Index
L37066 Kurzparkzonenabgabe Parkabgabe Parkgebühren Steiermark;Norm
KFG 1967 §103 Abs2 impl;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Hnatek und die Hofräte Dr. Höfinger und Dr. Holeschofsky als Richter, im Beisein des Schriftführers Dr. Fegerl, über die Beschwerde der SB in Graz, vertreten durch Dr. KB, Rechtsanwalt in Graz, gegen den Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates für die Steiermark vom 24. April 1995, Zl. UVS 30.9-113/94-3, betreffend Übertretungen nach dem Steiermärkischen Parkgebührengesetz, zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird, soweit mit ihm die Berufung gegen Spruchpunkt II. des erstinstanzlichen Straferkenntnisses abgewiesen wurde, wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben. Im übrigen wird der angefochtene Bescheid wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.
Das Land Steiermark hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von S 12.920,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen. Das Mehrbegehren wird abgewiesen.
Begründung
1.1. Mit Schreiben vom 4. Jänner 1993 richtete der Bürgermeister der Landeshauptstadt Graz an die Beschwerdeführerin als Zulassungsbesitzerin eines dem behördlichen Kennzeichen nach näher bestimmten Fahrzeuges das Ersuchen bekanntzugeben, "wer dieses Kraftfahrzeug am 20.10.1992 von 11:35 bis 11:47 in Graz, X-Platz geg. 15 in einer gebührenpflichtigen Kurzparkzone ohne ordnungsgemäß entwerteten Parkschein geparkt hat."
Mit Straferkenntnis des Bürgermeisters der Landeshauptstadt Graz vom 23. März 1994 wurde die Beschwerdeführerin unter Spruchpunkt I. schuldig erkannt, sie habe ihr Kraftfahrzeug (Kennzeichen, Tatzeit und Tatort wie im Auskunftsersuchen) in der gebührenpflichtigen Kurzparkzone geparkt und dabei den Parkschein deshalb unrichtig entwertet, weil dieser mit der Ankunftszeit 12.30 Uhr entwertet gewesen sei; der Spruchpunkt II. dieses Bescheides lautet:
"Außerdem haben Sie die ha. Aufforderung vom 4.1.1993, den Namen und die Adresse jener Person binnen zwei Wochen, gerechnet vom Tage der am 12.1.1993 erfolgten Zustellung, anher bekanntzugeben, die zur oben bezeichneten Tatzeit das in Rede stehende Kraftfahrzeug gelenkt hat, nicht befolgt, obwohl Sie dazu verpflichtet gewesen wären."
Die Beschwerdeführerin habe dadurch folgende Verwaltungsübertretungen begangen:
"I: § 2 des Steiermärkischen Parkgebührengesetzes 1979, LGBl. Nr. 21/1979, in der dzt. geltenden Fassung in Verbindung mit §§ 2 und 4 der Grazer Parkgebührenverordnung 1979 in der dzt. geltenden Fassung
II. § 6 Abs. 5 leg. cit. in Verbindung mit § 5 Abs. 4 der zitierten Verordnung."
Über die Beschwerdeführerin wurde gemäß § 6 Abs. 1 Steiermärkisches Parkgebührengesetz zu I. eine Geldstrafe von S 300,-- und zu II. eine Geldstrafe von S 500,-- verhängt.
Begründend führte die Behörde in diesem Bescheid zum Vorbringen der Beschwerdeführerin in deren Einspruch - wonach es sich bei der falschen Entwertung des Parkscheines um einen entschuldbaren Irrtum gehandelt habe, weil sie aufgrund näher geschilderter Umstände geglaubt habe, es sei bereits
12.30 Uhr - aus, die Beschwerdeführerin habe bei der Entwertung des Parkscheines zumindest nicht jenes Maß an Sorgfalt angewendet, zu dem sie als Lenkerin eines Kraftfahrzeuges verpflichtet und auch befähigt gewesen sei, sodaß bei Verwirklichung des tatbildmäßigen Verhaltens jedenfalls Fahrlässigkeit vorgelegen habe. Dem Vorbringen der Beschwerdeführerin, die Lenkeranfrage sei aufgrund von Personalschwierigkeiten in der Kanzlei ihres Vaters, der sie in diesem Verfahren vertrete, in Vergessenheit geraten, hielt die Erstbehörde entgegen, daß die durch den Vertreter der Beschwerdeführerin nicht an den Tag gelegte Sorgfalt die strafbare Handlung nicht aufhebe.
Die Beschwerdeführerin erhob dagegen Berufung und brachte im wesentlichen vor, sie habe aus einem offensichtlichen und entschuldbaren Irrtum heraus die Uhrzeit auf dem Parkschein falsch angekreuzt. Was die Unterlassung der Lenkerbekanntgabe anlange, habe sie mit Recht annehmen können, daß ihr Vater als ihr Vertreter, dem sie die Lenkeranfrage übergeben habe, den Termin einhalten werde.
1.2. Mit dem angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde die Berufung der Beschwerdeführerin ab und führte darin aus, daß bei jedem geprüften Kraftfahrzeuglenker auch beim Ausfüllen von Parkscheinen ein gewisser Sorgfaltsmaßstab angelegt werden müsse. Es könne durchaus erwartet werden, daß nach dem Ausfüllen die Uhrzeit nochmals mit einer in der Nähe befindlichen Uhr kontrolliert werde. Sollte man die Verantwortung hinsichtlich der Lenkeranfrage als Wiedereinsetzungsgrund iSd § 71 AVG werten, so habe es die Beschwerdeführerin unterlassen, zu den angeblichen Personalschwierigkeiten in der Kanzlei ihres Vertreters konkrete Beweisanbote zu liefern. Im übrigen beschränkte sich die belangte Behörde in diesem Punkt auf Ausführungen zum Nichtvorliegen der Voraussetzungen einer Wiedereinsetzung.
1.3. Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof, in der Rechtswidrigkeit des Inhaltes sowie Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend gemacht werden.
1.4. Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsstrafverfahrens vor und erstattete ein Gegenschrift, in der sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragte.
2.0. Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
2.1. § 6 Abs. 5 Steiermärkisches Parkgebührengesetz 1979, LGBl. Nr. 21, in der Fassung der Novelle LGBl. Nr. 3/1989 (im folgenden: Stmk ParkgebührenG) lautet:
"(5) Der Zulassungsbesitzer oder jeder, der einem Dritten das Lenken eines mehrspurigen Kraftfahrzeuges überläßt, für dessen Abstellen Parkgebühr zu entrichten war, hat, falls das mehrspurige Kraftfahrzeug in einer gebührenpflichtigen Kurzparkzone abgestellt war, der Bezirksverwaltungsbehörde darüber Auskunft zu geben, wem er das Kraftfahrzeug zu einem bestimmten Zeitpunkt überlassen hatte. Die Auskunft, welche den Namen und die Anschrift der betreffenden Person enthalten muß, ist unverzüglich, im Falle einer schriftlichen Aufforderung binnen 2 Wochen nach Zustellung zu erteilen. Wenn eine solche Auskunft ohne entsprechende Aufzeichnungen nicht erteilt werden könnte, sind diese Aufzeichnungen zu führen."
Die von der Erstbehörde zusätzlich zitierte Bestimmung des § 5 Abs. 4 der Grazer Parkgebührenverordnung 1979 in der zum Tatzeitpunkt geltenden Fassung stimmt mit der wiedergegebenen Regelung des § 6 Abs. 5 Stmk ParkgebührenG - abgesehen von den Worten "der Bezirksverwaltungsbehörde", die in der Verordnungsbestimmung fehlen - wörtlich überein.
2.2. Nach dieser Rechtslage besteht die Auskunftspflicht - ähnlich wie nach § 103 Abs. 2 KFG in der Fassung vor der 10. Novelle, BGBl. Nr. 106/1986, und ähnlich wie nach § 2 Abs. 2 Tiroler Kurzparkzonenabgabegesetz, LGBl. Nr. 52/1981 - darin, Auskunft darüber zu erteilen, wem ein Fahrzeug zu einem bestimmten Zeitpunkt ÜBERLASSEN wurde. Eine solche Fragestellung ist nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes aber nicht ident mit jener, wer ein Fahrzeug zu einem bestimmten Zeitpunkt gelenkt oder geparkt hat, muß doch nicht zwingend jene Person, der ein Fahrzeug überlassen wurde, dieses auch tatsächlich gelenkt bzw. geparkt haben (vgl. die hg. Erkenntnisse vom 20. September 1989, Zl. 89/03/0089, und vom 26. April 1996, Zl. 92/17/0105).
Sieht aber das Gesetz nur das Verlangen nach einer Auskunft darüber vor, wem der Zulassungsbesitzer das Kraftfahrzeug überlassen hatte, so gibt es - wie im vorliegenden Fall - keine Handhabe dafür, unter Strafsanktion Auskunft darüber zu verlangen, wer das Kraftfahrzeug (zu einem bestimmten Zeitpunkt) gelenkt bzw. geparkt hat (vgl. die hg. Erkenntnisse vom 25. April 1977, Zl. 1247/76, und vom 18. Mai 1984, Zl. 84/02/0222). Eine solche, nicht dem Gesetz entsprechende, Aufforderung zur Auskunftserteilung löst daher die verwaltungsstrafrechtlich sanktionierte Auskunftspflicht des Zulassungsbesitzers nicht aus (vgl. das hg. Erkenntnis vom 14. Mai 1987, Zl. 87/02/0052). Da die Beschwerdeführerin somit keine Verpflichtung traf, darüber Auskunft zu geben, wer ihr Kraftfahrzeug zu einem bestimmten Zeitpunkt "geparkt hat", war die Nichterteilung dieser Auskunft auch nicht strafbar.
Dadurch, daß die belangte Behörde dies nicht erkannte und nicht zum Anlaß nahm, den vor ihr angefochtenen Spruchpunkt II. des erstinstanzlichen Bescheides dahin abzuändern, daß die Einstellung des Verwaltungsstrafverfahrens gemäß § 45 Abs. 1 Z. 1 zweiter Fall VStG verfügt wird, hat sie den angefochtenen Bescheid insoweit mit inhaltlicher Rechtswidrigkeit belastet.
3.1. In der Beschwerde wird unter anderem vorgebracht, die belangte Behörde hätte gemäß § 51e VStG eine Verhandlung durchführen müssen, in der sowohl die Beschwerdeführerin als auch ihr Vertreter als Zeuge zu laden gewesen wären. Ein Verzicht auf die Durchführung der Verhandlung sei nicht abgegeben worden.
§ 51e VStG in der im Beschwerdefall anzuwendenden Fassung vor der Novelle BGBl. 620/1995 lautet auszugsweise:
"(1) Wenn die Berufung nicht zurückzuweisen ist oder nicht bereits aus der Aktenlage ersichtlich ist, daß der angefochtene Bescheid aufzuheben ist, dann ist eine öffentliche mündliche Verhandlung anzuberaumen. Zu dieser sind die Parteien und die anderen zu hörenden Personen, insbesondere Zeugen und Sachverständige, zu laden.
(2) Wenn in der Berufung ausdrücklich nur eine unrichtige rechtliche Beurteilung behauptet wird, oder sich die Berufung nur gegen die Höhe der Strafe richtet, dann ist eine Verhandlung nur dann anzuberaumen, wenn dies in der Berufung ausdrücklich verlangt wurde.
(3) Von der Verhandlung kann abgesehen werden, wenn die Parteien ausdrücklich darauf verzichten. Ein solcher Verzicht kann bis zum Beginn der Verhandlung erfolgen.
(4) ..."
3.2. Die belangte Behörde hat von der Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung abgesehen, ohne dies zu begründen. In der Gegenschrift vertritt die belangte Behörde die Ansicht, daß "es sich bei der gegenständlichen Rechtsangelegenheit lediglich um die Beurteilung einer Rechtsfrage" gehandelt habe.
Der Verwaltungsgerichtshof kann der Aktenlage nicht entnehmen, daß die gesetzlichen Voraussetzungen für das Absehen von der öffentlichen mündlichen Verhandlung vorgelegen seien. Das Berufungsvorbringen der Beschwerdeführerin, sie bestreite wie schon in den Einsprüchen gegen die Strafverfügungen das, was ihr auch im Straferkenntnis zur Last gelegt werde, und sie habe nur aus einem entschuldbaren Irrtum heraus die Uhrzeit falsch angekreuzt, kann jedenfalls auch so verstanden werden, daß die Beschwerdeführerin damit Beweiswürdigung und Tatsachenfeststellungen, welche die innere Tatseite bzw. die Vorwerfbarkeit (Schuld) betreffen, bekämpft. Mag das Vorbringen der Beschwerdeführerin dazu auch rechtliche Beurteilungen enthalten, so kann doch nicht gesagt werden, daß sie im Sinne des § 51e Abs. 2 VStG "AUSDRÜCKLICH nur eine unrichtige rechtliche Beurteilung behauptet" habe.
Kernstück der Neuregelung der Verwaltungsverfahrensvorschriften durch die Einführung der unabhängigen Verwaltungssenate war deren Verpflichtung zur Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung unter persönlicher Teilnahme des Beschuldigten. Die vom Gesetzgeber mit den Worten "ausdrücklich" und "nur" eng gefaßte Ausnahmebestimmung des ersten Halbsatzes des § 51e Abs. 2 VStG in der Fassung vor der Novelle BGBl. Nr. 620/1995 zeigt, daß bei einem Beschwerdevorbringen, das rechtliche Beurteilungen und Tatsachenbehauptungen (auch innere Tatsachen betreffend) verquickt bzw. eine Deutung in beide Richtungen zuläßt, eine öffentliche mündliche Verhandlung nicht entbehrlich ist. Die belangte Behörde hat daher dadurch rechtswidrig gehandelt, daß sie ohne gesetzlichen Grund von der Durchführung der öffentlichen mündlichen Verhandlung absah.
Für den Fall gesetzmäßigen Vorgehens hätte sie im Hinblick auf den Unmittelbarkeitsgrundsatz des § 51i VStG bei ihrer Entscheidung nur auf das Rücksicht nehmen dürfen, was in der Verhandlung vorgekommen ist.
Die rechtliche Beurteilung, ob im vorliegenden Fall ein (Tatbild-)Irrtum vorliegt und wenn ja, ob dieser auf Fahrlässigkeit beruht, setzt nach dem Gang des Verwaltungsverfahrens und dem Vorbringen der Beschwerdeführerin eine unter Inanspruchnahme der Mitwirkungspflicht der Beschuldigten durch die belangte Behörde vorzunehmende Klärung des diesbezüglichen Sachverhaltes und eine Auseinandersetzung mit entscheidungswesentlichen Tatsachenvorbringen der Beschwerdeführerin voraus. Es läßt sich daher zur Zeit nicht ausschließen, daß die belangte Behörde bei Beachtung der §§ 51e, 51i VStG zu einem anderen Bescheid hätte kommen können.
Das Unterbleiben der mündlichen Verhandlung belastet den angefochtenen Bescheid hinsichtlich der Bestrafung wegen der Verkürzung der Parkometerabgabe mit Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften im Sinne des § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. c VwGG.
4.1. Aus den dargestellten Erwägungen war der angefochtene Bescheid hinsichtlich der Aufrechterhaltung des Spruchpunktes II. des erstinstanzlichen Straferkenntnisses gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1, hinsichtlich seines übrigen Inhaltes gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. c VwGG aufzuheben.
4.2. Bei diesem Ergebnis konnte von der in der Beschwerde beantragten Durchführung einer Verhandlung vor dem Verwaltungsgerichtshof einerseits aus dem Grunde des § 39 Abs. 2 Z. 4 VwGG (Aufhebung wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes) und andererseits aus dem Grunde des § 39 Abs. 2 Z. 3 VwGG (Aufhebung wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften) abgesehen werden.
4.3. Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG im Verbindung mit der Verordnung des Bundeskanzlers BGBl. Nr. 416/1994. Die Abweisung des Mehrbegehrens betrifft Stempelgebühren für die nicht erforderliche zweite Abschrift des angefochtenen Bescheides.
Schlagworte
Definition von Begriffen mit allgemeiner Bedeutung VwRallg7 ausdrücklichEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1997:1995170194.X00Im RIS seit
19.03.2001