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001 Verwaltungsrecht allgemein;Norm
B-VG Art139 Abs6 impl;Beachte
Serie (erledigt im gleichen Sinn): 96/04/0172 E 25. Februar 1997 96/04/0185 E 25. Februar 1997Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Griesmacher und die Hofräte Dr. Gruber und Dr. Blaschek als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Marihart, über die Beschwerde des J in W, vertreten durch Dr. G, Rechtsanwalt in B, gegen den Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates Burgenland vom 7. August 1995, Zl. E 15/02/95.005/1, betreffend Übertretung der Gewerbeordnung, zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 12.920,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit dem im Instanzenzug ergangenen angefochtenen Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates Burgenland vom 7. August 1995 wurde der Beschwerdeführer als gewerberechtlicher Geschäftsführer der O-Ges.m.b.H. schuldig erkannt, eine näher bezeichnete und betriebsanlagenrechtlich genehmigte Gastgewerbebetriebsanlage nach der Änderung durch Errichtung von 40 Verabreichungsplätzen im Freien (Hof) zu bestimmten Zeiten durch die Bewirtung von Gästen an diesen Verabreichungsplätzen betrieben zu haben, ohne daß die Änderung - welche wegen des Betriebes von 40 Verabreichungsplätzen im Freien (Hof) geeignet sei, die Nachbarn durch Lärm zu belästigen und deshalb einer Genehmung nach § 81 GewO 1994 bedürfe - gewerbebehördlich genehmigt worden sei.
Nach der Begründung dieses Bescheides wurde hinsichtlich der Tatanlastung von der belangten Behörde die Auffassung vertreten, daß - entgegen den Berufungsausführungen - für den Betrieb der gegenständlichen Verabreichungsplätze im Gastgarten der (genehmigten) Betriebsanlage eine Änderungsgenehmigung nach § 81 GewO 1994 ungeachtet des § 148 Abs. 1 GewO 1994 erforderlich sei.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde.
Über den (unter anderem) im Beschwerdefall vom Verwaltungsgerichtshof gestellten Prüfungsantrag hob der Verfassungsgerichtshof mit Erkenntnis vom 27. Juni 1996, G 211/94 und Folgezahlen, § 148 Abs. 1 zweiter Satz der Gewerbeordnung 1994, BGBl. Nr. 194, als verfassungswidrig auf.
Über die Beschwerde hat der Verwaltungsgerichtshof nach Vorlage der Akten des Verwaltungsstrafverfahrens und Erstattung einer Gegenschrift durch die belangte Behörde erwogen:
Der Beschwerdeführer erachtet sich im verwaltungsgerichtlichen Verfahren wie folgt in seinen Rechten verletzt:
"Durch das in Beschwerde gezogene Straferkenntnis der belangten Behörde werde ich in meinem Recht auf Durchführung eines ordentlichen Ermittlungsverfahrens und auf Feststellung weiterer rechtlich-relevanter Tatsachen ebenso wie in meinem Recht auf gesetzmäßige Anwendung der Bestimmungen der §§ 148, 81, 370, 366 GewO 1994 verletzt, wie in meinem Recht nicht wegen Übertretung der Bestimmung des § 370 in Verbindung mit §§ 366 und 81 GewO 1994 bestraft zu werden."
In Ausführung des so bezeichneten Beschwerdepunktes vertritt der Beschwerdeführer unter anderem die Auffassung, daß es sich beim vorliegenden Gastgarten (Innenhof) um einen bereits bestehenden sonstigen Gastgarten handle und für den Betrieb dieses Gastgartens keine eigene Betriebsanlagengenehmigung im Hinblick auf § 148 Abs. 1 zweiter Satz GewO 1994 erforderlich sei.
Art. 140 Abs. 7 B-VG lautet:
"Ist ein Gesetz wegen Verfassungswidrigkeit aufgehoben worden oder hat der Verfassungsgerichtshof gemäß Abs. 4 ausgesprochen, daß ein Gesetz verfassungswidrig war, so sind alle Gerichte und Verwaltungsbehörden an den Spruch des Verfassungsgerichtshofes gebunden. Auf die vor der Aufhebung verwirklichten Tatbestände mit Ausnahme des Anlaßfalles ist jedoch das Gesetz weiterhin anzuwenden, sofern der Verfassungsgerichtshof nicht in seinem aufhebenden Erkenntnis anderes ausspricht. Hat der Verfassungsgerichtshof in seinem aufhebenden Erkenntnis eine Frist gemäß Abs. 5 gesetzt, so ist das Gesetz auf alle bis zum Ablauf dieser Frist verwirklichten Tatbestände mit Ausnahme des Anlaßfalles anzuwenden."
Der Beschwerdefall ist (unter anderem) Anlaßfall für die verfassungsgerichtliche Aufhebung des § 148 Abs. 1 zweiter Satz GewO 1994. Es ist darum so vorzugehen, als ob die als rechtswidrig erkannte Norm bereits zur Zeit der Verwirklichung des dem Bescheid zugrundeliegenden Tatbestandes nicht mehr der Rechtsordnung angehört hätte. Der Beschwerdeführer ist also ungeachtet der Gesetzwidrigkeit der bezeichneten Gesetzesstelle durch deren Anwendung nicht in seinen Rechten verletzt worden.
Mit anderen Worten: Der Beschwerdeführer kann sich damit jedenfalls - von der objektiven Tatseite her gesehen - nicht mehr auf diese Regelung berufen, mag er durch die aufgehobene Norm auch "begünstigt" worden sein (vgl. etwa VfSlg. 10677, 10900 und 13900).
Ungeachtet der für den "Anlaßfall" - auf Grund der Verfassungsrechtslage - bewirkten rückwirkenden Aufhebung der Begünstigungsregel des § 148 Abs. 1 zweiter Satz GewO 1994 fehlt es aber an der subjektiven Vorwerfbarkeit bei Anwendung des § 5 Abs. 2 VStG. Ist doch der (für den Anlaßfall) durch eine rückwirkende Aufhebung der in Frage stehenden Begünstigungsregel bewirkte Rechtsirrtum als unverschuldet anzusehen. Daß aber der Beschwerdeführer auch bei Kenntnis der Unanwendbarkeit dieser Begünstigungsregel nicht anders gehandelt hätte und der Rechtsirrtum insofern ein unbeachtlicher wäre, ist im Beschwerdefall nicht zu finden.
Der angefochtene Bescheid leidet daher an einer inhaltlichen Rechtswidrigkeit und war gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.
Schlagworte
Anzuwendendes Recht Maßgebende Rechtslage VwRallg2European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1997:1996040171.X00Im RIS seit
11.07.2001