TE Bvwg Beschluss 2021/7/6 W185 2243165-1

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Veröffentlicht am 06.07.2021
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Entscheidungsdatum

06.07.2021

Norm

AsylG 2005 §5
B-VG Art133 Abs4
FPG §61
VwGVG §28 Abs1
VwGVG §31 Abs1

Spruch


W185 2243165-1/6E

BESCHLUSS

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. Gerhard PRÜNSTER als Einzelrichter über die Beschwerde von XXXX alias XXXX , geb. XXXX alias XXXX , StA. Pakistan, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 28.05.2021, Zl. 1277148108/210519707, folgenden Beschluss gefasst:

A)

Das Verfahren wird gemäß §§ 28 Abs 1, 31 Abs. 1 VwGVG als gegenstandslos geworden eingestellt.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.


Text


Begründung:

I. Verfahrensgang

Der Beschwerdeführer (BF) stellte nach irregulärer Einreise in das österreichische Bundesgebiet am 19.04.2021 einen Antrag auf internationalen Schutz. Einer im Akt aufliegenden Eurodac-Treffermeldung ist zu entnehmen, dass der BF am 04.12.2020 in Rumänien um Asyl angesucht hat (RO“1“…).

Am 01.05.2021 wurde die Schubhaft über den BF verhängt.

Im Zuge seiner Erstbefragung am 20.04.2021 gab der BF im Wesentlichen an, der Einvernahme ohne gesundheitliche Probleme folgen könne. Er sei verheiratet, habe zwei Töchter und zwei Söhne, jedoch keine Familienangehörigen in Österreich. Sein Zielland sei Deutschland gewesen, da dort ein Cousin von ihm aufhältig sei. Der BF habe Pakistan Ende 2019 verlassen und sei über den Iran und die Türkei nach Griechenland gelangt, wo er sich 40 Tage aufgehalten und Behördenkontakt sowie eine ED-Behandlung gehabt habe. In der Folge sei er von Serbien nach Bosnien gereist, wo er sich sieben Monate aufgehalten habe, bevor er erneut für einen Monat in Serbien gekommen sei. Anschließend sei er über Rumänien und die Slowakei am 18.04.2021 nach Österreich gelangt. In Rumänien und in der Slowakei habe der BF sowohl Behördenkontakt als auch eine ED-Behandlung gehabt. In Rumänien habe er sich im Flüchtlingslager in XXXX aufgehalten. Die Situation im Lager sei „okay“ gewesen, sein Asylantrag jedoch abgelehnt worden. Mehr wolle er dazu nicht sagen. Nach Rumänien zurückkehren wolle der BF nicht, zumal dort sein Asylantrag abgelehnt worden sei.

Das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl richtete am 03.05.2021 ein Wiesderaufnahmeersuchen gemäß Art. 18 Abs. 1 lit d der Verordnung (EU) Nr. 604/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates (im Folgenden: „Dublin III-VO“) an Rumänien. Dies unter Hinweis auf den Eurodac-Treffer der Kategorie 1 mit Rumänien, des von dem BF bekannt gegebenen Reiseweges, sowie der Tatsache der Inhaftierung des BF in Österreich.

Mit Schreiben vom 13.05.2021 stimmte die rumänische Dublin-Behörde zu, den BF auf Grundlage des Art. 18 Abs. 1 lit d Dublin III-VO zu übernehmen. Es wurden die o.a. Aliasdaten bekannt gegeben und mitgeteilt, dass der Antrag des BF vom 04.12.2021 am 16.12.2020 abgelehnt und ein Rechtsmittel nicht erhoben worden wäre. (vgl. AS 81).

Am 27.05.2021 erfolgte die niederschriftliche Einvernahme des BF vor dem Bundesamt. Hierbei gab der BF zusammengefasst an, sich psychisch und physisch in der Lage zu fühlen, die Befragung zu absolvieren. Es gehe ihm gesundheitlich gut. Er sei nicht in ärztlicher Behandlung und benötige keine Medikamente. Bei der Erstbefragung habe er wahrheitsgemäß geantwortet. Er habe einen Cousin, welcher in Deutschland aufhältig sei. In Rumänien habe der BF seine Fingerabdrücke abgeben müssen, den Asylantrag habe er aber nicht freiwillig gestellt. Nach einem Interview habe man er einen negativen Bescheid erhalten und sei aufgefordert worden, das Land zu verlassen. Über Vorhalt der Zustimmung Rumäniens zur Übernahme und der Absicht der Behörde, den gegenständlichen Asylantrag zurückzuweisen und den BF nach Rumänien zu überstellen, erklärte dieser, dass die Situation in Rumänien „schlecht“ sei. Viele Flüchtlinge hätten keine Papiere, es gebe Streit unter diesen, was „gefährlich und furchtbar“ sei. In Rumänien habe es keine Drohungen gegen den BF ; er wäre dort auch nicht schlecht versorgt worden.

Mit Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl (BFA) vom 28.05.2021, zugestellt am selben Tag, wurde der Antrag des BF auf internationalen Schutz ohne in die Sache einzutreten gem. § 5 Abs. 1 AsylG 2005 als unzulässig zurückgewiesen und ausgesprochen, dass Rumänien für die Prüfung der Anträge gem. Art. 18 Abs. 1 lit. d Dublin III-VO zuständig sei (Spruchpunkt I.). Gleichzeitig wurde gegen den BF gem. § 61 Abs. 1 FPG die Außerlandesbringung angeordnet und festgestellt, dass demzufolge deren Abschiebung nach Rumänien gem. § 61 Abs. 2 FPG zulässig sei (II.).

Begründend wurde ausgeführt, dass die Identität des BF nicht feststehe. Der BF leide nicht an schweren lebensbedrohenden Krankheiten und sei auch nicht immungeschwächt. Er habe in Österreich keine Angehörigen oder Verwandten, zu denen ein finanzielles Abhängigkeitsverhältnis oder eine besonders enge Beziehung bestünde. In Rumänien sei der BF keiner Verfolgung oder Bedrohung ausgesetzt. Eine Außerlandesbringung verletzte den BF nicht in seinen durch Art 8 EMRK geschützten Rechten. Auch eine Art 3 EMRK-Verletzung sei mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit nicht zu erwarten. Die Regelvermutung des § 5 Abs 3 AsylG habe nicht erschüttert werden können. Ein zwingender Anlass für die Ausübung des Selbsteintrittsrechts nach Art 17 Abs 1 Dublin III-VO habe sich nicht ergeben.

Gegen den o.a. Bescheid des BFA vom 04.06.2021 wurde fristgerecht Beschwerde erhoben. Darin wurde im Wesentlichen vorgebracht, dass die von der belangten Behörde herangezogenen Länderfeststellungen nicht ausreichend aktuell und ausgewogen seien. Auf die COVID-19-Situation sei nicht Bezug genommen worden; die Todeszahlen in Rumänien seien deutlich höher als jene in Österreich. Die medizinische Versorgung sei sehr schlecht; dies betreffe va auch Asylsuchende. In Rumänien herrsche eine feindselige Haltung gegenüber Asylsuchenden vor, welche auch zu Hassverbrechen führe. Die Unterbringungs- und Versorgungssituation würden gravierende Mängel aufweisen; es lägen systemische Mängel im rumänischen Asylwesen vor. Dem BF würden im Falle der Rückkehr Obdachlosigkeit sowie bis zu 18 Monate Haft drohen, obwohl einem Folgeantrag gesetzlich aufschiebende Wirkung zukomme. Auch bestehe die reale Gefahr einer Kettenabschiebung. Nach dem Gesagten verstoße eine Abschiebung des BF nach Rumänien gegen Art 3 EMRK und sei sohin unzulässig. Österreich hätte vom Selbsteintrittsrecht Gebrauch machen müssen.

Am 21.06.2021 langte beim BVwG die vom BF unterzeichnete Überstellungserklärung in den zuständigen Mitgliedstaat Rumänien ein.

Mit handschriftlichem Schreiben, hg eingelangt am 30.06.2021, gab der BF – nach erfolgter Rechtsberatung durch die BBU – bekannt, die Beschwerde vom 04.06.2021 zurückzuziehen und nach Rumänien zurückkehren zu wollen.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

Festgestellt wird der unter I. dargestellte Verfahrensgang.

2. Beweiswürdigung:

Beweis wurde erhoben durch Einsicht in den Verwaltungsakt sowie in den Gerichtsakt.

3. Rechtliche Beurteilung:

A) Einstellung des Verfahrens:

Gemäß § 6 BVwGG entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist. Eine derartige Regelung wird in den einschlägigen Normen (VwGVG, BFA-VG, AsylG, FPG) nicht getroffen, und es liegt somit Einzelrichterzuständigkeit vor.

Das Verfahren der Verwaltungsgerichte mit Ausnahme des Bundesfinanzgerichtes ist durch das VwGVG, BGBl. I 2013/33 i.d.F. BGBl. I 2018/57, geregelt (§ 1 leg.cit.). Gemäß § 58 Abs. 2 VwGVG bleiben entgegenstehende Bestimmungen, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes bereits kundgemacht wurden, in Kraft.

Gemäß § 17 VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles, die Bestimmungen der Bundesabgabenordnung – BAO, BGBl. Nr. 194/1961, des Agrarverfahrensgesetzes – AgrVG, BGBl. Nr. 173/1950, und des Dienstrechtsverfahrensgesetzes 1984 – DVG, BGBl. Nr. 29/1984, und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.

Aus den Bestimmungen des §§ 28 Abs. 1 und 31 Abs. 1 VwGVG geht hervor, dass das Verwaltungsgericht in jenem Fall, in dem das Verfahren – hier: das Beschwerdeverfahren – einzustellen ist, eine Entscheidung in der Rechtsform des Beschlusses zu treffen hat. Gemäß § 31 Abs. 1 VwGVG erfolgen nämlich die Entscheidungen und Anordnungen eines Verwaltungsgerichts durch Beschluss, soweit nicht ein Erkenntnis zu fällen ist. § 28 Abs. 1 VwGVG nimmt die Einstellung des Verfahrens, wozu jedenfalls die Einstellung des Beschwerdeverfahrens zu zählen ist, von der Erledigung mittels Erkenntnis ausdrücklich aus. Aus diesen Bestimmungen ergibt sich aber auch, dass eine bloß formlose Beendigung (etwa durch Einstellung mittels Aktenvermerkes) eines nach dem VwGVG vom Verwaltungsgericht geführten Verfahrens nicht in Betracht kommt. Handelt es sich doch bei der Entscheidung eines Verwaltungsgerichts, ein bei ihm anhängiges Verfahren nicht weiterzuführen, um eine Entscheidung iSd § 31 Abs. 1 VwGVG (vgl. zur Bejahung der Notwendigkeit der Fällung eines Beschlusses über die Verfahrenseinstellung auch Fuchs in Fister/Fuchs/Sachs, Verwaltungsgerichtsverfahren, § 28 VwGVG Anm 5 und § 31 VwGVG Anm 5, sowie Schmid in Eder/Martschin/Schmid, Das Verfahren der Verwaltungsgerichte, § 28 VwGVG Anm K 3 und § 31 VwGVG Anm K 2) [ vgl. VwGH vom 29.04.2015, Zl. Fr 2014/20/0047].

In welchen Fällen das Verfahren einzustellen ist, regelt das VwGVG nicht. Die Einstellung steht nach allgemeinem Verständnis am Ende jener Verfahren, in denen ein Erledigungsanspruch nach Beschwerdeeinbringung verloren geht (Leeb in Hengstschläger/Leeb, AVG ErgBd § 28 VwGVG Rz 18ff; vgl auch § 33 VwGVG; § 66 AVG und dazu Hengstschläger/Leeb, AVG III § 66 Rz 56f; zur verfahrensbeendenden Wirkung des Einstellungsbeschlusses zB VwGH 15.12.2015, Ra 2015/22/0127). Jedenfalls erfasst ist hier der Fall der Zurückziehung der Beschwerde (vgl Fister/Fuchs/Sachs, Verwaltungsgerichtsverfahren 2018, § 28 VwGVG, Anm 5).

Mit der – nach erfolgter Rechtsberatung seitens der BBU GmbH - am 30.06.2021 übermittelten ausdrücklichen, schriftlichen Zurückziehung der Beschwerde hat der BF zweifelsfrei dargetan, dass ein rechtliches Interesse an einer Sachentscheidung nicht mehr besteht. Das Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht war in der Folge für gegenstandslos geworden zu erklären und einzustellen.

B) Unzulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Dieser Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer solchen Rechtsprechung, des Weiteren ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Das Bundesverwaltungsgericht konnte sich im vorliegenden Fall auf eine ohnehin klare Rechtslage stützen. Diese wird durch die Erläuterungen (ErlRV 2009 BlgNR XXIV. GP, 7) gestützt, wonach eine Einstellung des Verfahrens durch Beschluss zu erfolgen hat.

Schlagworte

Gegenstandslosigkeit Verfahrenseinstellung Zurückziehung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2021:W185.2243165.1.00

Im RIS seit

20.08.2021

Zuletzt aktualisiert am

20.08.2021
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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