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10/07 VerwaltungsgerichtshofNorm
AVG §13 Abs3Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Handstanger sowie die Hofrätin Mag. Hainz-Sator und den Hofrat Dr. Pürgy als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag.a Sowa-Janovsky, über die Revision der Datenschutzbehörde in 1030 Wien, Barichgasse 40-42, gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 21. September 2018, Zl. W211 2171215-1/5E, betreffend eine datenschutzrechtliche Angelegenheit (mitbeteiligte Partei: A F, in K), den Beschluss gefasst:
Spruch
Die Revision wird zurückgewiesen.
Begründung
1 1.1. Der Gemeindeverband Bezirkskrankenhaus K ist Betreiber eines näher bezeichneten Krankenhauses und verwendet ein elektronisches Patientendokumentationssystem zur Führung der Krankengeschichten der in seiner Anstalt behandelten Patienten. Die Mitbeteiligte war in diesem Krankenhaus bis Juli 2016 angestellt. Sie unterzog sich dort im Jahr 2012 einem operativen Eingriff, in dessen Zusammenhang ihre Gesundheitsdaten im elektronischen Patientendokumentationssystem gespeichert wurden.
2 1.2. Die Mitbeteiligte erhob am 9. Dezember 2016 Beschwerde bei der Datenschutzbehörde, in der sie vorbrachte, in ihrem Recht auf Geheimhaltung schutzwürdiger personenbezogener Daten durch die Datenschutzbehörde verletzt worden zu sein. Beschwerdegegenstand sei die unzulässige Weitergabe ihrer „schutzwürdigen Geheimhaltungsinteressen“. Im Zuge einer Einschau in einem anderen Verfahren habe ein Vertreter der Datenschutzbehörde mit dem Verwaltungsdirektor des Krankenhauses nach privaten Befunden der Mitbeteiligten gesucht und das Vorhandensein ihres sensiblen und schutzwürdigen Privatbefundes dem Verwaltungsdirektor, der gleichzeitig ihr Personalchef sei, unzulässig zur Kenntnis gebracht. Die Datenschutzbehörde habe den Verwaltungsdirektor ohne vorliegende Ermächtigung und ohne Überprüfung auf Zulässigkeit einer Parteistellung zur Abgabe einer Stellungnahme aufgefordert und ihm im Zuge dessen sämtliche im Verfahren eingebrachten sensiblen Behandlungsdaten der Mitbeteiligten sowie schutzwürdigen Verfahrenskorrespondenzen und -details übermittelt. Die Mitbeteiligte erachte sich in ihrem Recht auf Geheimhaltung verletzt und beantrage unter anderem, die Datenschutzbehörde möge diese Rechtsverletzungen mit Bescheid feststellen.
3 Mit Schreiben vom 27. Jänner 2017 erteilte die Datenschutzbehörde der Mitbeteiligten einen Mängelbehebungsauftrag und wies darauf hin, dass der Beschwerde die Bezeichnung des als verletzt erachteten Rechts und der Sachverhalt, aus dem die Rechtsverletzung abgeleitet werde, fehle. Die Mitbeteiligte wurde aufgefordert, ihre Beschwerdepunkte einheitlich und an einer Stelle in der Beschwerde zu formulieren. Ihr Vorbringen enthalte außerdem einen Beschwerdegegenstand und weitere Punkte, die nicht deckungsgleich seien. Der Vorwurf, die Datenschutzbehörde habe zahlreiche Verfahrensfehler begangen, sei zu allgemein gefasst und daher nicht verwertbar. Es sei insbesondere nicht erkennbar, inwiefern dieser Vorwurf für das gegenständliche Verfahren wegen Verletzung im Recht auf Geheimhaltung relevant sei. Schließlich werde in der Beschwerde ein Aktenvermerk erwähnt, der aber nicht angeschlossen sei, und es seien einige Beilagen nicht bzw. nicht vollständig vorgelegt worden.
4 Mit Schreiben vom 24. März 2017 führte die Mitbeteiligte aus, alle Angaben für eine zulässige Beschwerde seien in der Eingabe vom 9. Dezember 2016 bereits enthalten. Hinsichtlich der fehlenden Bezeichnung des verletzten Rechts werde darauf hingewiesen, dass sie Beschwerde wegen Verletzung des Rechts auf Geheimhaltung schutzwürdiger personenbezogener und sensibler Daten durch die Datenschutzbehörde selbst erhebe. Von den Beilagen seien nur die verfahrensrelevanten Auszüge vorgelegt worden.
5 1.3. Mit Bescheid vom 20. April 2017 wies die Datenschutzbehörde die Beschwerde der Mitbeteiligten zurück. Dies wurde damit begründet, dass durch die Datenschutzgesetz-Novelle BGBl. I Nr. 133/2009 die zwingenden inhaltlichen Anforderungen an eine förmliche Beschwerde an die Datenschutzbehörde durch die Aufstellung eines Kataloges in § 31 Abs. 3 DSG 2000 strenger gefasst worden seien. Dadurch solle eine gewisse Formalisierung des Beschwerdeverfahrens erfolgen und es der Datenschutzbehörde ermöglicht werden, Beschwerden, die nicht einmal die genannten Minimalanforderungen aufweisen würden, inhaltlich nicht behandeln zu müssen. Die Beschwerde habe mehrere Beschwerdepunkte enthalten, die nicht klar identifizierbar gewesen seien, weshalb ein Verbesserungsauftrag ergangen sei. Dem habe die Mitbeteiligte nicht entsprochen, weil sie der Aufforderung, die Beilagen zu vervollständigen sowie die Beschwerdepunkte einheitlich und an einer Stelle der Beschwerde zusammenzufassen, nicht gefolgt sei. Es fehle eine nachvollziehbare Zuordnung der Beschwerdepunkte zum Inhalt der Beschwerde. Der Beschwerdegegner sei nicht klar definiert. Der Vorwurf, die Datenschutzbehörde habe zahlreiche Verfahrensfehler begangen, sei nicht konkretisiert worden. Der Beilagen seien nach wie vor nicht vollständig und der mittlerweile vorgelegte Aktenvermerk sei sachlich und rechtlich bedeutungslos. Nach der Rechtsprechung sei eine nur teilweise Erfüllung des Mängelbehebungsauftrages der gänzlichen Unterlassung der Behebung gleichzuhalten.
6 1.4. Dagegen erhob die Mitbeteiligte Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht. Nach einer abweisenden Beschwerdevorentscheidung der Datenschutzbehörde und der Erhebung eines Vorlageantrages gab das Bundesverwaltungsgericht der Beschwerde der Mitbeteiligten mit dem angefochtenen Erkenntnis vom 21. September 2018 statt und änderte die Beschwerdevorentscheidung dahingehend ab, dass sie zu lauten habe „Der Bescheid der Datenschutzbehörde vom 12.06.2017, [...] wird ersatzlos behoben.“ Die ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof wurde für nicht zulässig erklärt.
7 In der Begründung führte das Bundesverwaltungsgericht aus, die Mitbeteiligte habe in der Datenschutzbeschwerde zusammengefasst vorgebracht, sie sei in ihrem Recht auf Geheimhaltung schutzwürdiger personenbezogener und sensibler Daten verletzt worden, weil die Datenschutzbehörde selbst unzulässig durch eine Einschau in das elektronische Patientendokumentationssystem am 25. November 2015 in Zusammenhang mit einem anderen Verfahren Daten weiteregegeben habe. Ein Vertreter der Datenschutzbehörde habe dem Verwaltungsdirektor des Krankenhauses einen Befund der Mitbeteiligten zur Kenntnis gebracht. Die Datenschutzbeschwerde, in der die Mitbeteiligte das als verletzt erachtete Recht sowie die Datenschutzbehörde als Beschwerdegegnerin angegeben, den Sachverhalt beschrieben, die Gründe für die behauptete Datenschutzverletzung dargestellt, Angaben zur Rechtzeitigkeit der Beschwerde gemacht und ihr Begehren formuliert habe, sei ausreichend bestimmt und konkret. Die Anforderungen an eine Beschwerde seien daher ausreichend erfüllt. Die unterlassene Beibringung von Unterlagen rechtfertige nicht die Erteilung eines Verbesserungsauftrages, sondern sei bei der Sachentscheidung zu berücksichtigen. Ein Mängelbehebungsauftrag sei daher nicht notwendig gewesen.
8 2. Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
9 Gemäß § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegen der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen.
10 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.
11 3. Die vorliegende außerordentliche Amtsrevision bringt zur Begründung ihrer Zulässigkeit vor, das Bundesverwaltungsgericht habe nicht nachvollziehbar begründet, warum es von einer mängelfreien Beschwerde ausgehe bzw. der aufgezeigte Mangel behoben worden sei. Das Bundesverwaltungsgericht sei folglich von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abgewichen. Der primäre Grund der Zurückweisung der Beschwerde sei die Unbestimmtheit des Gegenstandes des Verfahrens gewesen. Das Bundesverwaltungsgericht habe § 31 ?bs. 3 Z 3 und 4 DSG 2000 (nunmehr § 24 Abs. 2 Z 3 und 4 DSG) einen rechtswidrigen Inhalt unterstellt, indem es unzureichend berücksichtigt habe, dass eine Beschwerde hinreichend konkretisiert sein müsse, um einer inhaltlichen Behandlung zugänglich zu sein.
12 Zudem fehle Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zu § 31 Abs. 3 Z 3 und 4 DSG 2000 bzw. § 24 Abs. 2 Z 3 und 4 DSG, weshalb die Revision auch aus diesem Grund zulässig sei.
13 4.1. Das bloße Fehlen einer Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zu einer Rechtsfrage führt nicht automatisch zur Zulässigkeit einer Revision. Eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung liegt dann nicht vor, wenn es trotz fehlender Rechtsprechung auf Grund der eindeutigen Rechtslage keiner Klärung durch den Verwaltungsgerichtshof bedarf (vgl. VwGH 17.12.2019, Ra 2017/04/0141, mwN).
14 Hinzu kommt, dass Voraussetzung für die Zulässigkeit der Revision im Sinn des Art. 133 Abs. 4 erster Satz zweite Variante B-VG („weil [...] eine solche Rechtsprechung fehlt“) das Fehlen von Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zu einer konkreten Rechtsfrage ist. Mit dem bloßen Verweis auf fehlende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zu einer näher bezeichneten Verwaltungsvorschrift (hier: zu § 31 Abs. 3 Z 3 und 4 DSG 2000 bzw. § 24 Abs. 2 Z 3 und 4 DSG) wird nicht dargelegt, dass eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung im Rahmen der Entscheidung über die Revision zu lösen wäre (vgl. VwGH 17.2.2016, Ra 2014/04/0006, mwN).
15 4.2. Wenn die vor dem Verwaltungsgericht belangte Behörde einen Antrag gemäß § 13 Abs. 3 AVG zurückgewiesen hat und dagegen Beschwerde erhoben wird, ist Sache des Beschwerdeverfahrens vor dem Verwaltungsgericht lediglich die Frage der Rechtmäßigkeit dieser Zurückweisung (vgl. VwGH 29.1.2020, Ra 2019/09/0118, mwN). Das Bundesverwaltungsgericht hatte daher allein zu prüfen, ob die inhaltliche Behandlung der Beschwerde der Mitbeteiligten durch die Datenschutzbehörde zu Recht verweigert worden war.
16 Nach § 13 Abs. 3 AVG ermächtigen Mängel schriftlicher Anbringen die Behörde nicht zur Zurückweisung. Die Behörde hat vielmehr von Amts wegen unverzüglich deren Behebung zu veranlassen und kann dem Einschreiter die Behebung des Mangels innerhalb einer angemessenen Frist mit der Wirkung auftragen, dass das Anbringen nach fruchtlosem Ablauf dieser Frist zurückgewiesen wird. Wird der Mangel rechtzeitig behoben, so gilt das Anbringen als ursprünglich richtig eingebracht.
17 Eine auf § 13 Abs. 3 AVG gestützte Zurückweisung kommt nur bei solchen schriftlichen Anbringen in Frage, die mit Mängeln behaftet sind, also von für die Partei erkennbaren Anforderungen des Materiengesetzes oder des AVG an ein vollständiges, fehlerfreies Anbringen abweichen (vgl. zuletzt etwa VwGH 21.6.2021, Ra 2021/04/0011, mwN).
18 Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist ein Verbesserungsauftrag gemäß § 13 Abs. 3 AVG immer nur dann gesetzmäßig, wenn der angenommene Mangel tatsächlich vorliegt. Wurde zu Unrecht die Mangelhaftigkeit des Anbringens angenommen (und wäre in der Sache zu entscheiden gewesen), ist die deshalb ergangene zurückweisende Entscheidung unabhängig davon inhaltlich rechtswidrig, ob der Einschreiter nur eine teilweise oder nur eine verspätete „Verbesserung“ vornimmt oder diese gar nicht versucht (vgl. VwGH 14.10.2020, Ra 2020/22/0106, mwN).
19 Die inhaltlichen Anforderungen an eine Beschwerde an die Datenschutzbehörde sind durch den damaligen § 31 Abs. 3 DSG 2000 (mittlerweile nach dem Datenschutz-Anpassungsgesetz 2018, BGBl. I Nr. 120/2017, [inhaltlich unverändert] durch § 24 Abs. 2 DSG) vorgegeben. Demnach muss eine solche Beschwerde unter anderem das als verletzt erachtete Recht enthalten. Eine nähere Spezifizierung dieser Angaben verlangt das Gesetz nicht. Der Gesetzgeber hat auf diese Weise - so die Gesetzesmaterialien - eine gewisse Formalisierung des Beschwerdeverfahrens nach dem Vorbild des (mittlerweile aufgehobenen) § 67c Abs. 2 AVG eingeführt. Dadurch soll es der Datenschutzbehörde ermöglicht werden, Beschwerden, die nicht einmal die genannten Minimalanforderungen aufweisen, nicht inhaltlich behandeln zu müssen. Wenn diese fehlen, kann nach § 13 Abs. 3 AVG vorgegangen werden (vgl. RV 472 BlgNR 24. GP 13). Der Verwaltungsgerichtshof hat zu dem in den Gesetzesmaterialien erwähnten § 67c Abs. 2 AVG und den darin normierten Anforderungen an eine Maßnahmenbeschwerde freilich auch zum Ausdruck gebracht, dass dem AVG insofern „jeglicher Formalismus fremd“ ist (vgl. VwGH 20.10.2016, Ra 2016/21/0287, mwN).
20 Das Bundesverwaltungsgericht hielt im vorliegende Fall fest, dass die Mitbeteiligte in ihrer Datenschutzbeschwerde das als verletzt erachtete Recht sowie die Datenschutzbehörde als Beschwerdegegnerin angegeben, den Sachverhalt beschrieben, die Gründe für die behauptete Datenschutzverletzung dargestellt, Angaben zur Rechtzeitigkeit der Beschwerde gemacht und ihr Begehren formuliert habe, weshalb sich die Beschwerde als ausreichend bestimmt und konkret erweise.
21 Ausgehend davon ist auch die Auffassung des Bundesverwaltungsgerichts, wonach im vorliegenden Fall die gesetzlichen Anforderungen an eine Datenschutzbeschwerde ausreichend erfüllt gewesen seien, es einem Mängelbehebungsauftrag der Behörde somit nicht bedurft hätte und der Zurückweisungsbescheid der Datenschutzbehörde folglich ersatzlos zu beheben gewesen sei, nicht zu beanstanden.
So vermag die vorliegende Amtsrevision auch mit ihrem Vorbringen, die Mitbeteiligte habe eine große Anzahl von Beschwerden eingebracht, die nicht eindeutig voneinander abzugrenzen seien, und in denen sie zahlreiche Anträge gestellt habe, für deren Behandlung die Datenschutzbehörde nicht zuständig sei, nicht darzutun, dass gerade die gegenständliche Datenschutzbeschwerde nicht einmal die Minimalanforderungen (im oben dargelegten Sinn) erfüllen würde.
22 5. In der Revision werden somit keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinn des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher zurückzuweisen.
Wien, am 26. Juli 2021
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2021:RA2018040184.L00Im RIS seit
20.08.2021Zuletzt aktualisiert am
08.09.2021