Entscheidungsdatum
16.07.2021Norm
Ausstellung von Behindertenpässen und von Parkausweisen §1Spruch
I414 2232281-1/8E
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. Christian EGGER als Vorsitzender und den Richter Dr. Harald NEUSCHMID, sowie die fachkundige Laienrichterin Dr. Elisabeth RIEDER als Beisitzerin über die Beschwerde der XXXX gegen den Bescheid des Sozialministeriumservice, Landesstelle Tirol (SMS) vom 19.05.2020, Zl. XXXX , betreffend den Antrag auf Vornahme der Zusatzeintragung „Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung“, in nicht öffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:
A)
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
B)
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Text
Entscheidungsgründe:
I. Verfahrensgang:
XXXX (in der Folge als Beschwerdeführerin bezeichnet) beantragte am 12.02.2020 die Vornahme der Zusatzeintragung „Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung“ in den Behindertenpass.
Vom Sozialministeriumservice (in der Folge als belangte Behörde bezeichnet) wurde ein Sachverständigengutachten aufgrund der Aktenlage eingeholt und hielt Dr. Gsch. zusammengefasst fest, dass die Beschwerdeführerin eine kurze Wegstrecke von 300 bis 400 Meter aus eigener Kraft und ohne Fremdhilfe zurücklegen könne. Es sei auch das Ein- und Aussteigen sowie ein sicherer Transport gewährleistet.
Mit Bescheid vom 19.05.2020 wurde der Antrag auf Zusatzeintragung in den Behindertenpass abgewiesen.
Dagegen erhob die Beschwerdeführerin Rechtsmittel an das Bundesverwaltungsgericht. Begründend wurde die Beschwerde mit einem medizinischen Befund des Facharztes Dr. L. vom 05.02.2020, aus dem sich ergebe, dass die Beschwerdeführerin als chronische Schmerzpatientin nicht in der Lage sei, kurze Strecken schmerzfrei zu gehen. Es sei aufgrund der Veränderungen im Bewegungsapparat auch nicht möglich, mit öffentlichen Verkehrsmitteln zu fahren und sei sie auf das Auto angewiesen.
Vom erkennenden Gericht wurde ein weiteres Sachverständigengutachten eingeholt. Nach persönlicher Untersuchung der Beschwerdeführerin langte das Gutachten vom 31.07.2020 des Dr. G. ein, dem nach Gewährung eines Parteiengehörs seitens der Verfahrensparteien nicht entgegengetreten wurde.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1. Feststellungen:
Aufgrund des durchgeführten Ermittlungsverfahrens steht nachstehender entscheidungswesentlicher Sachverhalt als erwiesen fest:
Die Beschwerdeführerin ist am XXXX geboren und hat ihren Wohnsitz in Österreich. Sie ist in Besitz eines Behindertenpasses und leidet an einer generalisierten Erkrankung des Bewegungsapparates.
Die Beschwerdeführerin kann unter Zuhilfenahme von zweckmäßigen Behelfen eine kurze Wegstrecke von 300 bis 400 Meter ohne Unterbrechung zurücklegen.
Die Verwendung erforderlicher Behelfe erschwert die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel nicht in hohem Maß.
Das Ein- und Aussteigen sowie der sichere Transport im Verkehrsmittel sind gewährleistet.
Es bestehen weder erhebliche Einschränkungen der unteren Extremitäten, noch der körperlichen Belastbarkeit. Neurologische und intellektuelle Fähigkeiten sind nicht eingeschränkt. Trotz bestehender Hinweise auf eine Depression sind die psychischen Fähigkeiten nicht erheblich eingeschränkt.
Die Beschwerdeführerin ist nicht hochgradig sehbehindert, blind oder taubblind. Es besteht keine schwere anhaltende Erkrankung des Immunsystems.
2. Beweiswürdigung:
Die Feststellungen zu Wohnort und Alter der Beschwerdeführerin sowie zum Pass ergeben sich aus dem vorgelegten Akt der belangten Behörde und sind unstrittig.
Die Feststellungen zu den funktionellen Einschränkungen der Beschwerdeführerin basieren auf dem von der belangten Behörde eingeholten Gutachten der Dr. Gsch., einem Facharzt für Chirurgie vom 30.03.2020. Darin wurden das frühere Sachverständigengutachten sowie die vorgebrachten ärztlichen Unterlagen angeführt und berücksichtigt.
Die Feststellung zur Zumutbarkeit der Benützung der öffentlichen Verkehrsmittel ergibt sich ebenso aus dem oben angeführten Gutachten und insbesondere aber aus dem ergänzend eingeholten Gutachten des Dr. G.. Darin fanden auch wiederum alle vorhandenen medizinischen Unterlagen Berücksichtigung und zeichnet der Sachverständige ein nachvollziehbares Bild hinsichtlich des Gangbildes nach persönlicher Untersuchung der Beschwerdeführerin. Die vom erkennenden Gericht explizit zum Vorbringen der Beschwerdeführerin gestellten Fragen beantwortete der Gutachter eingehend, schlüssig und nachvollziehbar. Es wurde widerspruchsfrei dargestellt, dass das Zurücklegen einer kurzen Wegstrecke unter Zuhilfenahme zweckmäßiger Behelfe aus eigener Kraft und ohne fremde Hilfe möglich ist. Der Sachverständige legte anschaulich dar, dass die Problematik bei der Beschwerdeführerin im Bereich der Halswirbelsäule liegt und diese Einschränkung operativ durch Fusionierung m unteren Halswirbelbereich versorgt wurde. Dr. G. verkennt nicht, dass Einschränkungen im Bereich der Lendenwirbelsäule und des linken Kniegelenks vorliegen, allerdings ergibt sich aus den Befunden keine Notwendigkeit von Krückstöcken und ist auch das gezeigte komplizierte Gangbild damit nicht zu begründen. Der Gutachter konnte sich in der persönlichen Untersuchung ein Bild von den Möglichkeiten der Beschwerdeführerin machen und konnten deshalb die Ausführungen auch schlüssig nachempfunden werden. Abschließend wurde explizit aufmerksam gemacht, dass sich das dargestellte Erscheinungsbild teilweise deutlich von den mitgesandten Befunden unterscheidet.
Im Gutachten führte er basierend auf dem Erscheinungsbild der Beschwerdeführerin und in Zusammenschau mit den vorgelegten Befunden aus, dass keine der Einschränkungen erheblich oder schwer ist oder sich auf das Überwinden von Niveauunterschiede und den sicheren Transport im Verkehrsmittel derart negativ auswirkt, dass diese Vorgänge verunmöglicht wären.
Hinsichtlich der psychischen Einschränkung führte Dr. G. Hinweise auf das Vorliegen einer Depression an. Er empfahl lediglich die Konsultation der behandelnden Psychiaterin, führte aber nicht aus, dass dadurch die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel in irgendeiner Weise beeinträchtigt wäre.
Hinweise auf eine Erkrankung des Immunsystems, einer Bild- oder Taubheit haben sich nicht ergeben und wurden auch nicht vorgebracht.
Das Gutachten nimmt Bezug auf alle Umstände und legt die medizinische Sicht dar. Es steht mit den allgemeinen Gesetzen der Logik im Einklang, ist schlüssig und vollständig und ihm wurde nicht (mehr) entgegen getreten. Die Ausführungen in der Beschwerde beschränken sich auf das Darlegen des allgemeinen Befindens und holen einen Befund in Erinnerung, der nach Ansicht der Beschwerdeführerin nicht berücksichtigt worden sei. Diese Unterlage wurde in das Gutachten des Dr. G. neuerlich miteinbezogen und wie von der Beschwerdeführerin auch angeregt, eine persönliche Untersuchung durchgeführt. Aus diesen Gründen legt der erkennende Senat das Gutachten des Dr. G. vom 31.07.2020 unter freier Beweiswürdigung seiner Entscheidung zu Grunde.
Im Übrigen wäre es jedoch der Beschwerdeführerin frei gestanden, das im Auftrag der Behörde bzw. des Gerichtes erstellte Gutachten durch die Beibringung eines Gegengutachtens eines Sachverständigen ihrer Wahl zu entkräften bzw. zu widerlegen zu versuchen. Dies ist im gegenständlichen Verfahren nicht erfolgt (vgl. VwGH vom 26.02.2008, Zl. 2005/11/0210). Es erfolgte auch keine Stellungnahme mehr zum abschließenden Gutachten und steht der maßgebliche Sachverhalt dadurch für den erkennenden Senat zweifelsfrei fest.
Zum Unterbleiben einer mündlichen Verhandlung:
Nach § 24 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht auf Antrag oder, wenn es dies für erforderlich hält, von Amts wegen eine öffentliche mündliche Verhandlung durchzuführen (§ 24 Abs. 1 VwGVG). Wurde - wie im vorliegenden Fall - kein entsprechender Antrag gestellt, ist die Frage, ob von Amts wegen eine Verhandlung durchgeführt wird, in das pflichtgemäße - und zu begründende - Ermessen des Verwaltungsgerichts gestellt, wobei die in § 24 Abs. 2, 3, 4 und 5 normierten Ausnahmebestimmungen als Anhaltspunkte der Ermessensübung anzusehen sind (vgl. zur insofern gleichartigen Regelungsstruktur des § 67d Abs. 1 und 2 bis 4 AVG [alte Fassung] die Darstellung bei Hengstschläger/Leeb, AVG [2007] § 67d Rz 17 und 29, mwH). Gemäß Abs. 3 leg.cit. hat der Beschwerdeführer die Durchführung einer Verhandlung in der Beschwerde oder im Vorlageantrag zu beantragen. Gemäß Abs. 4 leg. cit. kann, soweit durch Bundes- oder Landesgesetz nicht anderes bestimmt ist, das Verwaltungsgericht ungeachtet eines Parteiantrages von einer Verhandlung absehen, wenn die Akten erkennen lassen, dass die mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten lässt, und einem Entfall der Verhandlung weder Art. 6 Abs. 1 der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten, BGBl. Nr. 210/1958, noch Art. 47 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union, ABl. Nr. C 83 vom 30.03.2010 S. 389 entgegenstehen.
Der im Beschwerdefall maßgebliche Sachverhalt ergibt sich aus dem Akt der belangten Behörde sowie aus den eingeholten Gutachten. Von der Möglichkeit zur Abgabe einer Stellungnahme zum ergänzend eingeholten Sachverständigengutachten wurde nicht Gebrauch gemacht, da weder von der belangten Behörde noch von der Beschwerdeführerin ein Schriftsatz einlangte. Der Sachverhalt gilt für den erkennenden Senat somit als erwiesen und unbestritten. Dies lässt die Einschätzung zu, dass die mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten ließ und eine Entscheidung ohne vorherige Verhandlung im Beschwerdefall nicht nur mit Art. 6 EMRK und Art. 47 GRC kompatibel ist, sondern auch im Sinne des Gesetzes (§ 24 Abs. 1 VwGVG) liegt, weil damit dem Grundsatz der Zweckmäßigkeit, Raschheit, Einfachheit und Kostenersparnis (§ 39 Abs. 2a AVG) gedient ist, gleichzeitig aber das Interesse der materiellen Wahrheit und der Wahrung des Parteiengehörs nicht verkürzt wird. Die Abhaltung einer mündlichen Verhandlung wurde im Übrigen auch nicht beantragt.
3. Rechtliche Beurteilung:
3.1. Gemäß § 6 BVwGG entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist.
Gemäß § 45 Abs. 3 hat in Verfahren auf Ausstellung eines Behindertenpasses, auf Vornahme von Zusatzeintragungen oder auf Einschätzung des Grades der Behinderung die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts durch den Senat zu erfolgen. Gegenständlich liegt somit Senatszuständigkeit vor.
Das Verfahren der Verwaltungsgerichte mit Ausnahme des Bundesfinanzgerichtes ist durch das VwGVG, BGBl. I Nr. 33/2013, geregelt (§ 1 leg.cit.). Gemäß § 58 Abs. 2 VwGVG bleiben entgegenstehende Bestimmungen, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes bereits kundgemacht wurden, in Kraft.
Gemäß § 17 VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles, die Bestimmungen der Bundesabgabenordnung – BAO, BGBl. Nr. 194/1961, des Agrarverfahrensgesetzes – AgrVG, BGBl. Nr. 173/1950, und des Dienstrechtsverfahrensgesetzes 1984 – DVG, BGBl. Nr. 29/1984, und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.
Zu A) Abweisung der Beschwerde:
3.2. Die maßgeblichen Bestimmungen des BBG lauten wie folgt:
„ABSCHNITT VI
BEHINDERTENPASS
§ 40 (1) Behinderten Menschen mit Wohnsitz oder gewöhnlichem Aufenthalt im Inland und einem Grad der Behinderung oder einer Minderung der Erwerbsfähigkeit von mindestens 50% ist auf Antrag vom Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen (§ 45) ein Behindertenpaß auszustellen, wenn
1. ihr Grad der Behinderung (ihre Minderung der Erwerbsfähigkeit) nach bundesgesetzlichen Vorschriften durch Bescheid oder Urteil festgestellt ist oder
2. sie nach bundesgesetzlichen Vorschriften wegen Invalidität, Berufsunfähigkeit, Dienstunfähigkeit oder dauernder Erwerbsunfähigkeit Geldleistungen beziehen oder
3. sie nach bundesgesetzlichen Vorschriften ein Pflegegeld, eine Pflegezulage, eine Blindenzulage oder eine gleichartige Leistung erhalten oder
4. für sie erhöhte Familienbeihilfe bezogen wird oder sie selbst erhöhte Familienbeihilfe beziehen oder
5. sie dem Personenkreis der begünstigten Behinderten im Sinne des Behinderteneinstellungsgesetzes, BGBl. Nr. 22/1970, angehören.
§ 42 (1) Der Behindertenpass hat den Vornamen sowie den Familien- oder Nachnamen, das Geburtsdatum eine allfällige Versicherungsnummer und den festgestellten Grad der Behinderung oder der Minderung der Erwerbsfähigkeit zu enthalten und ist mit einem Lichtbild auszustatten. Zusätzliche Eintragungen, die dem Nachweis von Rechten und Vergünstigungen dienen, sind auf Antrag des behinderten Menschen zulässig. Die Eintragung ist vom Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen vorzunehmen.
(2) Der Behindertenpaß ist unbefristet auszustellen, wenn keine Änderung in den Voraussetzungen zu erwarten ist.
§ 45 (1) Anträge auf Ausstellung eines Behindertenpasses, auf Vornahme einer Zusatzeintragung oder auf Einschätzung des Grades der Behinderung sind unter Anschluß der erforderlichen Nachweise bei dem Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen einzubringen.
(2) Ein Bescheid ist nur dann zu erteilen, wenn einem Antrag gemäß Abs. 1 nicht stattgegeben, das Verfahren eingestellt (§ 41 Abs. 3) oder der Pass eingezogen wird. Dem ausgestellten Behindertenpass kommt Bescheidcharakter zu.“
§ 1 Abs. 2 Z 3 der Verordnung über die Ausstellung von Behindertenpässen und von Parkausweisen, BGBl. II Nr. 2013/495, lautet wie folgt:
„Auf Antrag des Menschen mit Behinderung ist jedenfalls einzutragen:
3. die Feststellung, dass dem Inhaber/der Inhaberin des Passes die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung nicht zumutbar ist; die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel ist insbesondere dann nicht zumutbar, wenn das 36. Lebensmonat vollendet ist und
-erhebliche Einschränkungen der Funktionen der unteren Extremitäten oder
-erhebliche Einschränkungen der körperlichen Belastbarkeit oder
-erhebliche Einschränkungen psychischer, neurologischer oder intellektueller Fähigkeiten, Funktionen oder
-eine schwere anhaltende Erkrankung des Immunsystems oder
-eine hochgradige Sehbehinderung, Blindheit oder Taubblindheit nach § 1 Abs. 2 Z 1 lit. b oder d
vorliegen.“
3.2.1. Nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes zu dieser Zusatzeintragung ist die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel dann unzumutbar, wenn eine kurze Wegstrecke nicht aus eigener Kraft und ohne fremde Hilfe, allenfalls unter Verwendung zweckmäßiger Behelfe ohne Unterbrechung zurückgelegt werden kann oder wenn die Verwendung der erforderlichen Behelfe die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel in hohem Maße erschwert. Die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel ist auch dann nicht zumutbar, wenn sich die dauernde Gesundheitsschädigung auf die Möglichkeit des Ein- und Aussteigens und die sichere Beförderung in einem öffentlichen Verkehrsmittel unter Berücksichtigung der beim üblichen Betrieb dieser Verkehrsmittel gegebenen Bedingungen auswirkt.
Zu prüfen ist die konkrete Fähigkeit öffentliche Verkehrsmittel zu benützen. Zu berücksichtigen sind insbesondere zu überwindende Niveauunterschiede beim Aus- und Einsteigen, Schwierigkeiten beim Stehen, bei der Sitzplatzsuche, bei notwendig werdender Fortbewegung im Verkehrsmittel während der Fahrt. (VwGH 22.10.2002, Zl. 2001/11/0242; 14.05.2009, 2007/11/0080)
Um die Frage der Zumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel beurteilen zu können, hat die Behörde zu ermitteln, ob der Antragsteller dauernd an seiner Gesundheit geschädigt ist und wie sich diese Gesundheitsschädigung nach ihrer Art und ihrer Schwere auf die Zumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel auswirkt. Sofern nicht die Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel auf Grund der Art und der Schwere der Gesundheitsschädigung auf der Hand liegt, bedarf es in einem Verfahren über einen Antrag auf Vornahme der Zusatzeintragung "Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauernder Gesundheitsschädigung" regelmäßig eines ärztlichen Sachverständigengutachtens, in dem die dauernde Gesundheitsschädigung und ihre Auswirkungen auf die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel in nachvollziehbarer Weise dargestellt werden. Nur dadurch wird die Behörde in die Lage versetzt, zu beurteilen, ob dem Betreffenden die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauernder Gesundheitsschädigung unzumutbar ist (vgl. ua. VwGH vom 27.01.2015, Zl. 2012/11/0186, oder vom 23.05.2012, Zl. 2008/11/0128).
3.2.2. Nach den Ausführungen des Sachverständigen Dr. G. wirken sich die dauernden Gesundheitsschädigungen nicht maßgebend auf die Möglichkeit des Ein- und Aussteigens sowie auf das Zurücklegen einer kurzen Wegstrecke aus. Der sichere und gefährdungsfreie Transport im öffentlichen Verkehrsmittel ist nicht eingeschränkt. Keine der körperlichen Einschränkungen ist als erheblich zu qualifizieren und liegt weder eine Erkrankung des Immunsystems, noch ein Taub- oder Blindheit vor.
Somit fehlt es an den gesetzlich normierten und in der angeführten Judikatur konkretisierten Voraussetzungen für die Vornahme der Zusatzeintragung „Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung“, weshalb die Beschwerde abzuweisen war.
Zu B) Unzulässigkeit der Revision:
Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder fehlt es an einer Rechtsprechung, noch weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zu den Kriterien für das Vorliegen der Voraussetzungen für die Vornahme der beantragten Zusatzeintragung ab; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.
Schlagworte
Behindertenpass Sachverständigengutachten Zumutbarkeit ZusatzeintragungEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:BVWG:2021:I414.2232281.1.00Im RIS seit
20.08.2021Zuletzt aktualisiert am
20.08.2021