Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Hon.-Prof. Dr. Kuras als Vorsitzenden, die Hofrätinnen Dr. Tarmann-Prentner und Mag. Korn, den Hofrat Dr. Stefula und die Hofrätin Mag. Wessely-Kristöfel als weitere Richter in der Erwachsenenschutzsache des L*****, einstweiliger Erwachsenenvertreter und Rechtsbeistand Mag. Axel Seebacher, Rechtsanwalt in Klagenfurt am Wörthersee, über den Revisionsrekurs der R*****, registrierte Genossenschaft mit beschränkter Haftung, *****, vertreten durch Angerer Hochfellner Pontasch-Müller ua Rechtsanwälte in Klagenfurt am Wörthersee, gegen den Beschluss des Landesgerichts Klagenfurt als Rekursgericht vom 11. November 2020, GZ 4 R 295/20d-39, mit dem der Beschluss des Bezirksgerichts Völkermarkt vom 7. Oktober 2020, GZ 4 P 34/20w-6, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den
Beschluss
gefasst:
Spruch
Dem Revisionsrekurs wird teilweise Folge gegeben.
Der angefochtene Beschluss wird in Ansehung der Rechtsmittelwerberin dahin abgeändert, dass er zu lauten hat:
„Der R*****, registrierte Genossenschaft mit beschränkter Haftung wird aufgetragen, binnen 14 Tagen die Vermögenswerte jeweils unter Angabe der Kontonummer, des Tags der Eröffnung und der Auflösung sowie des Einlagestands einschließlich der Kontobewegungen (von der Eröffnung bis zur Zustellung dieses Beschlusses) bekanntzugeben, zu denen sich die betroffene Person bei ihr identifiziert hat.“
Text
Begründung:
[1] Mit Beschluss vom 7. 10. 2020 trug das Erstgericht von Amts wegen – gestützt auf § 133 Abs 1 und 4 AußStrG und § 38 Abs 2 Z 4 BWG – mehreren Banken, darunter der Rechtsmittelwerberin, die umgehende Bekanntgabe der Konten, Sparbücher, Wertpapiere, Bausparverträge und sonstigen Vermögenswerte einschließlich der Konto- und Guthabensstände und Verfügungsberechtigungen (wenn ja, für welche Personen) auf, die der Betroffene bei ihnen habe bzw hinsichtlich derer er identifiziert oder legitimiert sei. Weiters seien allfällige Vermögenswerte (ausgenommen ein allfälliges Giro- bzw Pensionskonto) derart zu sperren, dass Verfügungen darüber nur mit Genehmigung des Gerichts vorgenommen werden könnten.
[2] Mit Schreiben vom 16. 10. 2020 gab die R*****, registrierte Genossenschaft mit beschränkter Haftung (im Folgenden kurz Bank) bekannt, dass ihren Aufzeichnungen nach der Betroffene zu drei Sparbüchern identifiziert worden sei. Weitere Auskünfte könnten jedoch erst nach näherer Spezifikation der Sparbücher durch Angabe der Sparbuchbezeichnung oder Kontrollnummer sowie Bestätigung der materiellen Berechtigung des Betroffenen erteilt werden. Des Weiteren wurde darauf hingewiesen, dass die Spareinlagen auch dem Kontoregister gemeldet würden.
[3] Dem Rekurs der Bank gegen den Gerichtsauftrag vom 7. 10. 2020 gab das Rekursgericht nicht Folge. Den Rekursausführungen lasse sich entnehmen, dass es sich bei den Sparbüchern, zu denen der Betroffene identifiziert worden sei, um Spareinlagen nach § 31 Abs 3 BWG (also sogenannte Kleinbetragssparbücher) handle. Allein schon die Identifikation des Betroffenen sei ein gewichtiges Indiz dafür, dass es sich bei den jeweiligen Guthaben um Vermögen des Betroffenen handle. Somit bestehe die Pflicht des Erstgerichts, auch dieses Vermögen zu erforschen, und stehe dem das Bankgeheimnis nicht entgegen (§ 38 Abs 2 Z 4 BWG). Würde die Zulässigkeit der Mitteilung der Existenz dieser drei Sparguthaben tatsächlich von der Nennung der Kontonummer und der Vorlage der Sparurkunde abhängig sein, so würde dies die Kenntnis des Pflegschaftsgerichts von diesen Vermögenswerten voraussetzen, was hier ja gerade nicht der Fall sei. Bei Richtigkeit des Rechtsstandpunkts der Rekurswerberin wäre der Vermögenserforschung durch das Erstgericht jeglicher Boden entzogen und die Erfüllung dieses gesetzlichen Auftrags unmöglich gemacht.
[4] Das Rekursgericht sprach aus, dass der Wert des Entscheidungsgegenstands 30.000 EUR übersteige und der ordentliche Revisionsrekurs nach § 62 Abs 1 AußStrG zulässig sei, weil ein Sachverhalt wie der vorliegende vom Höchstgericht noch nicht beurteilt worden sei.
[5] Dagegen richtet sich der Revisionsrekurs der Bank, der auf eine Aufhebung des Gerichtsauftrags, in eventu auf eine Einschränkung dahin abzielt, dass Spareinlagen im Sinn des § 31 Abs 3 BWG ausgenommen werden mögen.
[6] Der einstweilige Erwachsenenvertreter und der Betroffene haben sich am Revisionsrekursverfahren nicht beteiligt.
[7] Der Revisionsrekurs ist zur Klarstellung der Rechtslage zulässig; er ist auch teilweise berechtigt.
Rechtliche Beurteilung
[8] 1.1 Bestehen Anhaltspunkte dafür, dass eine vertretene Person ein nennenswertes Vermögen hat, so hat das Gericht dieses gemäß § 133 Abs 1 AußStrG von Amts wegen zu erforschen. Zur Erforschung des Vermögens und zur Überwachung seiner Verwaltung, einschließlich zu seiner Sicherung, kann es nach Abs 4 leg cit insbesondere auch Auskünfte von Kreditunternehmen einholen und die Sperre von Guthaben anordnen.
[9] 1.2 Die Pflicht zur Erforschung und Sicherung des Vermögens trifft primär den gesetzlichen Vertreter bzw den Erwachsenenvertreter. Nur dort, wo dieser dazu die Hilfe des Gerichts benötigt, hat dieses tätig zu werden (ErlRV 296 BlgNr 21. GP 74 f; Mondel in Rechberger/Klicka, AußStrG³ § 133 Rz 2; Müller in Barth/Ganner, Handbuch
des Erwachsenenschutzrechts³ 468; Beck in Gitschthaler/Höllwerth, AußStrG² § 133 Rz 19 f; Täubel-Weinreich in Schneider/Verweijen, AußStrG § 133 Rz 7; Voithofer in Fenyves/Kerschner/Vonkilch, Klang3 § 259 ABGB Rz 38).
[10] 1.3 Die Revisionsrekurswerberin zieht nicht in Zweifel, dass im Anlassfall die Voraussetzungen für eine Vermögenserforschung durch das Pflegschaftsgericht vorliegen. Sie steht allerdings auf dem Standpunkt, wegen des Bankgeheimnisses ohne Vorlage der Sparurkunden zu einer Auskunft und zur Befolgung von Sperranordnungen in Bezug auf Kleinbetragssparbücher im Sinn des § 31 Abs 3 BWG nicht verpflichtet zu sein.
[11] 2. Sparbücher, deren Guthabensstand weniger als 15.000 EUR beträgt, die nicht auf einen Namen lauten und mit einem Losungswort versehen sind (§ 32 Abs 4 Z 1 BWG; „Kleinbetragssparbücher“), sind Inhaberpapiere (4 Ob 170/11w mwN). Auch bei der Eröffnung eines solchen Sparbuchs hat sich der Einleger zu identifizieren (§ 5 Z 1 iVm § 6 Abs 1 Z 1 FM-GwG). Kleinbetragssparbücher werden grundsätzlich durch Übergabe und Mitteilung des Losungsworts ins Eigentum des Übernehmers übertragen (vgl RIS-Justiz RS0102510; 2 Ob 101/20x). Das Kreditinstitut darf an den identifizierten (§ 6 Abs 1 Z 1 FM-GwG) Vorleger der Urkunde, der das korrekte Losungswort nennt, leisten (2 Ob 101/20x).
[12] Es ist daher – wie die Bank meint – nicht ausgeschlossen, dass mittlerweile nicht mehr der bei Eröffnung der Spareinlagen als Kunde identifizierte Betroffene, sondern jemand anderer der wirklich Berechtigte ist (vgl Apathy in Apathy/Iro/Koziol, Bankvertragsrecht² Rz 2/115).
[13] 3.1 § 38 BWG – wie vormals § 23 KWG – ist nur im Verhältnis zu einem Dritten anwendbar, weil die Offenbarung eines Bankgeheimnisses schon begrifflich nur gegenüber Dritten möglich ist. Dem Kunden gegenüber ist die Bank jederzeit zur Auskunft über den Stand der Konten und die Einzelheiten der Geschäftsbeziehung nach bürgerlichem Recht verpflichtet (7 Ob 610/95 mwN).
[14] 3.2 Nach § 38 Abs 2 Z 4 BWG besteht die Verpflichtung zur Wahrung des Bankgeheimnisses nicht gegenüber dem Pflegschaftsgericht, wenn der Kunde minderjährig oder sonst pflegebefohlen (in der Terminologie des 2. ErwSchG: vertretungsbedürftig) ist.
[15] Nach Ansicht von Jarbonegg (ÖBA 1997, 663 [665]) muss dieser Durchbrechungstatbestand eher als bloß deklarative Erweiterung des Ausnahmekatalogs angesehen werden, „weil und soweit der Minderjährige bzw sonst Pflegebefohlene die Kundenstellung nicht zur Gänze selbst auszufüllen vermag, sondern insoweit der Hilfe anderer Personen, aber auch des Gerichtes zur vollen Wahrnehmung seiner eigenen Interessen bedarf“. Dementsprechend sei es zutreffend, für die Reichweite der Durchbrechung darauf abzustellen, welche Informationen dem Kunden selbst, wäre er nicht „unter Vormundschaft gestellt oder besachwaltet“, zu erteilen wären.
[16] Ähnlich argumentiert Spitzer (in Bollenberger/Oppitz, Österreichisches Bankvertragsrecht3 Rz 2/139) in Anschluss an Apathy (aaO Rz 2/120): Da der gesetzliche Vertreter im Rahmen seines Wirkungsbereichs auskunftsberechtigt sei, müsse dies auch für das Pflegschaftsgericht gelten, das ja infolge der fehlenden oder eingeschränkten Geschäftsfähigkeit des Kunden dessen Interessen wahrnehme.
[17] Sommer/Hirsch (in Dellinger, BWG [Archiv-Band] § 38 Rz 255) führen aus, dass – wie im Abhandlungsverfahren – die Auskunftspflicht der Bank gegenüber dem Gericht nicht weiter als jene gegenüber dem Kunden selbst gehe, weil das Pflegschaftsgericht die Interessen des mangels ausreichender Geschäftsfähigkeit schutzbedürftigen Kunden wahrnehme.
[18] Einigkeit besteht, soweit ersichtlich, darin, dass Eingriffe in das Bankgeheimnis anderer Kunden durch § 38 Abs 2 Z 4 BWG nicht legitimiert sind (Apathy aaO Rz 2/120; Spitzer aaO Rz 2/139; Chini/Oppitz, BWG I § 38 Rz 17; Kammel in Laurer/M. Schütz/Kammel/Ratka, BWG4 § 38 Rz 20).
[19] 3.3.1 Richtig zeigt die Revisionsrekurswerberin auf, dass auch der Oberste Gerichtshof in der in einem Sachwalterschaftsverfahren ergangenen Entscheidung 7 Ob 100/03m festgehalten hat, dass die Auskunftspflicht der Bank gegenüber dem Gericht jedenfalls nicht weitergehen kann als jene gegenüber dem Kunden selbst. Wie sich allein schon aus dem Sinn und Zweck des verfassungsrechtlich geschützten (§ 38 Abs 5 BWG) Bankgeheimnisses ergebe, obliege der Beweis der Kundeneigenschaft demjenigen, der sich darauf gegenüber der Bank beruft und Auskunft erhalten will. Eine Auskunftspflicht der Bank könne daher nur in Betracht kommen, soweit ein Konto ausreichend individualisiert sei und im Besitz des Betroffenen stehe. Der 7. Senat hielt folglich die Rechtsansicht des Rekursgerichts im dortigen Fall für vertretbar, dass keine Auskunftspflicht der Bank gegenüber dem Gericht darüber bestehe, „wann und durch wen die beiden Sparbücher aufgelöst worden seien und wie hoch das Realisat gewesen sei“, weil die Kundeneigenschaft des Betroffenen nicht ausreichend bewiesen worden war.
[20] 3.3.2 Diese Ausführungen knüpfen zum einen an die Entscheidung 7 Ob 610/95 an, in der der Oberste Gerichtshof eine auf Art XLII Abs 1 erster Fall EGZPO gestützte Klage eines Erben gegen eine Bank zu beurteilen hatte: Demnach ist beim Erben, der sich nicht selbst als Bankkunde ausweisen kann, entscheidend, dass der Verstorbene noch im Todeszeitpunkt Kunde der Bank war, weil andernfalls der Erbe auch nicht in die Position des Verstorbenen als Kunde eintreten konnte. Dort war völlig ungewiss, ob dem Verstorbenen seine ursprüngliche Stellung als Kunde der Bank und Verfügungsberechtigter über die betreffenden Vermögenswerte auch noch im Todeszeitpunkt zukam. Daran schloss der Oberste Gerichtshof die Aussage, dass bei Inhabersparurkunden sich als Gläubiger nur deren Präsentant ausweisen könne. Daher sei auch eine Auskunftserteilung an die Vorlage der Urkunde gebunden (RIS-Justiz RS0102511).
[21] Dies geht wiederum auf die Entscheidung 8 Ob 71/70 zurück, wonach das Kreditinstitut dem Gericht gegenüber Auskünfte über ein nicht gleichzeitig vorgelegtes Sparbuch (das nicht zu einem Rektapapier gemacht wurde) selbst dann ablehnen kann, wenn dieses Sparbuch auf den Namen eines Pflegebefohlenen lautet (RS0040534). Damals gab es allerdings weder die Bestimmung des § 38 Abs 2 Z 4 BWG noch enthielt das (bis 31. 12. 2004 in Kraft stehende) AußStrG 1854 eine besondere Regelung der Auskunftspflicht.
[22] 3.3.3 Zum anderen ist die Entscheidung 7 Ob 100/03m Teil der Rechtsprechungslinie, wonach der Auskunftsanspruch des Gerichtskommissärs bzw des Abhandlungsgerichts von jenem des verstorbenen Bankkunden abgeleitet wird (vgl RS0111076).
[23] 4. Auf diesem Stand der Judikatur befassen sich zwei (rechtskräftige) zweitinstanzliche Entscheidungen mit der Auskunftspflicht der Bank gegenüber dem Gericht:
[24] 4.1 Zu 23 R 223/14p (iFamZ 2014, 256) gelangte das Landesgericht St. Pölten zu der Auffassung, ein Bankinstitut sei gegenüber dem Sachwalterschaftsgericht auch ohne Vorlage der Urkunde verpflichtet, bestimmte Auskünfte über Kleinbetragssparbücher unter 15.000 EUR zu erteilen, wenn das Sparbuch ursprünglich für die betroffene Person errichtet wurde. Es sei Auskunft darüber zu geben, wann das Sparbuch unter welcher Bezeichnung errichtet wurde, ob es innerhalb eines gewissen Zeitraums noch Bewegungen auf dem Sparbuch gab und, wenn ja, ob Auszahlungen an die betroffene Person oder allenfalls eine (nicht zu nennende) dritte Person erfolgten. Dies wurde damit begründet, dass die gegenteilige Ansicht zur Konsequenz hätte, dass, insbesondere bei betagten Personen, die unter Demenz leiden, aber auch zB bei Katastrophenfällen, das Bankgeheimnis, das an sich dem Schutz des Kunden dienen sollte, ausschließlich zum Nachteil des Kunden und zugunsten des Kreditinstituts ausschlage.
[25] Dem stimmte Parapatits in ihre Entscheidungsbesprechung (in iFamZ 2014, 256 [257]) zu, weil nur mit einer solchen Auskunftspflicht der Schutz der betroffenen Person und in manchen Fällen vielleicht sogar ihre finanzielle Existenz gewährleistet werden könnte. Zumindest in Fällen einer Sachwalterbestellung sei bei der Auskunftspflicht lediglich darauf abzustellen, ob durch eine Sparbucheröffnung eine spezielle vertragliche Beziehung zur Bank begründet worden sei. Ein schutzwürdiges Interesse der Bank könne demgegenüber nicht festgestellt werden, zumal lediglich eine Auskunftspflicht bestehe und diese nichts an den Voraussetzungen für eine Auszahlung von Kleinbetragssparbüchern ändere. Der Schutz einer etwaigen dritten Person, in deren Händen sich das Kleinbetragssparbuch befinde, rechtfertige ebenfalls nicht die Ablehnung der Auskunftspflicht, zumal lediglich Informationen über die Kontobewegungen und nicht die Identität der Person preisgegeben würden.
[26] 4.2 In der Entscheidung 25 R 4/14m (RKO0000004) schloss sich das Landesgericht Korneuburg der Ansicht an, dass für die Auskunftspflicht der Bank das Konto eines Betroffenen ausreichend individualisiert sein und in seinem Besitz stehen müsse. Ohne ausreichend bewiesene Kundeneigenschaft des Betroffenen im Hinblick auf bestimmte Sparbücher bestehe auch keine Möglichkeit, diese Sparbücher zu sperren, zumal auch nicht feststehe, ob ein Betroffener über diese Spareinlagen verfügungsberechtigt sei. Unter Wahrung des Bankgeheimnisses gemäß § 38 Abs 2 Z 4 BWG könne das Pflegschaftsgericht aber sehr wohl Auskunft darüber verlangen, zu welchem Zeitpunkt, zu welchen Kontonummern und mit welchem Einlagestand ein Betroffener seinerzeit Sparbücher angelegt hat bzw auf ihn identifiziert wurden. Diese Auskünfte ermöglichten die Einleitung eines Aufgebotsverfahrens im Sinne des Kraftloserklärungs-gesetzes 1951.
[27] 5. Wie die Revisionsrekurswerberin selbst erkennt, nimmt der Oberste Gerichtshof seit der Entscheidung 2 Ob 183/15y in nunmehr gefestigter Rechtsprechung (RS0130973) an, dass das Auskunftsrecht des Gerichtskommissärs und des Abhandlungsgerichts auf eigenem Recht beruht. Die Rechtsgrundlage bildet § 38 Abs 2 Z 3 BWG. Diese Ausnahmebestimmung differenziere nicht zwischen Geheimnissen des verstorbenen Kunden und solchen anderer Personen. Sie schließe die Berufung der Bank auf das Bankgeheimnis gegenüber dem Gerichtskommissär und dem Abhandlungsgericht grundsätzlich aus. Die Auskunft der Bank habe sich zwar weiterhin darauf zu beschränken, was für die Klärung der Nachlasszugehörigkeit eines bestimmten Vermögenswerts erforderlich ist. Mit dem Hinweis auf die Rechte Dritter oder von Kontomitinhabern könne diese Auskunft aber nicht verweigert werden.
[28] 6. Aus all dem ergeben sich nach Ansicht des erkennenden Senats für den Anlassfall folgende Schlussfolgerungen:
[29] 6.1 Abgesehen davon, dass dem Erwachsenenvertreter und dem Pflegschaftsgericht sämtliche „äußeren“ Daten der Geschäftsverbindung zugänglich sind, die das Kreditinstitut nach § 2 KontRegG dem Kontoregister gemeldet hat (ds – ausgehend vom identifizierten Kunden – insbesondere die Kontonummer, der Tag der Eröffnung und Auflösung des Kontos sowie allfällige gegenüber dem Kreditinstitut hinsichtlich des Kontos vertretungsbefugte Personen), steht das Bankgeheimnis einer Auskunftspflicht der Bank im Erwachsenenschutzverfahren jedenfalls über „inhaltliche“ Daten nicht entgegen, die den mit der betroffenen Person geschlossenen Vertrag betreffen (insbesondere die Höhe des Einlagestands zum Eröffnungszeitpunkt), weil auch dem Kunden diese Informationen unter Berufung auf das Bankgeheimnis nicht verweigert werden könnten.
[30] Die Vorlage der Sparurkunde ist für diese Auskunft, welche dem Kunden bzw dem Erwachsenenvertreter die Einleitung eines Kraftloserklärungsverfahrens bezüglich allfälliger in Verlust geratener Sparbücher ermöglicht, nicht erforderlich, weil durch die Identifizierung (hier zu insgesamt drei Spareinlagen) ein zumindest im Eröffnungszeitpunkt bestehendes Vertragsverhältnis der betroffenen Person mit der Bank dargetan ist, das die Offenlegung aller damit im Zusammenhang stehenden Informationen rechtfertigt. Die noch in der Entscheidung 8 Ob 71/70 angesprochene Möglichkeit, ein Sparbuch auf einen falschen oder erdichteten Namen zu eröffnen, ist durch die Notwendigkeit der Identifizierung des Einlegers bei der Eröffnung auch eines Kleinbetragssparbuchs (§ 5 Z 1 FM-GwG iVm § 6 Abs 1 Z 1 FM-GwG) weggefallen. Das Rekursgericht verweist zu Recht darauf, dass abhanden gekommene Sparurkunden nicht vorgelegt werden können. Gerade dann sind allerdings der Betroffene, der die relevanten Daten nicht mehr memoriert, bzw sein Erwachsenenvertreter auf eine Auskunft der Bank angewiesen, um einen die Urkunde ersetzenden Gerichtsbeschluss nach § 13 Kraftloserklärungsgesetz 1951 (KEG) zu erlangen (RS0065889).
[31] 6.2 Die Auskunftspflicht der Bank gegenüber dem Pflegschaftsgericht (§ 133 Abs 4 AußStrG) geht aber über diese schon gegenüber dem Betroffenen als Kunden bzw dem Erwachsenenvertreter, der als gesetzlicher Vertreter in die Rechtsposition des Kunden eintritt, bestehende Auskunftspflicht hinaus:
[32] An der Auffassung, dass sich der Auskunftsanspruch des Gerichts (nur) von jenem der betroffenen Person ableitet, kann in Anbetracht der neueren Rechtsprechung des für Verlassenschaftssachen zuständigen Fachsenats zur Durchbrechungsbestimmung des § 38 Abs 2 Z 3 BWG nicht festgehalten werden. Das zur Z 3 des § 38 Abs 2 BWG Gesagte muss sinngemäß auch für die Z 4 gelten. In § 38 Abs 2 Z 4 BWG ist daher eine eigene Rechtsgrundlage für das Auskunftsrecht des Pflegschaftsgerichts zu erblicken. Dieses umfasst sämtliche für die Erfüllung der in § 133 AußStrG genannten Aufgaben erforderlichen Informationen (ds die Erforschung des Vermögens, die Überwachung der Verwaltungstätigkeit zur Vermeidung einer Gefährdung des Wohls der vertretenen Person und die Sicherung des Vermögens). Die Beurteilung setzt eine Interessenabwägung im Einzelfall voraus.
[33] Dafür, dass dem Gericht ein vom Erwachsenenvertreter unabhängiges Auskunftsrecht zukommt, spricht nicht zuletzt, dass die Verpflichtung des Gerichts zum Tätigwerden nach § 133 AußStrG erst dann greift, wenn und soweit der Erwachsenenvertreter nicht dazu in der Lage ist (vgl oben Pkt 1.2 bzw Weitzenböck in Schwimann/Kodek5, § 259 ABGB Rz 14). Der Umstand, dass das Gericht nach der Konzeption der materiellen und verfahrensrechtlichen Gesetzesbestimmungen in Ansehung der Vermögensrechte von Personen unter gesetzlicher Vertretung dem Vertreter Hilfestellung leisten soll, legt weitergehende Ermittlungsmöglichkeiten des Gerichts nahe. Das bedeutet, dass die Bank dem Pflegschaftsgericht hier auf Verlangen auch Auskunft darüber zu erteilen hat, ob es nach der Eröffnung Kontobewegungen gegeben hat bzw wie hoch der aktuelle Kontostand ist. Dem kann die Bank auch bei einem Kleinbetragssparbuch nicht entgegen halten, dass dadurch allenfalls in Geheimnisse eines Dritten eingegriffen würde.
[34] 6.3 Zu weit geht der angefochtene Beschluss
– zumindest auf derzeitiger Sachverhaltsgrundlage – jedoch, als der Bank auch die Mitteilung auftragen wird, welche (sich nicht nach § 2 Abs 1 Z 3 KontRegG ohnehin aus dem Kontoregister ergebende) dritte Person über ein allfälliges Guthaben verfügungsberechtigt ist. Der Beschluss der Vorinstanzen lässt jegliche Begründung vermissen, warum die namentliche Kenntnis eines allfälligen Dritten für die Erforschung des Vermögens des Betroffenen bzw dessen Sicherung notwendig sein soll. Diese wäre umso mehr erforderlich, als im Kraftloserklärungsverfahren über Anfrage des Gerichts die Bank als Verpflichtete der Einleitung des Aufgebotsverfahrens entgegenstehende Hindernisse bekanntzugeben hat (§§ 4, 11 KEG) und Dritte (unter Vorlage der Urkunde) Anmeldungen vornehmen können, von denen der Antragsteller zu verständigen ist (§ 10 KEG), womit der streitige Rechtsweg gegen den Inhaber beschritten werden kann (Lindner in Gitschthaler/Höllwerth, AußStrG II § 10 KEG Rz 3 und 4).
[35] Dieser Teil des Beschlusses hatte daher ersatzlos zu entfallen.
[36] 6.4 Nicht in Betracht kommt zudem eine vorsorgliche Sperre von Vermögenswerten, die nicht eindeutig dem Betroffenen zugeordnet werden können, weil im Rahmen der Vermögenssicherung grundsätzlich nicht in Rechte Dritter eingegriffen werden darf (Weitzenböck in Deixler-Hübner/Schauer, Handbuch Erwachsenenschutzrecht [2018] Rz 6.104). Vielmehr wäre zunächst abzuklären, ob mit Hilfe der von der Bank zu erteilenden Informationen die Sparurkunden doch noch im Einflussbereich des Betroffenen aufgefunden werden können. Falls nicht, bildet der Umstand, dass der Betroffene sich zu drei Spareinlagen identifiziert hat, wie das Rekursgericht bemerkt, wohl ein starkes Indiz für seine Berechtigung in Bezug auf die Spareinlagen (vgl RS0131962). Dagegen könnten aber andere Anhaltspunkte, wie etwa Abhebungen durch Dritte, sprechen, die die Bank ins Treffen führen könnte. Im Zweifel müsste ein – nach § 9 Abs 2 KEG mit einer Zahlungssperre verbundenes – Kraftloserklärungsverfahren eingeleitet werden (vgl auch § 31 Abs 4 BWG), durch das allfällige Rechte Dritter gewahrt blieben (vgl 1 Ob 172/99x).
[37] 7. Dem Revisionsrekurs war daher teilweise Folge zu geben und der angefochtene Beschluss nur in dem Umfang zu bestätigen, in dem die Auskunft hier der Erforschung und Sicherung des Vermögens des Betroffenen durch das Pflegschaftsgericht dient.
Textnummer
E132475European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:2021:0080OB00120.20K.0625.000Im RIS seit
20.08.2021Zuletzt aktualisiert am
20.08.2021