Entscheidungsdatum
25.06.2021Norm
B-VG Art133 Abs4Spruch
W227 2243526-1/2E
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch die Richterin Mag. Karin WINTER über die Beschwerde von XXXX , Erziehungsberechtigte der am XXXX geborenen XXXX , gegen den Bescheid der Bildungsdirektion für Steiermark vom 25. Mai 2021, Zl. VIIIHa18/313-2021, zu Recht:
A)
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
B)
Die Revision ist nicht zulässig.
Text
Entscheidungsgründe
I. Verfahrensgang
1. Am 19. Mai 2021 zeigte die Beschwerdeführerin die Teilnahme ihrer schulpflichtigen Tochter am häuslichen Unterricht für das Schuljahr 2021/2022 (7. Schulstufe) an.
2. Mit dem angefochtenen Bescheid untersagte die Bildungsdirektion für Steiermark gemäß § 11 Abs. 2a Schulpflichtgesetz (SchPflG) i.V.m. § 27 Abs. 2 Schulunterrichtsgesetz (SchUG) die Teilnahme der Tochter der Beschwerdeführerin am häuslichen Unterricht für das Schuljahr 2021/2022 auf der 7. Schulstufe (Spruchpunkt 1.), ordnete an, dass die Tochter der Beschwerdeführerin im Schuljahr 2021/2022 ihre Schulpflicht in einer öffentlichen Schule oder in einer mit dem Öffentlichkeitsrecht ausgestatteten Schule mit gesetzlich geregelter Schulartbezeichnung zu erfüllen hat (Spruchpunkt 2.) und schloss die aufschiebende Wirkung einer Beschwerde gegen diesen Bescheid gemäß § 13 Abs. 2 VwGVG aus (Spruchpunkt 3.).
Begründend führte die Bildungsdirektion für Steiermark zusammengefasst aus:
Die Teilnahme der Tochter der Beschwerdeführerin am häuslichen Unterricht im Schuljahr 2021/2022 sei zu untersagen, da die Schule der freiwilligen Wiederholung der 7. Schulstufe zugestimmt habe und ein freiwilliges Wiederholen nur im Rahmen eines Schulbesuches zulässig sei.
Folglich habe die Tochter der Beschwerdeführerin im Schuljahr 2021/2022 ihre Schulpflicht in einer öffentlichen Schule oder in einer mit dem Öffentlichkeitsrecht ausgestatteten Schule mit gesetzlich geregelter Schulartbezeichnung zu erfüllen.
Die aufschiebende Wirkung einer Beschwerde sei auszuschließen, weil ein großes öffentliches Interesse an der ausreichenden Beschulung entsprechend dem österreichischen Schulpflichtgesetz von Kindern mit dauerndem Aufenthalt in Österreich bestehe.
3. Dagegen erhob die Beschwerdeführerin fristgerecht Beschwerde. Begründend führte sie (hier relevant und sinngemäß) im Wesentlichen aus:
Da sie „nun aufgefordert“ sei, die „Gleichwertigkeit des häuslichen Unterrichts mit einem schulischen Unterricht nachzuweisen“, führe sie hiermit die Pädagogen namentlich an.
Weiters verweise sie auf Art. 17 und Art. 17a Staatsgrundgesetz (StGG) und ersuche um entsprechende „Richtigstellung“.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1. Feststellungen
Die am XXXX geborene Tochter der Beschwerdeführerin besuchte im Schuljahr 2019/2020 (6. Schulstufe) das Bundesgymnasium und Bundesrealgymnasium (BG/BRG) XXXX .
Am 10. Juli 2020 entschied die Klassenkonferenz der XXXX Klasse des BG/BRG XXXX , dass die Tochter der Beschwerdeführerin zum Aufsteigen in die dritte Klasse (7. Schulstufe) berechtigt ist.
Am 3. Mai 2021 stimmte die Schulleitung des BG/BRG XXXX dem Ansuchen, dass die Tochter der Beschwerdeführerin die 7. Schulstufe im Schuljahr 2021/2022 freiwillig wiederholt, zu.
Am 19. Mai 2021 zeigte die Beschwerdeführerin die Teilnahme ihrer Tochter am häuslichen Unterricht für das Schuljahr 2021/2022 auf der 7. Schulstufe an.
2. Beweiswürdigung
Die Feststellungen ergeben sich aus dem Akteninhalt und sind unstrittig.
3. Rechtliche Beurteilung
3.1. Zur Abweisung der Beschwerde [Spruchteil A)]
3.1.1. Gemäß Art. 14 Abs. 7a B-VG beträgt die Schulpflicht zumindest neun Jahre und es besteht auch Berufsschulpflicht.
Gemäß § 1 SchPflG besteht für alle Kinder, die sich in Österreich dauernd aufhalten, allgemeine Schulpflicht.
Gemäß § 2 SchPflG beginnt die allgemeine Schulpflicht mit dem auf die Vollendung des sechsten Lebensjahres folgenden 1. September und dauert neun Schuljahre.
Gemäß § 4 SchPflG sind unter den in den §§ 5 bis 10 genannten Schulen öffentliche oder mit dem Öffentlichkeitsrecht ausgestattete Schulen zu verstehen.
Gemäß § 5 Abs. 1 SchPflG ist die allgemeine Schulpflicht durch den Besuch von allgemein bildenden Pflichtschulen sowie von mittleren oder höheren Schulen zu erfüllen.
Gemäß § 11 Abs. 1 SchPflG kann die allgemeine Schulpflicht auch durch die Teilnahme am Unterricht an einer Privatschule ohne Öffentlichkeitsrecht erfüllt werden, sofern der Unterricht jenem an einer im § 5 genannten Schule mindestens gleichwertig ist.
Gemäß § 11 Abs. 2 SchPflG kann die allgemeine Schulpflicht ferner durch die Teilnahme an häuslichem Unterricht erfüllt werden, sofern der Unterricht jenem an einer im § 5 genannten Schule – ausgenommen die Polytechnischen Schule – mindestens gleichwertig ist.
Gemäß Abs. 3 leg. cit. haben die Eltern oder sonstigen Erziehungsberechtigten die Teilnahme ihres Kindes an einem im Abs. 1 oder 2 genannten Unterricht der Bildungsdirektion jeweils vor Beginn des Schuljahres anzuzeigen. Die Bildungsdirektion kann die Teilnahme an einem solchen Unterricht untersagen, wenn mit großer Wahrscheinlichkeit anzunehmen ist, dass die im Abs. 1 oder 2 geforderte Gleichwertigkeit des Unterrichtes nicht gegeben ist oder wenn gemäß Abs. 2a eine öffentliche Schule oder eine mit dem Öffentlichkeitsrecht ausgestattete Schule mit gesetzlich geregelter Schulartbezeichnung zu besuchen ist.
Gemäß § 11 Abs. 4 SchPflG ist der zureichende Erfolg eines im Abs. 1 oder 2 genannten Unterrichtes jährlich vor Schulschluss durch eine Prüfung an einer im § 5 genannten entsprechenden Schule nachzuweisen, soweit auch die Schüler dieser Schulen am Ende des Schuljahres beurteilt werden. Wird ein solcher Nachweis nicht erbracht, so hat die Bildungsdirektion anzuordnen, dass das Kind seine Schulpflicht im Sinne des § 5 zu erfüllen hat.
Gemäß § 27 Abs. 2 SchUG hat auf Ansuchen des Schülers die Klassenkonferenz die Wiederholung einer Schulstufe durch einen Schüler, der zum Aufsteigen in die nächsthöhere Schulstufe berechtigt ist (§ 25), zu bewilligen, wenn die Aufholung eines Leistungsrückstandes, der aus entwicklungs- oder milieubedingten oder aus gesundheitlichen Gründen eingetreten ist, ermöglicht werden soll und die Einordnung des Schülers in die neue Klassengemeinschaft zu erwarten ist und Abs. 3 nicht entgegensteht. Eine Wiederholung der letzten Stufe einer Schulart im Sinne dieses Absatzes – ausgenommen der 4. Stufe der Volksschule sowie der letzten Stufe einer Sonderschule – ist unzulässig. Eine freiwillige Wiederholung ist während des gesamten Bildungsganges nur ein Mal zulässig; hiervon ist der Schüler nachweislich in Kenntnis zu setzen. Er ist berechtigt, trotz einer Bewilligung zur freiwilligen Wiederholung in die nächsthöhere Schulstufe aufzusteigen. Dem Schüler ist über die wiederholte Schulstufe ein Jahreszeugnis (§ 22 Abs. 1) oder nach Maßgabe des § 18a eine Jahresinformation auszustellen. Sofern sich die Berechtigung zum Aufsteigen nach dem Jahreszeugnis richtet, ist das für den Schüler günstigere Jahreszeugnis zu Grunde zu legen.
3.1.2. Die Freiheit des häuslichen Unterrichts beschränkt nicht die in Art. 14 Abs. 7a B-VG verankerte Schulpflicht und kann daher entsprechenden Regelungen, die der Sicherung des Ausbildungserfolges von schulpflichtigen Schülern dienen, nicht entgegengehalten werden. Art. 17 StGG garantiert also nicht die Möglichkeit, die Schulpflicht durch häuslichen Unterricht zu erfüllen (siehe VfGH 06.03.2019, G377/2018).
Nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes ergibt sich aus § 11 Abs. 4 SchPflG, wonach für den Fall, dass der zureichende Erfolg dieses Unterrichts für eine Schulstufe nicht nachgewiesen wird, die Erfüllung der Schulpflicht im Sinne des § 5 leg. cit. anzuordnen ist, und somit der weitere Besuch einer Privatschule ohne Öffentlichkeitsrecht bzw. die Teilnahme am häuslichen Unterricht nicht mehr in Betracht kommt, dass der Gesetzgeber die Wiederholung einer Schulstufe im Rahmen der Teilnahme am Unterricht an einer Privatschule ohne Öffentlichkeitsrecht oder an häuslichem Unterricht nicht vorgesehen hat (siehe VwGH 29.05.2020, Ro 2020/10/0007, m.w.N.).
3.1.3. Für den vorliegenden Fall bedeutet das:
Wie festgestellt stimmte die Schulleitung des BG/BRG XXXX gemäß § 27 Abs. 2 SchUG dem Ansuchen, dass die Tochter der Beschwerdeführerin die 7. Schulstufe im Schuljahr 2021/2022 freiwillig wiederholt, zu.
Aus der oben angeführten Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes ergibt sich, dass der Gesetzgeber die Wiederholung einer Schulstufe im Rahmen der Teilnahme an häuslichem Unterricht nicht vorgesehen hat.
Folglich ist ein freiwilliges Wiederholen nur im Rahmen eines Schulbesuches an einer öffentlichen oder mit dem Öffentlichkeitsrecht ausgestattete Schulen zulässig.
Vor diesem normativen Hintergrund ist der Bildungsdirektion für Steiermark nicht entgegenzutreten, wenn sie den ihr von der Beschwerdeführerin am 19. Mai 2021 angezeigten Unterricht von vornherein für unzulässig erachtete und daher – unter Anordnung der Erfüllung der Schulpflicht an einer der in § 5 SchPflG genannten Schulen – untersagt hat.
Die Beschwerde ist daher als unbegründet abzuweisen.
Ein gesonderter Abspruch über die aufschiebende Wirkung erübrigt sich angesichts der erfolgten Sachentscheidung. Abgesehen davon stellte die Beschwerdeführerin keinen Antrag auf aufschiebende Wirkung.
Eine Verhandlung konnte gemäß § 24 Abs. 4 VwGVG entfallen, weil eine mündliche Erörterung keine weitere Klärung erwarten lässt (siehe Fister/Fuchs/Sachs, Verwaltungsgerichtsverfahren, 2. Auflage [2018] § 24 VwGVG Anm. 13 mit Hinweisen zur Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes sowie VfGH 18.06.2012, B 155/12; EGMR Tusnovics v. Austria, 07.03.2017, 24.719/12). Außerdem ist das Schulrecht nicht von Art. 6 EMRK und auch nicht von Art. 47 GRC erfasst (siehe VfGH 10.03.2015, E 1993/2014, sowie VwGH 23.05.2017, Ra 2015/10/0127; 27.03.2019, Ra 2019/10/0017, jeweils m.w.N.).
3.2. Zur Unzulässigkeit der Revision [Spruchpunkt B)]
3.2.1. Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.
3.2.2. Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt: Dass aufgrund des freiwilligen Wiederholens einer Schulstufe die Teilnahme an häuslichem Unterricht von vornherein unzulässig ist, entspricht der oben angeführten Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes.
Schlagworte
häuslicher Unterricht Wiederholen einer SchulstufeEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:BVWG:2021:W227.2243526.1.00Im RIS seit
20.08.2021Zuletzt aktualisiert am
20.08.2021