP am selben Tag vor der Fremdenpolizei Salzburg auszugsweise zum Zweck des Reisezieles und Aufenthalt, Folgendes an:

„F: Angaben über die Einreise: Von welchem Land reisten Sie nach Österreich ein (wenn der Reiseweg nicht bekannt ist – zb. Weil die Fahrt auf der Ladefläche eines geschlossenen LKW stattgefunden hat oder weil die Person nicht weiß durch welche Länder sie geschleppt worden ist – dann diese Aussage bitte anführen)?

A: Ich bin vor zweieinhalb Monaten zu Fuß von Slowenien kommen in das österreichische Bundesgebiet eingereist.

F: Zweck des Aufenthalts und Reiseziel?

A: Ich bin nur auf der Durchreise. Ich will weiterreisen nach Großbritannien bzw. Deutschland, um dort Asyl zu beantragen. Meine Freunde leben in diesen Ländern.

In der nachfolgenden Einvernahme beim Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl am 15.10.2020 brachte die bP zu ihrer ausreisekausalen Problemlage im Herkunftsstaat und allfälligen Problemen, die sie im Falle der Rückkehr erwarte, im Wesentlichen Folgendes vor (Auszug aus der Niederschrift):

„(…)

LA: Verstehen Sie heute den Dolmetscher gut?

VP: Ja.

LA: Frage an den Dolmetscher: Verstehen Sie den anwesenden AW gut?

VP: Ja.

Ich werde ausdrücklich darauf hingewiesen, dass ich im Fall von Verständigungsschwierigkeiten jederzeit rückfragen kann.

LA: Haben Sie gegen eine der anwesenden Personen aufgrund einer möglichen Befangenheit oder aus sonstigen Gründen irgendwelche Einwände?

VP: Nein.

LA: Werden Sie in Ihrem Verfahren vertreten?

VP: Nein.

LA: Fühlen Sie sich heute psychisch und physisch in der Lage, Angaben zu Ihrem Asylverfahren zu machen?

VP: Ja.

LA: Sind Sie gesund?

VP: Ja.

LA: Befinden Sie sich zurzeit in ärztlicher Behandlung/Therapie oder nehmen Sie Medikamente?

VP: Nein.

LA: Haben Sie ansteckende Krankheiten?

VP: Nein.

Dem VP wird Wasser angeboten. Wird angenommen. Dem VP wird gesagt, dass er die Einvernahme jederzeit unterbrechen kann, sollte er eine Pause benötigen.

LA: Haben Sie eine aktuelle Telefonnummer oder Email-Adresse für eventuelle Rückfragen?

Telefon: Ich habe eine bosnische Nummer, keine österreichische. Ich kann damit nicht telefonieren. Ich kommuniziere übers WhatsApp.

Alle Anwesenden werden gebeten, ihre Mobiltelefone auszuschalten bzw. lautlos zu schalten.

Es folgt eine kurze Darstellung des bisherigen Ablaufs des Verfahrens, eine Belehrung, Grund und Ablauf der nunmehrigen Einvernahme werden mitgeteilt.

Belehrung

…………………

LA: Haben Sie die Belehrung verstanden?

VP: Ja.

Sie haben bei der Polizei eine Erstaufnahme gehabt, in der Sie Angaben über Ihre Person, den Fluchtgrund und die Reiseroute nach Österreich getätigt haben. Von der Behörde wurde festgestellt, dass Österreich für Ihren Fall zuständig ist. Die heute Einvernahme dient der Beweisführung Ihrer Angaben und zur Feststellung ob und aus welchen Gründen Ihnen Österreich Schutz gewähren soll/muss.

LA: Haben Sie im Verfahren bis dato der Wahrheit entsprechende Angaben gemacht?

VP: Ja, es hat alles gepasst. Der Dolmetscher sollte alles richtig verstanden haben.

LA: Wurden diese korrekt protokolliert?

VP: Ja und ich habe auch eine Kopie bekommen.

LA: Wurde Ihnen das Protokoll rückübersetzt?

VP: Nein.

LA: Haben Sie damals den Dolmetscher gut verstanden?

VP: Ja, ich habe den Dolmetscher verstanden.

LA: Stimmen die Angaben über Ihre Fluchtroute.

Anmerkung: Die Schilderung des VP ist mit der Erstbefragung ident.

LA: Besitzen Sie einen Reisepass?

VP: Als ich in der Türkei war, hat der Schlepper den RP abgenommen.

Mir wird zur Kenntnis gebracht, dass ich den Pass im Falle der Wieder-, bzw. Neuerlangung unverzüglich dem Bundesamt vorzulegen habe.

LA: Haben Sie sonst noch welche Dokumente, aus denen Ihre Identität hervorgeht?

VP: Nein, ich habe keinen mit. Es gibt einen PA zu Hause.

LA: Haben Sie weitere Beweismittel (Dokumente, Urkunden, Zeugnisse, …) vorzulegen, bzw. geltend zu machen?

VP: Nein, alles meine Dokumente sind bei meinem Vater.

LA: Sie gaben an, dass alle Dokumente beim Vater sind. Sie selbst sind mit dem RP ausgereist. Wie haben Sie den von ihm bekommen?

VP: Den RP hatte ich mit. Ich bin mit dem Flugzeug ausgereist in die Türkei.

LA: Wie haben Sie den RP vom Vater erhalten?

VP: Ich habe den RP weggenommen, ohne es meinen Vater wissen zu lassen.

Dem VP wird gesagt, dass er fehlende Unterlagen nach Einlangen dem BFA vorzulegen hat.

•        Vorlage des Personalausweises

•        TERMIN: 30.10.2020

LA: Wie lautet Ihr Name?

VP: Mein Name ist XXXX .

LA: Wann und wo sind Sie geboren?

VP: Ich bin am XXXX geboren.

LA: Welcher Religion, Volksgruppe und Staatsangehörigkeit gehören Sie an?

VP: Ich bin Sunnit/Moslem, Kurde und Iraker.

LA: Welche Ausbildung (Schule/Beruf) haben Sie?

VP: Ich bin 10 zur Schule gegangen.

LA: Welche Sprachen sprechen Sie?

VP: Ich spreche Kurdisch. Das ist meine Muttersprache. Ich spreche ganz ein wenig Arabisch, Farsi und Englisch.

LA: Sind Sie verheiratet?

VP: Nein, ich bin ledig.

LA: Haben Sie Kinder?

VP: Nein, ich habe keine Kinder.

LA: Wo lebten Sie bis zu Ihrer Ausreise aus „Irak“ (Adresse)?

VP: Ich bin in XXXX geboren. Die letzten 11 Jahre habe ich in XXXX gewohnt.

LA: Mit wem alles haben Sie in einem Haushalt gewohnt?

VP: Mit meiner gesamten Familie. Meinen Eltern und Geschwistern. Wir sind 4 Kinder.

LA: Haben Sie in einem Haus oder einer Wohnung gewohnt?

VP: Wir haben ein eigenes Haus gehabt.

LA: Gibt es das Haus nach wie vor? Wohnt die Familie immer noch dort?

VP: Ja.

LA: Was war Ihre letzte berufliche Tätigkeit?

VP: Ich bin zur Schule gegangen und habe nebenbei bei einem Automechaniker geholfen.

LA: Wie lange haben Sie das gemacht?

VP: Circa drei Jahre.

LA: Haben Sie auch Geld verdient?

VP: Ich habe täglich ein wenig Taschengeld vom Mechaniker bekommen. Mal waren es 10 Euro, mal 15 Euro.

LA: Wie oft in der Woche waren Sie bei dem Automechaniker?

VP: In der Schule war ich zwischen 08:00 und 12:00 Uhr und das 6 Tage die Woche. Danach bin immer zum Automechaniker hin und habe geholfen und gelernt.

LA: Wo haben Sie diese ausgeführt (Ort/Firma)? Wie heißt der Automechaniker?

VP: Der Automechaniker heißt XXXX .

LA: Haben Sie Familie (Eltern/Geschwister) und wo lebt diese?

VP: Meine Eltern (Vater: XXXX und Mutter: XXXX ) sowie meine Geschwister, zwei Schwestern ( XXXX ) und ein Bruder ( XXXX ) leben im Irak.

LA: Haben Sie Kontakt zu der Familie?

VP: Ich habe Kontakt zu meiner Mutter und meinen Geschwistern.

LA: Wie oft haben Sie Kontakt zu ihnen?

VP: Einmal in der Woche.

LA: Wie geht es der Familie?

VP: Es geht ihnen gut.

LA: Haben Sie persönliche Beziehungen in Österreich (Verwandte, Bekannte, Freunde)?

VP: Nein.

LA: Haben Sie Familienangehörige im EU-Raum: (einschließlich Norwegen, Island und Schweiz)?

VP: In Großbritannien habe ich einen Onkel und Freunde.

LA: Wann sind Sie aus Ihrer Heimat ausgereist?

VP: Es war im August. An den genauen Tag kann ich mich nicht erinnern. Aber ich glaube es war entweder der XXXX August 2019.

LA: Wie und wo haben Sie die Grenze Irak – Nachbarstaat überquert?

VP: Ich bin legal mit dem Flugzeug von Irak in die Türkei geflogen.

LA: Von wo genau sind Sie geflogen und wohin genau?

VP: Von Sulaymaniah nach Istanbul.

LA: Haben Sie bereits in einem anderen Land um Asyl angesucht?

VP: Nein.

LA: Warum nicht? Auf Ihrer Reiseroute befinden sich einige schutzwillige und schutzfähige Länder, wo Sie es hätten machen können.

VP: In Griechenland nahmen sie meine Fingerabdrücke. Dort habe ich einen Asylantrag gestellt, aber ich wollte nicht dortbleiben, weil die Leute uns sehr schlecht behandelt haben. In Kroatien und Serbien gab ich auch meine Fingerabdrücke ab, damit ich ein Dokument erhalte. Aber ich wollte dort keinen Antrag stellen. Die kroatischen Polizisten haben die Leute gezwungen Fingerabdrücke zu machen, damit sie dann die Leute nach Bosnien zurückschicken können.

Pause wird vom AW um 09:38 abgelehnt!

LA: Aus welchem Grund suchten Sie in Österreich um Asyl an? Schildern Sie möglichst ausführlich und konkret Ihre Flucht- und Asylgründe! (Freie Erzählung)

VP: Es gab immer Probleme zwischen meinem Vater und meiner Mutter. Sie haben oft gestritten. Weil ich immer auf der Seite meiner Mutter war, war der Vater böse auf mich. Deshalb entwickelten sich Probleme zwischen mir und meinem Vater. Mein Onkel, der Bruder meines Vaters war auch böse auf mich. Mein Vater und mein Onkel haben versucht mich zu schlagen. Aus dem Grund dürfte ich nicht mehr zu Hause wohnen. Deshalb bin ich aus meinen Land gegangen.

LA: War das Ihr Fluchtgrund?

VP: Ja.

LA: Gibt es noch weitere Fluchtgründe?

VP: Nein.

LA: Wann und was war der ausschlagegebende Moment für Ihre Ausreise?

VP: Ich wollte schon früher das Land verlassen, habe aber beschlossen Anfang August zu gehen.

LA: Seit wann gab es Probleme zwischen den Eltern?

VP: Mein Vater ein Alkoholiker. Die Probleme gibt es schon länger zwischen meinen Eltern. Als ich ein Kind war, konnte ich nichts gegen meinen Vater sagen. In der letzten Zeit, sprich, als ich 17 oder 18 wurde, dann fing ich an mit ihm zu diskutieren. Aber es gab trotzdem keine Verbesserung zwischen den Eltern, aber auch meinem Vater und mir.

LA: Das heißt, seitdem Sie 17 oder 18 sind, haben sich die Probleme zwischen Ihnen und Ihrem Vater entwickelt?

VP: Ja.

LA: Worum ging es bei den Streitigkeiten zwischen Ihnen und Ihrem Vater?

VP: Es ging immer um meine Mutter, weil er sie oft geschlagen hat. Und ich war dagegen.

LA: Wie haben die Auseinandersetzungen zwischen Ihnen und Ihrem Vater ausgeschaut?

VP: Das Hauptproblem war es, wenn er betrunken von seinen Freunden nach Hause kam, hat der angefangen zu randalieren und mit meiner Mutter zu schreien oder sie auch zu schlagen.

LA: Wie oft war Ihr Vater betrunken?

VP: Jeden Tag.

LA: Was macht Ihr Vater beruflich?

VP: Er ist ein Peschmerga.

LA: Sie gaben an, dass der Onkel, der Bruder Ihres Vaters sich auch eingemischt hätte. Wie kam es dazu?

VP: Mein Onkel hat mich gehasst, weil ich auf der Seite meiner Mutter war. Er, als sein Bruder, war auf der Seite meines Vaters.

LA: Hatten Sie mit dem Onkel konkret Auseinandersetzungen?

VP: Nein, es gab keine Schlägerei. Er hat mich nur beschimpft. Er war immer auf der Seite meines Vaters und hasst mich einfach und beschimpfte, weil ich auf der Seite meiner Mutter war.

LA: Sie gaben an, Ihr Vater hat versucht Sie zu schlagen. Hat er es auch gemacht?

VP: Ja, hat er.

LA: Wie oft kam es zu den Handgreiflichkeiten?

VP: Es war ein bis zweimal in der Woche. Er ging ja zur Arbeit.

LA: Wenn Ihr Vater zur Arbeit ging, kam er jeden Tag nach Hause?

VP: Als Peschmerga geht er eine Woche zur Arbeit und dann ist er eine Woche zu Hause. Das wechselt sich immer aber.

LA: Sind Sie das älteste Kind von den vier?

VP: Ich bin der Zweite. Meine Schwester XXXX ist vor mir. Ich bin der älteste Sohn.

LA: Sind Ihre Eltern nach wie vor zusammen?

VP: Sie sind nach wie vor verheiratet.

LA: Sie gaben an, Sie dürften nicht mehr zu Hause wohnen. Wo haben Sie zum Schluss gewohnt?

VP: Ich war bei Freunden und Bekannten.

LA: Wie lange haben Sie bei Freunden und Bekannten gewohnt?

VP: Die letzten 20 Tage war ich nicht mehr zu Hause.

LA: Wann haben Sie den RP geholt?

VP: Ich habe mit meiner Mutter ausgemacht, dass sie mir diesen gibt. Sie hat es dann geheim gemacht.

LA: Wusste Ihre Familie, dass Sie ausreisen wollen?

VP: Nur meine Mutter.

LA: Wie viel hat die Reise gekostet?

VP: Circa 7.000 Euro.

LA: Woher hatten Sie finanzielle Mittel für die Ausreise?

VP: Ich hatte das Geld von meinem Onkel bekommen. Das ist der Bruder von meiner Mutter.

LA: Das heißt, der Onkel wusste auch, dass Sie ausreisen werden?

VP: Ja, er hat es auch gewusst.

LA: Sie sind legal ausgereist?

VP: Ja.

LA: Sie haben in Ihrem Heimatland keinen Schlepper gebraucht?

VP: Nein.

LA: Ab wann haben Sie einen Schlepper gebraucht?

VP: Ab der Türkei weg.

LA: Wer hat Ihnen den Schlepper organisiert?

VP: Mein Onkel hat alles für mich organisiert. Als ich in die Türkei gekommen bin, habe ich meine Mutter kontaktiert, dass mein Onkel einen Schlepper für mich organisieren soll.

LA: Laut der EB hat Ihr Vater den Schlepper organisiert?

VP: Wie ich schon gesagt habe, es kann sein, dass der erste Dolmetscher etwas falsch verstanden hat. Wie kann mein Vater es für mich organisieren, wenn ich Probleme mit ihm habe.

LA: Ihre Eltern sind nach wie vor zusammen und wohnen zusammen. Hat Ihr Vater Ihre Mutter nach Ihnen gefragt, zumal Sie einen guten Kontakt zu Ihrer Mutter pflegten und pflegen?

VP: Ja, er hat nach mir gefragt. Er hat mit meiner Mutter geschimpft, warum ich das Zuhause verlassen habe.

LA: Ihr Vater wollte nicht, dass sie gehen?

VP: Er hat mich von Zuhause aus, rausgeschmissen. Wie sollte ich dortbleiben.

LA: Gab es keine Möglichkeit woanders im Irak sesshaft zu werden?

VP: Es war wirklich schwer woanders zu leben. Mein Vater hätte nach mir gesucht und mich gefunden, wenn ich in die nächstgelegene Stadt von XXXX gegangen wäre. Die Polizisten sind sehr streng. Weil mein Vater ein Peschmerga ist, kennt er auch viele Polizisten.

LA: Der Nordirak ist relativ groß und die Lage ist immer besser. Es ist wunderlich, dass Sie nicht versucht haben, Zuflucht im eigenen Land zu finden, zumal Sie die Sprache sprechen und die Gepflogen kennen?

VP: In Kurdistan gibt es nur vier große Städte. Wenn man als Peschmerga dort arbeitet, hat man den Einfluss sich überall einzumischen. Man kann nach Personen nachfragen. Da ich Arabisch nicht kann, ist es für mich außerhalb von Nordirak schwer zu wohnen.

LA: Was wäre passiert, wenn Ihr Vater Sie gefunden hätte?

VP: Er würde mich schlagen. Er wollte, dass ich auch ein Peschmerga werde. Aber ich wollte es nicht. Ich wollte die Schule fertigmachen und nebenbei arbeiten.

LA: Wie alt sind Ihre Geschwister?

VP: XXXX ist 14.

LA: Wie verhält sich Ihr Vater Ihren Geschwistern gegenüber?

VP: Wenn er betrunken ist, dann kann es sein, dass er sie auch schlägt.

LA: Sie gaben an, wegen den Streitigkeiten mit Ihrem Vater Ihre Heimat verlassen zu haben. Haben Sie alle Fluchtgründe genannt?

VP: Ja, ich konnte alles sagen.

Umstände allgemein im Heimatland

LA: Wurden Sie jemals persönlich konkret bedroht oder verfolgt?

VP: Nein.

LA: Hatten Sie jemals Schwierigkeiten oder Probleme mit den Behörden Ihres Heimatlandes „Irak?

VP: Nein.

LA: Gehören Sie einer politischen Partei an?

VP: Nein.

LA: Waren Sie jemals aufgrund Ihrer politischen Einstellung persönlich verfolgt oder bedroht?

VP: Nein.

LA: Ist gegen Sie ein Gerichtsverfahren anhängig?

VP: Nein.

LA: Waren Sie in Haft oder wurden Sie festgenommen? Wenn ja, wie oft insgesamt?

VP: Nein.

LA: Waren Sie jemals aufgrund Ihrer Religion in Ihrer Heimat persönlich verfolgt oder bedroht?

VP: Nein.

LA: Waren Sie jemals aufgrund Ihrer sozialen Gruppe, Kurde, in Ihrer Heimat persönlich verfolgt oder bedroht?

VP: Nein. Im Nordirak sind zum größten Teil Kurden dort.

LA: Was würde Sie erwarten, wenn Sie nach „Irak“ zurückkehren würden?

VP: Wenn ich wieder in den Irak zurückgehe, dann gibt es wieder Probleme mit dem Vater. Es kann sein, dass er mich umbringt. Wenn ich ein gutes Leben bei meiner Familie gehabt hätte, hätte ich nie Kurdistan verlassen.

LA: Warum sollten Ihr Vater Sie umbringen?

VP: Weil ich immer auf der Seite meiner Mutter war und weil ich das Land verlassen habe.

LA: Hat es jemals Andeutungen diesbezüglich gegeben?

VP: Ja, von meinem Vater und seinem Bruder, meinem Onkel. Als sie mich damals geschlagen haben, haben sie es ausgesprochen.

LA: Wann war das?

VP: Es war im Juni/Juli 2019.

Mit mir werden die Feststellungen der Staatendokumentation zur Situation in meinem Heimatland erörtert. Möchten Sie hierzu schriftlich Stellung nehmen, oder etwas ergänzen bzw. hinzufügen?

VP: Ja, es ist so wie sie sagen. Schriftlich möchte ich nicht Stellung nehmen.

LA: Ist Ihre Versorgung hier in Österreich gesichert?

VP: Es ist sehr schlecht. Wir essen jeden Tag nur Kartoffeln. Wo wir wohnen ist es auch kalt, sehr kalt. Ich habe dem Betreuer schon gesagt, dass mit dem Quartiergeber darüber redet und was dagegen macht. Ich bekomme im Monat 50 Euro und ich habe gehofft, dass ich woanders komme, damit ich Deutsch lernen kann. Etwas zu leben. Damit ich arbeiten kann.

LA: Sind Sie erwerbstätig oder besuchen Sie einen Deutschkurs? Sind Sie in anderer Form integriert, z.B. Vereinsmitgliedschaften, etc.?

VP: Einmal in der Woche kommt eine Dame für eine halbe Stunde oder Stunde und lehrt uns.

LA: Wie stellen Sie sich Ihre Zukunft vor?

VP: Mein Hauptziel ist es die Sprache zu lernen und zu arbeiten, damit ich ein gutes Leben in Österreich haben kann.

LA: Stimmen sie einer Überprüfung Ihrer Angaben in Ihrem Heimatland - unter Wahrung Ihrer Anonymität gegenüber Behörden in Ihrem Heimatland oder Drittstaaten und bei Bedarf unter Einschaltung eines Vertrauensanwaltes – zu?

VP: Ja.

Anmerkung: Einverständniserklärung wird unterschrieben. Liegt im Akt.

LA: Ich beende jetzt die Befragung. Sie werden nochmals auf das Neuerungsverbot aufmerksam gemacht. Ich frage Sie daher jetzt nochmals ob Sie noch etwas Asylrelevantes oder sonst etwas Bedeutendes angeben möchten, das Ihnen wichtig erscheint, jedoch bislang nicht gefragt wurde?

VP: Ich konnte alles sagen.

LA: Haben Sie den Dolmetscher einwandfrei verstanden?

VP: Ja, sehr gut.

LA: Möchten Sie eine Kopie der Niederschrift?

VP: Nein.

LA: Möchten Sei eine Pause machen?

VP: Nein.

Beginn der Rückübersetzung um 10:43 Uhr

Die Niederschrift wird Ihnen nun von dem Dolmetscher wortwörtlich rückübersetzt. Im Zuge dieser Rückübersetzung besteht die Möglichkeit, Berichtigungen oder Ergänzungen vorzunehmen. Mit Ihrer Unterschrift bestätigen Sie, dass Ihre Angaben richtig und vollständig wiedergegeben wurden.

Nach erfolgter Rückübersetzung gibt AW an, dass alles richtig und vollständig ist und alles richtig wiedergegeben wurde.

Sie werden darüber informiert, dass aus datenschutzrechtlichen Gründen keine telefonischen Auskünfte zu Ihrem Verfahren erteilt werden. Sie haben die Möglichkeit, im Rahmen des Parteienverkehrs (Mo – Fr von 08.00 – 12.00 Uhr) Akteneinsicht zu nehmen, sich schriftlich nach Ihrem Verfahren zu erkundigen oder über einen Vertreter Informationen einzuholen. Sie werden auf die Bestimmungen des § 8 Abs. 2 und § 23 ZustellG hingewiesen und darauf, dass die Zustellung durch Hinterlegung bei der Behörde erfolgt, sollte Ihre Abgabestelle nicht bekannt sein (Anmerkung: Inhalt wird erklärt).

Ich habe alles verstanden und nichts mehr hinzuzufügen.

Bestätigen Sie nunmehr durch Ihre Unterschrift die Richtigkeit und Vollständigkeit der Niederschrift und die Rückübersetzung!

(…)“

Bei der Einvernahme vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl wurde die bP aufgefordert, den Personalausweis im Original bis zum 30.10.2020 nachzureichen. Am 29.10.2020 hat sie der Behörde per Email eine Kopie zugeschickt, jedoch kein Original.

Der Antrag auf internationalen Schutz wurde folglich vom Bundesamt gemäß § 3 Abs 1 AsylG 2005 abgewiesen und der Status eines Asylberechtigten nicht zuerkannt (I.).

Gem. § 8 Abs 1 Z 1 AsylG wurde der Status eines subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Irak nicht zuerkannt (II.).

Ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG wurde nicht erteilt (III.).

Gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG iVm § 9 BFA-VG wurde gegen die bP gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG eine Rückkehrentscheidung erlassen und gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass eine Abschiebung in den Irak gemäß § 46 FPG zulässig sei (IV. und V.).

Gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG betrage die Frist für die freiwillige Ausreise 14 Tage ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung (VI.).

Das Bundesamt gelangte im Wesentlichen zur Erkenntnis, dass hinsichtlich der Gründe für die Zuerkennung des Status eines asyl- oder subsidiär Schutzberechtigten eine aktuelle und entscheidungsrelevante Bedrohungssituation nicht glaubhaft gemacht worden sei. Ebenso ergebe sich aus der allgemeinen Lage im Herkunftsstaat in Verbindung mit ihrer persönlichen Situation keine mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit drohende bzw. reale Gefährdung der bP. Relevante Abschiebungshindernisse würden demnach nicht vorliegen. Die Voraussetzungen für die Zuerkennung eines Aufenthaltstitels aus berücksichtigungswürdigen Gründen seien nicht gegeben. Ein die öffentlichen Interessen an der Aufenthaltsbeendigung übersteigendes Privat- und Familienleben würde nicht gegeben sein und werde daher eine Rückkehrentscheidung mit der angegebenen Frist für die freiwillige Ausreise verfügt.

Gegen diesen Bescheid wurde innerhalb offener Frist Beschwerde erhoben.

Ausgeführt wurde, dass die bP ihr Vorbringen, sie habe den Irak aufgrund der familiären Probleme mit Vater und Onkel verlassen, glaubwürdig geschildert habe. Sie hätte sich immer auf die Seite der Mutter gestellt, weshalb sie die Probleme mit dem Vater gehabt hätte. Dieser sei Peschmerga Soldat gewesen, weshalb die bP auch nicht in einer anderen Stadt im Nordirak leben könnte, da man sie dort gefunden hätte. Das Vorbringen der bP stimme mit den Länderfeststellungen zum Irak überein. Die bP wäre bereit gewesen, bei entsprechendem Nachfragen weiter an der Sachverhaltsfeststellung mitzuwirken und habe den Fluchtgrund ausführlich dargelegt. Zudem wirke sich die aktuelle Lage im Irak so aus, das die bP im Falle der Rückkehr einem Klima ständiger Bedrohung, struktureller Gewalt und unmittelbaren Einschränkungen sowie einer Reihe von Menschenrechtsverletzungen ausgesetzt wäre. Die Rückkehr bzw. Abschiebung der bP würde sie einer Gefahr iSd Art. 3 EMRK aussetzen.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

Das BVwG hat durch den Inhalt des übermittelten Verwaltungsaktes der belangten Behörde, einschließlich der Beschwerde Beweis erhoben.

1. Feststellungen (Sachverhalt)

1.1. Identität und Herkunftsstaat:

Name und Geburtsdatum stehen nicht fest.

Die bP ist der Volksgruppe der Kurden und dem muslimischen (sunnitischen) Glauben zugehörig.

Ihre Staatsangehörigkeit und der hier der Prüfung zugrundeliegende Herkunftsstaat ist der Irak.

1.2. Regionale Herkunft und persönliche Lebensverhältnisse vor der Ausreise:

Die bP ist in XXXX geboren und lebte die letzten 11 Jahre vor der Ausreise in XXXX , Autonome Region Kurdistan. Sie absolvierte eine 10jährige Schulbildung und verdiente sich bei einem Automechaniker neben dem Schulbesuch etwas dazu.

Sie wohnte gemeinsam mit ihren Eltern und 4 Geschwistern im Elternhaus in XXXX , Nordirak. Ca. 20 Tage vor der Ausreise hielt sie sich bei Bekannten und Freunden auf. Bis dahin bestritt sie ihren Lebensunterhalt durch ihre Familie und den eigenen Nebenerwerb.

Die bP ist ledig und hat keine Kinder. Sie spricht neben Kurdisch etwas Arabisch und Englisch.

1.3. Aktuelles familiäres/verwandtschaftliches bzw. soziales Netzwerk im Herkunftsstaat:

Die Eltern und 3 Geschwister (Bruder und 2 Schwestern) leben nach wie vor im Haus der Familie im Irak und pflegt die bP noch Kontakte mit der Mutter und den Geschwistern. Zudem leben noch weiter Verwandte wie Onkel und Tanten im Irak. Die Ausreisekosten wurden von der Familie der bP bestritten.

1.4. Ausreisemodalitäten:

Die bP reiste mit dem Flugzeug legal aus dem Irak aus und illegal in Österreich im Mai 2020 ein. Im Juli 2020 wurde sie von der deutschen Polizei rückübernommen. Ursprünglich wollte sie nach Deutschland oder England gelangen, um dort einen Antrag auf internationalen Schutz zu stellen.

Zum Verbleib des heimatsstaatlichen Reisepasses gab sie an, dass dieser vom Schlepper abgenommen wurde.

Sie durchreiste auf ihrem Weg nach Österreich mehrere als sicher geltende Staaten. In diesen suchte sie nicht um Schutz an. Es wurde nicht dargelegt, dass ihr dort die Stellung eines Antrages auf internationalen Schutz nicht auch möglich gewesen wäre oder, dass Flüchtlinge dort keinen Schutz erlangen könnten.

1.5. Aktueller Gesundheitszustand:

Die bP hat im Verfahren keine aktuell behandlungsbedürftige Erkrankung dargelegt.

1.6. Privatleben / Familienleben in Österreich:

Art, Dauer, Rechtmäßigkeit des bisherigen Aufenthaltes

Die bP begab sich ohne Vorhandensein eines gültigen Einreise- bzw. Aufenthaltstitels am 11.05.2020 in das Bundesgebiet.

Mit der am 11.05.2020 erfolgten Stellung des Antrages auf internationalen Schutz erlangte die bP eine vorläufige Aufenthaltsberechtigung gem. AsylG, die nach Antragsabweisung durch die Beschwerdeerhebung verlängert wurde.

Da ihr in diesem Verfahren weder der Status eines Asylberechtigten noch jener eines subsidiär Schutzberechtigten zuzuerkennen war, erweist sich die Einreise als rechtswidrig und stellt grds. gem. § 120 Abs 1 iVm Abs 7 FPG eine Verwaltungsübertretung dar.

Familiäre Anknüpfungspunkte in Österreich

Die bP hat in Österreich keine als Familienleben zu wertenden Umstände dargelegt.

Grad der Integration

Die bP nimmt lediglich bei einer Privatperson, welche in die Unterkunft kommt einmal wöchentlich Deutschunterricht. Es liegen auch ansonsten keine relevanten integrativen Anknüpfungspunkte vor und wurden solche auch nicht behauptet.

Teilweise oder gänzliche wirtschaftliche Selbsterhaltung während des Verfahrens bzw. Teilnahme an möglicher und gesetzlich erlaubter Erwerbstätigkeit für Asylwerber (vgl. zB https://www.ams.at/unternehmen/service-zur-personalsuche/beschaeftigung-auslaendischer-arbeitskraefte/beschaeftigung-von-asylwerberinnen-und-asylwerbern#wieknnenasylwerberinnenundasylwerberbeschftigtwerden) oder Abhängigkeit von staatlichen Leistungen

Die bP lebt von der staatlichen Grundversorgung.

Schutzwürdigkeit des Privatlebens / Familienleben; die Frage, ob das Privatleben / Familienleben zu einem Zeitpunkt entstand, in dem sich die Beteiligten ihres unsicheren Aufenthaltsstatus bewusst waren

Die bP hat etwaige Anknüpfungspunkte während einer Zeit erlangt, in der der Aufenthaltsstatus im Bundesgebiet stets prekär war.

Bindungen zum Herkunftsstaat

Die beschwerdeführende Partei ist im Herkunftsstaat geboren, absolvierte dort ihre Schulzeit, kann sich im Herkunftsstaat – im Gegensatz zu Österreich – problemlos verständigen und hat ihr überwiegendes Leben in diesem Staat verbracht. Sie wurde somit im Herkunftsstaat sozialisiert und kennt die dortigen Regeln des Zusammenlebens einschließlich der gegebenen sozialen Unterstützungsnetzwerke. Es leben dort auch noch insbes. Familienangehörige und Verwandte. Es kann nicht davon ausgegangen werden, dass die beschwerdeführende Partei als von ihrem Herkunftsstaat entwurzelt zu betrachten wäre.

Strafrechtliche/verwaltungsstrafrechtliche Vormerkungen

In der Datenbank des österreichischen Strafregisters scheinen keine Vormerkungen wegen rk. gerichtlicher Verurteilungen auf.

Das Vorliegen von rk. Verwaltungsstrafen wurde dem BVwG nicht mitgeteilt und ergibt sich auch nicht aus dem Akteninhalt.

Sonstige Verstöße gegen die öffentliche Ordnung, insbesondere im Bereich des Asyl-, Fremdenpolizei- und Einwanderungsrechts

Da der bP weder der Status einer Asylberechtigten noch der einer subsidiär schutzberechtigten Person zukommt, stellt die rechtswidrige Einreise (bei strafmündigen Personen) gegenständlich auch grds. eine Verwaltungsübertretung dar (vgl. § 120 Abs 1 iVm Abs 7 FPG).

Die beschwerdeführende Partei verletzte – trotz diesbezüglicher Belehrung - durch die nichtwahrheitsgemäße Begründung ihres Antrages auf internationalen Schutz ihre gesetzlich auferlegte Mitwirkungs- und Verfahrensförderungsverpflichtung im Asylverfahren.

Sie versuchte dadurch die entscheidenden staatlichen Instanzen zur Erlangung von internationalen Schutz zu täuschen.

Zudem reiste die bP nach der Antragstellung in Österreich ohne entsprechende Dokumente und damit gegen fremdenpolizeiliche Vorschriften nach Deutschland, von wo aus sie am 18.07.2020 rücküberstellt wurde.

Verfahrensdauer

Gegenständlicher Antrag auf internationalen Schutz wurde am 11.05.2020 gestellt und erging der Bescheid vom Bundesamt am 15.12.2020. Nach eingebrachter Beschwerde erging mit heutigem Erkenntnis die Entscheidung im Beschwerdeverfahren.

1.7. Zu den behaupteten ausreisekausalen Geschehnissen / Erlebnissen im Zusammenhang mit staatlichen / nichtstaatlichen Akteuren bzw. den von der bP vorgebrachten Problemen, die sie persönlich im Entscheidungszeitpunkt im Falle der Rückkehr in den Herkunftsstaat erwartet:

a)       Betreffend ihrer persönlichen Sicherheit / Verfolgung im Herkunftsstaat:

Es kann nicht festgestellt werden, dass die bP im Zusammenhang mit ihrer als nicht glaubhaft zu erachtenden Bedrohungslage im Falle einer Rückkehr in ihren Herkunftsstaat, konkret ihre Herkunftsregion XXXX , Nordirak, mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit einer asylrelevanten Verfolgungsgefahr oder einer entscheidungsrelevanten realen Gefahr von Leib und/oder Leben ausgesetzt wäre.

Aus der derzeitigen Lage ergibt sich im Herkunftsstaat, insbesondere in der Herkunftsregion der bP, unter Berücksichtigung ihrer persönlichen Verhältnisse, keine Situation, wonach im Falle der Rückkehr eine ernsthafte individuelle Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit einer Zivilperson infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen bewaffneten Konflikts besteht.

b)       Betreffend ihrer Sicherung der existentiellen Grundbedürfnisse im Herkunftsstaat:

Die bP hat hinsichtlich ihrer persönlichen Versorgungssituation im Falle der Rückkehr vor der bB und in der Beschwerde keine konkrete Problemlage vorgebracht.

Die bP war im Hinblick auf Unterkunft und Versorgung mit Lebensmitteln auch vor der Ausreise schon in der Lage im Herkunftsstaat ihre Existenz zu sichern. Dies unter anderem mithilfe ihrer Eltern sowie auch mit eigener Tätigkeit als Automechaniker.

Es ist eine hinreichende Versorgung mit Nahrung und Unterkunft sowie im Bedarfsfall auch durch Sozialleistungen des irakischen Lebensmittelverteilungssystems PDS (Public Distribution System) im Irak gegeben. Der bP ist darüber hinaus die Aufnahme einer Erwerbstätigkeit zur Sicherstellung seines Auskommens möglich und zumutbar.

1.8. Zur asyl- und abschiebungsrelevanten Lage im Herkunftsstaat

Aus nachfolgend genannten Quellen (Länderinformationsblatt der Staatendokumentation zum Irak, Stand 17.03.2020, welche bereits von der bB ihrer Entscheidung zugrunde gelegt wurden und denen die bP im behördlichen Verfahren nicht entgegen getreten ist, ergeben sich folgende Feststellungen über die relevante Lage, wobei zur Beurteilung der aktuellen und entscheidungsrelevanten Situation jeweils den jüngsten Erkenntnisquellen besondere Bedeutung zugemessen werden und ältere im Wesentlichen der Übersicht über die Lageentwicklung dienen.

Politische Lage

Letzte Änderung: 17.3.2020

Die politische Landschaft des Irak hat sich seit dem Sturz Saddam Husseins im Jahr 2003 enorm verändert (KAS 2.5.2018) und es wurde ein neues politisches System im Irak eingeführt (Fanack 2.9.2019). Gemäß der Verfassung vom 15.10.2005 ist der Irak ein islamischer, demokratischer, föderaler und parlamentarisch-republikanischer Staat (AA 12.1.2019; vgl. GIZ 1.2020a; Fanack 2.9.2019), der aus 18 Gouvernements (muhafaz?t) besteht (Fanack 2.9.2019). Artikel 47 der Verfassung sieht eine Gewaltenteilung zwischen Exekutive, Legislative und Judikative vor (RoI 15.10.2005). Die Kurdische Region im Irak (KRI) ist Teil der Bundesrepublik Irak und besteht aus den drei nördlichen Gouvernements Dohuk, Erbil und Sulaymaniyah. Sie wird von einer Regionalverwaltung, der kurdischen Regionalregierung (Kurdistan Regional Government, KRG), verwaltet und verfügt über eigene Streitkräfte (Fanack 2.9.2019). Beherrschende Themenblöcke der irakischen Innenpolitik sind Sicherheit, Wiederaufbau und Grundversorgung, Korruptionsbekämpfung und Ressourcenverteilung, die systemisch miteinander verknüpft sind (GIZ 1.2020a).

An der Spitze der Exekutive steht der irakische Präsident, der auch das Staatsoberhaupt ist. Der Präsident wird mit einer Zweidrittelmehrheit des irakischen Parlaments (majlis al-nuww?b, engl.: Council of Representatives, dt.: Repräsentantenrat) für eine Amtszeit von vier Jahren gewählt und kann einmal wiedergewählt werden. Er genehmigt Gesetze, die vom Parlament verabschiedet werden. Der Präsident wird von zwei Vizepräsidenten unterstützt, mit denen er den Präsidialrat bildet, welcher einstimmige Entscheidungen trifft (Fanack 2.9.2019).

Der Premierminister wird vom Präsidenten designiert und vom Parlament bestätigt (Fanack 2.9.2019; vgl. RoI 15.10.2005). Der Premierminister führt den Vorsitz im Ministerrat und leitet damit die tägliche Politik und ist auch Oberbefehlshaber der Streitkräfte (Fanack 27.9.2018).

Die gesetzgebende Gewalt, die Legislative, wird vom irakischen Repräsentantenrat (Parlament) ausgeübt (Fanack 2.9.2019). Er besteht aus 329 Abgeordneten (CIA 28.2.2020; vgl. GIZ 1.2020a). Neun Sitze werden den Minderheiten zur Verfügung gestellt, die festgeschriebene Mindest-Frauenquote im Parlament liegt bei 25% (GIZ 1.2020a).

Nach einem ethnisch-konfessionellen System (Muhasasa) teilen sich die drei größten Bevölkerungsgruppen des Irak - Schiiten, Sunniten und Kurden - die Macht durch die Verteilung der Ämter des Präsidenten, des Premierministers und des Parlamentspräsidenten (AW 4.12.2019). So ist der Parlamentspräsident gewöhnlich ein Sunnit, der Premierminister ist ein Schiit und der Präsident der Republik ein Kurde (Al Jazeera 15.9.2018). Viele sunnitische Iraker stehen der schiitischen Dominanz im politischen System kritisch gegenüber. Die Machtverteilungsarrangements zwischen Sunniten, Schiiten und Kurden festigen den Einfluss ethnisch-religiöser Identitäten und verhindern die Herausbildung eines politischen Prozesses, der auf die Bewältigung politischer Sachfragen abzielt (AA 12.1.2019).

Am 12.5.2018 fanden im Irak Parlamentswahlen statt, die fünfte landesweite Wahl seit der Absetzung Saddam Husseins im Jahr 2003. Die Wahl war durch eine historisch niedrige Wahlbeteiligung und Betrugsvorwürfe gekennzeichnet, wobei es weniger Sicherheitsvorfälle gab als bei den Wahlen in den Vorjahren (ISW 24.5.2018). Aufgrund von Wahlbetrugsvorwürfen trat das Parlament erst Anfang September zusammen (ZO 2.10.2018).

Am 2.10.2018 wählte das neu zusammengetretene irakische Parlament den moderaten kurdischen Politiker Barham Salih von Patriotischen Union Kurdistans (PUK) zum Präsidenten des Irak (DW 2.10.2018; vgl. ZO 2.10.2018; KAS 5.10.2018). Dieser wiederum ernannte den schiitischen Politik-Veteranen Adel Abd al-Mahdi zum Premierminister und beauftragte ihn mit der Regierungsbildung (DW 2.10.2018). Nach langen Verhandlungsprozessen und zahlreichen Protesten wurden im Juni 2019 die letzten und sicherheitsrelevanten Ressorts Innere, Justiz und Verteidigung besetzt (GIZ 1.2020a).

Im November 2019 trat Premierminister Adel Abdul Mahdi als Folge der seit dem 1.10.2019 anhaltenden Massenproteste gegen die Korruption, den sinkenden Lebensstandard und den ausländischen Einfluss im Land, insbesondere durch den Iran, aber auch durch die Vereinigten Staaten (RFE/RL 24.12.2019; vgl. RFE/RL 6.2.2020). Präsident Barham Salih ernannte am 1.2.2020 Muhammad Tawfiq Allawi zum neuen Premierminister (RFE/RL 6.2.2020). Dieser scheiterte mit der Regierungsbildung und verkündete seinen Rücktritt (Standard 2.3.2020; vgl. Reuters 1.3.2020). Am 17.3.2020 wurde der als sekulär geltende Adnan al-Zurfi, ehemaliger Gouverneur von Najaf als neuer Premierminister designiert (Reuters 17.3.2020).

Im Dezember 2019 hat das irakische Parlament eine der Schlüsselforderung der Demonstranten umgesetzt und einem neuen Wahlgesetz zugestimmt (RFE/RL 24.12.2019; vgl. NYT 24.12.2019). Das neue Wahlgesetz sieht vor, dass zukünftig für Einzelpersonen statt für Parteienlisten gestimmt werden soll. Hierzu soll der Irak in Wahlbezirke eingeteilt werden. Unklar ist jedoch für diese Einteilung, wie viele Menschen in den jeweiligen Gebieten leben, da es seit über 20 Jahren keinen Zensus gegeben hat (NYT 24.12.2019).

Die nächsten Wahlen im Irak sind die Provinzwahlen am 20.4.2020, wobei es sich um die zweite Verschiebung des ursprünglichen Wahltermins vom 22.12.2018 handelt. Es ist unklar, ob die Wahl in allen Gouvernements des Irak stattfinden wird, insbesondere in jenen, die noch mit der Rückkehr von IDPs und dem Wiederaufbau der Infrastruktur zu kämpfen haben. Die irakischen Provinzwahlen umfassen nicht die Gouvernements Erbil, Sulaymaniyah, Duhok und Halabja, die alle Teil der KRI sind, die von ihrer eigenen Wahlkommission festgelegte Provinz- und Kommunalwahlen durchführt (Kurdistan24 17.6.2019).

Quellen:

- AA - Auswärtiges Amt (12.1.2019): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Republik Irak, https://www.ecoi.net/en/file/local/1457267/4598_1548939544_auswaertiges-amt-bericht-ueber-die-asyl-und-abschiebungsrelevante-lage-in-der-republik-irak-stand-dezember-2018-12-01-2019.pdf, Zugriff 13.3.2020

- Al Jazeera (15.9.2018): Deadlock broken as Iraqi parliament elects speaker, https://www.aljazeera.com/news/2018/09/deadlock-broken-iraqi-parliament-elects-speaker-180915115434675.html, Zugriff 13.3.2020

- AW - Arab Weekly, The (4.12.2019): Confessional politics ensured Iran’s colonisation of Iraq, https://thearabweekly.com/confessional-politics-ensured-irans-colonisation-iraq, Zugriff 13.3.2020

- CIA - Central Intelligence Agency (28.2.2020): The World Factbook – Iraq, https://www.cia.gov/library/publications/the-world-factbook/geos/iz.html, Zugriff 13.3.2020

- DW - Deutsche Welle (2.10.2018): Iraqi parliament elects Kurdish moderate Barham Salih as new president, https://www.dw.com/en/iraqi-parliament-elects-kurdish-moderate-barham-salih-as-new-president/a-45733912, Zugriff 13.3.2020

- Fanack (2.9.2019): Governance & Politics of Iraq, https://fanack.com/iraq/governance-and-politics-of-iraq/, Zugriff 13.3.2020

- GIZ - Deutsche Gesellschaft für internationale Zusammenarbeit (1.2020a): Geschichte & Staat, https://www.liportal.de/irak/geschichte-staat/, Zugriff 13.3.2020

- ISW - Institute for the Study of War (24.5.2018): Breaking Down Iraq's Election Results, http://www.understandingwar.org/backgrounder/breaking-down-iraqs-election-results, Zugriff 13.3.2020

- KAS - Konrad Adenauer Stiftung (5.10.2018): Politische Weichenstellungen in Bagdad und Wahlen in der Autonomen Region Kurdistan, https://www.kas.de/c/document_library/get_file?uuid=e646d401-329d-97e0-6217-69f08dbc782a&groupId=252038, Zugriff 13.3.2020

- KAS - Konrad Adenauer Stiftung (2.5.2018): Mapping the Major Political Organizations and Actors in Iraq since 2003, http://www.kas.de/wf/doc/kas_52295-1522-1-30.pdf?180501131459, Zugriff 13.3.2020

- Kurdistan24 (17.6.2019): Iraq's electoral commission postpones local elections until April 2020, https://www.kurdistan24.net/en/news/80728bf3-eb95-4e76-a30f-345cf9a48d3c, Zugriff 13.3.2020

- NYT - The New York Times (24.12.2019): Iraq’s New Election Law Draws Much Criticism and Few Cheers, https://www.nytimes.com/2019/12/24/world/middleeast/iraq-election-law.html, Zugriff 13.3.2020

- Reuters (17.3.2020): Little-known ex-governor Zurfi named as new Iraqi prime minister-designate, https://www.reuters.com/article/us-iraq-pm-designate/iraqi-president-salih-names-adnan-al-zurfi-as-new-prime-minister-designate-state-tv-says-idUSKBN21419J?il=0, Zugriff 17.3.2020

- Reuters (1.3.2020): Iraq's Allawi withdraws his candidacy for prime minister post: tweet, https://www.reuters.com/article/us-iraq-politics-primeminister/iraqs-allawi-withdraws-his-candidacy-for-prime-minister-post-tweet-idUSKBN20O2AD, Zugriff 13.3.2020

- RFE/RL - Radio Free Europe/Radio Liberty (6.2.2020): Iraqi Protesters Clash With Sadr Backers In Deadly Najaf Standoff, https://www.ecoi.net/en/document/2024704.html, Zugriff 13.3.2020

- RFE/RL - Radio Free Europe/Radio Liberty (24.12.2019): Iraqi Parliament Approves New Election Law, https://www.ecoi.net/de/dokument/2021836.html, Zugriff 13.3.2020

- RoI - Republic of Iraq (15.10.2005): Constitution of the Republic of Iraq, http://www.refworld.org/docid/454f50804.html, Zugriff 13.3.2020

- Standard, Der (2.3.2020): Designierter irakischer Premier Allawi bei Regierungsbildung gescheitert, https://www.derstandard.at/story/2000115222708/designierter-irakischer-premier-allawi-bei-regierungsbildung-gescheitert, Zugriff 13.3.2020

- ZO - Zeit Online (2.10.2018): Irak hat neuen Präsidenten gewählt, https://www.zeit.de/politik/ausland/2018-10/barham-salih-irak-praesident-wahl, Zugriff 13.3.2020

Parteienlandschaft

Letzte Änderung: 17.3.2020

Laut einer Statistik der irakischen Wahlkommission beläuft sich die Zahl der bei ihr registrierten politischen Parteien und politischen Bewegungen auf über 200. 85% davon, national und regional, haben religiös-konfessionellen Charakter (RCRSS 24.2.2019).

Es gibt vier große schiitische politische Gruppierungen im Irak: die Islamische Da‘wa-Partei, den Obersten Islamischen Rat im Irak (eng. SCIRI) (jetzt durch die Bildung der Hikma-Bewegung zersplittert), die Sadr-Bewegung und die Badr-Organisation. Diese Gruppen sind islamistischer Natur, sie halten die meisten Sitze im Parlament und stehen in Konkurrenz zueinander – eine Konkurrenz, die sich, trotz des gemeinsamen konfessionellen Hintergrunds und der gemeinsamen Geschichte im Kampf gegen Saddam Hussein, bisweilen auch in Gewalt niedergeschlagen hat (KAS 2.5.2018).

Die Gründung von Parteien, die mit militärischen oder paramilitärischen Organisationen in Verbindung stehen ist verboten (RCRSS 24.2.2019) und laut Executive Order 91, die im Februar 2016 vom damaligen Premierminister Abadi erlassen wurde, sind Angehörige der Volksmobilisierungskräfte (PMF) von politischer Betätigung ausgeschlossen (Wilson Center 27.4.2018). Milizen streben jedoch danach, politische Parteien zu gründen (CGP 4.2018). Im Jahr 2018 traten über 500 Milizionäre und mit Milizen verbundene Politiker, viele davon mit einem Naheverhältnis zum Iran, bei den Wahlen an (Wilson Center 27.4.2018).

Die sunnitische politische Szene im Irak ist durch anhaltende Fragmentierung und Konflikte zwischen Kräften, die auf Gouvernements-Ebene agieren, und solchen, die auf Bundesebene agieren, gekennzeichnet. Lokale sunnitische Kräfte haben sich als langlebiger erwiesen als nationale (KAS 2.5.2018).

Abgesehen von den großen konfessionell bzw. ethnisch dominierten Parteien des Irak, gibt es auch nennenswerte überkonfessionelle politische Gruppierungen. Unter diesen ist vor allem die Iraqiyya/Wataniyya Bewegung des Ayad Allawi von Bedeutung (KAS 2.5.2018).

Die folgende Grafik veranschaulicht die Sitzverteilung im neu gewählten irakischen Parlament. Sairoon (ein Bündnis aus der Sadr-Bewegung und der Kommunistischen Partei) unter der Führung des schiitischen Geistlichen Muqtada as-Sadr, ist mit 54 Sitzen die größte im Parlament vertretene Gruppe, gefolgt von der Fatah-Koalition des Führers der Badr-Milizen, Hadi al-Amiri und der Nasr-Allianz unter Haider al-Abadi und der Dawlat al Qanoon-Allianz des ehemaligen Regierungschefs Maliki (LSE 7.2018).

(LSE 7.2018)

Quellen:

- CGP - Center for Global Policy (4.2018): The Role of Iraq‘s Shiite Militias in the 2018 Elections, https://www.cgpolicy.org/wp-content/uploads/2018/04/Mustafa-Gurbuz-Policy-Brief.pdf, Zugriff 13.3.2020

- KAS - Konrad Adenauer Stiftung (2.5.2018): Mapping the Major Political Organizations and Actors in Iraq since 2003, http://www.kas.de/wf/doc/kas_52295-1522-1-30.pdf?180501131459, Zugriff 13.3.2020

- LSE - London School of Economics and Political Science (7.2018): The 2018 Iraqi Federal Elections: A Population in Transition?, http://eprints.lse.ac.uk/89698/7/MEC_Iraqi-elections_Report_2018.pdf, Zugriff 13.3.2020

- RCRSS - Rawabet Center for Research and Strategic Studies (24.2.2019): Law of political parties in Iraq: proposals for amendment, https://rawabetcenter.com/en/?p=6954, Zugriff 13.3.2020

- Wilson Center (27.4.2018): Part 2: Pro-Iran Militias in Iraq, https://www.wilsoncenter.org/article/part-2-pro-iran-militias-iraq, Zugriff 13.3.2020

Kurdische Region im Irak (KRI) / Autonome Region Kurdistan

Letzte Änderung: 17.3.2020

Die Kurdische Region im Irak (KRI) wird in der irakischen Verfassung, in Artikel 121, Absatz 5 anerkannt (Rudaw 20.11.2019). Die KRI besteht aus den Gouvernements Erbil, Dohuk und Sulaymaniyah. sowie aus dem im Jahr 2014 durch Ministerratsbeschluss aus Sulaymaniyah herausgelösten Gouvernement Halabja, wobei dieser Beschluss noch nicht in die Praxis umgesetzt wurde. Verwaltet wird die KRI durch die kurdische Regionalregierung (KRG) (GIZ 1.2020a).

Das Verhältnis der Zentralregierung zur KRI hat sich seit der Durchführung eines Unabhängigkeitsreferendums in der KRI und einer Reihe zwischen Bagdad und Erbil „umstrittener Gebiete“ ab dem 25.9.2017 deutlich verschlechtert. Im Oktober 2017 kam es sogar zu lokal begrenzten militärischen Auseinandersetzungen (AA 12.1.2019). Der langjährige Präsident der KRI, Masoud Barzani, der das Referendum mit Nachdruck umgesetzt hatte, trat als Konsequenz zurück (GIZ 1.2020a).

Der Konflikt zwischen Bagdad und Erbil hat sich im Lauf des Jahres 2018 wieder beruhigt, und es finden seither regelmäßig Gespräche zwischen den beiden Seiten statt. Grundlegende Fragen wie Öleinnahmen, Haushaltsfragen und die Zukunft der umstrittenen Gebiete sind jedoch weiterhin ungelöst zwischen Bagdad und der KRI (AA 12.1.2019).

Die KRI ist seit Jahrzehnten zwischen den beiden größten Parteien geteilt, der Kurdischen Demokratischen Partei (KDP), angeführt von der Familie Barzani, und deren Rivalen, der Patriotischen Union Kurdistans (PUK), die vom Talabani-Clan angeführt wird (France24 22.2.2020; vgl. KAS 2.5.2018). Die KDP hat ihr Machtzentrum in Erbil, die PUK ihres in Sulaymaniyah. Beide verfügen einerseits über eine bedeutende Anzahl von Sitzen im Irakischen Parlament und gewannen andererseits auch die meisten Sitze bei den Wahlen in der KRI im September 2018 (CRS 3.2.2020). Der Machtkampf zwischen KDP und PUK schwächt einerseits inner-kurdische Reformen und andererseits Erbils Position gegenüber Bagdad (GIZ 1.2020a). Dazu kommen Gorran („Wandel“), eine 2009 gegründete Bewegung, die sich auf den Kampf gegen Korruption und Nepotismus konzentriert (KAS 2.5.2018; vgl. WI 8.7.2019), sowie eine Reihe kleinerer islamistischer Parteien (KAS 2.5.2018).

Auch nach dem Rücktritt von Präsident Masoud Barzani teilt sich die Barzani Familie die Macht. Nechirvan Barzani, langjähriger Premierminister unter seinem Onkel Masoud, beerbte ihn im Amt des Präsidenten der KRI. Masrour Barzani, Sohn Masouds, wurde im Juni 2019 zum neuen Premierminister der KRI ernannt (GIZ 1.2020a) und im Juli 2019 durch das kurdische Parlament bestätigt (CRS 3.2.2020).

Proteste in der KRI gehen auf das Jahr 2003 zurück. Die Hauptforderungen der Demonstranten sind dabei gleich geblieben und drehen sich einerseits um das Thema I

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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