TE Vwgh Erkenntnis 1997/2/26 96/01/0821

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 26.02.1997
beobachten
merken

Index

10/07 Verwaltungsgerichtshof;

Norm

VwGG §41 Abs1;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Dorner und die Hofräte Dr. Kremla und Dr. Bachler als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Klebel, über die Beschwerde des MG in W, vertreten durch Dr. H, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 9. August 1996, Zl. 4.349.614/1-III/13/96, betreffend Zurückweisung einer Berufung in Angelegenheit Asylgewährung, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 12.770,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Das Mehrbegehren wird abgewiesen.

Begründung

Die belangte Behörde wies die Berufung des Beschwerdeführers gegen den Bescheid des Bundesasylamtes vom 21. Mai 1996 als verspätet zurück. Die Begründung des angefochtenen Bescheides lautet:

"Das Bundesasylamt hat Ihren Antrag auf Asylgewährung vom 14.05.1996, mit Bescheid vom 21.05.1996, Zahl 96 02.837-BAT, abgewiesen.

Gemäß § 63 Absatz 5 AVG beträgt die Frist zur Einbringung der Berufung zwei Wochen ab Zustellung des Bescheides. Aus der bei den Akten befindlichen Empfangsbestätigung ist ersichtlich, daß der Bescheid des Bundesasylamtes durch Hinterlegung zugestellt worden ist. Der letzte Tag für die fristgerechte Einbringung der Berufung wäre somit der 07.06.1996 gewesen. Da die gegenständliche Berufung von Ihnen erst am 12.06.1996 eingebracht worden ist, war spruchgemäß zu entscheiden."

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende, Rechtswidrigkeit seines Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend machende Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z. 2 VwGG gebildeten Senat erwogen hat:

Der Beschwerdeführer hatte zur Rechtzeitigkeit seines Rechtsmittels bereits in der Berufung ausgeführt:

"Ich bin bei der Fa. X in W beschäftigt und von 23.05. bis 31.05.1996 beurlaubt gewesen. Diese Zeit nützte ich, Freunde in Wien zu besuchen, weshalb ich an meiner Meldeadresse keine Post entgegennehmen konnte. Sofort nach Rückkehr am 30.05.1996 fand ich die Benachrichtigung von der erfolgten Hinterlegung und übernahm am 31.05.1996 den Bescheid des Bundesasylamtes Traiskirchen.

Beweis: Bestätigung der Fa. X; PV

Gemäß § 17 (3) ZustellG gilt eine Sendung nicht als zugestellt, wenn sich ergibt, daß der Empfänger wegen Abwesenheit von der Abgabestelle nicht rechtzeitig vom Zustellungsvorgang Kenntnis erlangen konnte. Die Sendung gilt somit am 31.05.1996 als zugestellt."

Dem Rechtsmittel war eine Bestätigung der Fa. X betreffend Urlaub des SG beigelegt.

Nach dem gemäß § 67 AVG auch von der Berufungsbehörde anzuwendenden § 60 leg. cit. sind in der Begründung des Berufungsbescheides die Ergebnisse des Ermittlungsverfahrens, die bei der Beweiswürdigung maßgebenden Erwägungen und die darauf gestützte Beurteilung der Rechtsfrage klar und übersichtlich zusammenzufassen. Demnach muß in der Bescheidbegründung in einer eindeutigen, die Rechtsverfolgung durch die Partei ermöglichenden und einer nachprüfenden Kontrolle durch die Gerichtshöfe des öffentlichen Rechtes zugänglichen Weise dargetan werden, welcher Sachverhalt der Entscheidung zugrunde gelegt wurde, aus welchen Erwägungen die Behörde zu der Ansicht gelangte, daß gerade dieser Sachverhalt vorliege und aus welchen Gründen sie die Subsumtion dieses Sachverhaltes unter einen bestimmten Tatbestand als zutreffend erachtete (vgl. u.a. die hg. Erkenntnisse vom 30. Mai 1985, Zl. 84/08/0047, vom 28. Juni 1988, Zl. 87/11/0066, und vom 26. Juli 1995, Zl. 94/20/0722). Diesen Erfordernissen wird der angefochtene Bescheid insoweit nicht gerecht, als dieser auf das Berufungsvorbringen zur behaupteten Rechtzeitigkeit überhaupt nicht eingeht und auch keine Ausführungen zu der - vom Berufungsvorbringen abweichenden - Urlaubsbestätigung enthält.

Da somit Verfahrensvorschriften außer acht gelassen wurden, bei deren Einhaltung die belangte Behörde zu einem anderen Bescheid hätte kommen können, war der angefochtene Bescheid gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. c VwGG wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.

An dieser Beurteilung ändert auch der Umstand nichts, daß der Beschwerdeführer vor dem Bundesasylamt im Verfahren betreffend den zugleich mit der Berufung eventualiter gestellten Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand am 8. Oktober 1996 - sohin NACH ERLASSUNG des angefochtenen Bescheides - mittels Dolmetsch und in Anwesenheit seines Rechtsvertreters niederschriftlich einvernommen wurde, wobei er angab, die Abgabestelle am 23. Mai 1996 (Tag des ersten Zustellversuches) um ca. 11.00 Uhr verlassen zu haben, wohingegen die Post zwischen 8.00 und 9.00 Uhr komme und er seinen Briefkasten grundsätzlich zwischen 8.00 und 10.00 Uhr entleere. Damit hätte zwar der Beschwerdeführer Kenntnis davon erlangen können, daß ihm ein behördliches Schriftstück zugestellt werden solle, weshalb die Zustellung durch Hinterlegung rechtmäßig gewesen wäre (vgl. die hiezu ergangene hg. ständige Rechtsprechung, beispielsweise wiedergegeben in Hauer-Leukauf, Handbuch des österreichischen Verwaltungsverfahrens5, Seiten 256 und 264 f), doch kann darauf im gegenständlichen Bescheidprüfungsverfahren nicht Rücksicht genommen werden, weil sich die nachprüfende Kontrolle des Verwaltungsgerichtshofes lediglich auf den angefochtenen Bescheid und die zum Zeitpunkt der Erlassung dieses Bescheides vorliegenden Ermittlungsergebnisse beziehen kann.

Hingegen ist das Beschwerdevorbringen verfehlt, daß die belangte Behörde die gegenständliche Entscheidung nur bei gleichzeitiger Entscheidung des gestellten Antrages auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand hätte treffen dürfen. Denn es besteht keine Pflicht der Behörde, im Falle der Verbindung der verspäteten Verfahrenshandlung mit einem Wiedereinsetzungsantrag zuerst über diesen zu entscheiden, sieht man von Fällen ab, in denen dem Wiedereinsetzungsantrag gemäß § 71 Abs. 6 AVG aufschiebende Wirkung zuerkannt wurde (vgl. die in Hauer-Leukauf, Handbuch des österreichischen Verwaltungsverfahrens5, Seite 682 f, wiedergegebene hg. ständige Rechtsprechung).

Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.

Das Mehrbegehren hinsichtlich Schriftsatzaufwand war abzuweisen, weil neben dem pauschalierten Schriftsatzaufwand Umsatzsteuer nicht zusteht (vgl. Dolp, Die Verwaltungsgerichtsbarkeit3, 686). Stempelgebührenersatz war nur in Höhe von S 270,-- (Beschwerde zweifach, angefochtener Bescheid einfach) zuzusprechen.

Schlagworte

Angenommener Sachverhalt (siehe auch Sachverhalt Neuerungsverbot Allgemein und Sachverhalt Verfahrensmängel) Beschwerdepunkt Beschwerdebegehren Entscheidungsrahmen und Überprüfungsrahmen des VwGH Allgemein

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1997:1996010821.X00

Im RIS seit

20.11.2000
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
Zurück Haftungsausschluss Vernetzungsmöglichkeiten

Sofortabfrage ohne Anmeldung!

Jetzt Abfrage starten