TE Lvwg Erkenntnis 2021/7/8 LVwG-2021/44/0738-1

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Veröffentlicht am 08.07.2021
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Entscheidungsdatum

08.07.2021

Index

82/02 Gesundheitsrecht allgemein
40/01 Verwaltungsverfahren

Norm

Verordnung betreffend vorläufige Maßnahmen zur Verhinderung der Verbreitung von COVID-19 BGBl II Nr 96/2020 idf BGBl Nr 130/2020 §3 Abs1;
VStG §45 Abs1 Z1;

Text

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Landesverwaltungsgericht Tirol erkennt durch seinen Richter Mag. Spielmann über die Beschwerde des AA, Adresse 1, **** Z, vertreten durch Rechtsanwalt BB, Adresse 2, **** Z, gegen das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Y vom 10.02.2021, Zl ***, betreffend einer Übertretung nach dem COVID-19-Maßnahmengesetz,

zu Recht:

1.       Der Beschwerde wird Folge gegeben, das angefochtene Straferkenntnis behoben und das Verwaltungsstrafverfahren gemäß § 45 Abs 1 Z  1 VStG eingestellt.

2.       Die ordentliche Revision ist gemäß Art 133 Abs 4 B-VG nicht zulässig.

E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e

I.       Verfahren:

Mit dem angefochtenen Straferkenntnis wurde dem Beschwerdeführer spruchgemäß Folgendes zur Last gelegt:

„Sie, Herr AA, geboren am **.**.****, haben am 07.04.2020 um 21:00 Uhr (Zeitpunkt der Feststellung) als Inhaber einer Betriebsstätte des Unternehmens ‘CC’ in **** Y, Adresse 3, welche eine Betriebsstätte der Betriebsart des Gastgewerbes darstellt, nicht dafür Sorge getragen, dass die Betriebsstätte nicht betreten wird, obwohl das Betreten von Betriebsstätten sämtlicher Betriebsarten der Gastgewerbe als vorläufige Maßnahme zur Verhinderung der Verbreitung von COVID-19, BGBl. Nr. I Nr. 12/2020 i.d.F. BGBl. II Nr. 110/2020 in der Zeit vom 17.03.2020 bis 13.04.2020 untersagt war. Die angeführte Betriebsstätte ist auch nicht unter die in § 3 Abs 2 dieser VO aufgezählten Ausnahmen gefallen.“

Damit habe er gegen § 3 Abs 1 der Verordnung des Bundesministers für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz betreffend vorläufige Maßnahmen zur Verhinderung der Verbreitung von COVID-19, BGBl II Nr 96/2020 idF BGBl II Nr 110/2020, iVm § 9 Abs 1 VStG verstoßen und sei gemäß § 3 Abs 2 COVID-19-Maßnahmengesetz, BGBl I Nr 12/2020, mit einer Geldstrafe in Höhe von Euro 3.000,- (Ersatzfreiheitsstrafe 33 Stunden) zu bestrafen. Außerdem wurde er zur Bezahlung eines Beitrages zu den Kosten des Verfahrens vor der belangten Behörde verpflichtet.

Dagegen richtet sich das fristgerecht erhobene Rechtsmittel an das Landesverwaltungsgericht Tirol.

II.      Erwägungen:

Der Spruch eines Straferkenntnisses hat gemäß §  44a Z 1 VStG die als erwiesen angenommene Tat zu enthalten. Dazu gehört neben der Anführung der Tatzeit und des Tatortes auch die Umschreibung der Tathandlung. Im angefochtenen Straferkenntnis beschränkt sich der Tatvorwurf darauf, dass der Beschwerdeführer am 07.04.2020 um 21:00 Uhr als Inhaber eines Gastgewerbebetriebes in **** Y, Adresse 3, nicht dafür Sorge getragen habe, dass die Betriebsstätte nicht betreten wird.

Nach § 3 Abs 1 der herangezogenen Verordnung war das Betreten von Betriebsstätten sämtlicher Betriebsarten des Gastgewerbes untersagt. Eine Übertretung dieses Verbotes liegt somit nur dann vor, wenn es tatsächlich zu einer Betretung der Betriebsstätte kommt. Dem Beschwerdeführer wurde aber nicht vorgehalten, dass seine Betriebsstätte im Tatzeitpunkt tatsächlich betreten wurde. Die ihm vorgehaltene fehlende Vorsorge alleine bildet noch keine Verwaltungsübertretung. Schon allein aus diesem Grund ist das angefochtene Straferkenntnis zu beheben.

Abgesehen davon hat die belangte Behörde den § 3 der gegenständlichen Verordnung in der Fassung BGBl II Nr 110/2020 zitiert. Tatsächlich war im Tatzeitpunkt am 07.04.2020 aber bereits das BGBl II Nr 130/2020 in Kraft. Mit Erkenntnis vom 01.10.2020, V 405/2020-14, hat der Verfassungsgerichtshof zu Recht erkannt, dass § 3 dieser Verordnung in der Fassung BGBl  II Nr 130/2020 gesetzwidrig war und nicht mehr anzuwenden ist. Auch aus diesem Grund kommt der Beschwerde Berechtigung zu und ist das Verwaltungsstrafverfahren einzustellen.

Zum Antrag des Beschwerdeführers, der Behörde seine Kosten in Höhe von €  1.052,72 aufzutragen, wird klargestellt, dass im Verwaltungsstrafverfahren der Beschwerdeführer gemäß § 24 VStG iVm §  74 AVG auch im Fall seines Obsiegens die ihm erwachsenen Kosten selbst zu tragen hat.

III.    Unzulässigkeit der ordentlichen Revision:

Aufgrund der Entscheidung des Verfassungsgerichtshofs steht fest, dass das von der Behörde herangezogene Betretungsverbot für den Tatzeitpunkt nicht mehr anzuwenden ist. Somit ist auch die ordentliche Revision unzulässig, da keine Rechtsfrage iSd Art 133 Abs 4 B-VG mehr zu beurteilen war, der grundsätzliche Bedeutung zukommt.

R e c h t s m i t t e l b e l e h r u n g

Soweit die ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof in Wien für zulässig erklärt worden ist, kann innerhalb von sechs Wochen ab dem Tag der Zustellung dieser Entscheidung eine ordentliche Revision erhoben werden. Im Fall der Nichtzulassung der ordentlichen Revision kann innerhalb dieser Frist nur die außerordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden.

Wenn allerdings in einer Verwaltungsstrafsache oder in einer Finanzstrafsache eine Geldstrafe von bis zu Euro 750,00 und keine Freiheitsstrafe verhängt werden durfte und im Erkenntnis eine Geldstrafe von bis zu Euro 400,00 verhängt wurde, ist eine (ordentliche oder außerordentliche) Revision an den Verwaltungsgerichthof wegen Verletzung in Rechten nicht zulässig.

Jedenfalls kann gegen diese Entscheidung binnen sechs Wochen ab der Zustellung Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof, Freyung 8, 1010 Wien, erhoben werden.

Die genannten Rechtsmittel sind von einem bevollmächtigten Rechtsanwalt bzw einer bevollmächtigten Rechtsanwältin abzufassen und einzubringen und es ist eine Eingabegebühr von Euro 240,00 zu entrichten. Die Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof ist direkt bei diesem, die (ordentliche oder außerordentliche) Revision an den Verwaltungsgerichtshof ist beim Verwaltungsgericht einzubringen.

Es besteht die Möglichkeit, für das Beschwerdeverfahren vor dem Verfassungsgerichtshof und für das Revisionsverfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof Verfahrenshilfe zu beantragen. Verfahrenshilfe ist zur Gänze oder zum Teil zu bewilligen, wenn die Partei außerstande ist, die Kosten der Führung des Verfahrens ohne Beeinträchtigung des notwendigen Unterhalts zu bestreiten bzw wenn die zur Führung des Verfahrens erforderlichen Mittel weder von der Partei noch von den an der Führung des Verfahrens wirtschaftlich Beteiligten aufgebracht werden können und die beabsichtigte Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung nicht als offenbar mutwillig oder aussichtslos erscheint.

Für das Beschwerdeverfahren vor dem Verfassungsgerichtshof ist der Antrag auf Verfahrenshilfe innerhalb der oben angeführten Frist beim Verfassungsgerichtshof einzubringen. Für das Revisionsverfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof ist der Antrag auf Verfahrenshilfe innerhalb der oben angeführten Frist im Fall der Zulassung der ordentlichen Revision beim Verwaltungsgericht einzubringen. Im Fall der Nichtzulassung der ordentlichen Revision ist der Antrag auf Verfahrenshilfe beim Verwaltungsgerichtshof einzubringen; dabei ist im Antrag an den Verwaltungsgerichtshof, soweit dies dem Antragsteller zumutbar ist, kurz zu begründen, warum entgegen dem Ausspruch des Verwaltungsgerichtes die Revision für zulässig erachtet wird.

Zudem besteht die Möglichkeit, auf die Revision beim Verwaltungsgerichtshof und die Beschwerde beim Verfassungsgerichtshof zu verzichten. Ein solcher Verzicht hat zur Folge, dass eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof und eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof nicht mehr erhoben werden können.

Landesverwaltungsgericht Tirol

Mag. Spielmann

(Richter)

Schlagworte

Betretungsverbot Gaststätten

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:LVWGTI:2021:LVwG.2021.44.0738.1

Zuletzt aktualisiert am

17.08.2021
Quelle: Landesverwaltungsgericht Tirol LVwg Tirol, https://www.lvwg-tirol.gv.at
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