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10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG)Norm
B-VG Art133 Abs4Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Senatspräsidentin Dr. Hinterwirth, den Hofrat Mag. Eder und die Hofrätin Mag. Rossmeisel als Richter, unter Mitwirkung des Schriftführers Mag. Engel, in der Rechtssache der Revision der I A in N, vertreten durch Dr. Max Kapferer, Dr. Thomas Lechner und Dr. Martin Dellasega, Rechtsanwälte in 6020 Innsbruck, Schmerlingstraße 2/2, gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 25. Mai 2021, I413 2164373-1/15E, betreffend Angelegenheiten nach dem AsylG 2005 (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl), den Beschluss gefasst:
Spruch
Die Revision wird zurückgewiesen.
Begründung
1 Die Revisionswerberin, eine irakische Staatsangehörige, stellte am 14. September 2015 einen Antrag auf internationalen Schutz nach dem Asylgesetz 2005.
2 Das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl wies diesen Antrag mit Bescheid vom 21. Juni 2017 ab, erteilte der Revisionswerberin keinen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen, erließ gegen sie eine Rückkehrentscheidung, stellte fest, dass ihre Abschiebung in den Irak zulässig sei, und legte die Frist für die freiwillige Ausreise mit 14 Tagen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung fest.
3 Die gegen diesen Bescheid erhobene Beschwerde wies das Bundesverwaltungsgericht nach Durchführung einer Verhandlung mit dem angefochtenen Erkenntnis - mit einer hier nicht relevanten Maßgabe - als unbegründet ab. Unter einem sprach das Verwaltungsgericht aus, dass die Erhebung einer Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig sei.
4 Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
5 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegen der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren mit Beschluss zurückzuweisen.
6 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.
7 Die Revision, die sich ausschließlich gegen die Nichtzuerkennung des Status der subsidiär Schutzberechtigten richtet, bringt zur Begründung ihrer Zulässigkeit - zusammengefasst - vor, das Bundesverwaltungsgericht habe seiner Entscheidung widersprüchliche Feststellungen zur Versorgung und zur wirtschaftlichen Lage im Irak zugrunde gelegt und sei damit von der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zur Begründungspflicht abgewichen.
8 Werden Verfahrensmängel - wie hier Begründungs- und Feststellungsmängel - als Zulassungsgründe ins Treffen geführt, muss auch schon in der abgesonderten Zulässigkeitsbegründung die Relevanz dieser Verfahrensmängel, weshalb also bei Vermeidung des Verfahrensmangels in der Sache ein anderes, für die Revisionswerberin günstigeres Ergebnis hätte erzielt werden können, dargetan werden. Dies setzt (in Bezug auf Feststellungsmängel) voraus, dass - auch in der gesonderten Begründung für die Zulässigkeit der Revision zumindest auf das Wesentliche zusammengefasst - jene Tatsachen dargestellt werden, die sich bei Vermeidung des Verfahrensmangels als erwiesen ergeben hätten (vgl. VwGH 11.2.2021, Ra 2021/20/0026 bis 0029, mwN).
9 Zur Frage der Voraussetzungen der Gewährung von subsidiärem Schutz hat der Verwaltungsgerichtshof bereits wiederholt festgehalten, dass die bloße Möglichkeit einer durch die Lebensumstände bedingten Verletzung des Art. 3 EMRK nicht ausreichend ist. Vielmehr ist es zur Begründung einer drohenden Verletzung von Art. 3 EMRK notwendig, detailliert und konkret darzulegen, dass exzeptionelle Umstände vorliegen.
10 Eine schwierige Lebenssituation, insbesondere bei der Arbeitsplatz- und Wohnraumsuche sowie in wirtschaftlicher Hinsicht, die ein Fremder im Fall der Rückkehr in sein Heimatland vorfinden würde, reicht nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes für sich betrachtet nicht aus, um die Verletzung des nach Art. 3 EMRK geschützten Rechts mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit annehmen zu können oder um eine innerstaatliche Fluchtalternative zu verneinen.
11 Bei der Frage, ob im Fall der Rückführung eine Verletzung des Art. 3 EMRK zu gewärtigen ist, kommt es auch nicht darauf an, ob sich infolge von zur Verhinderung der Verbreitung des SARS-CoV-2-Virus gesetzten Maßnahmen die Wiedereingliederung im Herkunftsland wegen schlechterer wirtschaftlicher Aussichten schwieriger als vor Beginn dieser Maßnahmen darstellt, solange die Sicherung der existentiellen Grundbedürfnisse weiterhin als gegeben anzunehmen ist (vgl. zum Ganzen VwGH 26.4.2021, Ra 2021/20/0006, mwN).
12 Soweit die Revisionswerberin auf mangelnde Möglichkeiten zur Existenzsicherung aufgrund der wirtschaftlichen Situation im Irak verweist, findet diese Einschätzung in den Feststellungen des Bundesverwaltungsgerichts, das von der Arbeitsfähigkeit und Erwerbsmöglichkeit der Revisionswerberin ausgegangen ist, keine Deckung. Das Bundesverwaltungsgericht traf im angefochtenen Erkenntnis unter Beachtung der von UNHCR und EASO herausgegebenen Richtlinien konkrete, sowohl die persönliche Situation der Revisionswerberin als auch die allgemeine Situation zur Sicherheits- und Versorgungslage und die Auswirkungen der Covid-19-Pandemie im Herkunftsstaat betreffende Feststellungen. Es ging davon aus, dass die junge, kräftige und arbeitsfähige Revisionswerberin, die ledig und ohne Sorgepflichten sei, aufgrund ihrer Schulbildung und ihrer Tätigkeit als Friseurin auch nach Anfangsschwierigkeiten im Irak wieder Fuß fassen könne. Darüber hinaus verfüge sie über familiäre Unterstützung im Irak und könne auch finanzielle Rückkehrhilfe in Anspruch nehmen. Dem tritt die Revision nicht substantiiert entgegen. Die in diesem Zusammenhang in der Revision erhobene Rüge, die dazu getroffenen Feststellungen seien widersprüchlich, trifft am Boden der vom Bundesverwaltungsgericht herangezogenen Länderberichte nicht zu. Soweit die Revision nämlich bloß einzelne, aus dem Zusammenhang gerissene Passagen aus den Länderinformationen zur Begründung ihres behaupteten Begründungsmangels zitiert, reicht dies - neben der fehlenden Relevanzdarstellung - auch nicht aus, um der Einschätzung des Bundesverwaltungsgerichts hinsichtlich der existentiellen Versorgung der Revisionswerberin entgegenzutreten. Die Revision zeigt nicht auf, dass die Beurteilung des Bundesverwaltungsgerichts am Prüfmaßstab des Verwaltungsgerichtshofes zu beanstanden wäre (vgl. auch VwGH 7.9.2020, Ra 2020/20/0314, wonach eine schwierige Lebenssituation für sich betrachtet nicht ausreicht, um die Verletzung des nach Art. 3 EMRK geschützten Rechts mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit annehmen zu können).
13 In der Revision werden somit keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher gemäß § 34 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren zurückzuweisen.
Wien, am 3. August 2021
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2021:RA2021200261.L00Im RIS seit
20.08.2021Zuletzt aktualisiert am
25.08.2021