TE Bvwg Erkenntnis 2021/7/7 W141 2240800-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 07.07.2021
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Entscheidungsdatum

07.07.2021

Norm

BBG §40
BBG §41
BBG §43
BBG §45
B-VG Art133 Abs4

Spruch


W141 2240800-1/ 4E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. Gerhard HÖLLERER als Vorsitzenden und den Richter Mag. Stephan WAGNER sowie den fachkundigen Laienrichter
Robert ARTHOFER als Beisitzer über die Beschwerde von XXXX ,
geb. XXXX , gegen den Bescheid des Bundesamtes für Soziales und Behindertenwesen, Landesstelle Wien, vom 03.11.2020, XXXX , betreffend die Neufestsetzung des Grades der Behinderung im Behindertenpass gemäß § 41, § 43 und § 45 Bundesbehindertengesetz (BBG), zu Recht erkannt:

A)

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen und der angefochtene Bescheid bestätigt.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.


Text


Entscheidungsgründe:

I. Verfahrensgang:

1.       Mit Wirksamkeit vom 12.04.2010 hat das Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen (Kurzbezeichnung: Sozialministeriumservice; in der Folge belangte Behörde genannt) der Beschwerdeführerin einen Behindertenpass ausgestellt und einen Grad der Behinderung von 50 vH eingetragen.

2.       Die Beschwerdeführerin hat am 30.01.2020 bei der belangten Behörde unter Vorlage von diversen Unterlagen einen Antrag auf Neufestsetzung des Grades der Behinderung gestellt.

2.1.    Zur Überprüfung des Antrages wurde von der belangten Behörde ein Sachverständigengutachten eines Facharztes für Augenheilkunde, basierend auf der Aktenlage, ein Sachverständigengutachten eines Facharztes für HNO, basierend auf der Aktenlage, ein Sachverständigengutachten eines Arztes für Allgemeinmedizin, basierend auf der persönlichen Untersuchung der Beschwerdeführerin am 24.06.2020 und eine Gesamtbeurteilung eines Arztes für Allgemeinmedizin, basierend auf der Aktenlage mit dem Ergebnis eingeholt, dass der Grad der Behinderung mit 30 vH bewertet wurde.

2.2.    Mit Schreiben vom 18.08.2020 hat die belangte Behörde der Beschwerdeführerin gemäß § 45 AVG das Ergebnis der Beweisaufnahme zur Kenntnis gebracht und ihr die Möglichkeit eingeräumt, innerhalb von zwei Wochen eine schriftliche Stellungnahme abzugeben.

2.3.    Mit Schreiben vom 31.08.2020 brachte die Beschwerdeführerin eine schriftliche Stellungnahme zum Parteiengehör ein.

3.       Mit dem angefochtenen Bescheid hat die belangte Behörde den Grad der Behinderung gemäß § 41, § 43 und § 45 Bundesbehindertengesetz neu festgesetzt und einen Grad der Behinderung in Höhe von 30 vH festgestellt.

Beweiswürdigend wurde ausgeführt, dass das durchgeführte medizinische Beweisverfahren ergeben habe, dass nunmehr ein Grad der Behinderung von 30 vH vorliegen würde. In der rechtlichen Beurteilung zitierte die belangte Behörde die maßgeblichen Bestimmungen des BBG.

3.       Gegen diesen Bescheid wurde von der Beschwerdeführerin fristgerecht Beschwerde erhoben.

Unter Vorlage weiterer medizinischer Beweismittel wurde im Wesentlichen zusammengefasst vorgebracht, dass sich die Beschwerdeführerin mit dem Ergebnis der Beweisaufnahme nicht einverstanden erkläre, sie bitte daher um nochmalige Vorstellung.

3.2.    Zur Überprüfung des Beschwerdegegenstandes wurde von Seiten der belangten Behörde eine Stellungnahme desselben Arztes für Allgemeinmedizin, basierend auf der Aktenlage, ein Sachverständigengutachten von einer Fachärztin für Innere Medizin, basierend auf der persönlichen Untersuchung der Beschwerdeführerin am 10.03.2021, ein Sachverständigengutachten von einem Facharzt für HNO, basierend auf der persönlichen Untersuchung der Beschwerdeführerin am 16.03.2021 und eine Gesamtbeurteilung durch dieselbe Fachärztin für Innere Medizin, basierend auf der Aktenlage, eingeholt und ein Gesamtgrad der Behinderung in Höhe von 30 vH festgestellt.

3.2.    Mit Beschwerdevorlage vom 26.03.2021 wurde das Beschwerdevorbringen samt dazugehörigem Verwaltungsakt dem Bundesverwaltungsgericht zur Entscheidung vorgelegt.

4.2.    Mit Schreiben vom 05.05.2021 wurde der Beschwerdeführerin und der belangten Behörde vom Bundesverwaltungsgericht das Ergebnis der Beweisaufnahme im Rahmen des Parteiengehörs gemäß § 17 VwGVG iVm § 45 Abs. 3 AVG unter Hinweis auf die Neuerungsbeschränkung gemäß § 46 BBG zur Kenntnis gebracht und die Möglichkeit eingeräumt, sich dazu einlangend binnen zwei Wochen nach Zustellung des Schreibens zu äußern.

Weder von Seiten der belangten Behörde noch von der Beschwerdeführerin wurden Einwendungen vorgebracht.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

Da sich die Beschwerdeführerin mit dem im angefochtenen Bescheid festgestellten Grad der Behinderung nicht einverstanden erklärt hat, war dieser zu überprüfen.

1. Feststellungen:

1.1.    Die Beschwerdeführerin hat ihren Wohnsitz im Inland.

1.2.    Der Gesamtgrad der Behinderung beträgt 30 vH.

1.2.1.  Ausmaß der Funktionseinschränkungen:

Allgemeinzustand: gut

Ernährungszustand: normal

Größe: 160,00 cm  Gewicht: 62,00kg  Blutdruck: 140/80

Klinischer Status- Fachstatus:

HNAP frei; Hals: keine Struma, Z.n. Prothesenversorgung im UK Bereich Haut bland; Thorax: symmetrisch Pulmo: VA, SKS Herztöne: rein, rhythmisch, normofrequent; Abdomen: Leber und Milz nicht palpabel, keine Druckpunkte, keine Resistenzen, Darmgeräusche lebhaft; UE: keine Ödeme, Fußpulse palpabel Haut: unauffällig, kein Hinweis auf Neurodermitis Faustschluss: möglich, NSG: möglich, FBA: möglich; Untersuchung im Sitzen und Liegen, selbständiges An- und Ausziehen

Gesamtmobilität - Gangbild:

unauffällig, keine Hilfsmittel

Psychischer Status:

allseits orientiert, Ductus kohärent

1.2.2.  Beurteilung der Funktionseinschränkungen:

Lfd. Nr.

Funktionseinschränkung

Position

GdB

1

Rechts geringgradige Hörstörung, links Taubheit

Tabelle Zeile 2/Kolonne 6 - fixer Richtsatz

12.02.01

30 vH

2

degenerative Erkrankungen des Bewegungsapparates oberer Rahmensatz, da geringe funktionelle Beeinträchtigung

02.02.01

20 vH

3

Koronare Herzkrankheit

oberer Rahmensatz, da ergometrisch gute Leistungsfähigkeit ohne Beschwerden

05.05.01

20 vH

4

Defekt linker Unterkiefer mit Beeinträchtigung der Kaufunktion

Unterer Rahmensatz, da keine Beeinträchtigung der Artikulation.

07.02.02

10 vH

Gesamtgrad der Behinderung

30 vH

Begründung für den Gesamtgrad der Behinderung: Der Gesamtgrad der Behinderung beträgt 30 vH. Das führende Leiden 1 wird durch die Leiden 2-4 wegen Geringfügigkeit nicht angehoben.

1.3.    Der gegenständliche Antrag ist am 30.01.2020 bei der belangten Behörde eingelangt.

2. Beweiswürdigung:

Aufgrund der vorliegenden Beweismittel und des Aktes der belangten Behörde ist das Bundesverwaltungsgericht (BVwG) in der Lage, sich vom entscheidungsrelevanten Sachverhalt im Rahmen der freien Beweiswürdigung ein ausreichendes Bild zu machen. Die freie Beweiswürdigung ist ein Denkprozess, der den Regeln der Logik zu folgen hat und im Ergebnis zu einer Wahrscheinlichkeitsbeurteilung eines bestimmten historisch empirischen Sachverhalts, also von Tatsachen, führt. Der Verwaltungsgerichtshof führt dazu präzisierend aus, dass eine Tatsache in freier Beweiswürdigung nur dann als erwiesen angenommen werden darf, wenn die Ergebnisse des Ermittlungsverfahrens ausreichende und sichere Anhaltspunkte für eine derartige Schlussfolgerung liefern (VwGH 28.09.1978, Zahl 1013, 1015/76).

Hauer/Leukauf, Handbuch des österreichischen Verwaltungsverfahrens, 5. Auflage, § 45 AVG, E 50, Seite 305, führen beispielsweise in Zitierung des Urteils des Obersten Gerichtshofs vom 29.02.1987, Zahl 13 Os 17/87, aus: „Die aus der gewissenhaften Prüfung aller für und wider vorgebrachten Beweismittel gewonnene freie Überzeugung der Tatrichter wird durch eine hypothetisch denkbare andere Geschehensvariante nicht ausgeschlossen. Muss doch dort, wo ein Beweisobjekt der Untersuchung mit den Methoden einer Naturwissenschaft oder unmittelbar einer mathematischen Zergliederung nicht zugänglich ist, dem Richter ein empirisch-historischer Beweis genügen. Im gedanklichen Bereich der Empirie vermag daher eine höchste, ja auch eine (nur) hohe Wahrscheinlichkeit die Überzeugung von der Richtigkeit der wahrscheinlichen Tatsache zu begründen, (…)“.

Zu 1.1.) Die Feststellungen zu den allgemeinen Voraussetzungen ergeben sich aus dem diesbezüglich unbedenklichen, widerspruchsfreien und unbestrittenen Akteninhalt.

Zu 1.2.) Nach der ständigen Judikatur des VwGH muss ein Sachverständigengutachten einen Befund und das eigentliche Gutachten im engeren Sinn enthalten. Der Befund ist die vom Sachverständigen – wenn auch unter Zuhilfenahme wissenschaftlicher Feststellungsmethoden – vorgenommene Tatsachenfeststellung. Die Schlussfolgerungen des Sachverständigen aus dem Befund, zu deren Gewinnung er seine besonderen Fachkenntnisse und Erfahrungen benötigt, bilden das Gutachten im engeren Sinn (VwGH vom 20.10.1978, 1353/78).

Nach Würdigung des erkennenden Gerichtes erfüllen sie auch die an ärztliche Sachverständigengutachten gestellten Anforderungen. In den eingeholten Gutachten wurde auf die Art der Leiden und deren Ausmaß ausführlich eingegangen.

Die durch die belangte Behörde eingeholten ärztliche Sachverständigengutachten sind schlüssig, nachvollziehbar und weisen keine Widersprüche auf. Die getroffenen Einschätzungen, basierend auf den im Rahmen der persönlichen Untersuchungen der Beschwerdeführerin erhobenen klinischen Befunden und der Aktenlage entsprechen unter Berücksichtigung der vorgelegten Beweismittel den festgestellten Funktionseinschränkungen.

Der Sachverständige Facharzt für HNO führt nachvollziehbar aus, dass die Beurteilung des führenden Leidens 1, rechts geringgradige Hörstörung, links Taubheit, unter der Richtsatzposition 12.02.01 mit einem Grad der Behinderung in Höhe von 30 vH erfolgt. Weiters erläutert er, dass drei unabhängig voneinander erstellte Audiogramme und die klinische Hörweite zeigen, dass rechts nur eine geringgradige Hörstörung vorliegt. Abschließend hält er fest, dass darüber hinausgehende Störungen des Sprachverstehens nicht bestehen.

Dies steht im Einklang mit der Einschätzung aus dem Vorgutachten, der Sachverständige hält fest, dass keine wesentlichen Veränderungen zur Untersuchung vom 05.02.2020 zu objektivieren sind. Bei der Untersuchung vom 05.02.2020 hält der Facharzt für HNO fest, dass das Hörvermögen rechts lediglich einer geringgradigen Hörstörung an der Grenze zur Normalhörigkeit entspricht und die vorliegenden neuen Befunde kongruent sind.

Das Leiden 2, degenerative Erkrankungen des Bewegungsapparates, wird von der medizinischen Sachverständigen für Innere Medizin unter der Positionsnummer 02.02.01 mit einem Grad der Behinderung in Höhe von 20 von Hundert festgesetzt. Dies entspricht dem oberen Rahmensatz, da lediglich eine geringe funktionelle Beeinträchtigung besteht.

Als weiteres Leiden wird Leiden 3, Koronare Herzkrankheit, im Sachverständigengutachten der Fachärztin für Innere Medizin unter der Positionsnummer 05.05.01 mit einem Grad der Behinderung in Höhe von 20 vH angeführt. Dies entspricht dem oberen Rahmensatz, da eine ergometrisch gute Leistungsfähigkeit ohne Beschwerden gegeben ist.

Im Vergleich zum Vorgutachten kommt das Leiden 4, Defekt linker Unterkiefer mit Beeinträchtigung der Kaufunktion, unter der Richtsatzposition 07.02.02 neu hinzu und wird vom Facharzt für HNO mit einem Grad der Behinderung in Höhe von 10 vH bewertet. Die Wahl dieser Position wird mit dem unteren Rahmensatz angesetzt, da keine Beeinträchtigung der Artikulation besteht.

Weiters hält die Sachverständige nachvollziehbar fest, dass der Gesamtgrad der Behinderung mit 30 vH zu bewerten ist und führt diesbezüglich weiter aus, dass das führende Leiden 1, rechts geringgradige Hörstörung, links Taubheit, durch die Leiden 2-4 nicht weiter erhöht wird, da diese von zu geringer funktioneller Relevanz sind.

Die bei der Beschwerdeführerin vorliegenden Gesundheitsschädigungen wurden somit in den eingeholten Sachverständigengutachten dem Ausmaß der Funktionseinschränkungen entsprechend beurteilt und unter die entsprechenden Positionsnummern der Anlage zur Einschätzungsverordnung eingeschätzt.

Die Angaben der Beschwerdeführerin konnten somit nicht über den erstellten Befund hinaus objektiviert werden. Die Krankengeschichte der Beschwerdeführerin wurde umfassend und differenziert nach den konkret vorliegenden Krankheitsbildern auch im Zusammenwirken zueinander berücksichtigt. Die vorgelegten Beweismittel stehen nicht im Widerspruch zum Ergebnis des eingeholten Sachverständigenbeweises, es wird kein aktuell höheres Funktionsdefizit beschrieben als gutachterlich festgestellt wurde und sie enthalten auch keine neuen fachärztlichen Aspekte, welche unberücksichtigt geblieben sind.

Die Sachverständigengutachten stehen mit den Erfahrungen des Lebens, der ärztlichen Wissenschaft und den Denkgesetzen nicht in Widerspruch. Auch war dem Vorbringen sowie den eingeholten und vorgelegten Beweismitteln kein Anhaltspunkt zu entnehmen, die Tauglichkeit der befassten Sachverständigen oder deren Beurteilung beziehungsweise Feststellungen in Zweifel zu ziehen.

Die Angaben der Beschwerdeführerin konnten nicht über den erstellten Befund hinaus objektiviert werden. Auch ist die Beschwerdeführerin den - nicht als unschlüssig zu erkennenden – Sachverständigengutachten nicht auf gleicher fachlicher Ebene entgegengetreten.

Die Sachverständigengutachten werden daher in freier Beweiswürdigung der Entscheidung zugrunde gelegt.

Zu 1.3.) Der Antrag der Beschwerdeführerin weist am Eingangsvermerk der belangten Behörde das Datum 30.01.2020 auf.

3. Rechtliche Beurteilung:

Gemäß § 6 des Bundesgesetzes über die Organisation des Bundesverwaltungsgerichtes (Bundesverwaltungsgerichtsgesetz – BVwGG), BGBl. I Nr. 10/2013 idgF, entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist.

Gemäß § 45 Abs. 3 des Bundesgesetzes vom 17. Mai 1990 über die Beratung, Betreuung und besondere Hilfe für behinderte Menschen (Bundesbehindertengesetz - BBG), BGBl. Nr. 283/1990 idgF, hat in Verfahren auf Ausstellung eines Behindertenpasses, auf Vornahme von Zusatzeintragungen oder auf Einschätzung des Grades der Behinderung die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts durch den Senat zu erfolgen. Gegenständlich liegt somit Senatszuständigkeit vor.

Gemäß § 46 BBG beträgt die Beschwerdefrist abweichend von den Vorschriften des Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetzes, BGBl. I Nr. 33/2013, sechs Wochen. Die Frist zur Erlassung einer Beschwerdevorentscheidung beträgt zwölf Wochen. In Beschwerdeverfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht dürfen neue Tatsachen und Beweismittel nicht vorgebracht werden.

Gemäß § 54 Abs. 18 BBG tritt § 46 BBG in der Fassung des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. 57/2015 mit 1. Juli 2015 in Kraft.

Das Verfahren der Verwaltungsgerichte mit Ausnahme des Bundesfinanzgerichtes ist durch das Bundesgesetz über das Verfahren der Verwaltungsgerichte (Verwaltungs-gerichtsverfahrensgesetz - VwGVG), BGBl. I Nr. 33/2013 idgF, geregelt (§ 1 leg.cit.). Gemäß § 58 Abs. 2 VwGVG bleiben entgegenstehende Bestimmungen, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes bereits kundgemacht wurden, in Kraft.

Gemäß § 17 VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles, die Bestimmungen der Bundesabgabenordnung (BAO), BGBl. Nr. 194/1961, des Agrarverfahrensgesetzes (AgrVG), BGBl. Nr. 173/1950, und des Dienstrechtsverfahrensgesetzes 1984 (DVG), BGBl. Nr. 29/1984, und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.

Gemäß § 27 VwGVG hat das Verwaltungsgericht, soweit nicht Rechtswidrigkeit wegen Unzuständigkeit der Behörde gegeben ist, den angefochtenen Bescheid auf Grund der Beschwerde (§ 9 Abs. 1 Z 3 und 4) oder auf Grund der Erklärung über den Umfang der Anfechtung (§ 9 Abs. 3) zu überprüfen.

Gemäß § 28 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht, sofern die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder das Verfahren einzustellen ist, die Rechtssache durch Erkenntnis zu erledigen.

Gemäß § 28 Abs. 2 VwGVG hat das Verwaltungsgericht über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG dann in der Sache selbst zu entscheiden, wenn der maßgebliche Sachverhalt feststeht oder die Feststellung des maßgeblichen Sachverhalts durch das Verwaltungsgericht selbst im Interesse der Raschheit gelegen oder mit einer erheblichen Kostenersparnis verbunden ist.

Zu A)

1.       Zur Entscheidung in der Sache:

Gemäß § 1 Abs. 2 BBG ist unter Behinderung im Sinne dieses Bundesgesetzes die Auswirkung einer nicht nur vorübergehenden körperlichen, geistigen oder psychischen Funktionsbeeinträchtigung oder Beeinträchtigung der Sinnesfunktionen zu verstehen, die geeignet ist, die Teilhabe am Leben in der Gesellschaft zu erschweren. Als nicht nur vorübergehend gilt ein Zeitraum von mehr als voraussichtlich sechs Monaten.

Gemäß § 40 Abs. 1 BBG ist behinderten Menschen mit Wohnsitz oder gewöhnlichem Aufenthalt im Inland und einem Grad der Behinderung oder einer Minderung der Erwerbsfähigkeit von mindestens 50% auf Antrag vom Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen (§ 45) ein Behindertenpass auszustellen, wenn

1.       ihr Grad der Behinderung (ihre Minderung der Erwerbsfähigkeit) nach bundesgesetzlichen Vorschriften durch Bescheid oder Urteil festgestellt ist oder

2.       sie nach bundesgesetzlichen Vorschriften wegen Invalidität, Berufsunfähigkeit, Dienstunfähigkeit oder dauernder Erwerbsunfähigkeit Geldleistungen beziehen oder

3.       sie nach bundesgesetzlichen Vorschriften ein Pflegegeld, eine Pflegezulage, eine Blindenzulage oder eine gleichartige Leistung erhalten oder

4.       für sie erhöhte Familienbeihilfe bezogen wird oder sie selbst erhöhte Familienbeihilfe beziehen oder

5.       sie dem Personenkreis der begünstigten Behinderten im Sinne des Behinderteneinstellungsgesetzes, BGBl. Nr. 22/1970, angehören.

Gemäß § 40 Abs. 2 BBG ist behinderten Menschen, die nicht dem im Abs. 1 angeführten Personenkreis angehören, ein Behindertenpass auszustellen, wenn und insoweit das Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen auf Grund von Vereinbarungen des Bundes mit dem jeweiligen Land oder auf Grund anderer Rechtsvorschriften hiezu ermächtigt ist.

Gemäß § 35 Abs. 2 des Bundesgesetzes vom 7. Juli 1988 über die Besteuerung des Einkommens natürlicher Personen (Einkommensteuergesetz 1988 - EStG 1988), BGBl. Nr. 400/1988 idgF, bestimmt sich die Höhe des Freibetrages nach dem Ausmaß der Minderung der Erwerbsfähigkeit (Grad der Behinderung). Die Minderung der Erwerbsfähigkeit (Grad der Behinderung) richtet sich in Fällen,

1.       in denen Leistungen wegen einer Behinderung erbracht werden, nach der hiefür maßgebenden Einschätzung,

2.       in denen keine eigenen gesetzlichen Vorschriften für die Einschätzung bestehen, nach § 7 und § 9 Abs. 1 des Kriegsopferversorgungsgesetzes 1957 bzw. nach der Einschätzungsverordnung, BGBl. II Nr. 261/2010, für die von ihr umfassten Bereiche.

Die Tatsache der Behinderung und das Ausmaß der Minderung der Erwerbsfähigkeit (Grad der Behinderung) sind durch eine amtliche Bescheinigung der für diese Feststellung zuständigen Stelle nachzuweisen.

Zuständige Stelle ist:

–        Der Landeshauptmann bei Empfängern einer Opferrente (§ 11 Abs. 2 des Opferfürsorgegesetzes, BGBl. Nr. 183/1947).

–        Die Sozialversicherungsträger bei Berufskrankheiten oder Berufsunfällen von Arbeitnehmern.

–        In allen übrigen Fällen sowie bei Zusammentreffen von Behinderungen verschiedener Art das Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen; dieses hat den Grad der Behinderung durch Ausstellung eines Behindertenpasses nach §§ 40 ff des Bundesbehindertengesetzes, im negativen Fall durch einen in Vollziehung dieser Bestimmungen ergehenden Bescheid zu bescheinigen.

Gemäß § 41 Abs. 1 BBG gilt als Nachweis für das Vorliegen der im § 40 genannten Voraussetzungen der letzte rechtskräftige Bescheid eines Rehabilitationsträgers (§ 3), ein rechtskräftiges Urteil eines Gerichtes nach dem Arbeits- und Sozialgerichtsgesetz, BGBl. Nr. 104/1985, ein rechtskräftiges Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes oder die Mitteilung über die Gewährung der erhöhten Familienbeihilfe gemäß § 8 Abs. 5 des Familienlastenausgleichsgesetzes 1967, BGBl. Nr. 376. Das Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen hat den Grad der Behinderung nach der Einschätzungsverordnung (BGBl. II Nr. 261/2010) unter Mitwirkung von ärztlichen Sachverständigen einzuschätzen, wenn

1.       nach bundesgesetzlichen Vorschriften Leistungen wegen einer Behinderung erbracht werden und die hiefür maßgebenden Vorschriften keine Einschätzung vorsehen oder

2.       zwei oder mehr Einschätzungen nach bundesgesetzlichen Vorschriften vorliegen und keine Gesamteinschätzung vorgenommen wurde oder

3.       ein Fall des § 40 Abs. 2 vorliegt.

§ 1 sowie § 41 Abs. 1 und 2 in der Fassung des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. 81/2010 treten mit 1. September 2010 in Kraft.

Da im gegenständlichen Fall der Antrag auf Neufestsetzung des Grades der Behinderung am 30.01.2020 gestellt worden ist, war der Grad der Behinderung nach der Einschätzungsverordnung zu beurteilen.

Gemäß § 42 Abs. 1 BBG hat der Behindertenpass den Vornamen sowie den Familien- oder Nachnamen, das Geburtsdatum eine allfällige Versicherungsnummer und den festgestellten Grad der Behinderung oder der Minderung der Erwerbsfähigkeit zu enthalten und ist mit einem Lichtbild auszustatten. Zusätzliche Eintragungen, die dem Nachweis von Rechten und Vergünstigungen dienen, sind auf Antrag des behinderten Menschen zulässig. Die Eintragung ist vom Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen vorzunehmen.

Gemäß § 42 Abs. 2 BBG ist der Behindertenpass unbefristet auszustellen, wenn keine Änderung in den Voraussetzungen zu erwarten ist.

Gemäß § 43 Abs 1. hat das Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen auftretende Änderungen, durch die behördliche Eintragungen im Behindertenpass berührt werden, diese zu berichtigen oder erforderlichenfalls einen neuen Behindertenpass auszustellen. Bei Wegfall der Voraussetzungen ist der Behindertenpass einzuziehen.

Gemäß § 45 Abs. 1 BBG sind Anträge auf Ausstellung eines Behindertenpasses, auf Vornahme einer Zusatzeintragung oder auf Einschätzung des Grades der Behinderung unter Anschluss der erforderlichen Nachweise bei dem Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen einzubringen.

Gemäß § 45 Abs. 2 BBG ist ein Bescheid nur dann zu erteilen, wenn einem Antrag gemäß Abs. 1 nicht stattgegeben, das Verfahren eingestellt (§ 41 Abs. 3) oder der Pass eingezogen wird. Dem ausgestellten Behindertenpass kommt Bescheidcharakter zu.

Da nunmehr ein Grad der Behinderung von 30 vH festgestellt wurde und somit eine Änderung zu dem bisherigen Grad der Behinderung festgestellt werden konnte, war spruchgemäß zu entscheiden.

2.       Zum Entfall einer mündlichen Verhandlung:

Gemäß § 24 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht auf Antrag oder, wenn es dies für erforderlich hält, von Amts wegen eine öffentliche mündliche Verhandlung durchzuführen.

Gemäß § 24 Abs. 2 VwGVG kann die Verhandlung entfallen, wenn

1.       der das vorangegangene Verwaltungsverfahren einleitende Antrag der Partei oder die Beschwerde zurückzuweisen ist oder bereits auf Grund der Aktenlage feststeht, dass der mit Beschwerde angefochtene Bescheid aufzuheben, die angefochtene Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt oder die angefochtene Weisung für rechtswidrig zu erklären ist oder

2.       die Säumnisbeschwerde zurückzuweisen oder abzuweisen ist.

Gemäß § 24 Abs. 3 VwGVG hat der Beschwerdeführer die Durchführung einer Verhandlung in der Beschwerde oder im Vorlageantrag zu beantragen. Den sonstigen Parteien ist Gelegenheit zu geben, binnen angemessener, zwei Wochen nicht übersteigender Frist einen Antrag auf Durchführung einer Verhandlung zu stellen. Ein Antrag auf Durchführung einer Verhandlung kann nur mit Zustimmung der anderen Parteien zurückgezogen werden.

Gemäß § 24 Abs. 4 VwGVG kann, soweit durch Bundes- oder Landesgesetz nicht anderes bestimmt ist, das Verwaltungsgericht ungeachtet eines Parteiantrags von einer Verhandlung absehen, wenn die Akten erkennen lassen, dass die mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten lässt, und einem Entfall der Verhandlung weder Art. 6 Abs. 1 der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten, BGBl. Nr. 210/1958, noch Art. 47 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union, ABl. Nr. C 83 vom 30.03.2010 S. 389 entgegenstehen.

Weiters kann das Verwaltungsgericht gemäß § 24 Abs. 5 VwGVG von der Durchführung (Fortsetzung) einer Verhandlung absehen, wenn die Parteien ausdrücklich darauf verzichten. Ein solcher Verzicht kann bis zum Beginn der (fortgesetzten) Verhandlung erklärt werden.

Maßgebend für die gegenständliche Entscheidung über den Gesamtgrad der Behinderung sind die Art und das Ausmaß der bei der Beschwerdeführerin festgestellten Gesundheitsschädigungen. Zur Klärung des Sachverhaltes wurden daher im Beschwerdeverfahren mehrere ärztliche Sachverständigengutachten sowie Stellungnahmen eingeholt. Wie unter Punkt II.2. bereits ausgeführt, wurden diese als nachvollziehbar, vollständig und schlüssig erachtet. Die erhobenen Einwendungen waren nicht geeignet, relevante Bedenken an den sachverständigen Feststellungen hervorzurufen. Sohin ist der Sachverhalt geklärt und konnte die Durchführung einer mündlichen Verhandlung unterbleiben.

Zu B) Unzulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

Vielmehr hängt die Entscheidung von Tatsachenfragen ab. Maßgebend sind die Art des Leidens und das festgestellte Ausmaß der Funktionsbeeinträchtigungen.

Es handelt sich um eine einzelfallbezogene Beurteilung, welche im Rahmen der von der Rechtsprechung entwickelten Grundsätze vorgenommen worden ist.

Schlagworte

Behindertenpass Grad der Behinderung Neufestsetzung Sachverständigengutachten

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2021:W141.2240800.1.00

Im RIS seit

19.08.2021

Zuletzt aktualisiert am

19.08.2021
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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