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10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG)Norm
AsylG 2005 §3 Abs1Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Senatspräsidentin Dr. Hinterwirth, den Hofrat Mag. Eder und die Hofrätin Mag. Rossmeisel als Richter, unter Mitwirkung des Schriftführers Mag. Engel, in der Rechtssache der Revision des M H in S, vertreten durch Dr. Hans Jalovetz, Rechtsanwalt in 9500 Villach, Postgasse 8, gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 25. Mai 2021, L515 2231389-1/24E, betreffend Angelegenheiten nach dem AsylG 2005 und dem FPG (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl), den Beschluss gefasst:
Spruch
Die Revision wird zurückgewiesen.
Begründung
1 Der aus Aserbaidschan stammende Revisionswerber stellte am 2. Jänner 2020 einen Antrag auf internationalen Schutz nach dem Asylgesetz 2005 (AsylG 2005). Er gab an, dass er nach einer „negativen Meinungsäußerung“ über den amtierenden Präsidenten Opfer einer willkürlichen Verhaftung und von Folter durch die Polizei geworden sei.
2 Mit Bescheid vom 24. April 2020 wies das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl diesen Antrag ab, erteilte dem Revisionswerber keinen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen, erließ gegen ihn eine Rückkehrentscheidung und stellte fest, dass seine Abschiebung nach Aserbaidschan zulässig sei. Die Frist für die freiwillige Ausreise legte die Behörde mit 14 Tagen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung fest.
3 Die dagegen erhobene Beschwerde wurde mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 9. Juni 2020 als unbegründet abgewiesen. Unter einem wurde ausgesprochen, dass die Erhebung einer Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig sei.
4 Mit Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 16. Oktober 2020, Ra 2020/19/0274-10, wurde der dagegen erhobenen außerordentlichen Revision stattgegeben und das Erkenntnis vom 9. Juni 2020 wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften, weil eine Beschwerdeverhandlung rechtswidrig unterblieben war, aufgehoben.
5 Nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung wies das Bundesverwaltungsgericht die Beschwerde mit dem gegenständlichen Erkenntnis vom 25. Mai 2021 neuerlich als unbegründet ab. Unter einem sprach das Verwaltungsgericht aus, dass die Erhebung einer Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig sei.
6 Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
7 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegen der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren mit Beschluss zurückzuweisen.
8 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.
9 Der Revisionswerber wendet sich zur Begründung der Zulässigkeit der Revision in erster Linie gegen die Beweiswürdigung des Bundesverwaltungsgerichts und rügt in diesem Zusammenhang die fehlende Auseinandersetzung mit dem Fluchtvorbringen vor dem Hintergrund der Länderberichte zur tatsächlichen Situation im Herkunftsstaat.
10 Der Verwaltungsgerichtshof ist als Rechtsinstanz zur Überprüfung der Beweiswürdigung im Allgemeinen nicht berufen. Im Zusammenhang mit der Beweiswürdigung liegt eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung nur dann vor, wenn das Verwaltungsgericht die Beweiswürdigung in einer die Rechtssicherheit beeinträchtigenden, unvertretbaren Weise vorgenommen hat. Der Verwaltungsgerichtshof ist nicht berechtigt, die Beweiswürdigung des Verwaltungsgerichts mit der Begründung zu verwerfen, dass auch ein anderer Sachverhalt schlüssig begründbar wäre (vgl. etwa VwGH 9.6.2021, Ra 2021/20/0186, mwN).
11 Das Bundesverwaltungsgericht setzte sich nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung mit dem Vorbringen des Revisionswerbers zu den Gründen seiner Flucht auseinander und legte im Rahmen einer nicht als unschlüssig zu bezeichnenden Beweiswürdigung dar, weshalb das Vorbringen des Revisionswerbers als unglaubwürdig einzustufen sei. Es stützte sich auf unplausible sowie widersprüchliche Angaben des Revisionswerbers zum fluchtauslösenden Ereignis und einer aktuellen Bedrohung.
12 Die Revision vermag mit ihren allgemein gehaltenen Ausführungen nicht darzutun, dass das Bundesverwaltungsgericht die Beweiswürdigung in einer die Rechtssicherheit beeinträchtigenden, unvertretbaren Weise vorgenommen hätte. Soweit der Revisionswerber auf eine nicht ausreichende Auseinandersetzung mit den die Fluchtgründe bestätigenden Länderberichten verweist, ist darauf hinzuweisen, dass die Feststellung allgemeiner Umstände im Herkunftsstaat die Glaubhaftmachung der Gefahr einer konkreten, individuell gegen den Revisionswerber gerichteten Verfolgung nicht ersetzen kann (vgl. VwGH 26.4.2021, Ra 2021/20/0006, mwN).
13 Weiters ist der Revisionswerber auf die ständige Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes hinzuweisen, wonach eine unter Bedachtnahme auf die jeweiligen Umstände des Einzelfalles in Form einer Gesamtbetrachtung durchgeführte Interessenabwägung im Sinn des Art. 8 EMRK im Allgemeinen - wenn sie auf einer verfahrensrechtlich einwandfreien Grundlage erfolgte und in vertretbarer Weise im Rahmen der von der Rechtsprechung entwickelten Grundsätze vorgenommen wurde - nicht revisibel im Sinn des Art. 133 Abs. 4 B-VG ist (vgl. VwGH 21.4.2021, Ra 2021/14/0109, mwN).
14 Es entspricht der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes, dass einer Aufenthaltsdauer von weniger als fünf Jahren für sich betrachtet noch keine maßgebliche Bedeutung für die nach Art. 8 EMRK durchzuführende Interessenabwägung zukommt. Liegt eine relativ kurze Aufenthaltsdauer des Betroffenen in Österreich vor, so wird nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes regelmäßig erwartet, dass die in dieser Zeit erlangte Integration außergewöhnlich ist, um die Rückkehrentscheidung auf Dauer für unzulässig zu erklären (vgl. VwGH 15.6.2021, Ra 2020/14/0399, mwN).
15 Es gelingt der Revision nicht aufzuzeigen, dass die Interessenabwägung des Bundesverwaltungsgerichts in einer unvertretbaren Weise vorgenommen worden wäre.
16 In der Revision werden sohin keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinn des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher gemäß § 34 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren zurückzuweisen.
Wien, am 3. August 2021
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2021:RA2021200266.L00Im RIS seit
20.08.2021Zuletzt aktualisiert am
25.08.2021