TE Bvwg Erkenntnis 2021/7/6 W163 2171841-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 06.07.2021
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Entscheidungsdatum

06.07.2021

Norm

AsylG 2005 §3 Abs1
AsylG 2005 §3 Abs5
B-VG Art133 Abs4

Spruch


W163 2171841-1/18E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch den Richter Mag. Daniel LEITNER als Einzelrichter über die Beschwerde des Herrn XXXX , geboren am XXXX , Staatsangehörigkeit Sri Lanka, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 11.09.2017, Zahl XXXX , nach Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung zu Recht:

A)

Der Beschwerde wird stattgegeben und XXXX gemäß § 3 Abs. 1 AsylG 2005 der Status des Asylberechtigten zuerkannt.

Gemäß § 3 Abs. 5 AsylG 2005 wird festgestellt, dass XXXX damit kraft Gesetzes die Flüchtlingseigenschaft zukommt.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.




Text


Entscheidungsgründe :

I. Verfahrensgang und Sachverhalt

I.1. Verfahrensgang

1.       Der Beschwerdeführer (im Folgenden: BF), ein Staatsangehöriger von Sri Lanka, reiste unrechtmäßig in das österreichische Bundesgebiet ein und stellte am 05.10.2015 den gegenständlichen Antrag auf internationalen Schutz.

2.       Am 06.10.2015 fand die Erstbefragung des BF vor Organen des öffentlichen Sicherheitsdienstes statt.

3.       Am 01.06.2017 wurde der BF vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (im Folgenden: BFA) niederschriftlich einvernommen.

4.       Mit Schriftsatz vom 14.07.2017 brachte der rechtliche Vertreter des BF eine Stellungnahme ein. Zugleich legte er Unterlagen vor.

5.       Mit angefochtenem Bescheid des BFA vom 11.09.2017 wurde der Antrag des BF auf internationalen Schutz gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten (Spruchpunkt I.) und gemäß § 8 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG bezüglich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Sri Lanka (Spruchpunkt II.) abgewiesen. Dem BF wurde gemäß § 57 AsylG ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen nicht erteilt. Gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG iVm § 9 BFA-VG wurde gegen ihn einen Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG erlassen und weites gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass die Abschiebung des BF gemäß § 46 FPG nach Sri Lanka zulässig ist (Spruchpunkt III.). Gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG wurde als Frist für seine freiwillige Ausreise 14 Tage ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung festgelegt (Spruchpunkt IV.).

6.       Gegen diesen am 13.09.2017 rechtswirksam zugestellten Bescheid erhob der BF fristgerecht Beschwerde, welche am 25.09.2017 beim BFA einlangte.

7.       Die gegenständliche Beschwerde und die bezughabenden Verwaltungsakte wurden dem Bundesverwaltungsgericht (im Folgenden: BVwG) am 28.09.2017 vom BFA vorgelegt.

8.       Das BVwG führte in der gegenständlichen Rechtssache am 18.02.2021 eine öffentliche mündliche Verhandlung durch, die wegen Verständigungsproblemen mit dem Dolmetscher vertagt wurde.

9.       Das BVwG führte in der gegenständlichen Rechtssache am 31.03.2021 erneut eine öffentliche mündliche Verhandlung durch, an der der BF persönlich teilnahm. Der rechtliche Vertreter des BF nahm an der Verhandlung nicht teil. Ein Vertreter des BFA nahm an der Verhandlung ebenso nicht teil.

10.      Mit Eingabe vom 16.04.2021 wurde durch den bevollmächtigten Vertreter ein Zeuge namhaft gemacht.

11.      Das BVwG führte in der gegenständlichen Rechtssache am 18.05.2021 erneut eine öffentliche mündliche Verhandlung durch, an der der BF persönlich teilnahm. Der rechtliche Vertreter des BF nahm an der Verhandlung nicht teil. Ein Vertreter des BFA nahm an der Verhandlung ebenso nicht teil. Ein Zeuge wurde einvernommen.

I.2. Ergebnisse des Ermittlungsverfahrens (Sachverhalt)

Das BVwG geht auf Grund des durchgeführten Ermittlungsverfahrens von folgendem für die Entscheidung maßgebenden Sachverhalt aus:

a)       Zur Person und zum Vorbringen der beschwerdeführenden Partei

1.       Zur Person des Beschwerdeführers

Der BF führt den Namen XXXX , geboren am XXXX , im Dorf XXXX , Distrikt Mullaithivu, Sri Lanka.

Der BF ist Staatsangehöriger der Demokratischen Sozialistischen Republik Sri Lanka und gehört der Volksgruppe der Tamilen an. Er bekennt sich zum Hinduismus. Die Muttersprache des BF ist Tamilisch.

Der BF besuchte insgesamt 13 Jahre die Schule, erwerbstätig war er nicht.

Der BF ist ledig und hat keine Kinder. Die Eltern sowie zwei Brüder und eine Schwester leben in Sri Lanka im Geburtsdorf des BF. Der Vater hat eine Landwirtschaft, die Mutter ist Hausfrau. Der BF hat regelmäßig Kontakt zu seinen in Sri Lanka aufhältigen Familienangehörigen.

Der BF ist volljährig, gesund, arbeitsfähig und im erwerbsfähigen Alter.

Der BF ist homosexuell und lebt seine sexuelle Orientierung auch aus.

Der BF konnte glaubhaft vorbringen, dass er in seinem Herkunftsstaat aufgrund seiner Homosexualität (bestimmte soziale Gruppe) einer persönlichen Verfolgung unterliegt. Er wird im Fall einer Rückkehr nach Sri Lanka mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit einer asylrelevanten Verfolgung und einer existentiellen Bedrohung ausgesetzt sein.

b) Zur Lage im Herkunftsstaat:

Die Feststellungen sind durch die Staatendokumentation des Bundesamtes zusammengestellt und entsprechen dem Stand vom 08.09.2020:

Politische Lage

Sri Lanka ist eine konstitutionelle Mehrparteienrepublik mit einer frei und direkt gewählten Regierung (USDOS 11.3.2020; vgl. AA 6.3.2020). Die bestehende Präsidialrepublik räumt dem Staatsoberhaupt eine starke Position vor allem bei der Zusammensetzung der Regierung und in der Außenpolitik ein. Die Legislative ist in einem Ein-Kammer-System mit 225 Mitgliedern organisiert, wobei die Abgeordneten direkt gewählt und bei Freiwerden eines Mandats von der jeweiligen Partei nachbesetzt werden. Die eher linksgerichtete United People's Freedom Alliance (UPFA) steht der eher konservativen United National Party (UNP) gegenüber. Letztere war über Jahrzehnte die stärkste Kraft im Land (ÖB 9.2019).

Wahlen werden regelmäßig auf der Grundlage des allgemeinen Wahlrechts und eines Mehrparteienwettbewerbs durchgeführt (BTI 2020). Am 16.11.2019 wählten die Wähler bei der Präsidentschaftswahl Gotabaya Rajapaksa zum Präsidenten. Akkreditierte einheimische und internationale Beobachter beschreiben die Wahl als friedlich und gut organisiert, stellten jedoch fest, dass aufgrund nicht regulierter Wahlkampfausgaben, dem Missbrauch staatlicher Ressourcen und der Voreingenommenheit der Medien die Chancengleichheit im Wahlkampf beeinträchtigt wurde (USDOS 13.3.2020). Die Wahl, die so friedlich verlaufen ist, wie wenige vor ihr, verlief jedoch nicht frei von Gewalt. Auf offener Straße wurde ein Bus beschossen, der Muslime ins Wahlbüro fahren sollte. Zudem versuchten radikale Gruppierungen vor allem im Norden des Landes, Menschen gewaltsam von einem Wahlboykott zu überzeugen. Im Vergleich zu den Ausschreitungen und zahlreichen Toten, die es bei früheren Wahlen gegeben hatte, kann aber dieses Mal tatsächlich von einer insgesamt friedlichen Wahl gesprochen werden (KAS 29.11.2019).Verschiedenen Berichten zur Folge kam es nach den Wahlen zu Ausschreitungen, nachdem der neue Präsident Gotabaya Rajapaksa seinen Bruder und ehemaligen Präsidenten Mahinda Rajapaksa zum Premierminister ernannte (TG 22.11.2019; vgl. ACLED 26.11.2019).

Am 1.10.2015 hat der Menschenrechtsrat der Vereinten Nationen im Konsens mit Sri Lanka die Resolution „Promoting reconciliation, accountability and human rights in Sri Lanka“ (A/HRC/30/L.29) beschlossen (AA 12.1.2020). Nachdem sich 2015 die Regierung zu nationaler Wiederversöhnung bekannte und gegenüber dem Menschenrechtsrat erklärte, Maßnahmen zur Aufarbeitung des Bürgerkriegs umzusetzen, kamen wichtige Schritte, darunter auch die Verfassungsreform, ins Stocken (AA 6.3.2020a). Nach einer ersten Verlängerung (Res. 34/1) 2017 wurden Sri Lanka im März 2019 zwei weitere Jahre Zeit gegeben, die Maßnahmen zu implementieren. Sri Lanka hat sich damit bereit erklärt, die mutmaßlichen im Bürgerkrieg begangenen Kriegsverbrechen rechtlich aufzuklären (AA 12.1.2020). Allerdings kündigte im Nachgang der Präsidentschaftswahlen 2019 die Regierung am 27.2.2020 im Menschenrechtsrat der Vereinten Nationen an, den von der internationalen Gemeinschaft in einer Resolution eingeforderten Aufarbeitungsprozess nicht fortzuführen (AA 6.3.2020a,; vgl. HRW 3.3.2020).

Am 2.3.2020 löste Präsident Rajapaksa gemäß geltender Verfassung das Parlament nach viereinhalb Jahren – also bereits ein halbes Jahr vor dem eigentlichen Ende der Legislaturperiode mit dem Zweck auf, die Mehrheitsverhältnisse im Parlament zugunsten seiner Fraktion auszubauen. Wird das Parlament durch den Präsidenten aufgelöst, muss es spätestens drei Monate später (2.6.2020) wieder zusammentreten (DS 23.4.2020). Doch entschied sich die Wahlkommission Sri Lankas wegen der Coronavirus-Pandemie die Parlamentswahlen im Land nicht wie geplant am 25.4.2020 durchzuführen (Reuters 19.3.2020; vgl. TH 17.3.2020). Als neuer Wahltermin wird der 20. Juni 2020 angegeben (TH 21.4.2020; vgl. News1st 20.4.2020). Der Aufforderung der Opposition das alte Parlament wiedereinzusetzen, lehnte der Präsident jedoch bisher ab. Der Disput zwischen dem Parlament, der Wahlkommission und dem Präsidenten führt das Land nun immer weiter in eine wirtschaftliche Krise (DS 23.4.2020).

Sicherheitslage

Das staatliche Gewaltmonopol ist unangefochten. Es gibt jedoch Anzeichen dafür, dass die bewaffnete Opposition gegen den Staat nicht völlig aufgegeben wurde (BTI 2020), dennoch dürfte der umfassende Sicherheits- und Überwachungsapparat insbesondere im Norden und Osten noch intakt sein (AA 12.1.2020).

Am 21.4.2019 verübten sri-lankische islamistische Terroristen Selbstmordanschläge auf katholische Kirchen im Westen und Osten des Landes sowie drei Luxushotels in Colombo. Unter den rund 260 Todesopfern befanden sich 45 ausländische Staatsbürger. Der Großteil der Opfer waren sri-lankische Christen. Verantwortlich für die Anschläge war die National Thowheed Jamath (NTJ), deren Mitglieder dem sog. Islamischen Staat die Treue geschworen haben. Am 22.4.2019 rief die Regierung den Notstand gemäß der Verordnung über die öffentliche Sicherheit aus und setzte die Streitkräfte im Inland ein und erteilte ihnen Festnahmebefugnisse. Nach Ablauf des Notstands am 22.8.2019 ordnete der damalige Präsident Maithripala Sirisena an, dass das Militär auch nach Ablauf des Notstands im ganzen Land stationiert bleibt. Dieser Befehl wurde durch den derzeitigen Präsidenten Rajapaksa am 22.11.2019 verlängert (CT 22.4.2019; vgl. USDOS 11.3.2020, ÖB 9.2019). Mögliche Hintergründe für die erfolgten Anschläge wurden durch die Regierung auch als eine Strategie internationaler Kräfte zur Spaltung der Gesellschaft und der Destabilisierung dieser im „Fadenkreuz der Großmächte und ihrer zunehmenden Konkurrenz im Indischen Ozean gesehen“ (CT 21.4.2019). Es gibt jedoch keine Hinweise darauf, dass mehr als eine islamistische Zelle in Sri Lanka aktiv ist (GW 8.2.2020). Bis auf kleine noch nicht entminte Gebiete im Nordosten und einzelne „Hochsicherheitszonen“ um Militäreinrichtungen in der Nord- und der Ostprovinz können sich Sri Lanker im ganzen Land frei bewegen und niederlassen (AA 12.1.2020). Für das gesamte Land gelten derzeit auf Grund der COVID-19 Pandemie bis auf weiteres Ausgangsbeschränkungen (BMEIA 22.4.2020). Seit der am 20.3.2019 verhängten landesweiten Ausgangssperre wurden mehr als 10.000 Menschen verhaftet (HRW 3.4.2020).

Rechtsschutz / Justizwesen

Die Strafverfolgungs- oder Strafzumessungspraxis diskriminiert nicht nach Merkmalen wie Rasse,

Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder politischer

Überzeugung. Von sogenannten „Altfällen“ mit Bezug auf die „Liberation Tigers of Tamil Eelam

(LTTE)“ befindet sich nach Einschätzung des OHCHR niemand mehr aufgrund des Prevention of

Terrorism Act (PTA) in Haft. Sippenhaft wird nicht praktiziert. Keiner Person oder Personengruppen

wird kategorisch der Rechtsschutz verweigert (AA 12.1.2020).

Das schwache Justizwesen ist nach wie vor politischem Druck ausgesetzt und wird durch eine

politisierte Polizei, auf die das Gerichtssystem bei der Beweisführung häufig angewiesen ist,

behindert. Seit Anfang 2015 sind in der früheren Verwaltung eine Reihe von Staatsbeamten und

Militärs strafrechtlich verfolgt worden. Ebenso werden Verdachtsfälle von Korruption von Beamten und Politikern, die seit Anfang 2015 an der Macht sind, untersucht (BTI 2020; vgl. AA 12.1.2020). Die Untersuchungshaftzeiten sind lang. Es dauert oftmals mehr als ein Jahr, bis überhaupt entschieden wird, ob eine Anklage erhoben wird. Ausländer und Sri Lanker sind davon gleichermaßen betroffen. Die zulässige reguläre Haftdauer bis zur Anklageerhebung beträgt zwölf Monate – verlängerbar in dreimonatigen Etappen bis maximal 24 Monate, falls die Staatsanwaltschaft eine Erklärung zur Notwendigkeit abgibt. Insbesondere bei Inhaftierungen nach dem Antiterrorismusgesetz (Prevention of Terrorism Act, PTA) kam es oft zu sehr langen, in einzelnen Fällen bis zu fast zwanzigjährigen Gefängnisaufenthalten ohne Urteil oder richterliche Entscheidung (AA 12.1.2020). Im Rule of Law Index 2020 des World Justice Project (WJP) rangiert Sri Lanka auf Platz 66 von 128 Ländern (2017-18: Platz 59 von 113 Ländern), was eine Verschlechterung um zwei Plätze zum Ergebnis von 2019 bedeutet (WJP 27.2.2020; vgl. WJP 31.1.2018). In der Subskala Ziviljustiz nimmt das Land 2020 den Rang 99 von 128 Staaten ein (2018: Rang 91 von 113 Staaten) und in der Subskala Strafjustiz den Rang 65 von 128 Staaten (2018: Platz 53 von 113 Staaten) (WJP 27.2.2020; vgl. WJP 31.1.2018).

Sicherheitsbehörden

Die Polizei ist für die Aufrechterhaltung der inneren Sicherheit zuständig und untersteht dem Verteidigungsministerium. Das Militär ist für die äußere Sicherheit zuständig. Das Militär kann aufgefordert werden, speziell abgegrenzte Aufgaben der inneren Sicherheit zu übernehmen. Die fast 11.000 Mitglieder zählende paramilitärische Sondereinsatzgruppe [Specila Tasc Force, STF] ist eine dem Generalinspekteur der Polizei unterstellte Polizeieinheit, die gelegentlich Operationen zur inneren Sicherheit mit dem Militär koordiniert. Der Präsident handelt als Verteidigungsminister, aber der zivile Verteidigungssekretär hat die tägliche operative Verantwortung für das Heer (USDOS 11.3.2020). Die Regierung hat die vollständige Kontrolle über den gesamten Verwaltungs- und Sicherheitsapparat (Militär, Polizei, Geheimdienste) gewonnen (USDOS 11.3.2020; vgl. AA 12.1.2020). Freie Meinungsäußerungen ist in jenen Teilen des Nordens, in denen die Sicherheitskräfte stark vertreten sind, eingeschränkter als in anderen Teilen des Landes. Offene Kritik am Militär bleibt selten (BTI 2020). Polizei- und Sicherheitskräfte wenden gelegentlich missbräuchliche Praktiken, wie willkürliche Verhaftungen, außergerichtliche Hinrichtungen, erzwungenes Verschwindenlassen, Vergewaltigung, Folter an. Von solchen Maßnahmen sind Tamilen unverhältnismäßig stark betroffen (FH 4.2.2020). Opfer können Fälle direkt vor den Obersten Gerichtshof bringen, aber auch die Human Rights Commission of Sri Lanka (HRCSL) und die Strafgerichte können Fälle untersuchen. Im April 2019 ernannte die Regierung fünf Beauftragte für das Amt für Wiedergutmachung, eine unabhängige Behörde, die durch das im Oktober 2018 verabschiedete, gleichlautende Gesetz geschaffen wurde. Das Büro hat den Auftrag, geschädigte Opfer, die für Reparationen in Frage kommen, zu ermitteln und einzeln oder kollektiv angemessene Entschädigungen zu leisten (USDOS 11.3.2020). Bedingt durch einen Arbeitsrückstand und Ressourcenmangel waren unabhängige Kommissionen langsam bei Untersuchungen zu behauptetem Fehlverhalten von Polizei und Militär (FH 2.2020). Zivilgesellschaftliche Organisationen behaupteten, dass die Regierung und die Gerichte zögern, gegen Sicherheitskräfte vorzugehen. Zwar leitete die Regierung Ermittlungen gegen einige Beamte ein, die im Verdacht stehen Menschenrechtsverletzungen begangen zu haben, doch gelang es nicht, Verurteilungen zu erwirken (USDOS 11.3.2020).

Ethnische Minderheiten

Nach dem 14. Zensus im Jahr 2011/2012 stellen die Singhalesen mit 74,9 Prozent die Bevölkerungsmehrheit, gefolgt von 11,2 Prozent Tamilen, 4,2 Prozent sog. Indian Tamils (Einwanderung während der britischen Kolonialzeit als Plantagenarbeiter) und 9,2 Prozent sog. Moors muslimischen Glaubens (AA 12.1.2020; vgl. CIA 16.4.2020). Es gibt keine diskriminierende Gesetzgebung oder Verwaltungspraxis. Allerdings gibt es weiterhin soziale Missstände insbesondere im Norden und Osten des Landes, die vom Bürgerkrieg am stärksten betroffen waren (AA 12.1.2020). Der Zugang zu öffentlichen Diensten ist nach geltendem Recht für alle gleich. In der Praxis bestehen jedoch Ungleichheiten. Während Nicht-Singhalesen während der Kolonialzeit einen bevorzugten Zugang zu wirtschaftlichen, bildungspolitischen und politischen Möglichkeiten genossen, verfolgten die Regierungen nach der Unabhängigkeit eine Politik, die darauf abzielte, Singhalesen zu begünstigen. Dies führte in der postkolonialen Zeit zu einer Umkehrung der horizontalen Ungleichheitsmuster der Kolonialzeit. Fast drei Jahrzehnte Bürgerkrieg vergrößerten die Kluft zwischen tamilischen Hindus und buddhistischen Singhalesen weiter (BTI 2020). So ist die soziokulturelle Struktur des politischen Lebens in erster Linie durch die Werte der singhalesischen (ganz überwiegend theravada-buddhistischen) Mehrheit bestimmt. Darüber hinaus lebt im Land eine große Minderheit von Tamilen sowie Christen und Muslime. Nach wie vor ist die Innenpolitik vom Bürgerkrieg (1983 – 2009) zwischen der tamilischen Separatistenorganisation „Befreiungstiger von Tamil Eelam“ (LTTE) und der Regierung geprägt (AA 6.3.2020a). Singhalesisch und Tamilisch sind Amtssprachen in Sri Lanka (CIA 16.4.2020).

Tamilen

Über 26 Jahre lang haben sich die Armee der singhalesischen Regierung und separatistische Tamilen-Rebellen einen blutigen Bürgerkrieg geliefert, von dem sich das Land bis heute noch nicht erholt hat. Die „Befreiungstiger von Tamil Eelam“ (LTTE) kämpften darin für einen unabhängigen tamilischen Staat im Norden der Insel. Die LTTE verübte hunderte Selbstmordanschläge im ganzen Land und führte Zwangsrekrutierungen von Kindern durch. Von der Armee wiederum wurden großflächig die Tamilen-Gebiete im Norden bombardiert. Geschätzte 100.000 Menschen kamen während des Konflikts ums Leben (DP 22.4.2019). Zwar gab es gegenüber den Tamilen im Norden und Osten seit Amtsantritt des ehemaligen Präsidenten Sirisena am 9.1.2015 keine direkten staatlichen Repressionen mehr (AA 12.1.2020), doch kam es in den vergangenen Jahren immer wieder zu blutiger Gewalt radikaler Buddhisten gegen Muslime. So gingen singhalesische Schlägertrupps Anfang 2018 in der Touristenregion rund um Kandy im Zentrum des Landes gegen Muslime vor und zerstörten ihre Geschäfte, verprügelten Händler und griffen Moscheen an. Die Regierung sah sich angesichts der Gewalt schließlich gezwungen, für begrenzte Zeit den Notstand auszurufen (DP 22.4.2019). Im ganzen Land, besonders im Norden und Osten, berichteten Tamilen, insbesondere Aktivisten und ehemalige oder mutmaßliche ehemalige LTTE-Mitglieder, von ethnischem Profiling, Überwachung und Belästigung durch Sicherheitskräfte (AI 22.2.2018; vgl. USDOS 11.3.2020). Sowohl lokale als auch indischstämmige Tamilen behaupteten, dass sie in den Bereichen Hochschulbildung, Regierungsbeschäftigung, Wohnen, Gesundheitswesen, Sprachgesetze und Verfahren zur Einbürgerung von Nichtbürgern seit langem systematisch diskriminiert werden (USDOS 11.3.2020).

Die Landrückgabe wird fortgesetzt. Insgesamt hat das Militär laut Regierung 92 Prozent des einst besetzten Landes an Zivilisten zurückgegeben (AA 12.1.2020). Die Tamilische Nationale Allianz und das Verteidigungsministerium hielten 2019 einen 2017 eingeleiteten formellen Dialog über die Rückgabe von Militärgebieten in den nördlichen und östlichen Provinzen aufrecht (USDOS 11.3.2020). Es gibt eine Reihe von Ministerien und präsidentiell ernannte Gremien, die sich mit den sozialen und entwicklungspolitischen Bedürfnissen der tamilischen Minderheit befassen sollen. Die Regierung hat eine Reihe von vertrauensbildenden Maßnahmen ergriffen, um Beschwerden der tamilischen Gemeinschaft zu begegnen (USDOS 11.3.2020). Das vom Präsidenten im Jahr 2016 eingerichtete Büro für nationale Einheit und Versöhnung koordinierte weiterhin die Versöhnungsbemühungen der Regierung. Das Büro konzentriert sich auf die Förderung der sozialen Integration zum Aufbau einer integrativen Gesellschaft, die Sicherung der Sprachrechte für alle Bürger, die Unterstützung eines Heilungsprozesses innerhalb der vom Krieg betroffenen Gemeinden durch die von der Regierung vorgeschlagene Kommission für Wahrheit, Gerechtigkeit, Versöhnung und Nichtwiederholung der Gewalt (USDOS 11.3.2020).

Relevante Bevölkerungsgruppen

Sexuelle Minderheiten

Die sri-lankische Verfassung enthält keinen speziellen Schutz vor Diskriminierung aufgrund der sexuellen Identität. Der Gleichheitsgrundsatz in Artikel 12 schützt u.a. vor Diskriminierung aufgrund des Geschlechts (AA 12.1.2020). Das Gesetz kriminalisiert einvernehmlichen, gleichgeschlechtlichen Sexualverkehr zwischen Erwachsenen (USDOS 20.4.2018; vgl. AA 12.1.2020; vgl. USDOS 11.3.2020). Der Strafrahmen sieht Freiheitsstrafen von bis zu zwei Jahren oder eine Geldstrafe vor, bei Beteiligung Minderjähriger (unter 16 Jahren) Freiheitsstrafen für den Erwachsenen von zehn bis zwanzig Jahren und eine Geldstrafe. In jüngster Zeit sind jedoch keine Fälle von Strafverfolgung/Verurteilungen bekannt geworden. Gleiches gilt besonders auch für Transsexuelle, Transgender und Intersexuelle. Auch in der Gesellschaft werden sie oft diskriminiert. Staatliche Schutzmöglichkeiten gibt es nicht (da verboten) (AA 12.1.2020). Obwohl Verfolgungen selten waren, berichteten Menschenrechtsorganisationen, dass die Polizei die Androhung der Verhaftung dazu nutzte, LGBTI-Personen anzugreifen, zu belästigen und sexuell und monetär zu erpressen (USDOS 11.3.2020; vgl. AA 12.1.2020). Transgender-Personen waren auch weiterhin mit gesellschaftlicher Diskriminierung konfrontiert, einschließlich willkürlicher Verhaftungen, Misshandlung und Diskriminierung beim Zugang zu Beschäftigung, Wohnung und Gesundheitsversorgung (USDOS 11.3.2020; vgl. DFAT 4.11.2019). Ein Problem ist die fehlende rechtliche Anerkennung von männlicher Vergewaltigung und mangelnde Berichterstattung über sexuellen Missbrauch von Buben wegen Stigmatisierung, Kriminalisierung von Homosexualität und Schamgefühlen (CRC 2.3.2018) Organisationen, die sich im Bereich von LGBTI-Themen betätigen wollen, wird die Registrierung verweigert. Solche Organisationen berichten darüber, überwacht und eingeschüchtert worden zu sein. Aktivisten geben an, dass diese Probleme nach den Angriffen vom Ostersonntag zugenommen hätten (HRW 14.1.2020).

II. Beweiswürdigung

Der Beweiswürdigung liegen folgende Erwägungen zugrunde:

II.1. Zum Verfahrensgang

Der oben angeführte Verfahrensgang ergibt sich aus dem unbedenklichen und unzweifelhaften Akteninhalt der vorgelegten Verwaltungsakten des BFA und des Gerichtsaktes des BVwG.

II.2. Zur Person und zum Vorbringen der beschwerdeführenden Partei

1.       Zur Person des Beschwerdeführers

Soweit in der gegenständlichen Rechtssache Feststellungen zur Identität des BF getroffen wurden, beruhen diese auf den Angaben des BF im Verfahren vor der belangten Behörde und vor dem BVwG. Die Feststellungen zur Identität gelten ausschließlich für die Identifizierung der Person des BF im Asylverfahren.

Die Feststellungen zur Staatsangehörigkeit, zur Muttersprache, zur Volksgruppenzugehörigkeit, zum Glauben und zum Heimatort stützen sich auf die Angaben des BF im Verfahren (vgl. zuletzt Protokoll der mV vom 31.03.2021 S. 3f).

Die Feststellungen zum Bildungsstand des BF im Herkunftsstaat beruhen auf den gleichbleibenden Angaben des BF im gesamten Verfahren (vgl. zuletzt Protokoll der mV vom 31.03.2021 S. 5).

Die Feststellungen zum Personenstand und den familiären Verhältnissen des BF beruhen auf seinen Angaben (vgl. zuletzt Protokoll der mV vom 31.03.2021 S. 5).

Die Feststellung zum Gesundheitszustand stützen sich auf seine Angaben (Protokoll der mV S. 3).

2.       Zur Rückkehrmöglichkeit nach Sri Lanka

2.1.    Das Bundesverwaltungsgericht erachtet das Vorbringen des BF zur Furcht vor Verfolgung im Herkunftsstaat aus asylrelevanten Gründen aus folgenden Erwägungen als glaubhaft:

Der BF brachte erstmals vor dem BFA vor, homosexuell zu sein und diese Orientierung in Sri Lanka nicht ausleben zu können. Er gab dabei auch an, dies bei der Erstbefragung aus mangelnder Kenntnis über die Legalität der Homosexualität in Österreich verschwiegen zu haben. Der EuGH hat bereits ausgesprochen, dass angesichts des sensiblen Charakters der Informationen, die die persönliche Sphäre einer Person, insbesondere ihre Sexualität, betreffen, allein daraus, dass diese Person, weil sie zögert, intime Aspekte ihres Lebens zu offenbaren, ihre Homosexualität nicht sofort angegeben hat, nicht geschlossen werden kann, dass sie unglaubwürdig ist (EuGH 02.12.2014, A u. a., C-148/13 bis C-150/13, EU:C:2014:2406, Rn 69).

Der BF war während des Verfahrens dazu in der Lage, von sich aus den Weg zur sexuellen Beziehung zu einem Mann zu beschreiben. So schilderte er das Kennenlernen mit seinem Freund und die Entwicklung hin zu einer Liebesbeziehung. Das Vorbringen des BF zur möglichen Furcht vor Verfolgung im Falle der Rückkehr nach Sri Lanka war ausreichend substantiiert, umfassend, in sich schlüssig und im Hinblick auf die besonderen Umstände des BF und die allgemeine Situation in Sri Lanka plausibel. Der BF gab an, auch im Bundesgebiet homosexuelle Kontakt zu seinem Freund unterhalten zu haben und schilderte nachvollziehbar zwei konkrete Vorfälle, die mit seiner Homosexualität in Zusammenhang stehen. Der BF selbst hinterließ in der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht durchwegs einen persönlich glaubwürdigen Eindruck. Zudem wurden in Angaben des BF zu homosexuellen Kontakten im Bundesgebiet durch die Aussage eines Zeugen bestätigt. Der Zeuge hat in der Beschwerdeverhandlung am 18.05.2021 nachvollziehbar geschildert, wie es dazu gekommen sei, dass ihm die Homosexualität des BF bekannt wurde. Er gab an, den BF und seinen Freund in einem Fahrzeug zurückgelassen zu haben, um Geschäfte abzuwickeln. Als er zum Fahrzeug zurückkehrte habe er den BF und seinen Freund, die er gelegentlich auf deren Wunsch bei Fahrten mitgenommen habe, „bei Aktivitäten gesehen, die über eine Freundschaft hinausgehen“ würden. Auf konkrete Frage schilderte der Zeuge, dass sie sich geküsst und umarmt hätten, sie seien fast nackt gewesen. Es wäre nur ein kurzer Augenblick gewesen und dem Zeugen sei der Vorfall unangenehm gewesen, weshalb er keine Fragen stellen wollte. Der BF habe ihm dann erzählt, dass er homosexuell sei. Der BF habe damals beim Zeugen gewohnt und er habe den beiden Männern auch die Wohnung überlassen. Der Zeuge vermittelte einen persönlich glaubhaften Eindruck und er schilderte seine Wahrnehmungen widerspruchsfrei und nachvollziehbar.

In einer Gesamtschau der Angaben des BF im gesamten Verlauf des Verfahrens und aus den dargelegten Erwägungen erscheint das Vorbringen des BF zu seiner Furcht vor Verfolgung in Sri Lanka insgesamt als glaubhaft. Es ist daher davon auszugehen, dass dem BF im Fall seiner Rückkehr nach Sri Lanka mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit Verfolgung aus asylrelevanten Gründen drohen würde und die staatlichen Einrichtungen Sri Lankas nicht in der Lage sein würden, dem BF vor dieser Verfolgung im ausreichenden Maß Schutz zu bieten.

Aufgrund der Angaben in der Beschwerdeverhandlung sowie dem Ergebnis einer Zeugenbefragung kann der Auffassung der belangten Behörde, es könne nicht festgestellt werden, dass der BF homosexuell sei, nicht beigetreten werden.

II.3. Zur Lage im Herkunftsstaat

Zu den Feststellungen zur Situation im Herkunftsstaat (Pkt. I.2.b):

Die Feststellungen zur im vorliegenden Zusammenhang maßgeblichen Situation im Herkunftsstaat stützen sich auf die zitierten Quellen. Es handelt sich dabei um Berichte diverser anerkannter staatlicher und nichtstaatlicher Einrichtungen bzw. Organisationen und bieten diese ein in inhaltlicher Hinsicht grundsätzlich übereinstimmendes und ausgewogenes Bild zur Situation in Sri Lanka. Angesichts der Seriosität der angeführten Erkenntnisquellen und der Plausibilität der überwiegend übereinstimmenden Aussagen besteht kein Grund, an der Richtigkeit der Angaben zu zweifeln.

Der BF ist diesen nach Vorhalt in der Beschwerdeverhandlung nicht substantiiert entgegengetreten. Die Berichte, auf denen die Länderfeststellungen basieren, sind nicht als veraltet zu werten. Dass sich seit der Veröffentlichung der hier wiedergegebenen Länderberichte allgemein und für den gegenständlichen Fall relevant eine entscheidende Lageveränderung ergeben hätte, kann unter Berücksichtigung der dem Bundesverwaltungsgericht von Amts wegen vorliegenden Berichte aktuelleren Datums in diesem Fall verneint werden.

III. Rechtliche Beurteilung:

III.1. Zu Spruchteil A)

Gemäß § 3 Abs. 1 AsylG 2005 ist einem Fremden, der in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz im Sinne des § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 gestellt hat, soweit dieser Antrag nicht wegen Drittstaatssicherheit oder Zuständigkeit eines anderen Staates zurückzuweisen ist, der Status des Asylberechtigten zuzuerkennen, wenn glaubhaft ist, dass ihm im Herkunftsstaat Verfolgung im Sinne des Art. 1 Abschnitt A Z 2 der Konvention über die Rechtsstellung der Flüchtlinge, BGBl. Nr. 55/1955, idF des Protokolls über die Rechtsstellung der Flüchtlinge, BGBl. Nr. 78/1974 (Genfer Flüchtlingskonvention – GFK), droht.

Als Flüchtling im Sinne des Art. 1 Abschnitt A Z 2 der GFK ist anzusehen, wer sich aus wohlbegründeter Furcht, aus Gründen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder der politischen Gesinnung verfolgt zu werden, außerhalb seines Heimatlandes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, sich des Schutzes dieses Landes zu bedienen; oder wer staatenlos ist, sich infolge obiger Umstände außerhalb des Landes seines gewöhnlichen Aufenthaltes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, in dieses Land zurückzukehren.

Die mit 01.01.2016 in Kraft getretenen Abs. 4 bis 4b des § 3 AsylG lauten:

„(4) Einem Fremden, dem der Status des Asylberechtigten zuerkannt wird, kommt eine befristete Aufenthaltsberechtigung als Asylberechtigter zu. Die Aufenthaltsberechtigung gilt drei Jahre und verlängert sich um eine unbefristete Gültigkeitsdauer, sofern die Voraussetzungen für eine Einleitung eines Verfahrens zur Aberkennung des Status des Asylberechtigten nicht vorliegen oder das Aberkennungsverfahren eingestellt wird. Bis zur rechtskräftigen Aberkennung des Status des Asylberechtigten gilt die Aufenthaltsberechtigung weiter. Mit Rechtskraft der Aberkennung des Status des Asylberechtigten erlischt die Aufenthaltsberechtigung.

(4a) Im Rahmen der Staatendokumentation (§ 5 BFA-G) hat das Bundesamt zumindest einmal im Kalenderjahr eine Analyse zu erstellen, inwieweit es in jenen Herkunftsstaaten, denen im Hinblick auf die Anzahl der in den letzten fünf Kalenderjahren erfolgten Zuerkennungen des Status des Asylberechtigten eine besondere Bedeutung zukommt, zu einer wesentlichen, dauerhaften Veränderung der spezifischen, insbesondere politischen, Verhältnisse, die für die Furcht vor Verfolgung maßgeblich sind, gekommen ist.“

Gemäß § 75 Abs. 24 AsylG 2005 sind auf Fremde, denen der Status des Asylberechtigten bereits vor Inkrafttreten des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. 24/2016 zuerkannt wurde und auf Fremde, die einen Antrag auf internationalen Schutz vor dem 15. November 2015 gestellt haben, die §§ 2 Abs. 1 Z 15, 3 Abs. e bis 4b, 7 Abs. 2a und 51a in der Fassung des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. 24/2016 nicht anzuwenden.

Zentrales Element des Flüchtlingsbegriffes ist nach ständiger Rechtsprechung des VwGH die „wohlbegründete Furcht vor Verfolgung“ (vgl. VwGH 22.12.1999, Zl. 99/01/0334; 21.12.2000, Zl. 2000/01/0131; 25.01.2001, Zl. 2001/20/0011). Eine solche liegt dann vor, wenn sie im Lichte der speziellen Situation des Asylwerbers unter Berücksichtigung der Verhältnisse im Verfolgerstaat objektiv nachvollziehbar ist. Es kommt nicht darauf an, ob sich eine bestimmte Person in einer konkreten Situation tatsächlich fürchtet, sondern ob sich eine mit Vernunft begabte Person in dieser Situation aus Konventionsgründen fürchten würde (VwGH 09.03.1999, Zl. 98/01/0370; 21.09.2000, Zl. 2000/20/0286).

Unter Verfolgung ist ein ungerechtfertigter Eingriff von erheblicher Intensität in die zu schützende Sphäre des Einzelnen zu verstehen, welcher geeignet ist, die Unzumutbarkeit der Inanspruchnahme des Schutzes des Heimatstaates bzw. der Rückkehr in das Land des vorigen Aufenthaltes zu begründen (VwGH 24.11.1999, Zl. 99/01/0280). Eine Verfolgungsgefahr ist dann anzunehmen, wenn eine Verfolgung mit einer maßgeblichen Wahrscheinlichkeit droht, die entfernte Möglichkeit einer Verfolgung genügt nicht (VwGH 19.12.1995, Zl. 94/20/0858; 23.09.1998, Zl. 98/01/0224; 09.03.1999, Zl. 98/01/0318; 09.03.1999, Zl. 98/01/0370; 06.10.1999, Zl. 99/01/0279 mwN; 19.10.2000, Zl. 98/20/0233; 21.12.2000, Zl. 2000/01/0131; 25.01.2001, Zl. 2001/20/0011).

Die Verfolgungsgefahr muss aktuell sein, was bedeutet, dass sie zum Zeitpunkt der Entscheidung vorliegen muss (VwGH 09.03.1999, Zl. 98/01/0318; 19.10.2000, Zl. 98/20/0233). Bereits gesetzte vergangene Verfolgungshandlungen können im Beweisverfahren ein wesentliches Indiz für eine bestehende Verfolgungsgefahr darstellen, wobei hierfür dem Wesen nach eine Prognose zu erstellen ist (VwGH 05.11.1992, Zl. 92/01/0792; 09.03.1999, Zl. 98/01/0318). Die Verfolgungsgefahr muss ihre Ursache in den in der GFK genannten Gründen haben, welche Art. 1 Abschnitt A Z 2 nennt, und muss ihrerseits Ursache dafür sein, dass sich die betreffende Person außerhalb ihres Heimatstaates bzw. des Staates ihres vorigen Aufenthaltes befindet. Die Verfolgungsgefahr muss dem Heimatstaat bzw. dem Staat des letzten gewöhnlichen Aufenthaltes zurechenbar sein, wobei Zurechenbarkeit nicht nur ein Verursachen bedeutet, sondern eine Verantwortlichkeit in Bezug auf die bestehende Verfolgungsgefahr bezeichnet (VwGH 16.06.1994, Zl. 94/19/0183).

Von einer mangelnden Schutzfähigkeit des Staates kann nicht bereits dann gesprochen werden, wenn der Staat nicht in der Lage ist, seine Bürger gegen jedwede Übergriffe seitens Dritter präventiv zu schützen. Es ist erforderlich, dass der Schutz generell infolge Fehlens einer nicht funktionierenden Staatsgewalt nicht gewährleistet wird (vgl. VwGH 01.06.1994, Zl. 94/18/0263; 01.02.1995, Zl. 94/18/0731). Die mangelnde Schutzfähigkeit hat jedoch nicht zur Voraussetzung, dass überhaupt keine Staatsgewalt besteht – diesfalls wäre fraglich, ob von der Existenz eines Staates gesprochen werden kann –, die ihren Bürgern Schutz bietet. Es kommt vielmehr darauf an, ob in dem relevanten Bereich des Schutzes der Staatsangehörigen vor Übergriffen durch Dritte aus den in der GFK genannten Gründen eine ausreichende Machtausübung durch den Staat möglich ist. Mithin kann eine von dritter Seite ausgehende Verfolgung nur dann zur Asylgewährung führen, wenn sie von staatlichen Stellen infolge nicht ausreichenden Funktionierens der Staatsgewalt nicht abgewendet werden kann (VwGH 22.03.2000, Zl. 99/01/0256).

Verfolgungsgefahr kann nicht ausschließlich aus individuell gegenüber dem Einzelnen gesetzten Einzelverfolgungsmaßnahmen abgeleitet werden, vielmehr kann sie auch darin begründet sein, dass regelmäßig Maßnahmen zielgerichtet gegen Dritte gesetzt werden, und zwar wegen einer Eigenschaft, die der Betreffende mit diesen Personen teilt, sodass die begründete Annahme besteht, (auch) er könnte unabhängig von individuellen Momenten solchen Maßnahmen ausgesetzt sein (VwGH 09.03.1999, Zl. 98/01/0370; 22.10.2002, Zl. 2000/01/0322).

Die Voraussetzungen der GFK sind nur bei jenem Flüchtling gegeben, der im gesamten Staatsgebiet seines Heimatlandes keinen ausreichenden Schutz vor der konkreten Verfolgung findet (VwGH 08.10.1980, VwSlg. 10.255 A). Steht dem Asylwerber die Einreise in Landesteile seines Heimatstaates offen, in denen er frei von Furcht leben kann, und ist ihm dies zumutbar, so bedarf er des asylrechtlichen Schutzes nicht; in diesem Fall liegt eine sog. „inländische Fluchtalternative“ vor. Der Begriff „inländische Fluchtalternative“ trägt dem Umstand Rechnung, dass sich die wohlbegründete Furcht vor Verfolgung iSd. Art. 1 Abschnitt A Z 2 GFK, wenn sie die Flüchtlingseigenschaft begründen soll, auf das gesamte Staatsgebiet des Heimatstaates des Asylwerbers beziehen muss (VwGH 08.09.1999, Zl. 98/01/0503 und Zl. 98/01/0648).

Grundlegende politische Veränderungen in dem Staat, aus dem der Asylwerber aus wohlbegründeter Furcht vor asylrelevanter Verfolgung geflüchtet zu sein behauptet, können die Annahme begründen, dass der Anlass für die Furcht vor Verfolgung nicht (mehr) länger bestehe. Allerdings reicht eine bloße – möglicherweise vorübergehende – Veränderung der Umstände, die für die Furcht des betreffenden Flüchtlings vor Verfolgung mitbestimmend waren, jedoch keine wesentliche Veränderung der Umstände iSd. Art. 1 Abschnitt C Z 5 GFK mit sich brachten, nicht aus, um diese zum Tragen zu bringen (VwGH 21.01.1999, Zl. 98/20/0399; 03.05.2000, Zl. 99/01/0359).

Auf Grund des durchgeführten Ermittlungsverfahrens und des festgestellten Sachverhaltes ergibt sich, dass die behauptete Furcht des BF, in seinem Herkunftsstaat mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit aus den in der GFK genannten Gründen verfolgt zu werden, begründet ist:

Ein in seiner Intensität asylrelevanter Eingriff in die vom Staat zu schützende Sphäre des Einzelnen führt dann zur Flüchtlingseigenschaft, wenn er an einem in Art. 1 Abschnitt A Z 2 der GFK festgelegten Grund, nämlich die Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder politische Gesinnung anknüpft.

Der BF konnte seine sexuelle Orientierung vor dem Bundesverwaltungsgericht glaubhaft machen. Homosexualität wird in Sri Lanka durch das Gesetz kriminalisiert. Der Strafrahmen sieht Freiheitsstrafen von bis zu zwei Jahren oder eine Geldstrafe vor. Zwar sind in jüngerer Zeit keine Fälle von Strafverfolgung/Verurteilung bekannt geworden, jedoch werden sie in der Gesellschaft ebenfalls oft diskriminiert und gibt es keine staatlichen Schutzmöglichkeiten. Diese Situation wird durch die Polizei, die die Androhungen der Verhaftungen dazu nutzt, LGBTI-Personen anzugreifen, zu belästigen und zu erpressen, unterstützt. Somit ist die homosexuelle Gemeinschaft in Sri Lanka dazu verurteilt, ihre Neigungen zu verbergen, um nicht physischer oder verbaler Gewalt zu werden. Der Staat ist nicht gewillt Homosexuelle vor Übergriffen durch die Bevölkerung und staatlichen Behörden und Organen zu schützen. (siehe Länderfeststellungen Punkt I.2.b). Die vorgebrachte Verfolgungsgefahr wird durch diese Berichte bestätigt.

Von einem Asylwerber kann nicht erwartet werden, dass er seine Homosexualität in seinem Herkunftsland geheim hält, um eine Verfolgung zu vermeiden (vgl. VwGH 20.09.2018, Ra 2018/20/0043; VwGH 16.11.2016, Ra 2015/18/0295, mwH auf EuGH 7.11.2013, Minister voor Immigratie en Asiel/X, Y, Z, C-199/12 bis C- 201/12).

Es ist daher zusammenfassend festzuhalten, dass der BF der sozialen Gruppe der Homosexuellen zuzurechnen ist und bei einer Rückkehr nach Sri Lanka mit maßgebender Wahrscheinlichkeit Eingriffe von hoher Intensität in seine zu schützende persönliche Sphäre drohen und diese Verfolgung durchaus nach wie vor aktuell ist. Dieser Eingriff in das Privatleben homosexueller Bürger Sri Lankas beeinträchtigt ihre persönliche Freiheit erheblich und stellt in Österreich eine Verletzung eines verfassungsgesetzlich gewährleisteten Grundrechts dar und ist ebenso in der europäischen Menschenrechtskonvention und in der Charta der Grundrechte der europäischen Union garantiert, die in dieser Angelegenheit verbindlich sind. Diese Verletzung des Grundrechts spiegelt sich automatisch in der individuellen Lage homosexueller Personen wider, die sich in einer objektiven Verfolgungssituation befinden, um die Gewährung des Asylstatus zu gewährleisten.

Es liegt eine asylrelevante Verfolgung vor, weil die Behörden Sri Lankas Verfolgungshandlungen von Zivilpersonen gegenüber weder schutzfähig noch schutzwillig sind, womit LGBTIQ-Personen, mannigfaltigen Diskriminierungen im alltäglichen Leben sowie Gewaltakten durch die Bevölkerung hilflos ausgeliefert sind.

Aufgrund des in ganz Sri Lanka gültigen Rechtes und der in der Gesellschaft Sri Lankas bestehenden Traditionen und Moralvorstellungen sowie der allgemein vorherrschenden Intoleranz gegenüber Homosexuellen und den damit zusammenhängenden benachteiligenden Auswirkungen des Gesellschaftssystems in Sri Lanka ist davon auszugehen, dass sich die oben dargestellte Situation des BF im gesamten Staatsgebiet Sri Lankas ergibt. Es ist daher hinsichtlich dieses dargestellten Verfolgungsrisikos davon auszugehen, dass keine inländische Fluchtalternative besteht.

Der BF konnte somit glaubhaft machen, dass ihm im Herkunftsstaat Verfolgung im Sinne des Art. 1 Abschnitt A Z 2 GFK droht. Es ist zusammenfassend festzuhalten, dass sich der BF aus wohlbegründeter Furcht, aus Gründen seiner sexuellen Orientierung verfolgt zu werden, außerhalb Sri Lankas befindet und im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, in seinen Herkunftsstaat zurückzukehren.

Da weder eine innerstaatliche Fluchtalternative besteht noch ein in Art. 1 Abschnitt C oder F der GFK genannter Endigungs- und Asylausschlussgrund hervorgekommen ist, war der Beschwerde des BF stattzugeben und ihm gemäß § 3 Abs. 1 AsylG 2005 der Status eines Asylberechtigten zuzuerkennen.

Gemäß § 3 Abs. 5 AsylG 2005 war die Entscheidung über die Zuerkennung des Status des Asylberechtigten mit der Feststellung zu verbinden, dass dem Fremden damit kraft Gesetzes die Flüchtlingseigenschaft zukommt.

Der Vollständigkeit halber ist darauf hinzuweisen, dass der gegenständliche Antrag auf internationalen Schutz am 05.10.2015 - und somit vor 15.11.2015 - gestellt wurde, wodurch insbesondere die §§ 2 Abs. 1 Z 15 und 3 Abs. 4 AsylG 2005 idF BGBl. I 24/2016 ("Asyl auf Zeit") gemäß § 75 Abs. 24 AsylG im konkreten Fall keine Anwendung findet.

III.2. Zu Spruchteil B)

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab (vgl. dazu die zu Spruchpunkt A zitierte Rechtsprechung), noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor. Die in Bezug auf einen Antrag auf internationalen Schutz vom Bundesverwaltungsgericht im Einzelfall vorzunehmende Beweiswürdigung ist – soweit diese nicht unvertretbar ist – nicht revisibel (z.B. VwGH 19.04.2016, Ra 2015/01/0002, mwN). Auch bei Gefahrenprognosen im Sinne des § 8 Abs. 1 AsylG 2005 und bei Interessenabwägungen nach Art. 8 EMRK handelt es sich letztlich um einzelfallbezogene Beurteilungen, die im Allgemeinen nicht revisibel sind (z.B. 18.03.2016, Ra 2015/01/0255; 12.10.2016, Ra 2016/18/0039).

Schlagworte

asylrechtlich relevante Verfolgung Flüchtlingseigenschaft Homosexualität wohlbegründete Furcht

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2021:W163.2171841.1.00

Im RIS seit

20.08.2021

Zuletzt aktualisiert am

20.08.2021
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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